Urteil des BVerwG vom 15.07.2008

Dienstverhältnis, Wechsel, Marine, Luftwaffe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 46.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
der Frau Hauptbootsmann ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Kapitän zur See Hügelmann und
den ehrenamtlichen Richter Oberbootsmann Scheiding
am 15. Juli 2008 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrags, innerhalb
des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr ihren Wechsel vom Uniform-
trägerbereich Marine in die Uniformträgerbereiche Heer oder Luftwaffe zuzu-
lassen.
Die 1975 geborene Antragstellerin ist Soldatin auf Zeit in der Laufbahn der
Feldwebel des Sanitätsdienstes. Ihre auf 12 Jahre festgesetzte Dienstzeit wird
voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2009 enden. Zum Hauptboots-
mann wurde sie am 13. April 2006 ernannt. Die Antragstellerin ist zivilberuflich
als Masseurin und Medizinische Bademeisterin ausgebildet. Seit dem 3. Januar
2005 wird sie auf einem Dienstposten Sanitätsfeldwebel Pharmazeutisch-
Technischer Assistent in der .../Sanitätsregiment ... in W. nicht dienstpostenge-
recht verwendet. Sie gehört innerhalb des Organisationsbereichs des Zentralen
Sanitätsdienstes der Bundeswehr dem Uniformträgerbereich Marine an.
Für die Auswahljahre 2004, 2005 und 2006 beantragte die Antragstellerin je-
weils erfolglos ihre Übernahme in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin.
Nach dem dritten Ablehnungsbescheid der (damaligen) Stammdienststelle des
Heeres vom 25. Juli 2006 bat sie mit Schreiben vom 22. September 2006 um
einen Wechsel innerhalb des Zentralen Sanitätsdienstes in die Bereiche Hee-
resuniformträger oder Luftwaffenuniformträger. Zur Begründung führte sie aus,
dass für das Auswahljahr 2007 die Bewerbung des Geburtsjahrgangs 1975 zum
Berufssoldaten nur für Heeresuniformträger und Luftwaffenuniformträger
möglich sei. Sie beantrage den Wechsel, um eine weitere Bewerbungsmöglich-
keit nutzen zu können.
Diesen Antrag lehnte die Stammdienststelle des Heeres mit Bescheid vom
4. Dezember 2006 unter Hinweis auf ein fehlendes dienstliches Interesse am
Wechsel des Uniformträgerbereichs ab.
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Den Vorschlag ihrer Vorgesetzten vom 6. Dezember 2006 sowie den eigenen
(vierten) Antrag der Antragstellerin vom 14. Februar 2007 auf Übernahme in
das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin lehnte die Stammdienststelle der
Bundeswehr mit Bescheid vom 25. Juni 2007 mit der Begründung ab, der Be-
darf an Berufssoldatinnen und Berufssoldaten im Jahrgang 1975 (Uniformträ-
gerbereich Marine) sei in den vorausgegangenen Auswahljahren bereits ge-
deckt worden. Deshalb sei der Geburtsjahrgang der Antragstellerin für das
Auswahljahr 2007 nicht mehr zur Bedarfsdeckung ausgeschrieben. Ihr Antrag
sei wegen fehlenden Bedarfs abzulehnen. Zusätzlich führte die Stammdienst-
stelle der Bundeswehr aus, die von der Antragstellerin beantragte Mitbetrach-
tung in den Uniformträgerbereichen Heer und Luftwaffe, verbunden mit einem
Wechsel in den jeweiligen Uniformträgerbereich, sei nicht möglich, weil die
maßgeblichen Erlasse ein derartiges Vorgehen nicht vorsähen; auch dieser An-
trag sei daher abzulehnen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat die
Stammdienststelle der Bundeswehr mit noch nicht bestandskräftigem Be-
schwerdebescheid vom 19. Februar 2008 zurückgewiesen.
Den Ablehnungsbescheid der Stammdienststelle des Heeres vom 4. Dezember
2006 hatte die Antragstellerin am 19. Januar 2007 mit der Beschwerde ange-
fochten, die der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom
7. September 2007 zurückwies.
Gegen diesen am 12. September 2007 eröffneten Bescheid richtet sich der An-
trag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. September 2007, den der Bundes-
minister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 6. Dezem-
ber 2007 dem Senat vorgelegt hat.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin insbesondere vor:
Das vorliegende Verfahren stelle eine Ergänzung zu ihrem statusrechtlichen
Beschwerdeverfahren dar. Sie wolle erreichen, dass ihre Auswahlchancen für
die Übernahme in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin innerhalb des Zent-
ralen Sanitätsdienstes als eines selbstständigen, geschlossenen Organisati-
onsbereichs der Bundeswehr unabhängig von der Zuordnung zu irgendwelchen
Uniformträgerbereichen allein anhand der Kriterien von Eignung, Befähigung
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und Leistung nach § 3 SG geprüft würden. Im Bescheid vom 25. Juni 2007 sei
die Stammdienststelle der Bundeswehr nicht mehr - wie in den Vorjahren die
Stammdienststelle des Heeres - auf einen Eignungs- und Leistungsvergleich
der Bewerber eingegangen, sondern habe ihre Bewerbung ausschließlich mit
der Begründung abgelehnt, der Bedarf im Jahrgang 1975 im Uniformträgerbe-
reich Marine sei bereits in den vorausgegangenen Auswahljahren gedeckt wor-
den. Die Strukturierung des Bedarfs nach Uniformträgerbereichen wirke sich zu
ihrem Nachteil aus. Angesichts der Umstrukturierung der Sanitätseinrichtungen
in den Jahren 2000 bis 2002 zu einem Zentralen Sanitätsdienst der Bundes-
wehr (mit einer nunmehr zentralen Personalführung für diesen selbstständigen
Organisationsbereich) müsse sie es nicht hinnehmen, dass ihr im Sanitäts-
dienst ein weniger qualifizierter Bewerber ihres Jahrgangs vorgezogen werde,
nur weil dieser einem anderen Uniformträgerbereich zugeordnet sei. Wenn in-
nerhalb des Zentralen Sanitätsdienstes alle Bewerber um die Übernahme in das
Dienstverhältnis einer Berufssoldatin oder eines Berufssoldaten ohne Un-
terscheidung nach Uniformträgerbereichen allein anhand der Kriterien des § 3
SG betrachtet würden, werde sich ihre Chance auf Übernahme in dieses
Dienstverhältnis angesichts ihres Beurteilungsbildes deutlich erhöhen. Die Zu-
ordnung zu einem Uniformträgerbereich müsse jedenfalls dann weichen, wenn
sie - wie hier - zu rechtswidrigen Auswahlentscheidungen führe. Dabei sei un-
erheblich, dass die Inspekteure der Teilstreitkräfte nach wie vor auch hinsicht-
lich des Personals des Zentralen Sanitätsdienstes die „Planstellenhoheit“ be-
säßen. Mit der Zuordnung zu Uniformträgerbereichen würden Differenzierungen
vorgenommen, die die Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze des § 3 SG
verletzten. Gegen den Beschwerdebescheid der Stammdienststelle der
Bundeswehr vom 19. Februar 2008 habe sie inzwischen Klage beim Verwal-
tungsgericht O. erhoben. Für das dortige Verfahren sei das vorliegende Wehr-
beschwerdeverfahren vorgreiflich.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bescheid der Stammdienststelle des Heeres vom
4. Dezember 2006 sowie den Beschwerdebescheid des
Bundesministers der Verteidigung vom 7. September 2007
aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu
verpflichten, ihren Antrag vom 22. September 2006,
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innerhalb des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr
vom Uniformträgerbereich Marine in die Uniform-
trägerbereiche Heer oder Luftwaffe zu wechseln, unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu be-
scheiden.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Für den von der Antragstellerin angestrebten Wechsel des Uniformträgerbe-
reichs bestehe kein dienstliches Bedürfnis. Damit erhoffe sich die Antragstelle-
rin eine Verbesserung ihrer Chancen, in das Dienstverhältnis einer Berufssol-
datin übernommen zu werden. Der jeweils zuständige Führungsstab lege bis
Mai des jeweiligen Antragsjahres auf der Grundlage struktureller Vorgaben die
Ergänzungsquoten an Soldatinnen und Soldaten fest, die im jeweiligen Kalen-
derjahr in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin oder eines Berufssoldaten
übernommen werden könnten. Die Bedarfsdeckung für die einzelnen Geburts-
jahrgänge erfolge dabei schrittweise über mehrere Kalenderjahre. Im Zentralen
Sanitätsdienst der Bundeswehr finde eine uniformträgerbereichsübergreifende
Betrachtung nicht statt. Dies lasse die einschlägige Erlasslage nicht zu. Mit der
Stattgabe des beantragten Wechsels zum Zweck der Schaffung einer Bewer-
bungsmöglichkeit werde die bestehende Verwaltungspraxis umgangen;
zugleich würde dies zu einer Benachteiligung von Soldatinnen und Soldaten der
anderen Teilstreitkräfte oder auch der Teilstreitkraft Marine führen, deren
Eignungs- und Leistungsbild sich im Hinblick auf den begehrten Statuswechsel
besser als das der Antragstellerin darstelle. Auch im Auswahljahr 2008 hätten
sich im Vergleich zum Vorjahr die Auswahlkriterien und die Modalitäten nicht
geändert. Nach wie vor erfolge die Auswahl in einer die Ausbildungs- und Ver-
wendungsreihen übergreifenden Betrachtung, jedoch getrennt nach Uniform-
trägerbereichen. Darüber hinaus verkenne die Antragstellerin, dass die auf dem
Personalstrukturmodell aufbauende Ausplanung von Struktur, Werdegängen
und Verwendungsaufbaumodellen auf den Grundauftrag der jeweiligen Teil-
streitkraft ausgerichtet sei. Dies werde u.a. in der Planstellenhoheit der Inspek-
teure der drei Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine deutlich. Diese
Grundordnung werde auch in den Auswahlverfahren abgebildet. Die Chancen
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zur Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten hätten sich nicht
geändert. Bei der Neuorganisation der Streitkräfte im Jahr 2002 sei diese
Grundordnung beibehalten worden; die strukturellen Vorgaben seien in der Zu-
ständigkeit der Teilstreitkräfte verblieben. Letztlich wende sich die Antragstelle-
rin gegen bestehende Organisationsstrukturen der Streitkräfte; dieser Bereich
sei einer gerichtlichen Überprüfung jedoch nicht zugänglich.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 853/07 - und
die Personalgrundakte der Antragstellerin haben dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
Allerdings ist für das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin gemäß § 17
Abs. 1 WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten - hier gemäß § 21
Abs. 1 WBO zum Bundesverwaltungsgericht - eröffnet.
Abweichend von der generellen Rechtswegzuweisung an die allgemeinen Ver-
waltungsgerichte in § 82 Abs. 1 SG haben die Wehrdienstgerichte nach Maß-
gabe des § 17 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 3) WBO über Entscheidungen oder Maß-
nahmen (bzw. deren Unterlassung) zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der
militärischen Über- und Unterordnung beruhen, d.h. in truppendienstlichen An-
gelegenheiten (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB
61.04 - m.w.N. und vom
15. November 2007 - BVerwG 1 WB 40.07 -). Für die Bestimmung, ob es sich
um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangele-
genheit handelt, für die der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerich-
ten eröffnet ist, muss auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs
und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abgestellt werden (Beschlüsse
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vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N., vom 6. April 2005 a.a.O. und
vom 15. November 2007 - BVerwG 1 WB 40.07 -).
Hiernach sind die allgemeinen Verwaltungsgerichte insbesondere für Streitig-
keiten zwischen Soldaten und dem Dienstherrn aus Materien sachlich zustän-
dig, die im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes geregelt sind (sog. Status-
sachen, stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 6. November 1995 - BVerwG 1 WB
91.95 - DokBer B 1996, 75, vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 -, vom
6. April 2005 a.a.O. und vom 15. November 2007 - BVerwG 1 WB 40.07 -).
Demgegenüber liegen Streitigkeiten, die im militärischen Über- und Unterord-
nungsverhältnis die truppendienstliche eines Soldaten betreffen, in
der sachlichen Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte.
Die Entscheidung darüber, welcher Teilstreitkraft ein Soldat zuzuordnen ist oder
ob gegebenenfalls sein Wechsel in eine (andere) Teilstreitkraft zugelassen wird,
betrifft die truppendienstliche Verwendung, nicht aber den Status dieses
Soldaten; sie gehört nicht zum Regelungsbereich der Begründung des
Dienstverhältnisses als Berufssoldat oder als Soldat auf Zeit (§§ 37 ff. SG).
Zwar wird diese Entscheidung häufig mit der Statusentscheidung - zeitlich -
verknüpft. Dieser Umstand ändert indessen nichts an ihrer eigenständigen
Rechtsnatur als Entscheidung über die Verwendung des Soldaten. Denn mit ihr
legt die personalbearbeitende Stelle fest, in welchem fachlichen Funktionsbe-
reich der Streitkräfte der Soldat Dienst leisten soll. Durch diese Anordnung prä-
judiziert die Entscheidung über die Zuordnung zu einer Teilstreitkraft zugleich
unmittelbar die Art, den wesentlichen Inhalt und die Schwerpunkte des teil-
streitkraft-spezifischen Verwendungsaufbaus eines Soldaten.
Entsprechendes gilt für die Entscheidung über die Zuordnung zu einem Uni-
formträgerbereich.
Der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr stellt keine Teilstreitkraft dar, son-
dern nimmt als selbstständiger militärischer Organisationsbereich für die drei
Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine Querschnitts-Aufgaben wahr. Er ver-
fügt weder über eine eigene Uniform noch über eigene Dienstgradabzeichen.
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Die im Zentralen Sanitätsdienst verwendeten Soldaten tragen vielmehr weiter-
hin die Uniformen der Teilstreitkräfte, aus denen bei Schaffung des Zentralen
Sanitätsdienstes die jeweiligen Einheiten ausgegliedert und in diesen Organisa-
tionsbereich überführt wurden. Nach unbestrittenem Vorbringen des Bundes-
ministers der Verteidigung wirken die Inspekteure der drei Teilstreitkräfte im
Bereich der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung in Gestalt einer „Planstellen-
hoheit“ für ihre Uniformträger (bis zur Ebene der Unteroffiziere) nach wie vor in
die Dienstpostengestaltung des Zentralen Sanitätsdienstes hinein. Der Begriff
des Uniformträgers knüpft insofern nicht an den Status, sondern an die „Her-
kunfts-Teilstreitkraft“ und damit - in der Laufbahn des Sanitätsdienstes - an die
truppendienstliche Verwendung dieser Soldaten an.
Dem Sachantrag der Antragstellerin steht ferner nicht der Einwand der ander-
weitigen Rechtshängigkeit entgegen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG).
Es kann offenbleiben, ob im Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr
vom 25. Juni 2007 nicht nur der Antrag der Antragstellerin auf Übernahme in
das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin, sondern - zusätzlich - auch ihr
Wechsel in die Uniformträgerbereiche Heer oder Luftwaffe förmlich abgelehnt
worden ist. Der Inhalt des Bescheids ist nach Auffassung des Senats so zu
verstehen, dass neben dem Statuswechsel gleichzeitig (nur) die „beantragte
Mitbetrachtung in den UTB Heeresuniformträger und Luftwaffenuniformträger“
abgelehnt wird; die weitere Formulierung „verbunden mit einem Wechsel in den
jeweiligen UTB“ weist lediglich auf eine sich unter Umständen ergebende Kon-
sequenz der Zulassung zur Berufssoldatin für einen anderen Uniformträgerbe-
reich hin. Unabhängig von diesen Erwägungen hat die Antragstellerin gegen
diesen Bescheid nach Mitteilung ihres Bevollmächtigten jedenfalls erst im März
2008 Klage beim Verwaltungsgericht O. erhoben. Das vorliegende Wehrbe-
schwerdeverfahren war schon vorher rechtshängig.
Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil der Antragstellerin für ihn zurzeit das er-
forderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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Der Senat ist in analoger Anwendung des § 88 VwGO nicht an die Fassung des
Antrags gebunden, sondern hat das im gesamten Vorbringen des jeweiligen
Antragstellers zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und sei-
ner Entscheidung zugrunde zu legen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007,
§ 88, Rn. 3 m.w.N.). Die Antragstellerin hat im gerichtlichen Verfahren unmiss-
verständlich dargelegt, dass es ihr mit ihrem Antrag nicht vorrangig um den
Wechsel in einen anderen Uniformträgerbereich geht, sondern dass sie vor
allem und in erster Linie ihre übergreifende Betrachtung „unabhängig von der
Zuordnung zu irgendwelchen Uniformträgerbereichen“ allein anhand der Krite-
rien des § 3 Abs. 1 SG anstrebt. Sie bestreitet für sich selbst ausdrücklich jed-
wede „Zuordnung zu einem Uniformträgerbereich“ des Zentralen Sanitätsdiens-
tes bei der Auswahlentscheidung über die Übernahme in das Dienstverhältnis
einer Berufssoldatin.
Mit diesem Rechtsschutzziel fehlt der Antragstellerin zurzeit das erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis für eine wehrdienstgerichtliche Entscheidung.
Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die zur Umsetzung des § 39 Nr. 1 SG aufgrund der § 6 Abs. 1, § 21 i.V.m. § 44
SLV vom Bundesministerium der Verteidigung erlassene „Richtlinie für die
Umwandlung des Dienstverhältnisses von Feldwebeln im Dienstverhältnis einer
Soldatin auf Zeit oder eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis einer Be-
rufssoldatin oder eines Berufssoldaten“ vom 23. Juli 2002 - PSZ I 1 - Az.:
16-02-09/7 (in der aktualisierten Fassung für das Auswahlverfahren 2007) be-
gründet in Nr. 4 für die Bedarfsdeckung die Kompetenz der vier Führungsstäbe
der Teilstreitkräfte und des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, aufgrund struktu-
reller Vorgaben die Ergänzungsquoten an Berufsunteroffizieren - bezogen auf
Geburtsjahrgänge, Ausbildungs- und Verwendungsreihen sowie Werdegänge -
festzulegen. In Nr. 9 dieser Richtlinie werden die Stammdienststellen ermächtigt
und verpflichtet, durch Anweisungen/Mitteilungen die weiteren Einzelheiten für
die Bewerbung und insbesondere die festgelegten grundsätzlichen teilstreit-
kraft- bzw. sanitätsdienstspezifischen Hinweise zu veröffentlichen. Entspre-
chendes sieht die ab dem Auswahljahr 2008 geltende Richtlinie gleichen Titels
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vom 11. Juli 2007 - PSZ I 1 (30) - Az.: 16-02-09/7 in Nr. 1.4 und Nr. 2.2 vor. Sie
verpflichtet die Stammdienststelle der Bundeswehr, in einer „Aktuellen Anwei-
sung und Information zur Personalführung“ unter anderem auch Hinweise auf
Möglichkeiten zur Umsetzung in andere Uniformträgerbereiche zu geben; die
Möglichkeiten zu diesen Umsetzungen legen die zuständigen Führungsstäbe
fest (Fußnote 3 zu Nr. 2.2 dieser Richtlinie).
Die auf dieser Grundlage für das Auswahlverfahren 2007 erlassene Weisung
der Stammdienststelle des Heeres vom 16. Oktober 2006 knüpft die Übernah-
me in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten in Nr. 2 und 3 an den geburts-
jahrgangsbezogenen Bedarf in den jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungs-
reihen unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Personalstruktur. Entspre-
chendes ist in Nr. 1 der für das Auswahljahr 2008 herausgegebenen „Aktuellen
Anweisung und Information zur Personalführung“ (Stand: 30. Juli 2007) be-
stimmt. In beiden Weisungen wird für den Sanitätsdienst die bedarfsbezogene
Betrachtung der Bewerber mit ihrer Zugehörigkeit zu den einzelnen Uniformträ-
gerbereichen verknüpft.
Ob die in Nr. 8.2 der zitierten „Aktuellen Anweisung“ für den Sanitätsdienst fest-
gelegte getrennte Betrachtung der Bewerber nach Uniformträgerbereichen und
die bestehende Verwaltungspraxis, für diesen Organisationsbereich
uniformträgerbereichsübergreifende Betrachtung vorzunehmen (ob-
wohl Nr. 3 der Weisung vom 16. Oktober 2006 die bedarfsorientierte Betrach-
tung „zunächst“ im eigenen Uniformträgerbereich anordnet, eine übergreifende
Betrachtung also nicht a priori ausschließt), rechtmäßig sind oder gegen Art. 3
Abs. 1 GG und § 3 Abs. 1 SG verstoßen, hat das zuständige Verwaltungsge-
richt im statusrechtlichen Klageverfahren gegen den Bescheid vom 19. Februar
2008 zu entscheiden. Dabei wird es prüfen, ob die Zugehörigkeit zu einem be-
stimmten Uniformträgerbereich ein zulässiges Kriterium für die Einschränkung
des strukturellen Bedarfs und insofern einen sachlichen Grund dafür darstellt,
diesen Bewerber bei der Auswahl künftiger Berufssoldaten von einem umfas-
senden, übergreifenden Eignungs- und Leistungsvergleich auszuschließen,
oder nicht.
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Erst wenn die statusrechtliche Frage in dem Sinne geklärt wäre, dass der Aus-
schluss einer uniformträgerbereichsübergreifenden Betrachtung der Bewerber
im Zentralen Sanitätsdienst rechtswidrig ist, und wenn ein uniformträgerbe-
reichsübergreifender Eignungs- und Leistungsvergleich zu einer positiven Aus-
wahlentscheidung für die Antragstellerin führen würde, stellt sich im Anschluss
daran die Frage, ob in Vollzug dieser beiden Vorbedingungen ein Wechsel des
Uniformträgerbereichs vorzunehmen ist. Diese Entscheidung stellt lediglich ei-
nen nachträglichen verwendungsbezogenen Annex zu der statusrechtlichen
Auswahlentscheidung dar, deren Rechtmäßigkeit zurzeit noch nicht abschlie-
ßend geklärt ist.
Ein Interesse der Antragstellerin an einem Uniformträgerbereichswechsel un-
abhängig von dem Ziel der Übernahme als Berufssoldatin ist weder dargetan
noch sonst ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund fehlt der Antragstellerin für eine isolierte und vorzeitige
wehrdienstgerichtliche Entscheidung über den Wechsel des Uniformträgerbe-
reichs das Rechtsschutzbedürfnis. Eine solche Entscheidung erweist sich nach
dem Gesagten auch nicht als vorgreiflich für das statusrechtliche Verfahren.
Sollte die Antragstellerin im statusrechtlichen Verfahren Erfolg haben, stünde
der hier angefochtene Bescheid einem ggf. erforderlichen Uniformträgerbe-
reichswechsel nicht entgegen. Vielmehr wäre darüber wegen der veränderten
Sachlage erneut zu entscheiden.
Der Antragstellerin sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil die Voraus-
setzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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