Urteil des BVerwG vom 27.02.2014

Subjektives Recht, Erhaltung, Soldat, Zufall

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 48.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Major …,
…,
- Bevollmächtigte:
Anwaltskanzlei …
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Görtz und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Neumeyer
am 27. Februar 2014 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt seine Zuordnung zum „Zukunftspersonal der Heeres-
fliegertruppe - Fliegerischer Dienst -“ sowie den Fortbestand seiner Verpflich-
tung zur fliegerischen Inübunghaltung.
Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des Truppendienstes des Heeres in der Heeresfliegertruppe. Seine Dienstzeit
wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 20.. enden. Er wurde am
24. November 2008 zum Major ernannt. Seit dem 1. April 2008 wird er bei der
… Abteilung … in R. auf einem Dienstposten Hubschrauberführerstabsoffizier
… verwendet. Er war dort zunächst als Schwarmführer eingesetzt und wird seit
dem 1. März 2011 als Einsatzstabsoffizier verwendet.
Mit Info-Brief vom 13. Juli 2012 „zur Entpflichtung von Luftfahrzeugführern und
Besatzungsangehörigen im Heer“ unterrichtete der Inspekteur des Heeres die
Angehörigen der Heeresfliegertruppe darüber, dass die Verkleinerung und Um-
strukturierung der Heeresfliegertruppe und die Ausrichtung der künftigen Ein-
satzbedarfe am neuen Fähigkeitsprofil des Heeres mit einer Reduzierung der
Zahl der Waffensysteme einhergehen werde. Es würden daher zukünftig weni-
ger Besatzungen benötigt. Ebenso werde es Reduzierungen in den betroffenen
Ausbildungs- und Verwendungsreihen und in deren Regeneration geben. Bei
der Nutzung der kostbaren Flugstunden müsse die Inübunghaltung auf den un-
abweisbaren und geringeren Kernbedarf der neuen Struktur ausgerichtet wer-
den. Eine Konsequenz der Umstrukturierung werde sein, dass etliche Besat-
zungen der Verbände in andere nicht-fliegende Verwendungen überführt wer-
den müssten und ein Teil der Inübunghalter ihre Erlaubnisse und Berechtigun-
gen verlieren würden.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 teilte das Personalamt der Bundeswehr
dem Antragsteller mit, dass er in der Personalauswahlkonferenz „Zukunftsper-
sonal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches Personal“ im Jahr 2012 im Eig-
nungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleich und unter Berücksichtigung der
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strukturellen Rahmenbedingungen betrachtet und als „Reservepersonal fliegeri-
scher Dienst“ beraten worden sei. Diese Zuordnung stelle ab sofort die Grund-
lage für seine weitere Verwendungsplanung innerhalb oder außerhalb der Hee-
resfliegertruppe und im fliegerischen Dienst dar. Dieser Bescheid wurde dem
Antragsteller gegen Empfangsbekenntnis am 29. November 2012 eröffnet.
Mit weiterem Bescheid vom 7. März 2013 teilte das Personalamt dem Antrag-
steller mit, der General der Heeresfliegertruppe habe im Rahmen der aktuellen
Maßnahmen zur Neuausrichtung der Streitkräfte, der damit verbundenen Redu-
zierung des Personalkörpers der Heeresfliegertruppe sowie der Entwicklung der
verfügbaren Flugstunden für die zukunftsfähigen Hubschraubermuster
NH 90/TIGER entschieden, dass der Antragsteller grundsätzlich ab dem 1. Juni
2013 zu entpflichten sei. Mit Rücksicht auf eine beantragte Ausnahmegenehmi-
gung und auf die diesbezüglich festgestellte dienstliche Notwendigkeit werde
von der Entpflichtung des Antragstellers zunächst, längstens bis zum 31. Okto-
ber 2013 abgesehen. Bei Wegfall der dienstlichen Notwendigkeit werde der An-
tragsteller entpflichtet und dazu gegebenenfalls ein gesondertes Schreiben er-
halten.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. April 2013, bei der … Abteilung
… - S 1 - eingegangen am 11. April 2013, legte der Antragsteller gegen das mit
Schreiben des Personalamts vom 31. Oktober 2012 eröffnete Ergebnis der
Personalauswahlkonferenz „Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe - Fliege-
risches Personal“ und gegen die Anordnung der Entpflichtung zur Erhaltung der
Erlaubnis und der Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr
ZDv 19/11 Beschwerde ein.
Mit Beschwerdebescheid vom 29. Juli 2013 wies der Bundesminister der Ver-
teidigung - R II 2 - die Beschwerde insgesamt als unzulässig zurück. Er führte
zur Begründung aus, dass das Ergebnis der Auswahlkonferenz „Zukunftsper-
sonal der Heeresfliegertruppe“ lediglich eine vorbereitende und deshalb nicht
selbstständig anfechtbare Maßnahme darstelle; außerdem sei die Beschwerde
des Antragstellers insoweit verfristet. Hinsichtlich der Entpflichtungsentschei-
dung fehle es an einem subjektiven Recht des Antragstellers, aufgrund dessen
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er verlangen könne, weiterhin zur fliegerischen Inübunghaltung verpflichtet zu
werden. Im dienstaufsichtlichen Teil des Beschwerdebescheids bekräftigte der
Bundesminister der Verteidigung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Be-
scheide.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevoll-
mächtigten vom 19. August 2013 die Entscheidung des Bundesverwaltungsge-
richts beantragt. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag
zusammen mit seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2013 dem Senat vorge-
legt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbe-
sondere vor:
Seine Beschwerde vom 9. April 2013 gegen den Bescheid des Personalamts
vom 31. Oktober 2012 sei nicht verfristet, weil dem Bescheid keine Rechtsbe-
helfsbelehrung beigefügt gewesen sei. Damit liege ein unabwendbarer Zufall im
Sinne des § 7 WBO vor. Den Info-Brief des Inspekteurs des Heeres vom
13. Juli 2012 habe er nicht erhalten. Er sei nicht darüber aufgeklärt worden,
welche Bedeutung und welche Tragweite der Zuordnung oder Nichtzuordnung
zum Zukunftspersonal zukämen. Auch sein Kommandeur, Oberst R., habe ihm
nicht erläutern können, welche Konsequenzen es nach sich ziehe, zum Zu-
kunfts-, Reserve- oder Nichtzukunftspersonal beraten worden zu sein. Einzel-
heiten dazu habe er erst bei einer Informationsveranstaltung am 19. März 2013
erfahren. In der Sache sei die Beratung in der Personalauswahlkonferenz „Zu-
kunftspersonal“ nach Maßgabe des dort zugrundegelegten Kriterienkatalogs
rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Über den Kriterienkatalog sei
er erstmals bei Eröffnung der Entpflichtungsentscheidung informiert worden. In
diesem Katalog werde allein auf die Befähigung, nicht jedoch auf Eignung und
Leistung abgestellt; nur bei Überhängen im Geburtsjahrgang sei offenbar eine
Einzelbetrachtung nach Eignung, Befähigung und Leistung durchgeführt wor-
den. Die Beratung nach einem vorab festgelegten strukturellen Bedarf nach
Geburtsjahrgängen stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. In der
Auswahlentscheidung seien die Grundsätze der „GAIP“ des Bundesamtes für
das Personalmanagement der Bundeswehr - Abteilung IV - vom 1. Dezember
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2012 nicht beachtet worden. Darin werde u.a. geregelt, dass es mit dem
Grundsatz der Bestenauslese unvereinbar sei, einen Soldaten oder eine Solda-
tin von einer Förderung nur deshalb auszuschließen, weil er oder sie einem be-
stimmten Geburtsjahrgang angehörten oder weil eine Jahrgangsquote bereits
ausgeschöpft sei. Nach diesen Grundsätzen dürften auch Strukturüberlegungen
nicht dazu führen, dass ein besser geeigneter Soldat unberücksichtigt bleibe.
Überdies seien Auswahlentscheidungen stets zu dokumentieren. Vor allem sei
ein Abweichen von der Reihenfolge, die sich aus den rechenbaren Beurtei-
lungsergebnissen ergebe, nachvollziehbar zu begründen. Ihm sei unerklärlich,
wie er mit einer Gesamtnote von 7,7 in seiner letzten Beurteilung nicht als Zu-
kunftspersonal habe betrachtet werden können, während ein Bewerber aus
dem Geburtsjahrgang 19.. mit einer Gesamtnote von 6,0 als Zukunftspersonal
betrachtet worden sei.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Ver-
teidigung vom 29. Juli 2013 aufzuheben,
den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, ihn,
den Antragsteller, dem Zukunftspersonal Heeresflieger-
trupppe Fliegerischer Dienst zuzuordnen und
den Bundesminister der Verteidigung ferner zu verpflich-
ten, ihn, den Antragsteller über den 1. November 2013 hi-
naus zur Erhaltung der Erlaubnis und der Berechtigungen
im fliegerischen Dienst der Bundeswehr nach ZDv 19/11
zu verpflichten.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf die Gründe seiner Beschwerdeentscheidung
und legt ergänzend dar, dass die vom Antragsteller zitierte Richtlinie des Bun-
desamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr für die Personalfüh-
rung der Unteroffiziere und Mannschaften erlassen worden sei. Für den Antrag-
steller als Offizier entfalte diese Richtlinie keine Wirkung.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung
- R II 2 - Az.: …/13 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile
A - D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Soweit der Antragsteller seine Zuordnung zum „Zukunftspersonal der Hee-
resfliegertruppe - Fliegerischer Dienst“ begehrt, steht dem jedenfalls die Be-
standskraft des Bescheids des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Oktober
2012 entgegen. Mit diesem Bescheid ist dem Antragsteller das Ergebnis der
Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches
Personal“ eröffnet worden.
Es kann vorliegend offenbleiben, ob die Ergebnisse der Personalauswahlkonfe-
renz „Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches Personal“, wenn
sie - wie im Fall des Antragstellers - die Zuordnung zum „Reservepersonal flie-
gerischer Dienst“ feststellen, dienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1
Satz 1, Abs. 3 Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO)
darstellen (bejahend für die Zuordnung zum „Nicht-Zukunftspersonal“ Be-
schluss vom 6. Februar 2014 - BVerwG 1 WB 35.13 - Rn. 22 ff.) oder ob sie
- ähnlich wie die Ergebnisse von Perspektivkonferenzen und die Zuerkennung
einer individuellen Förderperspektive (vgl. hierzu z. B. Beschluss vom 28. April
2009 - BVerwG 1 WB 20.09 - Rn. 13 ff m.w.N.) - gerichtlich nicht selbstständig
anfechtbar sind, weil sie als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungs-
bildung im Rahmen der Vorbereitung von Personalentscheidungen noch nicht
unmittelbar die Rechte eines Soldaten berühren.
Nimmt man - mit dem Bundesminister der Verteidigung - letzteres an, wäre der
Antrag insoweit bereits unzulässig, weil das Verpflichtungsbegehren auf keine
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dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO und damit auf
keinen geeigneten Antragsgegenstand gerichtet ist.
Geht man andererseits davon aus, dass die Ergebnisse der Auswahlkonferenz,
wenn sie die Zuordnung zum „Reservepersonal fliegerischer Dienst“ feststellen,
anfechtbare dienstliche Maßnahmen sind, ist der Antrag unbegründet, weil der
Bescheid des Personalamts vom 31. Oktober 2012 mangels rechtzeitiger Be-
schwerdeeinlegung durch den Antragsteller unanfechtbar geworden ist.
Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht
und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerde-
führer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Der Bescheid des
Personalamts vom 31. Oktober 2012 ist dem Antragsteller gegen Empfangsbe-
kenntnis am 29. November 2012 eröffnet worden; der Antragsteller hat damit an
diesem Tag Kenntnis von dem Beschwerdeanlass erhalten. Seine Beschwerde
vom 9. April 2013, die am 11. April 2013 bei seinem Disziplinarvorgesetzten
einging, ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 6 Abs. 1 WBO eingelegt.
Der Fristablauf wird auch nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7
WBO als unabwendbarer Zufall zu werten sind. Insbesondere bedurfte der Be-
scheid des Personalamts als truppendienstliche Erstmaßnahme nach ständiger
Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 13. April 2011 - BVerwG
1 WB 45.10 - Rn. 20 und vom 29. Januar 2013 - BVerwG 1 WB 5.12 - Rn. 39)
keiner Rechtsbehelfsbelehrung (§ 7 Abs. 2 WBO). Der Rechtsbehelf der Be-
schwerde und die dafür geltende Frist des § 6 Abs. 1 WBO können bei allen
Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden (stRspr, vgl. Beschluss vom
20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 38.08 - Rn. 31
Buchholz 450.1 § 7 WBO Nr. 5> m.w.N.). Im Übrigen stellt eine unrichtige
Rechtsauffassung oder mangelnde Rechtskenntnis in aller Regel keinen unab-
wendbaren Zufall im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO dar (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl.
2009, § 7 Rn. 12 mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen; zur parallelen
Vorschrift des § 60 Abs. 1 VwGO vgl. etwa Beschluss vom 7. Oktober 2009
- BVerwG 9 B 83.09 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 266 m.w.N.).
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Als unabwendbarer Zufall im Sinne von § 7 WBO ist schließlich nicht zu werten,
dass dem Antragsteller, wie er behauptet, die volle Tragweite der Entscheidung
über die Zuordnung zum „Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe - Fliegeri-
sches Personal“ nicht bewusst gewesen sei; insoweit hätte er, zumal bei einer
förmlich gegen Empfangsbekenntnis eröffneten Mitteilung des Personalamts,
ggf. Anlass zur Nachfrage und Erläuterung durch seine Vorgesetzten oder
durch die personalbearbeitende Stelle gehabt. Im Übrigen ist davon auszuge-
hen, dass die laufende Umstrukturierung der Heeresfliegertruppe und die damit
verbundene Notwendigkeit von Veränderungen in der Verwendung der Sol-
daten allen Angehörigen der Heeresfliegertruppe in den für eine Einschätzung
der persönlichen Betroffenheit erforderlichen Grundzügen durchaus bekannt ist.
2. Soweit der Antragsteller außerdem die Verpflichtung des Bundesministers
der Verteidigung begehrt, ihn über den 1. November 2013 hinaus zur Erhaltung
der Erlaubnis und der Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr
zu verpflichten, fehlt ihm für diesen - formal sachgerechten und statthaften -
Antrag die Antragsbefugnis. Insoweit ist der Antrag auf gerichtliche Entschei-
dung deshalb unzulässig.
Nach der Rechtsprechung des Senats erfolgt die einen Soldaten verpflichtende
Anordnung zur fliegerischen Inübunghaltung ausschließlich im dienstlichen Inte-
resse; der Soldat hat kein geschütztes subjektives Recht auf Fortdauer seiner
Verpflichtung zur fliegerischen Inübunghaltung (vgl. - auch zum gesamten Fol-
genden - Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - BVerwG 1 WB 6.11 - Buchholz
450.1 § 17 WBO Nr. 81 Leitsatz und Rn. 16 ff., vom 26. Juni 2012 - BVerwG
1 WB 42.11 - Rn. 19 ff. und vom 17. Juli 2012 - BVerwG 1 WB 56.11 -
Rn. 29 ff.).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein
Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung sei-
ner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegen-
über zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts
des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.
Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung dient damit dem
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individuellen, subjektiven Rechtsschutz des Soldaten; es ist kein Instrument
einer objektiven Rechtskontrolle oder einer allgemeinen Aufsicht über die Bun-
deswehr. Der Soldat kann nur ein ihm persönlich zustehendes Recht („sein
Recht“) bzw. eine Verletzung ihm persönlich dienender Pflichten („Pflichten …
ihm gegenüber“) geltend machen (vgl. Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG
1 WB 39.10 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 79 Rn. 17 = NZWehrr 2012, 33).
Dem Antragsteller steht ein derartiges subjektives Recht, vom Bundesminister
der Verteidigung oder von der zuständigen personalbearbeitenden Stelle zu
verlangen, ihn zur Inübunghaltung im Sinne des Erlasses „Verpflichtung zur
Erhaltung der Erlaubnisse und Berechtigungen im Fliegerischen Dienst der
Bundeswehr“ vom 26. Juni 2008 (BMVg Fü S I 1-Az 19-02-08 -; VMBl 2008,
142) zu verpflichten, nicht zu. Ebenso besteht kein Anspruch auf ermessensfeh-
lerfreie Entscheidung.
Die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung oder der von ihm be-
auftragten zuständigen personalbearbeitenden Stelle, ob und in welchem zeitli-
chen oder inhaltlichen Umfang ein Soldat zur Erhaltung der Erlaubnisse und
Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr (Inübunghaltung) ver-
pflichtet werden soll, beruht auf der Organisations- und Planungshoheit des
Bundesministers der Verteidigung. Diese Organisations- und Planungshoheit
erstreckt sich auch auf die Feststellung des militärischen Bedarfs, der seiner-
seits an dem sich aus Art. 87a GG ergebenden Gebot zu orientieren ist, das
Gefüge der Streitkräfte so zu gestalten, dass sie ihren militärischen Aufgaben
gewachsen sind (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 -
BVerfGE 28, 36; BVerwG, Beschlüsse vom 19. Mai 1981 - BVerwG 1 WB
123.79 - BVerwGE 73, 182 <184> und vom 18. November 1997 - BVerwG
1 WB 33.97 -). Die Frage, ob für die (weitere) fliegerische Inübunghaltung eines
Soldaten eine dienstliche Notwendigkeit unter Berücksichtigung des militäri-
schen Bedarfs besteht, beruht auf planerisch-organisatorischen Gesichtspunk-
ten und damit weitgehend auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen, bei
denen auch haushaltsrechtliche Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
zu beachten sind. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen sind nach ständiger
Rechtsprechung des Senats einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl.
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z.B. Beschlüsse vom 16. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 39.96 - und vom 4. No-
vember 2004 - BVerwG 1 WB 28.04 - m.w.N.).
In Konkretisierung seiner diesbezüglichen Organisations- und Planungshoheit
hat das Bundesministerium der Verteidigung in Nr. 1 und Nr. 2 des Erlasses
vom 26. Juni 2008 festgelegt, dass die Verpflichtung zur fliegerischen Inübung-
haltung für Luftfahrzeugführer, Waffensystemoffiziere und Luftfahrzeugopera-
tionsoffiziere in Betracht kommt und von der dienstlichen Notwendigkeit ab-
hängt, die entsprechenden fliegerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erhal-
ten, bzw. an dem Erfordernis einer sachgerechten Erfüllung der Aufgaben auf
dem jeweiligen Dienstposten zu orientieren ist. Die Anordnung der fliegerischen
Inübunghaltung erfolgt demnach ausschließlich im dienstlichen Interesse und
nicht im Interesse des betroffenen Soldaten. Es besteht mithin kein geschütztes
subjektives Recht eines Soldaten, die Aufhebung der Anordnung einer fliegeri-
schen Inübunghaltung in Frage zu stellen oder eine erneute Anordnung dieses
Inhalts vom Bundesminister der Verteidigung zu verlangen. Ein derartiges
Recht folgt weder aus persönlichen noch aus wirtschaftlichen Aspekten, etwa
aus dem Interesse, eine einmal erworbene Befähigung wie den Militärflugzeug-
führerschein behalten zu können. Die dem Antragsteller fehlende Antragsbe-
fugnis lässt sich auch nicht durch den Wegfall von mit dem Flugdienst verbun-
denen Zulagenberechtigungen begründen. Bei diesen handelt es sich lediglich
um Reflexwirkungen zugunsten des Soldaten, die kein subjektives Recht im
Hinblick auf die strittige fliegerische Inübunghaltung begründen.
3. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf das umfangreiche
Vorbringen des Antragstellers zur materiellen Rechtmäßigkeit der angefochte-
nen Entscheidungen nicht an.
Dr. von Heimburg Dr. Frentz Dr. Langer
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