Urteil des BVerwG vom 26.05.2009

Vorbehalt des Gesetzes, Grundsatz der Öffentlichkeit, Slv, Schutz der Persönlichkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 48.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Rau und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Eichhorn
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Mai 2009 beschlossen:
Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom
14. Juni 2007 und die Beschwerdebescheide des Ständi-
gen Vertreters des Präsidenten des Amtes ... vom 31. Juli
2007 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom
9. Oktober 2007 werden aufgehoben.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
- 2 -
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen eine planmäßige Beurteilung. Er sieht sich
vor allem durch die Anwendung der Richtwertvorgaben, die durch die im Januar
2007 in Kraft getretenen neuen Beurteilungsbestimmungen eingeführt wurden,
in seinen Rechten verletzt.
Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraus-
sichtlich am 30. November 2022. Zum Oberstleutnant wurde er mit Wirkung
vom 1. Oktober 2000 ernannt und mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Der Antragsteller war vom
1. August 2003 bis 30. September 2007 auf dem Dienstposten eines ...-
Stabsoffiziers und Dezernatsleiters beim Amt ... in K. eingesetzt. Seit dem
1. Oktober 2007 wird er als Dezernatsleiter beim Amt ... in M. verwendet.
Seine letzte planmäßige Beurteilung nach den „Bestimmungen über die Beur-
teilungen der Soldaten der Bundeswehr“ vom 13. Mai 1998 (ZDv 20/6 a.F.) hat-
te der Antragsteller zum Vorlagetermin 30. September 2005 erhalten. In der
Beurteilung vom 13. Juli 2005 bewertete der Leiter der Abteilung ... des
...Amtes nach der damals siebenstufigen Skala die Leistungen des Antragstel-
lers im Beurteilungszeitraum (Vordruck A, Abschnitt F) bei zwölf Einzelmerkma-
len mit der Wertungsstufe „6“ (Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforde-
rungen) und bei vier Einzelmerkmalen mit der Wertungsstufe „7“ (Leistungen
überragen in außergewöhnlichem Maß die Anforderungen );
hieraus ergab sich ein Durchschnittswert von 6,25.
Unter dem 17. Januar 2007 erließ das Bundesministerium der Verteidigung
neue „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr“ (ZDv 20/6), die die bisherigen Bestimmungen vom Mai 1998 er-
setzten. Der Hauptteil der planmäßigen Beurteilung gliedert sich nach dem
neuen Erlass in die drei Abschnitte „Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstpos-
ten“ (Vordruck A, Abschnitt 3; entspricht der Funktion nach dem früheren Ab-
1
2
3
4
- 3 -
schnitt F „Leistungen im Beurteilungszeitraum“), „Persönlichkeitsprofil“ (Vor-
druck A, Abschnitt 4; entspricht den früheren Abschnitten G „Eignung und Be-
fähigung“ und H „Herausragende charakterliche Merkmale usw.“) sowie „Ver-
wendung“ (Vordruck A, Abschnitt 5; entspricht dem früheren Abschnitt I „Ver-
wendungshinweise“).
Eine wesentliche Neuerung gegenüber den bisherigen Beurteilungsbestimmun-
gen stellt die Einführung verbindlicher Richtwertvorgaben für die Bewertung der
„Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ dar. Für die Bewertung der er-
brachten Leistungen sind nunmehr zehn Einzelmerkmale vorgegeben (Nr. 608,
609 Buchst. a ZDv 20/6). Alle Einzelmerkmale sind gleichwertig und unabhän-
gig voneinander anhand einer jetzt neunstufigen Skala - von „1“ (die Leistungs-
erwartungen wurden nicht erfüllt) bis „9“ (die Leistungserwartungen wurden
ständig in außergewöhnlichem Maße übertroffen) - im Leistungsvergleich der
jeweiligen Vergleichsgruppe zu bewerten (Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6). Zu den
Vergleichsgruppen bestimmt Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 Folgendes:
203.
a.
Terminen
gen:
Beurteilungsjahr
Vorlagetermin
Vergleichsgruppen zu beurtei-
lender Soldatinnen/Soldaten
gera-
der
zum 31. März
- StArzt/StVet/StAp und
OStArzt/OStVet/OStAp
zum 31. März
- Hptm/KptLt
(OffzTrDst - A 11 und A 12
zum 31. März
- Hptm/KpLt
(OffzMilFD - A 11 und A 12)
zum 30. September
- HptFw/HptBtsm und
StFw/StBtsm
un-
gerader
zum 31. März
- Lt/Lt zS und OLt/OLt zS
(OffzTrDst)
zum 31. März
- Lt/Lt zS und OLt/OLt zS
(OffzMilFD)
zum 30. September
- BrigGen/FltlAdm
zum 30. September
- GenArzt/GenAp
zum 30. September
- Oberste/Kapitäne zur See
(A 16 und B 3)
zum 30. September
-
Oberstärzte/OberstVet/OberstAp
5
- 4 -
(A 16 und B 3)
zum 30. September
- Oberstlt (A 15)/FKpt (A 15)
zum 30. September
- OFArzt/OFVet/OFAp
zum 30. September
- Maj/KKpt und Oberstlt (A 14)/
FKpt (A 14)
zum 30. September
- Fw/Btsm und OFw/OBtsm
Für die Bewertung im Leistungsvergleich sieht Nr. 610, 611 ZDv 20/6 das fol-
gende Richtwertesystem vor:
610.
a.
ein annähernd gleicher Bewertungsmaßstab aller Beurteilenden
angestrebt. Zur Schaffung einheitlicher Richtwertvorstellungen
als Ausgangspunkt eines differenzierten und transparenten Be-
urteilungssystems wird für die Beurteilung der Aufgabenerfül-
Richtwertkorridor
80 %
schnittswerte der Aufgabenerfüllung einer definierten Ver-
gleichsgruppe gebildete Mittelwert innerhalb eines Richtwert-
4,5
zenwerten zu begrenzen, darf der Mittelwert aus den verblei-
20 %
Dieses gilt jeweils sowohl für den Bereich des Bundesministeri-
ums der Verteidigung als auch für den nachgeordneten Bereich.
b.
men ihrer truppendienstlichen Verantwortung die Einhaltung der
Richtwertvorgaben. Hierzu können sie in ihrem jeweiligen
Zuständigkeitsbereich ablauforganisatorische Weisungen ertei-
len.
c.
Wahl ihres Beurteilungsmaßstabes an dem vorgegebenen
Richtwertkorridor zu orientieren und tragen dadurch zur Einhal-
tung der Vorgaben in jeder Vergleichsgruppe bei. Hierzu stim-
men sie sich mit den Stellung nehmenden Vorgesetzten im Vor-
feld der Beurteilungserstellung ab. Die Unabhängigkeit der be-
urteilenden Vorgesetzten wird durch die Abstimmungsgesprä-
che nicht angetastet. Die Beurteilenden treffen ihre Bewertung
in eigner Verantwortung. Grundsätzlich ist durch die Stellung
nehmenden Vorgesetzten die Einhaltung der Richtwertvorga-
ben zu gewährleisten. Können diese den Richtwert nicht einhal-
ten, müssen sie eine geplante Über- oder Unterschreitung be-
gründen und mit ihrer bzw. ihrem weiteren höheren Vorgesetz-
ten abstimmen. Dieses schließt z.B. das Recht auf Vorlage
6
- 5 -
anonymisierter Beurteilungsübersichten bereits vor Eröffnung
der Beurteilungen ein.
d.
ist
nicht zulässig.
e.
halten Nr. 203 a. und Nr. 204 a.
f.
Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten bzw. der Be-
förderung in einen höheren Dienstgrad aufgrund der Zugehö-
rigkeit zu einer neuen Vergleichsgruppe nicht mehr uneinge-
schränkt mit denen nachfolgender Beurteilungen zu verglei-
chen. Die oder der Beurteilte muss sich im Rahmen der neuen
Vergleichsgruppe bewähren und regelmäßig mit auf entspre-
chenden Dienstposten erfahreneren Soldatinnen und Soldaten
Ein Anspruch auf Fortschreibung der
Wertungen aus früheren Beurteilungen vor dem Hinter-
grund konstanter Leistungen existiert somit nicht.
611.
a.
berechnet sich wie folgt:
Summe der Wertungen (Einzelmerkmale)
=
Durchschnittswert
Aufgabenerfüllung
Anzahl der bewerteten Einzelmerkmale
b.
sich wie folgt:
Summe aus 80 % der Durchschnittswerte
Aufgabenerfüllung
=
Mittelwert der 80 %
einer Vergleichs-
gruppe
80 % Umfang Vergleichsgruppe
c.
sich wie folgt:
Summe aus 20 % der Durchschnittswerte
Aufgabenerfüllung
=
Mittelwert der 20 %
einer Vergleichs-
gruppe
20 % Umfang Vergleichsgruppe
- 6 -
Für die Durchführung der Abstimmungsgespräche bestimmt Nr. 509 ZDv 20/6:
509.
a.
Monate vor
Abstimmungsge-
spräche
mungen und zur Gewinnung eines umfassenden Bildes durch-
vor
und Eröffnung der Beurteilung reduziert die Notwendigkeit
nachsteuernder Änderungen durch die Stellung nehmenden
Vorgesetzten mit den damit verbundenen Folgen. Sofern für
Soldatinnen und Soldaten fachliche Beurteilungsbeiträge
(Nr. 506) erstellt werden, wirken die zuständigen Fachvorge-
setzten beim Abstimmungsprozess mit.
b.
drei Monate
jeweiligen Vorlagetermin der Beurteilung zu führen.
c.
durch die Abstimmungsgespräche nicht berührt.“
Zum Vorlagetermin 30. September 2007 erstellte der Leiter der Abteilung ...
beim ...Amt - derselbe Dienstposteninhaber wie bei der Beurteilung zum
30. September 2005 - unter dem 14. Juni 2007 eine am selben Tag eröffnete
planmäßige Beurteilung für den Antragsteller nach den neuen Beurteilungsbe-
stimmungen. Hinsichtlich der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde
der Antragsteller bei zwei Einzelmerkmalen mit der Notenstufe „4“ (die Leis-
tungserwartungen wurden erfüllt, teilweise übertroffen), bei sieben Einzelmerk-
malen mit der Notenstufe „5“ (die Leistungserwartungen wurden erfüllt, über-
wiegend übertroffen) und bei einem Einzelmerkmal mit der Notenstufe „6“ (die
Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen) bewertet; als Durchschnitts-
wert der Aufgabenerfüllung ergab sich hieraus ein Wert von 4,90.
Der Ständige Vertreter des Präsidenten des Amtes ... gab unter dem 30. August
2007 als nächsthöherer Vorgesetzter des Antragstellers eine Stellungnahme zu
der Beurteilung ab, der er in allen Abschnitten zustimmte.
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- 7 -
Der Antragsteller gab sowohl zu der Beurteilung als auch zu der Stellungnahme
des nächsthöheren Vorgesetzten eine Gegenvorstellung ab und erhob gegen
beide Maßnahmen Beschwerde. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis hat die Bearbeitung der Be-
schwerde gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten bis zur
Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung aus-
gesetzt.
Mit der - hier gegenständlichen - Beschwerde vom 19. Juni 2007 gegen die Be-
urteilung macht der Antragsteller geltend, dass massiv gegen die Beurteilungs-
grundsätze der Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6 verstoßen worden sei. Ein Bild seiner
Persönlichkeit, Eignung, Leistung und Befähigung, das zunächst ohne verglei-
chende Elemente festgestellt werden müsse, könne er in seiner Beurteilung
nicht erkennen. Gegenüber dem vorhergehenden Beurteilungszeitraum habe
sich der Ausgangspunkt für die Bewertung von Eignung und Leistung im Sinne
von Nr. 404 ZDv 20/6 nicht verändert. Auch sei ihm zu keinem Zeitpunkt eine
Verschlechterung seiner Leistungen eröffnet oder die Möglichkeit eingeräumt
worden, eine eventuelle Verschlechterung zu korrigieren. Die Tatsache, dass
versucht worden sei, vorgegebene Quoten zu erfüllen, ohne die erbrachten Lei-
stungen zu würdigen, zeuge von einem falschen Verständnis der neuen Beur-
teilungsbestimmungen. Es könne nicht sein, dass der Wechsel des Beurtei-
lungssystems aus einem Leistungsträger einen mittelmäßigen Mitarbeiter ma-
che.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2007 wies der Ständige Vertreter des Präsidenten
des ...Amtes die Beschwerde zurück. Die Feststellung, ob und in welchem Ma-
ße der zu Beurteilende den an ihn gestellten Anforderungen gerecht geworden
sei, erfolge anhand einer vergleichenden Betrachtung mit den Soldaten, die
derselben Vergleichsgruppe im Zuständigkeitsbereich des Beurteilenden ange-
hörten; Eignung, Leistung und Befähigung seien daher nicht zuerst individual-
bezogen festzustellen. Der beurteilende Vorgesetzte habe bei der Erstellung
der Beurteilung zunächst innerhalb der Abteilung N... die geforderte verglei-
chende Betrachtung mit den ihm unterstellten Soldaten, die der Vergleichs-
gruppe des Antragstellers angehörten, durchgeführt. In einem zweiten Schritt
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sei mit dem Ziel, die Richtwertvorgaben bezüglich der Soldaten der Vergleichs-
gruppe im ...Amt einzuhalten, eine Abstimmung mit ihm, dem Ständigen Vertre-
ter des Präsidenten, als dem stellungnehmenden Vorgesetzten erfolgt. Diese
Vorgehensweise entspreche den Vorgaben der ZDv 20/6. Eine wie auch immer
gestaltete Fortschreibung früherer Wertungen scheitere im Übrigen daran, dass
sich das Wertungssystem der neuen ZDv 20/6 gegenüber der alten Vorschrift
grundsätzlich geändert habe.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 14. August 2007 weitere
Beschwerde ein. Die vergleichende Betrachtung der Soldaten derselben Ver-
gleichsgruppe in der Zuständigkeit seines beurteilenden Vorgesetzten habe
genau zwei Soldaten umfasst. Nach Aussage seines beurteilenden Vorgesetz-
ten sei für ihn nur eine Wertung von 4,90 übrig geblieben, weil sonst die für den
zweiten Soldaten gewünschte Wertung nicht möglich gewesen wäre. Im Übri-
gen habe bei einigen anderen Soldaten wohl doch eine Fortschreibung früherer
Beurteilungen stattgefunden; hier sei offensichtlich zwischen den Soldaten, die
ad hoc zur Förderung auf einen höherwertigen Dienstposten anstünden, und
denen, die nicht zur Förderung anstünden, unterschieden worden. Damit die
Quote wieder stimmig werde, sei dann rein mathematisch ermittelt worden,
welche Bewertungen noch möglich gewesen seien; die Leistungen des Einzel-
nen hätten zugunsten der Quote keine oder eine nur untergeordnete Rolle ge-
spielt. Wenn in dem neuen Beurteilungssystem offensichtlich erbrachte Spit-
zenleistungen lediglich mit „6“ (die Leistungserwartungen wurden ständig über-
troffen) bewertet würden, so sei dies sehr wohl eine Verschlechterung gegen-
über dem alten System, in dem diese Spitzenleistungen mit der damals höchs-
ten Leistungsstufe „7“ bewertet worden seien. Auch der von ihm nach dem frü-
heren Beurteilungssystem erreichte Durchschnittswert von 6,25 (Leistungen
übertreffen sehr deutlich die Anforderungen) sei nicht mit dem jetzt erreichten
Wert von 4,90 (die Leistungserwartungen wurden erfüllt, teilweise übertroffen)
gleichzusetzen.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2007 wies der Stellvertreter des Generalinspek-
teurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die weitere Be-
schwerde zurück. Vor der Erstellung der Beurteilungen zum 30. September
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2007 seien die beurteilenden Vorgesetzten aufgefordert worden, die beabsich-
tigten Leistungsbewertungen - aufgeschlüsselt nach Vergleichsgruppenzugehö-
rigkeit - an das zuständige Dezernat des ...Amtes zu melden. Die beabsichtig-
ten Leistungsbewertungen seien dort gesammelt, ausgewertet, sortiert und dem
Ständigen Vertreter des Präsidenten des ...Amtes vorgelegt worden. Auf der
Basis der gemeldeten beabsichtigten Leistungsbewertungen sei dann ein
Abstimmungsgespräch auf der Ebene der Abteilungsleiter und Leiter selbst-
ständiger Teileinheiten im ...Amt unter der Leitung des Ständigen Vertreters des
Präsidenten erfolgt. Mit 20 Personen in der Vergleichsgruppe Oberstleutnante
und Fregattenkapitäne in der Besoldungsstufe A 15 sei dabei auch eine hinrei-
chende Vergleichsgruppengröße gegeben gewesen.
Mit Schreiben vom 5. November 2007 beantragte der Antragsteller die Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Inspekteur
der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 2007 dem
Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend zu seinem bisherigen Vor-
bringen insbesondere vor:
Wenn eine Verschlechterung der Leistung nicht vorliege, was ihm, dem Antrag-
steller, mit den Beschwerdebescheiden nochmals bestätigt worden sei, so müs-
se sich eine Spitzenleistung nach dem alten Beurteilungssystem auch im neuen
System wiederfinden lassen. Die Umsetzung der neuen Bestimmungen
benachteilige Soldaten, die zur Förderung nicht anstünden, was gegen den
Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße. So sei in seinem Falle der andere
dem beurteilenden Vorgesetzten unterstellte Oberstleutnant der Besoldungs-
gruppe A 15 für die Nachfolge des Beurteilenden vorgesehen gewesen. Das
System „Willst Du einen Guten, musst Du mir mindestens zwei Schlechte brin-
gen“ sei weder gerecht noch trage es zur Transparenz bei. Außerdem führe es
bei kleinen Vergleichsgruppen automatisch zu einer extremen „Verwürfelung“,
die ebenfalls nicht Ziel der neuen Vorschrift sein könne. Davon abgesehen halte
er auch eine Vergleichsgruppe von 20 Soldaten mathematisch gesehen bei den
vorgegebenen Richtwerten für nicht hinreichend groß. Werde eine hinreichend
große Vergleichsgruppe erst auf der Ebene des zur Stellungnahme verpflichte-
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ten nächsthöheren Vorgesetzten erreicht, komme zudem angesichts der stark
divergierenden Aufgaben der Stabsoffiziere eine vergleichende Bewertung,
insbesondere im fachlichen Bereich, nicht mehr ohne Weiteres in Betracht. Dies
gelte insbesondere dann, wenn für bestimmte Dienstposten spezielle Fach-
kenntnisse und/oder Ausbildungsgänge notwendig seien und es nur wenige
Dienstposten gleicher Qualifikation in der Vergleichsgruppe gebe; dies sei z.B.
bei seinem Dienstposten, der ein Studium der Ingenieurwissenschaften
erfordere, der Fall. Da die Quoten auf der Ebene des stellungnehmenden
nächsthöheren Vorgesetzten ausgehandelt würden, sehe er auch die Unabhän-
gigkeit der Beurteilenden als nicht gegeben.
Der Antragsteller beantragt,
die planmäßige Beurteilung vom 14. Juni 2007 sowie die
Beschwerdebescheide des Ständigen Vertreters des Prä-
sidenten des Amtes ... vom 31. Juli 2007 und des Stellver-
treters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und In-
spekteurs der Streitkräftebasis vom 9. Oktober 2007 auf-
zuheben.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es liege im Ermessen des Dienstherrn, Richtwerte für die Leistungsbewertung
als Konkretisierung der von ihm gewollten Beurteilungsmaßstäbe festzulegen.
Durch die Richtwertvorgaben werde verdeutlicht, welcher Aussagegehalt den
begrifflichen Umschreibungen der einzelnen Wertungsstufen beigemessen
werde. Die Voraussetzung einer hinreichenden Größe der Vergleichgruppe sei
im Falle des Antragstellers mit 20 Personen in der Vergleichsgruppe Oberst-
leutnante und Fregattenkapitäne der Besoldungsgruppe A 15 gegeben gewe-
sen. Zu beachten sei ferner, dass anders als in den verschiedenen Beurtei-
lungssystemen der Beamten bei der Beurteilung von Soldaten kein Gesamtur-
teil vorgesehen sei; die Richtwertvorgaben der ZDv 20/6 bezögen sich allein auf
die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten (Leistungsbewertung). Ebenfalls
anders als in den Beurteilungssystemen der Beamten würden mit den Richt-
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werten keine ganzzahligen Wertungen quotiert; durch die Ausgestaltung der
Leistungsbewertung könne daher auch unter Beachtung der Richtwertvorgaben
schon bei kleineren Gruppengrößen eine bessere Differenzierung erreicht wer-
den als in den Beurteilungssystemen der Beamten. Das Verfahren zur Einhal-
tung der Richtwertvorgaben sei im Übrigen so gestaltet, dass bei einer zu ge-
ringen Zahl von zu vergleichenden Soldaten sich die beurteilenden Vorgesetz-
ten zunächst zwar an den Richtwertvorgaben zu orientieren hätten. Die Richt-
werte als solche kämen jedoch erst zum Tragen, wenn auf der jeweils nächst-
höheren Ebene Soldaten zu einer hinreichend großen Vergleichgruppe zu-
sammengefasst werden könnten. Dann sei für die Einhaltung des Richtwerts
diese nächsthöhere Ebene - im vorliegenden Fall der Ständige Vertreter des
Präsidenten des ...Amtes - zuständig. Die jeweiligen Vorgesetzten, stel-
lungnehmenden Vorgesetzten und spätestens die Inspekteure gewährleisteten
auf diese Weise für ihren Bereich die einheitliche Anwendung der Beurtei-
lungsbestimmungen und damit die Einhaltung der Richtwerte.
Auf Ersuchen des Gerichts hat der Inspekteur der Streitkräftebasis mit Schrei-
ben vom 28. April 2009 weitere Erläuterungen zu dem Richtwertesystem und
seiner Anwendung im Allgemeinen wie auch im Falle des Antragstellers gege-
ben. Der Antragsteller hat hierzu mit Schreiben vom 9. Mai 2009 Stellung ge-
nommen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Amtes ...- Az.: ... 04/07 - und des
Inspekteurs der Streitkräftebasis - Az.: .../25.07 und 29.07 -, eine Heftung mit
den Beurteilungen des Antragstellers sowie die Personalgrundakte des An-
tragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
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1. Der Senat hat die mündliche Verhandlung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18
Abs. 2 Satz 3 WBO) gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 169 Satz 1 GVG
durchgeführt.
Die durch das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften
(Wehrrechtsänderungsgesetz 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) einge-
fügte und am 1. Februar 2009 in Kraft getretene Bestimmung des § 23a Abs. 2
WBO, die für das gerichtliche Antragsverfahren die entsprechende Anwendung
der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und des Gerichtsverfassungs-
gesetzes anordnet, soweit nicht die Eigenart des Beschwerdeverfahrens entge-
gensteht, stellt hinsichtlich der Öffentlichkeit des Verfahrens die speziellere Re-
gelung dar, die der allgemeinen, in erster Linie das außergerichtliche Verfahren
betreffenden Verweisung auf die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung durch
§ 23a Abs. 1 WBO vorgeht. Es gilt deshalb nicht die Regelung des § 105 WDO,
nach der die Hauptverhandlung im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht
öffentlich und die Öffentlichkeit nur auf Antrag des Soldaten herzustellen ist,
sondern der allgemeine Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem
erkennenden Gericht (§ 169 Satz 1 GVG). Wie die Bezeichnung „Haupt-
verhandlung“ in § 105 WDO zeigt, zielt diese Vorschrift auf das vom Strafpro-
zessrecht geprägte gerichtliche Disziplinarverfahren und nicht auf das verwal-
tungsrechtlich geprägte Wehrbeschwerdeverfahren. Das Wehrrechtsände-
rungsgesetz 2008 hat insbesondere die Nähe des Antrags auf Entscheidung
durch das Wehrdienstgericht zu den Klageverfahren nach der Verwaltungsge-
richtsordnung durch zahlreiche Angleichungen (z.B. Fristen, Verfahrensarten,
Rechtsmittel) weiter verstärkt (vgl. dazu Dau, NVwZ 2009, 22 <25>). Dem
Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre des Antragstellers sowie den
Belangen des militärischen Geheimschutzes kann auch bei einer grundsätzlich
öffentlichen mündlichen Verhandlung erforderlichenfalls durch den Ausschluss
der Öffentlichkeit (§§ 171b, 172, 174 GVG) Rechnung getragen werden; Anlass
für einen solchen Ausschluss haben im vorliegenden Verfahren weder die Be-
teiligten noch das Gericht gesehen.
Die Ansicht des Senats steht im Übrigen nicht im Widerspruch zu dem Be-
schluss vom 24. Oktober 1984 - BVerwG 1 WB 32.82, 1 WB 3.83 und 1 WB
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145.83 - (unklar insoweit Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 43). Dieser Be-
schluss betraf nicht die Öffentlichkeit der Verhandlung im Sinne von § 169
Satz 1 GVG, sondern die Frage eines - zu Recht verneinten - Zutrittsrechts von
Beteiligten zu der Beratung (§§ 192 ff. GVG) in dem Falle, dass das Wehr-
dienstgericht - wie in der Regel - ohne mündliche Verhandlung entscheidet
(§ 18 Abs. 2 Satz 3 WBO).
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SLV
i.V.m. Nr. 201 der „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr“ vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6), die von einem mi-
litärischen Vorgesetzten erstellt worden sind (zu dieser Voraussetzung vgl. Be-
schluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - juris
in Buchholz vorgesehen>), stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats
truppendienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die
vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können. Zwar findet gemäß
§ 1 Abs. 3 WBO (in der insoweit noch maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009
geltenden Fassung) sowie Nr. 1101 ZDv 20/6 eine Beschwerde gegen die in
dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Aussagen und Wertungen zur Persön-
lichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung des Beurteilten nicht statt; derartige
Aussagen und Wertungen sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltli-
chen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beur-
teilung mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in
Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (vgl. zum Ganzen
Beschlüsse vom 22. Februar 1978 - BVerwG 1 WB 74.77 - BVerwGE 63, 3 <5>,
vom 21. Juli 1992 - BVerwG 1 WB 87.91 - BVerwGE 93, 279 = NZWehrr 1992,
255, vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 <81> =
Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 15 und vom 6. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 45.06 -
m.w.N.). Nr. 1102 Buchst. b ZDv 20/6 weist in diesem Sinne klarstellend darauf
hin, dass sich Soldatinnen und Soldaten beschweren können, wenn sie
glauben, dass bei der Erstellung der Beurteilung, einschließlich der Stellung-
nahmen, solche Rechte verletzt worden sind, die ihnen als Garantie für eine
sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsordnung eingeräumt sind. Hiernach
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ist eine Beschwerde - unter anderem - dann statthaft, wenn der Beurteilte einen
Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze nach Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6 gel-
tend macht. Das ist hier durch den Antragsteller geschehen.
3. Der Antrag ist auch begründet.
Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 14. Juni 2007 ist rechtswid-
rig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Die Beurteilung und die
Beschwerdebescheide des Ständigen Vertreters des Präsidenten des Amtes ...
vom 31. Juli 2007 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundes-
wehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 9. Oktober 2007 sind deshalb
aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).
Dienstliche Beurteilungen sind in der Sache gerichtlich nur beschränkt nach-
prüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der
beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den
gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von ei-
nem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe
nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvor-
schriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien
für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an der sich die Beur-
teilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG)
ständig orientiert (zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis vgl.
Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG
Nr. 44), kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden
sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang
stehen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 2001 a.a.O. S. 82, vom 3. Juli
2001 - BVerwG 1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 16 und vom
16. September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002
Nr. 5).
Nach diesen Maßstäben ist die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom
14. Juni 2007 rechtswidrig, weil sie auf der Anwendung eines Richtwertesys-
tems beruht, für das eine - durch den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes
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gebotene - normative Grundlage fehlt. Die durch die Beurteilungsbestimmungen
vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6) eingeführten Richtwertvorgaben und die ihrer
Umsetzung dienenden Verfahrensregelungen (insbesondere über Ab-
stimmungsgespräche) konnten nicht allein auf der Grundlage von Verwaltungs-
vorschriften eingeführt werden.
Aus dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ergeben sich Anforderungen
auch an die normativen Grundlagen, die das Handeln der Exekutive im Bereich
der dienstlichen Beurteilungen steuern (dazu a). Die gegenwärtige normative
Regelung der dienstlichen Beurteilung der Soldaten in § 2 der Verordnung über
die Laufbahnen der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenlaufbahnverordnung
- SLV), zuletzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 2007 (BGBl I
S. 1098), genügt diesen Anforderungen, wenn sie als Ermächtigung (nur) zum
Erlass von Beurteilungsbestimmungen verstanden wird, die sich an dem her-
kömmlichen Bild der dienstlichen Beurteilung orientieren (dazu b). Zwar ist die
Bildung von Richtwerten bei Regel- bzw. planmäßigen Beurteilungen unter be-
stimmten Voraussetzungen grundsätzlich zulässig (dazu c). Das durch die Be-
urteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6) eingeführte Richt-
wertesystem unterscheidet sich jedoch nicht nur von den bisher in der Recht-
sprechung behandelten Modellen, sondern weicht auch grundlegend von der
genannten herkömmlichen Konzeption der dienstlichen Beurteilung ab (dazu d).
Eine solche grundlegende Umgestaltung des Beurteilungssystems ist nicht
mehr von der bestehenden Ermächtigung an das Bundesministerium der Ver-
teidigung, das Nähere durch Erlass zu regeln (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SLV), gedeckt
und bedurfte deshalb einer normativen, zumindest verordnungsrechtlichen
Grundlage, aus der sich die wesentlichen Elemente des neuen Systems erge-
ben (dazu e). Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers war daher aufzu-
heben, weil sie tragend auf der Anwendung des Richtwertesystems beruht (da-
zu f).
a) Die Regelung des Beurteilungswesens der Bundeswehr unterliegt dem An-
wendungsbereich des .
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aa) Der vor allem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ent-
wickelte Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber in grundle-
genden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu tref-
fen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive
überlassen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990- 1 BvR
402/87 - BVerfGE 83, 130 <142> und Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -
BVerfGE 116, 24 <58>, jeweils m.w.N.). Die Tragweite dieses Grundsatzes wird
durch die - in Kurzform so bezeichnete - Wesentlichkeitstheorie näher bestimmt
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212
<226>). Die Wesentlichkeitstheorie beantwortet nicht nur die Frage, ob über-
haupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt sein muss; sie ist viel-
mehr auch dafür maßgeblich, wie weit diese Regelungen im Einzelnen gehen
müssen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 a.a.O. S. 152 und Urteil
vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 - BVerfGE 101, 1 <34>, jeweils m.w.N.). Von der
Wesentlichkeit der Entscheidung hängt auch ab, inwieweit die Regelung unmit-
telbar in einem Parlamentsgesetz erfolgen muss (Parlamentsvorbehalt) oder die
Regelung in einer Rechtsverordnung, die ihrerseits einer gesetzlichen Er-
mächtigungsgrundlage bedarf, genügt (vgl. hierzu Sachs, in: ders., GG, 5. Aufl.
2009, Art. 20 Rn. 118).
Für die Bestimmung und Abgrenzung der in diesem Sinne wesentlichen Ent-
scheidungen kommt es auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des
betroffenen Regelungsgegenstandes an, wobei die Wertungskriterien den tra-
genden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten
Grundrechten, zu entnehmen sind (BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1998 - 1 BvR
1640/97 - BVerfGE 98, 218 <251> und vom 24. September 2003 - 2 BvR
1436/02 - BVerfGE 108, 282 <311 f.>, jeweils m.w.N.). Danach bedeutet we-
sentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Ver-
wirklichung der Grundrechte“ (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 a.a.O) bzw. sind
als wesentlich Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grund-
rechten erhebliche Bedeutung haben (BVerfG, Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR
48/94 - BVerfGE 95, 267 <308>).
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bb) Der Vorbehalt des Gesetzes und die Maßgaben der Wesentlichkeitstheorie
gelten auch für das - grundrechtsgleiche (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG; vgl. auch
BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 a.a.O. S. 295) - Recht des Art. 33
Abs. 2 GG, das jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und Leis-
tung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet, und den daraus
abgeleiteten Leistungsgrundsatz oder Grundsatz der Bestenauslese (vgl. dazu
Beschluss vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 =
Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41).
Einer normativen Grundlage bedarf es danach stets, wenn der durch Art. 33
Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Leistungsgrundsatz
eingeschränkt wird. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz selbst verankert
sind, sondern diesen durchbrechen, einschränken oder modifizieren, können
nur dann Berücksichtigung finden, wenn ihnen ihrerseits Verfassungsrang zu-
kommt. Dabei ist es grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, die Abwägung
und den Ausgleich zwischen dem Leistungsgrundsatz und den anderen verfas-
sungsgeschützten Belangen vorzunehmen; Ausnahmen vom Leistungsgrund-
satz sowie Einschränkungen und Modifikationen bedürfen deshalb einer ge-
setzlichen Grundlage (vgl. insbesondere BVerfG, Kammerbeschluss vom
2. April 1996 - 2 BvR 169/93 - NVwZ 1997, 54 und hieran anschließend die
ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. Urteile vom
28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <149 f.> =
Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30, vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C
17.03 - BVerwGE 122, 237 <239>, vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 -
BVerwGE 124, 99 <102> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 sowie zuletzt
- zu Altersgrenzen für die Einstellung in eine Beamtenlaufbahn - vom 19. Feb-
ruar 2009 - BVerwG 2 C 18.07 - juris
sehen>).
cc) Losgelöst von dem Merkmal des Eingriffs (vgl. insoweit bes. BVerfG, Be-
schlüsse vom 28. Oktober 1975 - 2 BvR 883/73 und 379, 497, 526/74 -
BVerfGE 40, 237 <249> und vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR
147/75 - BVerfGE 47, 46 <79>) unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes grund-
sätzlich aber auch die eines Rechtsbereichs, der wie das Beur-
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teilungswesen der Bundeswehr materiellrechtlich wesentlich von dem grund-
rechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG geprägt ist.
Dienstliche Beurteilungen haben für die Verwirklichung des Rechts aus Art. 33
Abs. 2 GG eine erhebliche Bedeutung, die zu Recht auch bereits in den beiden
einleitenden Vorschriften der Beurteilungsbestimmungen hervorgehoben wird.
Nr. 101 Abs. 1 ZDv 20/6, wonach Beurteilungen als wesentliche Grundlage für
Personalentscheidungen an den Grundsätzen der Eignung, Befähigung und
Leistung auszurichten sind, stellt - vermittelt über § 3 Abs. 1 SG - die Verbin-
dung zu dem verfassungsrechtlichen Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG und des-
sen unmittelbar praktischer Bedeutung für die „Karriere“ der Soldaten her.
Nr. 102 Buchst. a ZDv 20/6 führt dies mit dem Hinweis, dass Beurteilungen den
Werdegang der Soldatinnen und Soldaten maßgeblich beeinflussen, weil sie
Grundlage für alle Auswahl- und Perspektivbestimmungsverfahren der Perso-
nalführung sind, weiter aus und erinnert zugleich die beurteilenden und stel-
lungnehmenden Vorgesetzten aller Ebenen an ihre diesbezügliche erhebliche
Verantwortung nicht nur für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, sondern
auch für die berufliche und soziale Entwicklung der ihnen unterstellten Solda-
tinnen und Soldaten. Speziell für die Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem
oder den Dienstposten - also demjenigen Teil der Beurteilung, auf den sich das
hier strittige Richtwertesystem bezieht - stellt schließlich Nr. 102 Buchst. b
ZDv 20/6 deren „zentrale Bedeutung u.a. bei der Bildung von Beförderungs-
und Einweisungsreihenfolgen“ heraus.
Die Regelung des Beurteilungswesens der Bundeswehr bedarf daher zumin-
dest in den Grundzügen einer auf eine Entscheidung des Gesetzgebers rück-
führbaren normativen Grundlage. Ein - wie immer definiertes - „besonderes
Gewaltverhältnis“ ist nicht geeignet, eine Regelung durch förmliches Gesetz
oder eine im Rahmen des Art. 80 GG ergangene Rechtsverordnung dort ent-
behrlich zu machen, wo der Vorbehalt des Gesetzes gilt (BVerfG, Beschluss
vom 28. Oktober 1975 a.a.O. S. 254).
b) Die gegenwärtige normative Regelung der dienstlichen Beurteilung der Sol-
daten in § 2 SLV genügt den aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgenden An-
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forderungen, wenn sie als Ermächtigung (nur) zum Erlass von Beurteilungsbe-
stimmungen verstanden wird, die sich an dem herkömmlichen Bild der dienstli-
chen Beurteilung orientieren.
aa) Das Soldatengesetz enthält - anders als nunmehr das Bundesbeamtenge-
setz (siehe §§ 21, 22 BBG in der Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgeset-
zes vom 5. Februar 2009 ) - keine Bestimmung über die dienst-
liche Beurteilung. Rechtsgrundlage des Beurteilungswesens der Bundeswehr ist
allein die Vorschrift des § 2 SLV, die auf der Ermächtigung der Bundesregie-
rung beruht, Rechtsverordnungen über die Laufbahnen der Soldaten zu erlas-
sen (§ 93 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 27 SG). Deren einzige materielle Regelung lau-
tet, dass Eignung, Befähigung und Leistung der Soldatinnen und Soldaten re-
gelmäßig oder wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfor-
dern, zu beurteilen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SLV). § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV er-
mächtigt das Bundesministerium der Verteidigung, das Nähere durch Erlass zu
regeln.
Mit dieser knappen Vorschrift im Verordnungsrang hat der Normgeber dem
Bundesministerium der Verteidigung für die „Regelung des Näheren“ im Erlass-
wege nur ein Minimum an normativer, das Exekutivhandeln programmierender
Steuerung vorgegeben. Dieses geringe Maß an normativer Steuerung genügt
dem Vorbehalt des Gesetzes nur unter der Voraussetzung, dass der Verord-
nungsgeber sich - mit der Bezugnahme auf den Beurteilungsmaßstab der Eig-
nung, Befähigung und Leistung - ein an Art. 33 Abs. 2 GG orientiertes her-
kömmliches Bild der dienstlichen Beurteilung zu eigen gemacht hat, dessen
„nähere“ Ausgestaltung er dem Bundesministerium der Verteidigung überlassen
hat. (Nur) mit der Maßgabe, dass diese herkömmliche „Prägung“ der Beur-
teilung Bestandteil der normativen Vorgabe ist und damit zugleich den Erlass
von Verwaltungsvorschriften begrenzt und strukturiert, genügt die Regelung des
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SLV der Forderung, dass die „wesentliche Entscheidung“ vom
Gesetzgeber oder auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung vom
Verordnungsgeber zu treffen ist. Beurteilungsbestimmungen, die sich als
„Regelung des Näheren“ in dem so vorgezeichneten herkömmlichen Rahmen
halten - wie das bei den Bestimmungen der ZDv 20/6 in ihren verschiedenen
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Vorgängerfassungen (1974/1987/1998) der Fall war -, beruhen deshalb auf ei-
ner hinreichenden Rechtsgrundlage.
bb) Das herkömmliche Bild der dienstlichen Beurteilung des Soldaten, das in
der geschilderten Weise den Erlass von Verwaltungsvorschriften auf der Grund-
lage von § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV begrenzt, wird insbesondere durch die folgen-
den Grundsätze geprägt:
(1) Ausgangspunkt und Zentrum der dienstlichen Beurteilung ist die
Bewertung. In diesem Sinne
bestimmt Nr. 101 Abs. 2 ZDv 20/6, dass Beurteilungen „ein aussagefähiges,
widerspruchsfreies und möglichst objektives Bild der Persönlichkeit, der
dienstlichen Eignung und Leistung sowie des Potenzials der Soldatinnen und
Soldaten abgeben und Möglichkeiten für ihre Entwicklung und Ausbildung auf-
zeigen“ sollen (vgl. allgemein zum Begriff der Eignung in Art. 33 Abs. 2 GG
auch BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108,
282 <296>: „konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Per-
sönlichkeit“).
Aus ihrer Bedeutung für Personalentscheidungen folgt, dass der dienstlichen
Beurteilung von vornherein auch ein Element immanent ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Be-
amtenrecht (vgl. zusammenfassend Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG
2 A 7.08 - juris Rn. 16), die auf die Verhältnisse der Soldaten übertragbar ist,
muss der beurteilte Beamte nachvollziehen können, welchen Stellenwert der
Dienstherr seiner beruflichen Leistung im Vergleich zu den Leistungen anderer
vergleichbarer und beurteilter Beamter zumisst. Der dienstlichen Beurteilung
kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des
Dienstherrn und der dabei erforderlichen „Klärung einer Wettbewerbssituation“
zu (Urteile vom 26. August 1993 - BVer- Buchholz 232.1 § 40
BLV Nr. 15 und vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 16.02 - Buchholz 237.6
§ 8 NdsLBG Nr. 10 sowie Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 1 WB
4.05 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr. 6 S. 14). Ihre wesentliche Aussage-
kraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Be-
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wertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen (Urteil vom 18. Juli 2001
- BVerwG 2 C 41.00 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 22). In diesem Sinne stellen
die Beurteilungsrichtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung nicht nur
die individuelle Ausrichtung der Bewertung, sondern daneben auch deren
Bedeutung im Eignungs- und Leistungsvergleich heraus. Dies ist als solches
keine Neuerung durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007,
sondern war grundsätzlich auch bereits in den Vorgänger-„Bestimmungen über
die Beurteilungen der Soldaten der Bundeswehr“ vom 13. Mai 1998 (ZDv 20/6
a.F.) enthalten (siehe z.B. Nr. 103 Abs. 1 Satz 4, Nr. 404 Abs. 1 und Nr. 611
Buchst. b Abs. 2 ZDv 20/6 a.F.).
Kennzeichnend für das herkömmliche Bild der dienstlichen Beurteilung ist aller-
dings, dass die individuelle, auf den einzelnen Soldaten bezogene Seite der
Bewertung gegenüber der vergleichenden, relationalen Dimension ist.
Das (relative) „Leistungsranking“ der Soldaten ergibt sich daraus, dass die - als
solche stabilen - individuellen Bewertungen in eine Reihenfolge gebracht wer-
den. Es wird nicht umgekehrt aus einer primär gebildeten Reihenfolge die dem
einzelnen Soldaten danach zufallende - relative - Bewertung abgeleitet.
(2) Der Aufgabe, ein möglichst zutreffendes Bild der Persönlichkeit und dienstli-
chen Eignung, Befähigung und Leistung zu zeichnen, kann nur dann Rechnung
getragen werden, wenn sich der beurteilende Vorgesetzte möglichst umfassen-
de Kenntnisse über den zu beurteilenden Soldaten im persönlichen Kontakt,
anhand von Arbeitsergebnissen oder durch Beiträge Dritter verschafft. Aus der
besonderen Bedeutung von Beurteilungen für den weiteren Werdegang des
Soldaten hat der Senat abgeleitet, dass die Verpflichtung, sich möglichst um-
fassende Kenntnisse über den zu Beurteilenden und sein Leistungsvermögen
zu verschaffen, dem Beurteilenden nicht nur im Interesse der Personalplanung
der Bundeswehr, sondern auch im Interesse des einzelnen Soldaten auferlegt
ist (vgl. Beschlüsse vom 24. November 1981 - BVerwG 1 WB 81.79 - BVerwGE
73, 308 <309 f.> und vom 6. November 1990 - BVerwG 1 WB 119.90 -
DokBer B 1991, 57). Auch die Beurteilungsbestimmungen des Bundesministers
der Verteidigung heben diese Verpflichtung seit jeher hervor (vgl. jetzt Nr. 501
Buchst. b ZDv 20/6).
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- 22 -
Die Verpflichtung, sich möglichst umfassende Kenntnisse zu verschaffen, setzt
ihrerseits voraus, dass der beurteilende Vorgesetzte in einer hinreichenden
zu dem zu beurteilenden Soldaten steht, die es ihm erlaubt,
eigene Wahrnehmungen zu treffen oder Beiträge Dritter verantwortlich einzu-
schätzen (vgl. zu Letzterem Beschlüsse vom 24. Oktober 1989 - BVerwG 1 WB
194.88 - BVerwGE 86, 201 <203> = NZWehrr 1990, 163 und vom 5. November
1991 - BVerwG 1 WB 173.90 - BVerwGE 93, 174 <176 f.> = NZWehrr 1992,
164). Dem entspricht es, dass die Zuständigkeit für die Beurteilung im Regelfall
dem nächsten Disziplinarvorgesetzten und die Zuständigkeit für die Stellung-
nahme zu einer Beurteilung im Regelfall dem nächsthöheren Disziplinarvorge-
setzten - also den beiden dem Soldaten am nächsten stehenden Disziplinar-
vorgesetzten - übertragen ist (Nr. 301 Buchst. a und b ZDv 20/6) und dass es
bei einer Versetzung des zu Beurteilenden oder des Beurteilers innerhalb des
Zeitraums von sechs Monaten vor dem Vorlagetermin für die Regelbeurteilung
bei der Zuständigkeit des bisherigen Vorgesetzten bleibt (Nr. 203 Buchst. d bis
g ZDv 20/6).
Die Forderung nach einem hohen persönlichen Kenntnisstand des Beurteilen-
den und einer hinreichenden „Nähe“ zu dem zu Beurteilenden steht schließlich
in einem Konnex mit der eingangs genannten eingeschränkten Überprüfbarkeit
von Beurteilungen. Denn dass der inhaltliche Kern der Beurteilung, also die
Ausfüllung des Persönlichkeits- und Leistungsbildes des Soldaten sowohl hin-
sichtlich der Gewichtung der Einzelmerkmale als auch deren zusammenfas-
sender Bewertung, einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist, ist gerade
dadurch bedingt und gerechtfertigt, dass es sich hierbei um ein höchstpersönli-
ches, subjektives und insofern unvertretbares Werturteil des Beurteilenden
handelt, das nicht durch die Einschätzung eines Außenstehenden ersetzt wer-
den kann.
c) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass
bei Regel- bzw. planmäßigen Beurteilungen die Bildung von Richtwerten in hin-
reichend großen Verwaltungsbereichen grundsätzlich rechtlich unbedenklich ist
(für die Beurteilungen von Soldaten vgl. Beschluss vom 3. Juli 2001 - BVerwG
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1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 16, der sich allerdings nicht auf
verbindlich vorgegebene Richtwerte, sondern auf bloße „Anhalte“ zur Maß-
stabsfindung bezieht; zum Beamtenrecht vgl. Urteile vom 26. Juni 1980
- BVerwG 2 C 13.79 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 18, vom 13. November 1997
- BVerwG 2 A 1.97 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 17, vom 24. November 2005
- BVerwG 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <360 f.> = Buchholz 232.1 § 41a BLV
Nr. 1 sowie zuletzt vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 11; vgl. zum Ganzen
auch Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter,
3. Aufl., Stand Februar 2009, Rn. 403 ff. m.w.N.).
Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich die Rechtsprechung bisher im We-
sentlichen nur mit einem bestimmten Typus von Richtwerten, der dem Modell
des § 50 Abs. 2 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) vom 12. Februar 2009
(BGBl I S. 284; ähnlich zuvor § 41a BLV, zuletzt in der Fassung der Bekannt-
machung vom 2. Juli 2002, BGBl I S. 2459) entspricht, zu befassen hatte. Nach
diesem Modell besteht der Richtwert in der Vorgabe eines maximalen Prozent-
satzes der Beurteilten einer Vergleichsgruppe, die die höchste und die zweit-
höchste Note erhalten dürfen (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV); unberührt bleibt die
Notenvergabe in den niedrigeren Notenstufen. Soweit die Bildung von Richt-
werten wegen zu geringer Fallzahlen nicht möglich ist, sind die Beurteilungen in
geeigneter Weise entsprechend zu differenzieren (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 3 BLV).
§ 50 Abs. 2 Satz 2 BLV hat ferner die bereits zuvor in der Rechtsprechung ge-
forderte Maßgabe übernommen, dass im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit
eine geringfügige Über- oder Unterschreitung der Richtwerte (hier festgelegt auf
eine Marge von jeweils bis zu fünf Prozentpunkten) möglich ist. Von Bedeutung
ist ferner, dass sich der Richtwert in den entschiedenen Fällen zumeist auf ein
die Beurteilung abschließendes Gesamturteil (vgl. § 49 Abs. 3 Satz 1 BLV) in
der Form einer ganzzahligen Note bezogen hat.
Rechtfertigungsgrund für Richtwertvorgaben ist nach der genannten Rechtspre-
chung vor allem der Gesichtspunkt der
. Zu einer solchen Konkretisierung ist der
Dienstherr ebenso befugt wie zur Festlegung der Maßstäbe, nach denen die
Noten vergeben werden sollen. Durch die Festlegung von Richtsätzen mit dem
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- 24 -
Ziel, angemessene Quoten für die einzelnen Gesamtnoten zu erreichen, wird
der Charakter einer Regelbeurteilung oder einer planmäßigen Beurteilung als
einer vergleichenden Beurteilung aller Beamten einer Laufbahn und Besol-
dungsgruppe betont, ohne dass andererseits die individuelle Beurteilung der
einzelnen Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vernach-
lässigt oder beseitigt würde (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2001 a.a.O. sowie die
genannten Entscheidungen zum Beamtenrecht). Zur Begründung von Richt-
wertvorgaben wird ferner - alternativ oder ergänzend - angeführt, dass diese
Ausdruck allgemeiner Erfahrung seien; zum Teil wird dieser Gesichtspunkt
auch in die negative Form gefasst, dass Richtwerte jedenfalls nicht erfahrungs-
unabhängig oder erfahrungswidrig festgesetzt werden dürfen (vgl. Schnellen-
bach, a.a.O., Rn. 403 f., 407 m.w.N.).
Hinsichtlich der Anforderungen an die Zulässigkeit von
Richtwerten sind in der Rechtsprechung bisher vor allem Aussagen zu der
, auf die sich der Richtwert bezieht, getroffen worden (vgl. zum
Folgenden insbesondere Urteil vom 24. November 2005 a.a.O. S. 361). Die
Vergleichsgruppe muss - zunächst - für den einzelnen Beurteiler
sein. Die Richtwerte können ihre Verdeutlichungsfunktion nur entfalten, wenn
sie auf eine für den Beurteiler noch überschaubare Gruppe bezogen sind; nur
wenn der Beurteiler die dienstlichen Leistungen aller Mitglieder der Gruppe
kennt, ist ihm eine sachgerechte Anwendung der Richtwertvorgaben möglich.
Die Vergleichsgruppe muss - ferner und andererseits - sein.
Eine hinreichende Gruppengröße ist erforderlich, damit genügend Personen
vorhanden sind, in denen die unterschiedlichen Leistungs- und Eignungsstufen
repräsentiert sein können. Die Vergleichsgruppe muss - schließlich -
sein. Eine homogene Zusammensetzung muss in dem Sinne
vorliegen, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforde-
rungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten; nur dann können
diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Mitgliedern miteinander verglichen
und in eine bestimmte Rangfolge gebracht werden.
d) Das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6)
eingeführte Richtwertesystem unterscheidet sich nicht nur von dem in der
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Rechtsprechung bisher vor allem behandelten Modell des § 50 Abs. 2 BLV,
sondern weicht auch grundlegend von dem herkömmlichen Bild der dienstlichen
Beurteilung ab. Die einzelnen Bestandteile des Systems - Richtwertvorgaben in
Form einzuhaltender Mittelwerte, Vergleichsgruppenbildung, Durchsetzung der
Richtwerte in einem alle militärischen Ebenen übergreifenden Ab-
stimmungsprozess - werfen je für sich rechtliche Fragen auf; sie sind aber vor
allem auch, was die grundlegende konzeptionelle Änderung betrifft, in ihrem
Zusammenwirken zu sehen.
aa) Die durch die neugefasste ZDv 20/6 be-
zieht sich, anders als nach dem für die Beamten geltenden Modell des § 50
Abs. 2 BLV, nicht auf ein abschließendes Gesamturteil der Beurteilung und
damit auf die Bewertung insgesamt, sondern nur auf die Bewertung der Aufga-
benerfüllung auf dem Dienstposten, also nur auf einen der drei Abschnitte
- neben dem Persönlichkeitsprofil und den Aussagen zur Verwendung - der
dienstlichen Beurteilung für die Soldaten der Bundeswehr; allerdings handelt es
sich hierbei um denjenigen Teil der Beurteilung, dem - wie bereits erwähnt
(oben a cc) - nach den Beurteilungsbestimmungen eine zentrale Bedeutung bei
der Bildung von Beförderungs- und Einweisungsreihenfolgen zukommt (Nr. 102
Buchst. b ZDv 20/6). Ebenfalls anders als bei den dienstlichen Beurteilungen
der Beamten werden keine ganzzahligen Noten quotiert; die Richtwertvorgaben
der ZDv 20/6 setzen vielmehr an den „Durchschnittswerten der Aufgabenerfül-
lung“ an. Der mit zwei Dezimalstellen anzugebende individuelle Durchschnitts-
wert der Aufgabenerfüllung für den beurteilten Soldaten errechnet sich aus der
Summe der Wertungen, die er anhand einer neunstufigen Skala (von „1“ bis „9“)
für zehn zu bewertende Einzelmerkmale erhalten hat, dividiert durch Anzahl der
bewerteten Einzelmerkmale (Nr. 608 Satz 3, Nr. 611 Buchst. a ZDv 20/6).
Werden alle Einzelmerkmale bewertet, so reicht das Spektrum der möglichen
Durchschnittswerte der Aufgabenerfüllung demnach - in Zehntelschritten -von
„1,00“ („1,10“, „1,20“ …) bis „9,00“; werden eines oder mehrere der Einzel-
merkmale nicht bewertet, ergeben sich Zwischenwerte.
Die eigentliche Richtwertvorgabe besteht ihrerseits in einem nicht ganz einfa-
chen mathematischen Kalkül: „Zur Schaffung einheitlicher Richtwertvorstellun-
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gen als Ausgangspunkt eines differenzierten und transparenten Beurteilungs-
systems wird für die Beurteilung der Aufgabenerfüllung auf dem oder den
Dienstposten ein Richtwertkorridor festgelegt. Demzufolge muss sich der von
80 % der Durchschnittswerte der Aufgabenerfüllung einer definierten Ver-
gleichsgruppe“ - dazu nachfolgend bb) - „gebildete Mittelwert innerhalb eines
Richtwertintervalls von 4,5 und 5,5 bewegen. Um die Vergabe von Spitzenwer-
ten zu begrenzen, darf der Mittelwert aus den verbleibenden 20 % der Durch-
schnittswerte 7,5 nicht überschreiten“ (Nr. 610 Buchst. a Satz 2 bis 4 ZDv 20/6).
Im Ergebnis stellt sich aufgrund der Teilung der Vergleichsgruppe in eine
„Spitzengruppe“ (20 %) und ein „Hauptfeld“ (80 %) mit jeweils eigenen
Richtwertvorgaben in aller Regel - wie auch die von dem Inspekteur der Streit-
kräftebasis vorgelegte Übersicht für die Vergleichsgruppe des Antragstellers il-
lustriert - eine sehr differenzierte und über das Notenspektrum gestreckte Ver-
teilung der Bewertungen der beurteilten Soldaten ein. Sie weist Ähnlichkeiten
mit der sog. Gaußschen Normalverteilung auf (vgl. hierzu Schnellenbach,
a.a.O. Rn. 407), was hier jedoch keiner Vertiefung bedarf, weil die ZDv 20/6
weder an dieses noch ein anderes statistisches Modell anknüpft oder von ent-
sprechenden Erfahrungswerten ausgeht, sondern das gewählte Richtwertesys-
tem selbstständig einführt.
Rechtlich bedeutsam ist allerdings, dass durch die Konstruktion des Richtwer-
tesystems jede einzelne Beurteilung innerhalb der Vergleichsgruppe strukturell
mit den anderen Beurteilungen gekoppelt ist. Die Festlegung eines Richtwerts
(bzw. Richtwertintervalls), der Beurteilungen der Vergleichsgruppe erfasst
und - anders als § 50 Abs. 2 Satz 2 BLV - auch keine Überschreitungen aus
Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zulässt, führt dazu, dass Wertungen ober-
halb des Richtwerts durch Wertungen unterhalb des Richtwerts ausgeglichen
werden müssen. Die individuelle, auf die Person des jeweiligen Soldaten bezo-
gene Bewertung steht auf diese Weise in einer von
den Bewertungen der anderen Soldaten. Darin unterscheidet sich das neue von
dem herkömmlichen Beurteilungssystem. Auch dort ergibt sich der „Stellenwert“
der dienstlichen Beurteilung erst in der Relation und im Vergleich zu den Beur-
teilungen anderer Beurteilter (vgl. oben b bb <1>); aber die absolute Bewertung
57
- 27 -
steht für sich und bleibt unverändert, auch wenn noch so viele andere Beurteilte
eine bessere Bewertung aufweisen.
Wird der Richtwert als ein nicht zu überschreitender Mittelwert (bzw. ein nicht
zu verlassendes Mittelwertintervall) aus allen Beurteilungen der Vergleichs-
gruppe konstruiert, so lässt er sich auch nicht mehr allein als eine bloße Ver-
deutlichung oder Konkretisierung des gewollten Beurteilungsmaßstabs auffas-
sen. Denn wenn sich der Wert der Leistung des Soldaten auf seinem Dienst-
posten nur in Abhängigkeit zu der - von ihm nicht zu beeinflussenden - Zu-
sammensetzung der Vergleichsgruppe und den Leistungen ihrer Mitglieder fest-
legen lässt, erfasst diese Beweglichkeit letztlich auch den Beurteilungsmaßstab
selbst.
bb) Die , auf die die Richtwertvorgaben Bezug nehmen und
die bei deren Anwendung zu Grunde zu legen sind, ergeben sich aus einer ta-
bellarischen Übersicht, die für den jeweiligen Vorlagetermin der planmäßigen
Beurteilungen die dort zu beurteilenden Soldaten nach Dienstgrad und Besol-
dungsgruppe benennt (Nr. 610 Buchst. e i.V.m. Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6).
Allerdings fehlt eine Regelung, welche Mindestgröße die Vergleichsgruppe auf-
weisen muss, damit eine hinreichende Basis für den Eignungs- und Leistungs-
vergleich besteht (vgl. zu diesem Erfordernis oben c am Ende). Nach Auskunft
des Inspekteurs der Streitkräftebasis wird aufgrund unverbindlicher Hinweise
des Bundesministeriums der Verteidigung in der Praxis davon ausgegangen,
dass eine Vergleichsgruppe dann hinreichend groß ist, wenn ihr etwa 20 Per-
sonen angehören. Diese Zahl dürfte sich am unteren Rand der (noch) akzep-
tablen Gruppengröße bewegen. Der Rechtsprechung zu den Richtwertvorga-
ben lagen zumeist Richtlinien zugrunde, die eine Mindestgröße der Vergleichs-
gruppe von 30 Personen forderten (vgl. zu Beispielen auch Schnellenbach,
a.a.O. Rn. 414, der selbst der Auffassung ist, dass tunlichst eine Zahl von
25 Personen nicht unterschritten werden solle). Problematisch ist auch, dass
sich infolge der jeweils eigenen Richtwertvorgaben für den 20 %- und den
80 %-Bereich gerade bei kleinen Vergleichsgruppen weitere rein rechnerische
und nicht durch Leistungsunterschiede gerechtfertigte Zwänge einstellen kön-
nen.
58
59
- 28 -
Die Frage der hinreichenden Mindestgröße der Vergleichsgruppe wird zudem
überlagert von der - ebenfalls nicht geregelten - weiteren Frage, auf welcher
Ebene diese Mindestgröße vorzuliegen hat. Unproblematisch ist insoweit, wenn
eine hinreichend große Vergleichsgruppe, sollte sie nicht bereits auf der Ebene
des beurteilenden nächsten Disziplinarvorgesetzten gegeben sein, zumindest
auf der Ebene des stellungnehmenden nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten
erreicht wird (vgl. Urteil vom 24. November 2005 - BVerwG 2 C 34.04 -
BVerwGE 124, 356 <363> = Buchholz 232.1 § 41a BLV Nr. 1 und VGH Mün-
chen, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 15 B 04.2089 - juris Rn. 21). Denn dieser
steht dem beurteilten Soldaten noch so nahe, dass er über eine ausreichende
eigene Kenntnis von den Leistungen des Soldaten verfügt oder zumindest in
der Lage ist, die Beurteilung durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten und
Beiträge Dritter verantwortlich einzuschätzen (vgl. zu diesem Erfordernis oben b
bb <2>); dementsprechend war auch nach bisheriger Erlasslage der nächsthö-
here Disziplinarvorgesetzte verpflichtend in das Beurteilungsverfahren einbezo-
gen, wobei ihm aufgrund seiner Erkenntnisse ein weitreichendes Recht zu Än-
derungen der Beurteilung zustand (vgl. insb. Nr. 903 Buchst. a und Nr. 905
Buchst. c i.V.m. Nr. 907 Buchst. a ZDv 20/6 a.F.). ausreichend ist es je-
doch, wenn eine hinreichende Größe der Vergleichsgruppe - im Rahmen ebe-
nenübergreifender Abstimmungsgespräche (dazu nachfolgend cc) - erst auf der
Ebene weiterer höherer Vorgesetzter erreicht wird. Der weitere höhere Vorge-
setzte verfügt typischerweise nicht mehr über die erforderliche umfassende
Kenntnis der Leistungen aller zu beurteilenden Soldaten, so dass er nach frü-
herer wie aktueller Erlasslage und Praxis nur fakultativ und punktuell korrigie-
rend in das Beurteilungsverfahren einbezogen war und ist (vgl. im Einzelnen
Nr. 911 ZDv 20/6 bzw. Nr. 909 ZDv 20/6 a.F.). Die originäre Anwendung der
Richtwertvorgaben auf die hinreichend große Vergleichsgruppe, die letztlich für
die Beurteilung des einzelnen Soldaten entscheidend ist, darf deshalb nicht erst
auf einer Ebene erfolgen, auf die die für die Beurteilung verantwortlichen
nächsten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten nur im Rahmen von Ab-
stimmungsgesprächen Einfluss haben.
60
- 29 -
Rechtlichen Bedenken begegnet die Definition der Vergleichsgruppen schließ-
lich auch unter dem Blickwinkel der (vgl. hierzu oben c am Ende).
Sie betreffen zwar nicht den vorliegenden Fall, weil der Vergleichsgruppe des
Antragstellers nur Oberstleutnante bzw. Fregattenkapitäne der Besoldungs-
gruppe A 15 angehören. Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 sieht jedoch für die Mehr-
zahl der danach zu bildenden Vergleichsgruppen vor, dass Soldaten in unter-
schiedlichen statusrechtlichen Ämtern (z.B. Feldwebel/Bootsmann und Ober-
feldwebel/Oberbootsmann; Hauptmann/Kapitänleutnant A 11 und Hauptmann/
Kapitänleutnant A 12; Major/Korvettenkapitän und Oberstleutnant/Fregatten-
kapitän A 14; Oberst/Kapitän zur See A 16 und Oberst/Kapitän zur See B 3) in
einer Vergleichsgruppe zusammengefasst werden. Das Bundesverwaltungsge-
richt hat in seiner Rechtsprechung zum Beamtenrecht insoweit zwar - außer der
herkömmlichen Vergleichsgruppenbildung nach Statusämtern - im Zusammen-
hang mit der „Topfwirtschaft“ auch eine Vergleichsgruppenbildung nach Funkti-
onsebenen (wobei die zu Beurteilenden unterschiedliche Statusämter inneha-
ben können) für zulässig erachtet, weil dem Gebot, dass die dienstliche Beur-
teilung einen Vergleich anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungs-
merkmale ermöglichen muss, auch bei der Herleitung der Leistungsanforde-
rungen vom Dienstposten statt vom Statusamt genügt ist (vgl. Urteil vom
24. November 2005 a.a.O. S. 361 f. = Buchholz 232.1 § 41a BLV Nr. 1; hierzu
kritisch Schnellenbach, a.a.O. Rn. 414a ff. m.w.N.). Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6
ordnet jedoch die Zusammenfassung von Soldaten unterschiedlicher Statusäm-
ter in einer Vergleichsgruppe an, ohne dass gesichert ist, dass diese Soldaten
derselben Funktionsebene angehören, also auf Dienstposten mit im wesentli-
chen identischen und deshalb vergleichbaren Leistungsanforderungen verwen-
det werden. Es ist auch keineswegs so, dass die Soldaten, die die zusammen-
gefassten Statusämter innehaben, typischerweise faktisch mit Aufgaben betraut
sind, die im Wesentlichen dieselben Anforderungen stellen.
cc) Die Umsetzung der Richtwertvorgaben erfolgt schließlich in einem
, der alle hierarchischen Ebenen bis zur Spitze der militärischen
Organisationsbereiche einbezieht und miteinander verklammert. Von der Spitze
her gewährleisten die Inspekteure im Rahmen ihrer truppendienstlichen Ver-
antwortung die Einhaltung der Richtwertvorgaben; sie können hierzu in ihrem
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- 30 -
jeweiligen Zuständigkeitsbereich ablauforganisatorische Weisungen erteilen
(Nr. 610 Buchst. b ZDv 20/6). Die beurteilenden Vorgesetzten haben sich ihrer-
seits bezüglich der Wahl ihres Beurteilungsmaßstabes an dem vorgegebenen
Richtwertkorridor zu orientieren und sich hierzu mit den stellungnehmenden
Vorgesetzten im Vorfeld der Beurteilungserstellung abzustimmen (Nr. 610
Buchst. c Satz 1 und 2 ZDv 20/6). Vor Erstellung der Beurteilungen, jedoch
sind auf den truppendienstlichen Ebenen Abstimmungsgespräche zur einheitli-
chen Anwendung der Beurteilungsbestimmungen und zur Gewinnung eines
umfassenden Bildes durchzuführen; der „gründliche Abstimmungsprozess“ vor
Erstellung und Eröffnung der Beurteilung hat den erklärten Zweck, die Notwen-
digkeit nachsteuernder Änderungen durch die stellungnehmenden Vorgesetzten
mit den damit verbundenen Folgen zu reduzieren (Nr. 509 Buchst. a
Satz 1 und 2 ZDv 20/6). Grundsätzlich ist durch die stellungnehmenden Vorge-
setzten die Einhaltung der Richtwertvorgaben zu gewährleisten; können diese
den Richtwert nicht einhalten, müssen sie eine geplante Über- oder Unter-
schreitung begründen und mit ihrem weiteren höheren Vorgesetzten abstim-
men; dies schließt z.B. das Recht auf Vorlage anonymisierter Beurteilungs-
übersichten bereits vor Eröffnung der Beurteilungen ein (Nr. 610 Buchst. c
Satz 5 bis 7 ZDv 20/6). Die stellungnehmenden Vorgesetzten haben ferner das
Recht, Beurteilungen Einzelner und solche ganzer unterstellter Bereiche mit
dem Hinweis auf die Einhaltung der Richtwertvorgaben im Sinne eines einheit-
lichen Beurteilungsmaßstabes aufzuheben (Nr. 902 Satz 2 ZDv 20/6).
In der Gesamtschau dieses Abstimmungsprozesses ergibt sich eine deutliche
Schwächung der Position des beurteilenden Vorgesetzten, also desjenigen, an
den sich die Verpflichtung zur möglichst umfassenden Information über den zu
beurteilenden Soldaten in erster Linie richtet und der die zentrale Verantwor-
tung dafür trägt, dass die dienstliche Beurteilung der Persönlichkeit des zu Be-
urteilenden und seinen Leistungen gerecht wird (vgl. oben b bb <2>). Zwar hebt
Nr. 610 Buchst. c Satz 4 ZDv 20/6 hervor, dass die Beurteilenden ihre Bewer-
tung in eigener Verantwortung treffen, und in sogar zwei Bestimmungen wird
betont, dass die Unabhängigkeit der beurteilenden Vorgesetzten durch die Ab-
stimmungsgespräche nicht berührt wird (Nr. 509 Buchst. c, Nr. 610 Buchst. c
63
- 31 -
Satz 3 ZDv 20/6). Tatsächlich läuft die - formal fortbestehende - eigene Ver-
antwortung und Unabhängigkeit des Beurteilenden jedoch Gefahr, materiell
entleert zu werden.
Nach bisheriger Erlasslage hatten die nächsthöheren und weiteren Vorgesetz-
ten lediglich die Möglichkeit, Erstellung und Eröffnung der Beurteilung in
die dort getroffenen Aussagen und Wertungen einzugreifen, wobei im Falle ei-
ner beabsichtigten Verschlechterung der Beurteilung auch das Anhörungs- und
Erörterungsverfahren mit dem jeweiligen Soldaten einzuhalten war; diese Mög-
lichkeit besteht nach den neuen Beurteilungsbestimmungen fort. Hinzugekom-
men und wesentlich bedeutsamer ist jedoch, dass nunmehr die von dem Beur-
teilenden beabsichtigte Leistungsbewertung einer
Überprüfung, Abstimmung und Anpassung an die Richtwertvorgaben unterzo-
gen wird. Die in dem Abstimmungsprozess vorgenommenen Korrekturen an
den gemeldeten beabsichtigten Leistungsbewertungen sind, sofern sie von dem
Beurteilenden übernommen werden, als solche nicht erkennbar, weil dem
beurteilten Soldaten nur die „abgestimmte“ Leistungsbewertung im Entwurf
ausgehändigt und eröffnet wird. Der beurteilende Vorgesetzte ist zwar kraft sei-
ner Unabhängigkeit nicht gezwungen, die Ergebnisse der Abstimmungsgesprä-
che zu übernehmen, wenn er diese nicht mitträgt; praktisch dürfte er aber an
einem Beharren auf der ursprünglich beabsichtigten Bewertung nur ein gerin-
ges Interesse haben, weil er damit lediglich die „Notwendigkeit nachsteuernder
Änderungen … mit den damit verbundenen Folgen“ (Nr. 509 Buchst. a Satz 2
ZDv 20/6) provoziert. In der Praxis dürften deshalb die Ergebnisse der Abstim-
mungsgespräche in aller Regel in die Beurteilungen übernommen werden, sei
es, weil der beurteilende Vorgesetzte mit diesen Ergebnissen einverstanden ist,
oder sei es, weil er sich von einem Beharren auf der ursprünglich beabsichtig-
ten Bewertung realistischerweise nichts versprechen kann. Tendenziell wird auf
diese Weise die originäre Beurteilungszuständigkeit des nächsten Disziplinar-
vorgesetzten zu einem
umgeformt.
e) Die vorstehenden Fragen der materiellrechtlichen Zulässigkeit des Richtwer-
tesystems der ZDv 20/6 bedürfen im vorliegenden Fall keiner abschließenden
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- 32 -
Entscheidung. Denn für die Einführung des Richtwertesystems fehlt es bereits
an der erforderlichen normativen Grundlage, so dass sie nicht allein im Wege
von Verwaltungsvorschriften erfolgen konnte. Wegen der dargestellten tiefgrei-
fenden Änderungen gegenüber dem hergebrachten System - wie insbesondere:
strukturelle Koppelung aller Beurteilungen innerhalb der Vergleichsgruppe,
Beweglichkeit des Beurteilungsmaßstabs, Verlagerung des Gewichts von der
individuellen Bewertung zum relativen „Leistungsranking“, tendenzielle Umfor-
mung der originären Zuständigkeit des Beurteilenden zum Mitwirkungsrecht an
einem Abstimmungsprozess - ist die Einführung des Richtwertesystems nicht
mehr von der bestehenden Ermächtigung an das Bundesministerium der Ver-
teidigung gedeckt, das Nähere durch Erlass zu regeln (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SLV).
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV ermächtigt - wie dargelegt (oben b
aa) - nur zum Erlass von Beurteilungsbestimmungen, die sich an dem her-
kömmlichen Bild der dienstlichen Beurteilung orientieren. Das bedeutet nicht,
dass ein bestimmter Typ eines Beurteilungssystems festgeschrieben wäre. Soll
das bestehende, traditionell geprägte Beurteilungssystem jedoch durch ein
konzeptionell grundlegend andersartiges Beurteilungssystem ersetzt bzw. in
dieser Weise umgestaltet werden, erfordert dies eine normative, zumindest
- entsprechend § 50 Abs. 2 BLV - verordnungsrechtliche Grundlage, aus der
sich die wesentlichen Elemente des neuen Systems ergeben. Bei einer derarti-
gen grundlegenden Umgestaltung des Beurteilungssystems handelt es sich mit
anderen Worten nicht mehr um eine „Regelung des Näheren“ im Rahmen des
bestehenden Systems, sondern um die im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes
„wesentliche Entscheidung“ für ein neues System, die vom Gesetzgeber oder
aufgrund eines Gesetzes vom Verordnungsgeber zu treffen ist. Auch nach dem
Selbstverständnis des Erlassgebers handelt es sich „um keine Weiterentwick-
lung des derzeitigen Systems, sondern um einen völlig neuen Ansatz. Verglei-
che zwischen dem alten und dem neuen System, Umrechnungen o.ä. sind da-
her nicht möglich“ („Erste Informationen zu den neuen Bestimmungen über die
Beurteilungen der Soldaten der Bundeswehr“ des Bundesministeriums der Ver-
teidigung - PSZ I 1 - vom 19. Oktober 2006, unter 2.). Die normative Ermächti-
gung für den Erlass des Richtwertesystems der ZDv 20/6 vom Januar 2007 hät-
te deshalb zumindest Aussagen über die Art und Reichweite der Richtwerte und
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- 33 -
über die wesentlichen Kennzeichen des Beurteilungsverfahrens, soweit es der
Durchsetzung der Richtwerte dient und von herkömmlichen Verfahrensweisen
abweicht (insbesondere hinsichtlich der Abstimmungsgespräche und der damit
verbundenen Befugnisse höherer Vorgesetzter), umfassen müssen.
Das Fehlen der erforderlichen normativen Grundlage ist auch nicht für eine
Übergangszeit hinzunehmen. Die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar
2007 stellen auch ohne die Richtwertvorgaben für die Bewertung der Aufga-
benerfüllung auf dem Dienstposten (insb. Nr. 610 und 611 ZDv 20/6) und die
damit zusammenhängenden Verfahrensvorschriften (insb. Nr. 509 ZDv 20/6
über die Abstimmungsgespräche und Nr. 902 ZDv 20/6 über die Befugnisse der
stellungnehmenden Vorgesetzten) ein praktikables Regelungswerk dar. Etwaige
Anpassungen oder Ergänzungen können, soweit erforderlich, ohne größeren
Aufwand kurzfristig durch den Erlassgeber vorgenommen werden. Es entsteht
daher insbesondere kein Zustand, in dem dienstliche Beurteilungen von
Soldaten entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV unterbleiben müssten.
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass es sich vorliegend nicht um ei-
ne „Normenkontrollentscheidung“ handelt. Eine solche Verfahrensart sieht die
Wehrbeschwerdeordnung generell nicht vor; sie käme im Übrigen hier schon
deshalb nicht Betracht, weil es sich bei den Beurteilungsbestimmungen um eine
Verwaltungsvorschrift und nicht um eine Rechtsnorm handelt. Die hier ge-
troffenen Aussagen zur Zulässigkeit des Richtwertesystems können deshalb
- auch in Zukunft - nur im Rahmen der Einzelfallprüfung zum Tragen kommen,
wenn ein Soldat seine dienstliche Beurteilung im Wehrbeschwerdeverfahren mit
entsprechender Begründung anficht.
Unberührt bleibt ferner die Bestandskraft der bisher auf der Grundlage des neu-
en Beurteilungssystems erstellten und unanfechtbar gewordenen Beurteilun-
gen. Ihre Überprüfung könnte nur im Rahmen der Dienstaufsicht erfolgen.
f) Die hier verfahrensgegenständliche planmäßige Beurteilung des Antragstel-
lers vom 14. Juni 2007 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben, weil sie tra-
gend auf der Anwendung des Richtwertesystems beruht.
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Der Leiter der Abteilung ... beim ...Amt hatte als nächster Disziplinarvorgesetz-
ter neben dem Antragsteller nur einen weiteren Stabsoffizier der Besoldungs-
gruppe A 15 zu beurteilen. Auf der Ebene des Ständigen Vertreters des Präsi-
denten des ...Amtes als nächsthöherem Vorgesetzten umfasste die für den An-
tragsteller maßgebliche Vergleichsgruppe der Oberstleutnante/Fregat-
tenkapitäne (A 15) (Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6) 20 Soldaten. Einzelheiten der
Bewertung ergeben sich aus einer anonymisierten Übersicht über die Beurtei-
lungen in der Vergleichsgruppe des Antragstellers, die der Inspekteur der
Streitkräftebasis vorgelegt hat.
Zum Ablauf des Abstimmungsverfahrens hat der Inspekteur der Streitkräfteba-
sis mitgeteilt (Schreiben vom 28. April 2009), dass die beurteilenden Vorgesetz-
ten vor Erstellung der Beurteilungen zum 30. September 2007 aufgefordert
worden seien, die beabsichtigten Leistungsbewertungen - aufgeschlüsselt nach
Vergleichsgruppenzugehörigkeit - bis zum 16. April 2007 an das für truppen-
dienstliche Angelegenheiten zuständige Dezernat zu melden. Die gemeldeten
beabsichtigten Leistungsbewertungen seien dort gesammelt, ausgewertet, sor-
tiert und dem Ständigen Vertreter des Präsidenten des ...Amtes vorgelegt wor-
den. Zur einheitlichen Anwendung der Beurteilungsbestimmungen und zur Ge-
winnung eines umfassenden Beurteilungsbildes habe auf der Basis der gemel-
deten beabsichtigten Leistungsbewertungen ein Abstimmungsgespräch auf der
Ebene der Abteilungsleiter und Leiter selbstständiger Teileinheiten im ...Amt
unter der Leitung des Ständigen Vertreters des Präsidenten stattgefunden, an
dem auch der nächste Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers teilgenommen
habe. Da sich aufgrund der gemeldeten beabsichtigten Leistungsbewertungen
sowohl der Mittelwert für die 20 %-Gruppe als auch der Mittelwert für die 80 %-
Gruppe nicht im Rahmen des vorgeschriebenen Richtwertkorridors bewegt hät-
ten, sei im Abstimmungsgespräch mit dem Ständigen Vertreter des Präsidenten
eine Korrektur vorgenommen worden, um den Richtwertkorridoren zu entspre-
chen. Dabei seien auch die Leistungswerte des Antragstellers auf den Durch-
schnittswert von 4,90 reduziert worden. Hierbei seien keine verbindlichen Vor-
gaben gemacht worden; vielmehr habe es sich bei der Korrektur der Leis-
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tungswerte um ein einvernehmliches Ergebnis im Rahmen des Abstimmungs-
gesprächs gehandelt.
Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 14. Juni 2007 ist damit un-
ter Anwendung der Richtwertvorgaben zustande gekommen. Dass die Korrek-
tur der Leistungswerte in dem Abstimmungsgespräch einvernehmlich erfolgte
und offenbar vereinbarungsgemäß umgesetzt worden ist, ändert daran nichts
(vgl. dazu oben d cc am Ende). Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass der
nächste Disziplinarvorgesetzte die Leistungen des Antragstellers ohne die Ver-
pflichtung, sich bezüglich der Wahl des Beurteilungsmaßstabs an dem vorge-
gebenen Richtwertkorridor zu orientieren (Nr. 610 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6),
besser bewertet hätte oder ohne die Durchführung der Abstimmungsgespräche
(Nr. 610 Buchst. c Satz 2 i.V.m. Nr. 509 ZDv 20/6) jedenfalls die gemeldete be-
absichtigte Leistungsbewertung nicht herabgesetzt hätte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1
Satz 1 WBO.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Wehrbeschwerderecht
Fachpresse:
ja
Wehrbeschwerdeverfahrensrecht
Rechtsquellen:
GG
Art. 33 Abs. 2
SLV
§ 2
WBO
§ 18 Abs. 2 Satz 3, § 23a Abs. 2
GVG
§ 169 Satz 1
Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6)
Stichworte:
Öffentlichkeit der Verhandlung; Vorbehalt des Gesetzes; Wesentlichkeitstheo-
rie; dienstliche Beurteilung; Beurteilungsbestimmungen; Bewertung der Aufga-
benerfüllung auf dem Dienstposten; Richtwerte; Vergleichsgruppe; Abstim-
mungsgespräch.
Leitsätze:
1. Für mündliche Verhandlungen in Wehrbeschwerdeverfahren gilt gemäß
§ 23a Abs. 2 WBO n.F. i.V.m. § 169 Satz 1 GVG der allgemeine Grundsatz der
Öffentlichkeit der Verhandlung.
2. § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV ermächtigt das Bundesministerium der Verteidigung
nur zum Erlass von Beurteilungsbestimmungen, die sich an dem herkömmli-
chen Bild der dienstlichen Beurteilung orientieren.
3. Das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6)
eingeführte Richtwertesystem weicht grundlegend von der herkömmlichen Kon-
zeption der dienstlichen Beurteilung ab. Eine solche grundlegende Umgestal-
tung des Beurteilungssystems ist nicht mehr von der bestehenden Ermächti-
gung an das Bundesministerium der Verteidigung in § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV ge-
deckt und bedurfte einer normativen, zumindest verordnungsrechtlichen Grund-
lage, aus der sich die wesentlichen Elemente des neuen Systems ergeben.
4. Es bleibt offen, inwieweit die neuen Regelungen zu den Richtwertevorgaben,
zu der Bildung der Vergleichsgruppen und zu den Abstimmungsgesprächen mit
höherrangigem Recht vereinbar wären.
5. Dienstliche Beurteilungen und Stellungnahmen nächsthöherer Vorgesetzter,
die auf der Anwendung des Richtwertesystems der Beurteilungsbestimmungen
vom 17. Januar 2007 beruhen, sind rechtswidrig.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07