Urteil des BVerwG vom 13.07.2015

Versetzung, Urkunde, Wiederholungsgefahr, Überprüfung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 49.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann a.D. …,
…,
…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt …,
… -
Beigeladener:
Herr Hauptmann …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die ehrenamtliche Richterin Oberfeldveterinär Dr. Wolff und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Schicker
am 13. Juli 2015 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Konkurrentenstreit um den nach Besoldungs-
gruppe A 12 bewerteten Dienstposten Hubschrauberführeroffizier und … bei
der … in B.
Der 1968 geborene Antragsteller war Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des militärfachlichen Dienstes des Heeres in der Heeresfliegertruppe. Seine
Dienstzeit endete vorzeitig mit Ablauf des 30. Juni 20… Er war am 30. Juli 2004
zum Hauptmann ernannt und mit Wirkung vom 1. Juli 2004 in eine Planstelle
der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen worden. Vor seiner Versetzung in den
Ruhestand war er zuletzt seit dem 1. Oktober 2010 auf einem nach Besol-
dungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten im Bereich … der … in B. einge-
setzt.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 hatte das Personalamt der Bundeswehr
dem Antragsteller mitgeteilt, dass ihn die Personalauswahlkonferenz "Zukunfts-
personal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches Personal" im Jahr 2012 im
Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleich und unter Berücksichtigung
der strukturellen Rahmenbedingungen nicht zum Zukunftspersonal der Heeres-
fliegertruppe - Fliegerischer Dienst - beraten habe. Ausschlaggebend für diese
Entscheidung war der Umstand, dass der Antragsteller nicht über die erforderli-
che Tropendienstverwendungsfähigkeit verfügt. Den gegen diese Entscheidung
nach erfolglosem Beschwerdeverfahren gestellten Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung hat der Senat mit Beschluss vom 6. Februar 2014 - 1 WB 35.13 -
zurückgewiesen.
Zum 1. Mai 20.. wurde der nach Besoldungsgruppe A 12 bewertete Dienstpos-
ten Hubschrauberführeroffizier und … bei der … mit dem Beigeladenen besetzt.
Mit Schreiben vom 27. Mai 20.. legte der Antragsteller Beschwerde dagegen
ein, dass er bei dieser Dienstpostenbesetzung nicht berücksichtigt worden sei.
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Er führte aus, dass seine Nichtzuordnung zu dem Personal, das fliegerisch ein-
gesetzt werden solle, nicht den Ausschluss von weiteren Förderungen (auch
auf Dienstposten mit der Verpflichtung zum Flugdienst) bedeute.
Die Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit Be-
scheid vom 3. September 20.. zurück. Zur Begründung legte es dar, dass der
Antragsteller keinen Anspruch auf Mitbetrachtung im Auswahlverfahren habe,
weil er das für den strittigen Dienstposten wesentliche Eignungsmerkmal, die
Ausbildung auf dem Luftfahrzeugmuster EC 135, nicht aufweise. Darüber hin-
aus fehle ihm die gesundheitliche Eignung für den Dienstposten. Bei dem
Dienstposten handele es sich um einen fliegerischen Dienstposten, für den
grundsätzlich eine vollumfängliche Wehrfliegerverwendungsfähigkeit notwendig
sei. Nach der ärztlichen Begutachtung vom 5. Oktober 2012 sei der Antragstel-
ler nicht vollumfänglich wehrfliegerverwendungsfähig.
Gegen diese ihm am 22. September 20.. eröffnete Entscheidung hat der An-
tragsteller am 20. Oktober 20.. die Entscheidung des Bundesverwaltungsge-
richts beantragt. Den Antrag hat das Bundesministerium der Verteidi-
gung - R II 2 - mit seiner Stellungnahme vom 22. Oktober 20.. dem Senat vor-
gelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens hat der Antragsteller im We-
sentlichen vorgetragen:
Er bestreite, dass grundsätzlich eine vollumfängliche Wehrfliegerverwendungs-
fähigkeit für den strittigen Dienstposten erforderlich sei. Dies erschließe sich
insbesondere deshalb nicht, weil die Einheitsführertätigkeit regelmäßig weit
überwiegend eine administrative Aufgabe darstelle. Im Übrigen sei die Auspla-
nung des von ihm angestrebten Dienstpostens als vollfliegerischer Dienstpos-
ten mit einer Qualifikation auf dem Luftfahrzeugmuster EC 135 inhaltlich in kei-
ner Weise begründet.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 16. Januar 2015 beantragt,
1.
unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung des
Bundesministeriums der Verteidigung vom
3. September 2014, mit welcher seine Bewerbung
um den Dienstposten Hubschrauberführeroffizier und
… bei der …, in B. abgelehnt worden ist, die Bundes-
republik Deutschland zu verpflichten, über die Beset-
zung dieses Dienstpostens unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
2.
festzustellen, dass die Ablehnung seiner Bewerbung
für den im Antrag zu 1. bezeichneten Dienstposten
rechtswidrig sei und er daher anstelle des Beigela-
denen auf diesen Dienstposten seit dem 1. Juli 2014
zu versetzen gewesen sei.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Verteidigung ist dem Antrag unter Bezugnahme auf
den Inhalt seines Beschwerdebescheids entgegengetreten.
Mit Schreiben vom 10. Juni 20.. hatte der Antragsteller seine vorzeitige Verset-
zung in den Ruhestand gemäß § 2 Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungs-
gesetz zum Juni 20.. beantragt. Mit Urkunde des Präsidenten des Bundesamtes
für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 18. März 20.. ist der An-
tragsteller antragsgemäß mit Ablauf des 30. Juni 20.. in den Ruhestand versetzt
worden. Diese Urkunde und die entsprechende Zurruhesetzungsverfügung vom
18. März 20.. sind dem Antragsteller gegen Empfangsbekenntnis am 26. März
20.. ausgehändigt worden.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 6. Juli 20.. hat der Antragsteller
erklärt, das Verfahren nach seiner Versetzung in den Ruhestand ausschließlich
mit dem Antrag zu 2. fortsetzen zu wollen. Ihm stehe ein Fortsetzungsfeststel-
lungsinteresse zu. Für ihn sei es nach wie vor von Bedeutung, dass ihm das
Bundesministerium der Verteidigung die Chance auf eine Planstelle der Besol-
dungsstufe A 12 in der konkret angestrebten Position verwehrt habe. Er hätte
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seine Entlassung aus dem Wehrdienstverhältnis nicht beantragt, wenn er an-
stelle des Beigeladenen auf den in Rede stehenden Dienstposten versetzt und
in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen worden wäre. Seine
materielle Anspruchsberechtigung für den Feststellungsantrag sei aus seiner
Sicht gegeben. Für ihn stehe außer Frage, dass die Kriterien für die Dienstpos-
tenbesetzung aufgrund sachfremder, willkürlicher Erwägungen festgelegt wor-
den seien.
Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Ver-
teidigung - R II 2 - 275/13 und 1210/14, der Vorgang des Bundesministeriums
der Verteidigung zur Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand und die
Gerichtsakten des Verfahrens BVerwG 1 WB 35.13 haben dem Senat bei der
Beratung vorgelegen.
II
Die Fortführung des Wehrbeschwerdeverfahrens wird nicht dadurch berührt,
dass das Dienstverhältnis des Antragstellers durch seine Versetzung in den
Ruhestand mit Ablauf des 30. Juni 20.. beendet ist (§ 15 WBO).
Der vom Antragsteller zuletzt gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 19
Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) ist unzulässig. Der
Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Der zuerst gestellte, nunmehr nicht weiter verfolgte Verpflichtungsantrag (Neu-
bescheidungsantrag zu 1) hat sich mit dem Wirksamwerden der Versetzung
des Antragstellers in den Ruhestand mit Ablauf des 30. Juni 20.. erledigt. Eine
neue Auswahlentscheidung und gegebenenfalls eine anschließende Verset-
zung des Antragstellers auf den von ihm angestrebten Dienstposten sind seit-
dem rechtlich und tatsächlich nicht mehr möglich.
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Bei einer derartigen Sachlage das Rechtsschutzbegehren mit dem Fortset-
zungsfeststellungsantrag weiterzuführen, dass die erledigte truppendienstliche
Maßnahme bzw. deren Ablehnung rechtswidrig ist, kann dann zwar gemäß § 19
Abs. 1 Satz 3 WBO unter der Voraussetzung eines berechtigten Feststellungs-
interesses grundsätzlich zulässig sein.
Auf die Frage, ob ein derartiges Feststellungsinteresse des Antragstellers vor-
liegt, kommt es hier aber nicht an. Denn der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist
schon deshalb unzulässig, weil der ihm vorgeschaltete Verpflichtungsantrag im
Zeitpunkt der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens unzulässig war.
Da ein Fortsetzungsfeststellungsantrag systematisch unmittelbar mit dem ihm
vorgeschalteten Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag verbunden ist, müssen
für seine Zulässigkeit alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sein, die für den
Anfechtungs- oder den Verpflichtungsantrag vorgeschrieben sind. Der Fortset-
zungsfeststellungsantrag nach § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO schließt im Anfech-
tungs- oder im Verpflichtungsrechtsstreit an die Verfahrenslage an, die bis zur
Erledigung der angefochtenen Maßnahme bzw. Ablehnungsentscheidung ge-
schaffen wurde. Infolge der Erledigung der Maßnahme kann der jeweilige An-
tragsteller prozessual nicht dadurch in eine bessere Position gelangen, dass er
nunmehr auf einen Feststellungsantrag übergeht. Hätte der Anfechtungs- oder
Verpflichtungsantrag ohne Prüfung der materiellen Rechtslage zurückgewiesen
werden müssen, kann diese Prüfung nicht durch einen Übergang zum Fortset-
zungsfeststellungsantrag erreicht werden (so die ständige Rechtsprechung zur
Parallelvorschrift in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO; vgl. bereits BVerwG, Urteil vom
5. Juni 1974 - VIII C 1. 74 - =
juris Rn. 12, Bayrischer VGH, Urteil vom 17. November 1980 - 89 XXII 78 - juris
Orientierungssatz; vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113,
Rn. 118 m.w.N.; Eyermann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113, Rn. 69
m.w.N., 97).
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Dem Antragsteller fehlte bereits seit dem 26. März 20.. für seinen Verpflich-
tungsantrag das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, das eine Sachentschei-
dungsvoraussetzung für das gerichtliche Antragsverfahren nach § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) darstellt (vgl.
Dau, WBO, 6. Aufl. 2013, § 17, Rn. 41). An diesem Tag hat er die vom Bundes-
amt für das Personalmanagement der Bundeswehr - auf seine Interessenbe-
kundung hin - am 18. März 20.. erlassene Verfügung über seine vorzeitige Ver-
setzung in den Ruhestand nach § 2 Streitkräftepersonalstruktur-Anpas-
sungsgesetz und die entsprechende Ruhestands-Urkunde vom 18. März 20.. in
Empfang genommen. Er hat die Entgegennahme dieser Urkunde und der
Zurruhesetzungsverfügung nicht unter Hinweis auf die noch ausstehende ge-
richtliche Entscheidung seines anhängigen Konkurrentenstreitverfahrens ver-
weigert und auch nicht um Verschiebung der Aushändigung bis zu einer ent-
sprechenden gerichtlichen Klärung gebeten. Er hat insoweit keine Vorbehalte
oder Einschränkungen formuliert, sondern das Empfangsbekenntnis unter-
zeichnet. Damit hat er am 26. März 20.. eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass
er kein Interesse mehr an dem strittigen Dienstposten hat sowie daran, die
Auswahlentscheidung einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen und eine
Neubescheidung seines diesbezüglichen Versetzungsbegehrens zu erreichen.
Das Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag zu 1. war damit entfallen. Daraus
folgt die Unzulässigkeit seines Fortsetzungsfeststellungsantrags auch bezüglich
der angestrebten Feststellung, dass er selbst anstelle des Beigeladenen auf
den strittigen Dienstposten zu versetzen gewesen wäre.
Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass dem Antragsteller nach
dem Wirksamwerden seiner Versetzung in den Ruhestand das gemäß § 19
Abs. 1 Satz 3 WBO erforderliche Feststellungsinteresse nicht zusteht.
Dieses Feststellungsinteresse kann sich nach der Rechtsprechung des Senats
aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus
der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, so-
fern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Ein berechtigtes
Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme
eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht. Das
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Feststellungsinteresse muss der jeweilige Antragsteller substantiiert geltend
machen (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - 1 WB
14.03 - BVerwGE 119, 341 und vom 26. Juli 2011 - 1 WB 13.11 - Rn. 19).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Eine rehabilitierungsbedürftige diskriminierende Wirkung lässt sich der ange-
fochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Auch Aspekte einer Wiederholungs-
gefahr sind mit dem Wirksamwerden der Versetzung des Antragstellers in den
Ruhestand nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller geltend macht, das Fest-
stellungsinteresse sei gegeben, wenn die gerichtlichen Feststellungen der Vor-
bereitung eines Amtshaftungsprozesses dienen können, hat er lediglich einen
abstrakten Obersatz formuliert. Er hat aber nichts dazu dargelegt, dass er
selbst einen solchen Prozess eingeleitet habe oder zeitnah beabsichtige. Eine
fortwirkende Grundrechtsbeeinträchtigung als Folge der erledigten Maßnahme
kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil sich der Schutzbereich der insoweit in
Erwägung zu ziehenden Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG
nicht auf das Innehaben eines bestimmten (militärischen) Dienstpostens er-
streckt.
Der Senat sieht davon ab, den Antragsteller mit Verfahrenskosten zu belasten,
weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht
erfüllt sind.
Der Beigeladene trägt seine ihm in diesem Verfahren entstandenen Aufwen-
dungen selbst, weil er keinen eigenen Antrag gestellt hat.
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