Urteil des BVerwG vom 16.07.2013

Slv, Gebot der Sachgerechtigkeit, Beschwerdefrist, Soldat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 43.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
der Frau Oberstarzt ...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Brigadegeneral Könen und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Wiese
am 16. Juli 2013 beschlossen:
Die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom
7. September 2011 zu der planmäßigen dienstlichen Be-
urteilung der Antragstellerin vom 2. August 2011 sowie die
Beschwerdebescheide des Inspekteurs des Sanitätsdien-
stes der Bundeswehr vom 20. März 2012 und des Bun-
desministers der Verteidigung - R II 2 - vom 10. Mai 2012,
soweit diese die Stellungnahme vom 7. September 2011
betreffen, werden aufgehoben. Der Bundesminister der
Verteidigung wird verpflichtet, eine Neufassung der Stel-
lungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten unter Beach-
tung der Rechtsauffassung des Gerichts erstellen zu las-
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sen, sofern auf diese nicht gemäß Nr. 1204 ZDv 20/6 zu
verzichten ist.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die der Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
zur Hälfte dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Die Antragstellerin wendet sich gegen ihre planmäßige dienstliche Beurteilung
und die hierzu abgegebene Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten.
Die 1962 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet vo-
raussichtlich mit Ablauf des 31. März 2024. Sie wurde mit Wirkung vom 1. März
2010 zum Oberstarzt befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe
A 16 eingewiesen. Seit 1. Juni 2009 nimmt die Antragstellerin Funktionen der
Leiterin der Laborabteilung ... im ... sowie der ärztlichen Leiterin und Sachkun-
digen Person Blutspendedienst Bundeswehr auf einem nach Besoldungsgruppe
A 16 bewerteten Dienstposten wahr.
Die Antragstellerin wurde zum Vorlagetermin 30. September 2011 planmäßig
beurteilt. Die Beurteilung wurde unter dem 2. August 2011 durch den Leiter ...
der Bundeswehr erstellt und der Antragstellerin am selben Tage eröffnet. Der
beurteilende Vorgesetzte bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstpos-
ten mit einem Durchschnittswert von „6,20“. Unter dem 7. September 2011 gab
der Amtschef des Sanitätsamts der Bundeswehr als nächsthöherer Vorgesetz-
ter eine Stellungnahme zu der dienstlichen Beurteilung ab, die der Antragstelle-
rin am 4. Oktober 2011 eröffnet wurde. Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss
sich der Beurteilung des beurteilenden Vorgesetzten an und bestätigte den
Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit „6,20“. Zur Entwicklungsprognose
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der Antragstellerin markierte er das Feld „individuelle Laufbahnperspektive er-
reicht“.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011, eingegangen bei ihrem Disziplinarvorge-
setzten am selben Tage, erhob die Antragstellerin gegen ihre planmäßige Be-
urteilung zum 30. September 2011 Beschwerde, die sie mit Schriftsätzen ihrer
Bevollmächtigten vom 25. Oktober 2011 und 24. Februar 2012 begründete. Die
vollständige Beurteilung, d.h. die Beurteilung des Vorgesetzten und die Stel-
lungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten, sei ihr erst am 10. Oktober 2011
ausgehändigt worden; erst an diesem Tage beginne daher die Beschwerdefrist
zu laufen. Zumindest müsse zu ihren Gunsten, was die Beurteilung durch den
Vorgesetzten betreffe, ein Fall des § 7 Abs. 1 WBO angenommen werden. In
der Sache machte sie geltend, dass die dienstliche Beurteilung kein umfassen-
des Bild ihrer Persönlichkeit, Befähigung, Leistung und ihres Potenzials zeichne
und daher gegen Nr. 401 ZDv 20/6 verstoße. Ihr sei bei der Aushändigung der
Beurteilung erläutert worden, dass man sie gerne besser habe beurteilen wol-
len, dies jedoch wegen der einzuhaltenden Richtwertkorridore nicht möglich
gewesen sei. Damit hätten sich genau diejenigen Mängel verwirklicht, die das
Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu den früheren Beurtei-
lungsrichtlinien kritisiert habe. Ihr Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von
„6,20“ entspreche exakt dem Schwellenwert, bei dem sie außerhalb der 35 %
der bestbeurteilten Soldaten der Vergleichsgruppe liege. Daran werde erkenn-
bar, dass ihr beurteilender Vorgesetzter von der ihm formal zustehenden Frei-
heit und Unabhängigkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Gerügt werde ferner,
dass ihre Vergleichsgruppe unzutreffend gebildet worden sei. Außerdem sei
nicht berücksichtigt, dass sie inzwischen die Weiterbildungsbefugnis für Trans-
fusionsmedizin erhalten habe; dies werde zwar im Text der Leistungsbewertung
erwähnt, habe sich jedoch nicht positiv bei der Punktvergabe im Kriterium „Aus-
bildung“ niedergeschlagen. Der Durchschnittswert der Leistungsbewertung ha-
be zudem Auswirkungen auf ihre Förderperspektive. Es sei durchaus denkbar,
dass sie künftig in einer Kommandobehörde verwendet würde und dort die
Möglichkeit einer Förderung in die B 3-Ebene bestehe; mit der ihr erteilten Ent-
wicklungsprognose, wonach ihre individuelle Laufbahnperspektive erreicht sei,
werde dies jedoch verhindert. Fraglich sei schließlich, ob der richtige Beurtei-
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lungszeitraum zugrunde gelegt worden sei; ihre letzte planmäßige Beurteilung
sei zum 12. März 2010 erfolgt.
Mit Bescheid vom 20. März 2012 wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr die Beschwerde zurück. Soweit sie sich gegen die Beurteilung
durch den Institutsleiter richte, sei sie unzulässig, weil nicht fristgerecht erho-
ben. Die dienstliche Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten seien rechtlich selbständig und daher gesondert anzufechten. Die
Beschwerde vom 12. Oktober 2011 sei deshalb hinsichtlich der Erstbeurteilung
verspätet. Ein möglicher Irrtum der Antragstellerin begründe kein unabwendba-
res Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO. Soweit sich die Beschwerde gegen
die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten richte, sei sie unbegrün-
det. Verstöße gegen Beurteilungsgrundsätze lägen nicht vor. Die Vergleichs-
gruppe sei sachgerecht gebildet, weil die Antragstellerin mit den Sanitätsstabs-
offizieren in Leitungsfunktion der Besoldungsgruppe A 16 verglichen worden
sei. Die Festlegung von Richtsätzen sei nicht zu beanstanden. Es bedeute auch
keinen Widerspruch, dass der stellungnehmende Vorgesetzte einerseits die in-
dividuelle Laufbahnperspektive als erreicht angesehen, andererseits eine Tätig-
keit der Antragstellerin in einer Kommandobehörde für denkbar gehalten habe;
denn eine Kommandobehörde sei nicht nur mit Dienstposten der Ebene B 3
und höher, sondern auch mit solchen nach A 16 ausgestattet.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom
23. April 2012 weitere Beschwerde ein. Mit ihr betonte sie vor allem, dass die
Beurteilung und die hierzu abgegebene Stellungnahme einheitlich zu sehen und
deshalb auch einheitlich anzufechten seien. Die Beschwerdefrist beginne daher
erst mit der Aushändigung der vollständigen dienstlichen Beurteilung in Schrift-
form. In der Sache vertiefte sie im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2012 wies der Bundesminister der Verteidigung
- R II 2 - die von ihm gesondert behandelten Beschwerden gegen die dienstli-
che Beurteilung und gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetz-
ten zurück. Die Beschwerde gegen die dienstliche Beurteilung sei vom Inspek-
teur des Sanitätsdienstes zu Recht wegen Verfristung als unzulässig behandelt
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worden. Mit der Eröffnung der Beurteilung am 2. August 2011 habe die Antrag-
stellerin Kenntnis vom Beschwerdeanlass gehabt; die Beschwerdefrist habe
daher mit Ablauf des 2. September 2011 geendet. Dass die Antragstellerin die
von ihr unterzeichnete Ausfertigung der Beurteilung zunächst wieder habe ab-
geben müssen und erst zusammen mit der Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten zurückerhalten habe, begründe keinen Fall des § 7 Abs. 1 WBO.
Soweit sich die weitere Beschwerde gegen die Stellungnahme des nächsthöhe-
ren Vorgesetzten richte, habe sie ebenfalls keinen Erfolg. Der nächsthöhere
Vorgesetzte habe den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem
Dienstposten, der in Bestandskraft erwachsen sei, unverändert gelassen. Be-
urteilungszeitraum und Vergleichsgruppenbildung seien nicht zu beanstanden.
Es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der nächsthöhere Vor-
gesetzte die Antragstellerin besser als mit „6,20“ habe bewerten wollen. Die
vergebene Entwicklungsprognose weise keinen Widerspruch auf; sie stehe im
Übrigen einer weiteren Förderung nicht grundsätzlich entgegen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. Juni 2012 beantragte die Antrag-
stellerin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister
der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom
23. Juli 2012 dem Senat vor.
Zur Begründung führt die Antragstellerin ergänzend zu ihrem Vorbringen im
außergerichtlichen Beschwerdeverfahren insbesondere aus:
Die Beschwerdefrist beginne erst zu laufen, wenn die planmäßige Beurteilung
in ihrer Gesamtheit, d.h. einschließlich der Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten, eröffnet sei. Dies ergebe sich aus der Ausgestaltung des Beurtei-
lungsverfahrens in der ZDv 20/6. Die Beurteilung erfolge auf einem einheitli-
chen Vordruck mit durchgehender Nummerierung und Seitenzahl. Jede Seite
sei mit der einheitlichen Zeile „Beurteilung für Dr. med. ... vom 02.08.2011“
überschrieben. Während des Beurteilungsverfahrens habe der stellungneh-
mende Vorgesetzte gemäß Nr. 901 ff. ZDv 20/6 die Aufgabe, die Beurteilung
und deren ordnungsgemäßes Zustandekommen zu prüfen; würden Verfahrens-
verstöße oder inhaltliche Fehler festgestellt, entscheide im Rahmen der Dienst-
aufsicht jeder Vorgesetzte, solange er mit der Beurteilung befasst sei, ob die
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Beurteilung oder eine Stellungnahme aufgehoben, berichtigt oder ergänzt wer-
den müsse oder ob davon abgesehen werden könne. Konsequent sei das ge-
samte Beurteilungsverfahren gemäß Nr. 912 ZDv 20/6 erst dann abgeschlos-
sen, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte Stellung genommen habe und die
weiteren höheren Vorgesetzten entweder ebenfalls von diesem Recht Ge-
brauch gemacht oder davon abgesehen hätten. Eine Beschwerdefrist werde
nicht bereits dadurch in Lauf gesetzt, dass ein Teil des Beurteilungsverfahrens
durchgeführt worden sei. Auch materiellrechtlich lasse sich z.B. die Frage, ob
eine Beurteilung in sich widerspruchsfrei sei, erst beantworten, wenn die Be-
urteilung in ihrer Gesamtheit vorliege. Inwiefern der Soldat sich dann dafür ent-
scheide, die Beurteilung insgesamt oder lediglich Teile davon anzufechten, un-
terliege seiner Entscheidungsfreiheit. Die Beschwerde sei deshalb insgesamt
fristgerecht erfolgt. Jedenfalls liege zumindest ein Fall des § 7 Abs. 1 WBO vor.
In der Sache werde ergänzend insbesondere gerügt, dass der nächsthöhere
Vorgesetzte die Entwicklungsprognose nicht näher begründet habe; schon des-
halb sei die Stellungnahme aufzuheben. Die Stellungnahme sei ferner wider-
sprüchlich, weil einerseits eine Verwendung auf weitere Sicht in Kommandobe-
hörden empfohlen werde, was eine Verwendung in B 3-Positionen bedeuten
könne, andererseits die Entwicklungsprognose auf „individuelle Laufbahnper-
spektive erreicht“ laute.
Die Antragstellerin beantragt,
ihre planmäßige Beurteilung vom 2. August 2011 und die
Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom
7. September 2011 in Gestalt des Beschwerdebescheids
vom 20. März 2012 und des Bescheids über die weitere
Beschwerde vom 10. Mai 2012 aufzuheben und die Bun-
desrepublik Deutschland zu verpflichten, für sie, die An-
tragstellerin, unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts eine Neufassung der planmäßigen dienstlichen
Beurteilung einschließlich der Stellungnahme des nächst-
höheren Vorgesetzten zu erstellen,
hilfsweise, die Stellungnahme des nächsthöheren Vorge-
setzten vom 7. September 2011 in Gestalt des Beschwer-
debescheids vom 20. März 2012 und des Bescheids über
die weitere Beschwerde vom 10. Mai 2012 aufzuheben
und die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, für
sie, die Antragstellerin, unter Beachtung der Rechtsauf-
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fassung des Gerichts eine Neufassung der Stellungnahme
des nächsthöheren Vorgesetzten zu erstellen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Verpflichtungsanträge sei zu berücksichtigen, dass inzwischen
sowohl der erstbeurteilende als auch der stellungnehmende Vorgesetzte in den
Ruhestand getreten seien. Eine Verpflichtung könne daher allenfalls dahinge-
hend ausgesprochen werden, dass die zuständige personalbearbeitende Stelle
darüber zu entscheiden habe, ob eine Neufassung der Beurteilung überhaupt
zu erstellen sei.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei jedoch insgesamt unbegründet. Es
entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass die einzelnen Teile einer dienstli-
chen Beurteilung, nämlich die „Erstbeurteilung“, die Stellungnahme des nächst-
höheren Vorgesetzten sowie die Stellungnahme weiterer Vorgesetzter, rechtlich
selbständig seien und somit auch unterschiedlichen Rechtsmittelfristen unterlä-
gen. Die dienstliche Beurteilung durch den erstbeurteilenden Vorgesetzten sei
demgemäß in Bestandskraft erwachsen. Im Übrigen bestünden gegen sie keine
inhaltlichen Bedenken. Soweit sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten richte, sei er unbe-
gründet. Es sei nicht ersichtlich, dass der stellungnehmende Vorgesetzte sei-
nen Beurteilungsspielraum überschritten hätte. Insbesondere sei die Vergabe
der Entwicklungsprognose „individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ nicht wi-
dersprüchlich. Der Erstbeurteilende habe die Antragstellerin mit „6,20“ zwar an-
sprechend beurteilt, sie aber nicht im oberen Drittel der zu Beurteilenden einge-
ordnet. Mit dieser Einschätzung korrespondierten auch die Vorschläge, wonach
sie für Folgeverwendungen auf der A 16-Ebene weiter zu betrachten sei. Die
Entwicklungsprognose eines Soldaten sei zwar selbstverständlich bei einer
Entscheidung über einen höherwertigen B 3-Dienstposten zu berücksichtigen;
die Antragstellerin wäre mit ihrer derzeitigen individuellen Laufbahnperspektive
jedoch nicht von vornherein aus dieser Betrachtung ausgeschlossen.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakten des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr - FüSan/RB - Az.: ... - und des Bundesministers der Verteidigung
- R II 2 - Az.: ... - sowie die Personalgrundakte der Antragstellerin, Hauptteile
A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg, soweit er sich gegen die
Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten richtet. Im Übrigen war der
Antrag zurückzuweisen.
Die Beurteilung vom 2. August 2011 durch den Leiter des ... der Bundeswehr ist
bestandskräftig, weil die Antragstellerin sie nicht fristgerecht mit der Beschwer-
de angefochten hat. Die vom Amtschef des Sanitätsamts der Bundeswehr als
nächsthöherem Vorgesetzten abgegebene Stellungnahme vom 7. September
2011 ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, weil ihr
eine fehlerhafte Vergleichsgruppe zugrunde liegt.
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insgesamt zulässig.
Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV (in der hier maß-
geblichen Fassung des Art. 1 der Verordnung vom 23. September 2009, BGBl I
S. 3128) i.V.m. Nr. 201 der Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6, hier in der
Fassung der 2. Änderung vom 16. Oktober 2009) stellen nach ständiger Recht-
sprechung des Senats truppendienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17
Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden
können.
Zwar sind Aussagen und Wertungen in Beurteilungen zur Persönlichkeit, Eig-
nung, Befähigung und Leistung der Beurteilten grundsätzlich nicht anfechtbar
(siehe auch Nr. 1101 Satz 1 ZDv 20/6). Sie sind als höchstpersönliche Wert-
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urteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann
jedoch eine Beurteilung oder eine hierzu abgegebene Stellungnahme eines hö-
heren Vorgesetzten mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte,
die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr,
vgl. Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59
Rn. 27 ).
Dementsprechend erklärt Nr. 1101 Satz 2 ZDv 20/6 Beschwerden gegen Be-
urteilungen als nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Klarstellend weist Nr. 1102
Abs. 1 ZDv 20/6 darauf hin, dass sich Soldaten beschweren können, wenn sie
glauben, dass bei der Erstellung der Beurteilung, einschließlich der Stellung-
nahmen, solche Rechte verletzt worden sind, die ihnen als Garantie für eine
sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsordnung eingeräumt sind (siehe dazu
die Aufzählung in Nr. 1102 Abs. 2 ZDv 20/6). Das ist hier durch die Antragstelle-
rin geschehen, die unter anderem Verstöße gegen das Gebot der Sachgerech-
tigkeit (Nr. 401 Abs. 1 Satz 2 ZDv 20/6) durch fehlerhafte Vergleichsgruppenbil-
dung und fehlerhafte Anwendung der Bestimmungen für das Erstellen von Be-
urteilungen und Stellungnahmen, die Verletzung des Gebots der Widerspruchs-
freiheit (Nr. 401 Abs. 1 Satz 2 ZDv 20/6) und eine fehlerhafte Bestimmung des
Beurteilungszeitraums (Nr. 406 Buchst. a ZDv 20/6) geltend macht.
Zulässig sind danach zum einen die Anfechtungsanträge (Aufhebung der Be-
urteilung und der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten im Hauptan-
trag bzw. Aufhebung nur der letzteren im Hilfsantrag). Die Neufassung einer
aufgehobenen Beurteilung oder Stellungnahme erfolgt zwar von Amts wegen,
wobei auch die Neufassung der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetz-
ten regelmäßig unverzichtbar ist (Nr. 1204 Buchst. a Abs. 2 ZDv 20/6). Im Hin-
blick auf die zwischen den Beteiligten strittigen Rechtsfragen ist jedoch auch für
die Verpflichtungsanträge ein Rechtsschutzbedürfnis anzuerkennen. Ihnen
steht ferner nicht entgegen, dass eine Neufassung möglicherweise nicht in Be-
tracht kommt, weil die beiden ursprünglich befassten Vorgesetzten inzwischen
aus dem Dienst ausgeschieden sind. Ob wegen dieser Veränderung der tat-
sächlichen Verhältnisse gemäß Nr. 1204 Buchst. a Abs. 1, Buchst. b 1. Strich-
aufzählung ZDv 20/6 eine Neufassung unterbleibt, ist von der personalbearbei-
tenden Stelle zu prüfen, sofern der Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Üb-
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rigen Erfolg hat und die grundsätzliche Verpflichtung zur Neufassung ausge-
sprochen wird.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet, soweit er die Stel-
lungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten betrifft; im Übrigen ist er unbe-
gründet.
a) Soweit sich der Antrag gegen die Beurteilung vom 2. August 2011 durch den
Leiter ... richtet, ist er unbegründet, weil die Antragstellerin nicht fristgerecht Be-
schwerde erhoben hat und die Beurteilung deshalb bestandskräftig geworden
ist.
aa) Die Beurteilung durch den beurteilenden Vorgesetzten (Nr. 601 ff.
ZDv 20/6), die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten (Nr. 904 ff.
ZDv 20/6) und ggf. die Stellungnahme eines weiteren höheren Vorgesetzten
(Nr. 911 ff. ZDv 20/6) bilden jeweils selbständig anfechtbare Maßnahmen
(stRspr, vgl. zuletzt Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - BVerwG 1 WB 30.12 -
juris Rn. 27 m.w.N. und vom 30. April 2013 - BVerwG 1 WB 34.12 - juris
Rn. 17). Wird eine Beurteilung oder die Stellungnahme eines höheren Vorge-
setzten nicht innerhalb der jeweiligen Beschwerdefrist, die grundsätzlich mit der
Eröffnung der Beurteilung oder Stellungnahme in Lauf gesetzt wird, angefoch-
ten (siehe auch Nr. 1103 Abs. 1 ZDv 20/6), so erwächst sie in Bestandskraft
(vgl. hierzu ausführlich Beschluss vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB
36.09 - BVerwGE 136, 119 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 17
Rn. 48 ff.> = NZWehrr 2011, 36).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
Die Antragstellerin hat zwar zutreffend auf eine Reihe von verfahrensrechtlichen
Gesichtspunkten hingewiesen, die dafür sprechen könnten, die dienstliche Be-
urteilung des Soldaten als integrale, alle Bestandteile (Beurteilung und Stellung-
nahmen) umfassende Einheit mit der Folge zu sehen, dass diese erst nach Ab-
schluss des gesamten Beurteilungsverfahrens und nur insgesamt mit der Be-
schwerde angefochten werden kann. In der Tat bilden die einzelnen Bestandtei-
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le - Beurteilung durch den beurteilenden Vorgesetzten, Stellungnahme des
nächsthöheren Vorgesetzten und ggf. Stellungnahme des weiteren höheren
Vorgesetzten - einen aufeinander aufbauenden Zusammenhang, was auch in
der Gestaltung des zu verwendenden Vordrucks A in Form einer einheitlichen
Kopfzeile und einer durchgehenden Nummerierung Ausdruck findet (siehe An-
lage 1 zu Nr. 202 und Nr. 601 ZDv 20/6). Das gesamte Beurteilungsverfahren
ist erst dann abgeschlossen, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte Stellung ge-
nommen hat und die weiteren höheren Vorgesetzten entweder ebenfalls von
diesem Recht Gebrauch gemacht oder durch Nichtanforderung der Beurteilung
von dessen Ausübung abgesehen haben (Nr. 912 Buchst. a ZDv 20/6). Wäh-
rend des gesamten Verfahrens unterliegt die dienstliche Beurteilung einer fort-
laufenden Prüfung durch den jeweils befassten Vorgesetzten (Nr. 901
ZDv 20/6).
Allerdings bestehen bereits in verfahrensrechtlicher Hinsicht deutliche Zäsuren
zwischen den einzelnen Bestandteilen. Insbesondere ist die dienstliche Beurtei-
lung dem Soldaten nicht erst nach Abschluss des gesamten Beurteilungsver-
fahrens (im Sinne von Nr. 912 Buchst. a ZDv 20/6) bekanntzugeben. Vielmehr
ist jeder einzelne Bestandteil - Beurteilung durch den beurteilenden Vorgesetz-
ten, Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten und ggf. Stellungnahme
des weiteren höheren Vorgesetzten - nach Abschluss des dem jeweiligen Vor-
gesetzten zugewiesenen Abschnitts, zudem in einer besonders formalisierten
Art und Weise, zu eröffnen und die Eröffnung vom Soldaten durch seine Unter-
schrift zu bestätigen (Nr. 701 ff. ZDv 20/6 i.V.m. Nr. 7, 9 und 11 des Vor-
drucks A). Die Bekanntgabe der einzelnen Bestandteile erfolgt damit in der glei-
chen Form, wie sie bei abschließenden Entscheidungen üblich ist.
Auch in materieller Hinsicht verhalten sich die einzelnen Bestandteile der
dienstlichen Beurteilung eines Soldaten zueinander selbständig. Die dienstliche
Beurteilung des Soldaten wird insbesondere nicht, wie dies bei der dienstlichen
Beurteilung eines Beamten der Fall ist, mit einem Gesamturteil abgeschlossen
(§ 49 Abs. 3 Satz 1 BLV). Vielmehr treffen die beteiligten beurteilenden und
stellungnehmenden Vorgesetzten zu den ihnen jeweils zugewiesenen Themen-
komplexen Aussagen und Wertungen, die sich zwar zu einem (differenzierten)
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Gesamtbild des Soldaten ergänzen, die aber gleichwohl als eigenständige Aus-
sagen und Wertungen des jeweiligen persönlich verantwortlichen Vorgesetzten
erhalten bleiben. So obliegt dem beurteilenden Vorgesetzten originär die Be-
wertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, die Erstellung eines indi-
viduellen Persönlichkeitsprofils des Soldaten und die Angabe von Verwen-
dungsmöglichkeiten und -vorschlägen (Nr. 608 bis 616 ZDv 20/6 i.V.m. Nr. 3, 4
und 5 des Vordrucks A); der stellungnehmende nächste Vorgesetzte hat das
Potenzial des Beurteilten zu beschreiben und eine prognostische Einschätzung
seiner künftigen Entwicklung abzugeben (Nr. 910 ZDv 20/6 i.V.m. Nr. 8.4
und 8.5 des Vordrucks A). Zu Behauptungen und Bewertungen, die für den Sol-
daten ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, trifft jeden einzelnen
- beurteilenden oder stellungnehmenden - Vorgesetzten die Pflicht zur jeweils
gesonderten Anhörung des Soldaten (Nr. 618 ZDv 20/6).
Die Selbständigkeit der einzelnen Bestandteile der dienstlichen Beurteilung und
die eindeutige persönliche Zuordnung der Verantwortung an den jeweils zu-
ständigen beurteilenden oder stellungnehmenden Vorgesetzten bleibt auch dort
erhalten, wo Überschneidungen zwischen den Aufgabenbereichen bestehen.
So sind die nächsthöheren Vorgesetzten zwar verpflichtet, die weiteren höheren
Vorgesetzten berechtigt, im Leistungs- und Eignungsvergleich zur Aufgabener-
füllung auf dem Dienstposten, zum Persönlichkeitsprofil sowie zum Abschnitt
„Verwendung“ - und damit zu den originären Aussagen und Wertungen des be-
urteilenden Vorgesetzten - Stellung zu nehmen (Nr. 904 Buchst. a und Nr. 911
ZDv 20/6 i.V.m. Nr. 8.2 und 10 des Vordrucks A). Auch hierdurch ergibt sich je-
doch keine Vermischung der Verantwortungsbereiche und damit auch nicht die
von der Antragstellerin befürchtete Gefahr von Widersprüchen zwischen der
(Erst-) Beurteilung und der Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten. Teilt
der stellungnehmende höhere Vorgesetzte nicht die Einschätzung durch den
beurteilenden Vorgesetzten, so hat er das Recht zur Änderung von Einzel-
merkmalwertungen in der Leistungsbewertung, zur Änderung von Ausprägun-
gen des Persönlichkeitsprofils, zur Änderung der Eignungsstufen für Verwen-
dungsmöglichkeiten und zur Abgabe von eigenen Verwendungsvorschlägen
(Nr. 906 Buchst. c und Nr. 911 Buchst. a ZDv 20/6). Macht der höhere Vorge-
setzte von diesem Änderungsrecht Gebrauch, so sind allein seine Aussagen
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und Wertungen (und nicht mehr die der Erstbeurteilung) maßgeblich. Möchte
sich der Soldat gegen eine verschlechternde Änderung zur Wehr setzen, geht
es daher nicht um die Beseitigung eines Widerspruchs (im Sinne von Nr. 401
Abs. 1 Satz 2 ZDv 20/6) zwischen Beurteilung und Stellungnahme, sondern (al-
lein) um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Änderung durch den stellung-
nehmenden Vorgesetzten. Die Beschwerde gegen die Stellungnahme des hö-
heren Vorgesetzten ist hierfür der geeignete und ausreichende Rechtsbehelf.
Für die selbständige Anfechtbarkeit von Beurteilung und Stellungnahmen
spricht schließlich die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems der Wehrbe-
schwerdeordnung (vgl. zum Folgenden auch Beschluss vom 23. Februar 2010
a.a.O. Rn. 62). Ungeachtet einer zunehmenden Angleichung an das allgemeine
Verwaltungsprozessrecht ist das Wehrbeschwerdeverfahren nach wie vor auf
eine einfache und zügige, möglichst bereits außergerichtliche Klärung und Be-
friedung ausgerichtet; die formalen Anforderungen an die Einlegung einer Be-
schwerde sind gering, der Soldat darf - wie die Untätigkeitsrechtsbehelfe erken-
nen lassen (siehe § 1 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO) - eine ra-
sche Entscheidung durch den in der Hierarchie zuständigen Disziplinarvorge-
setzten erwarten. Umgekehrt ist es deshalb angezeigt, dass der Soldat, wenn
er glaubt, unrichtig behandelt zu sein, sein Anliegen bei erster Gelegenheit vor-
bringt. Gerade auch im Hinblick auf die Aufgabenteilung zwischen beurteilen-
dem und stellungnehmendem Vorgesetzten und den je eigenen Beurteilungs-
spielraum, über den sowohl der beurteilende als auch der stellungnehmende
Vorgesetzte verfügt, ist es weiter sinnvoll, dass Beschwerden, die sich gegen
Aussagen und Bewertungen durch den beurteilenden Vorgesetzten richten, be-
reits nach Eröffnung der Beurteilung erhoben und nicht bis zu dem oft deutlich
späteren Abschluss des Beurteilungsverfahrens hintangehalten werden. Insbe-
sondere bei erkennbar begründeten Beschwerden wird auf diese Weise ver-
mieden, dass sich Fehler in das weitere Verfahren, das auf der Ebene der stel-
lungnehmenden Vorgesetzten einen größeren Kreis von Soldaten erfasst, fort-
setzen.
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bb) Die Beurteilung vom 2. August 2011 durch den Leiter ... ist danach be-
standskräftig geworden, weil die Antragstellerin gegen sie nicht fristgerecht Be-
schwerde erhoben hat.
(1) Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer
Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Be-
schwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis
vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind,
aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, vgl.
- auch zum Folgenden - Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - BVerwG 1 WB
26.10 - Rn. 20 sowie zuletzt vom 29. Januar 2013 - BVerwG 1 WB 5.12 - juris
Rn. 27, jeweils m.w.N.). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn
der gerichtlichen Antragsfrist an die Zustellung des zurückweisenden Be-
schwerdebescheids knüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Be-
schwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass vo-
raus. Etwas anderes gilt dann, wenn für eine truppendienstliche Maßnahme
eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine spezielle gesetzliche Regelung
oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger
Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung
des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen.
Eine derartige besondere Form der Bekanntgabe ergibt sich hier aus den be-
reits genannten Bestimmungen der Nr. 701 ff. ZDv 20/6 über die Eröffnung von
Beurteilungen. Diese Bestimmungen wurden beachtet. Ausweislich der bei den
Akten befindlichen dienstlichen Beurteilung hat die Antragstellerin mit ihrer Un-
terschrift bescheinigt, dass ihr der Entwurf der Beurteilung am 28. Juli 2011
ausgehändigt wurde, die Erörterung im persönlichen Gespräch am 1. August
2011 erfolgte und ihr die Beurteilung am 2. August 2011 eröffnet wurde (Nr. 703
Buchst. a ZDv 20/6).
Begann die Monatsfrist für die Einlegung der Beschwerde gemäß § 6 Abs. 1
WBO demnach am 2. August 2011, so endete sie nach der im Wehrbeschwer-
deverfahren entsprechend anwendbaren Regelung des § 57 Abs. 2 VwGO
i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des
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2. September 2011. Innerhalb dieser Frist hat die Antragstellerin keine Be-
schwerde erhoben; die Beschwerde vom 12. Oktober 2011 ist verspätet.
(2) Der Fristablauf wird auch nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von
§ 7 Abs. 1 WBO als „unabwendbarer Zufall“ zu werten sind. Der Rechtsbehelf
der Beschwerde und die dafür geltende Frist des § 6 Abs. 1 WBO können bei
allen Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden (stRspr, vgl. Beschluss vom
20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 38.08 - Rn. 31
Buchholz 450.1 § 7 WBO Nr. 5> m.w.N.). Ebenfalls grundsätzlich bekannt und
im Zweifelsfalle bei den beurteilenden Vorgesetzten nachzufragen ist die ge-
schilderte ständige Rechtsprechung, dass Beurteilungen und Stellungnahmen
selbständige Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO bilden; sie hat
ihren Niederschlag auch in den Beurteilungsbestimmungen selbst gefunden
(siehe Nr. 1103 Buchst. a ZDv 20/6). Im Übrigen stellt eine unrichtige Rechts-
auffassung oder mangelnde Rechtskenntnis in aller Regel keinen unabwendba-
ren Zufall im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO dar (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 7
Rn. 12 mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen; zur parallelen Vorschrift
des § 60 Abs. 1 VwGO vgl. etwa Beschluss vom 7. Oktober 2010 - BVerwG 9 B
83.09 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 266 m.w.N.).
Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass sie die für sie bestimmte und ihr
zunächst ausgehändigte Ausfertigung der Beurteilung habe zurückgeben müs-
sen und erst nach Abschluss des gesamten Beurteilungsverfahrens wieder-
erhalten habe, steht diese Vorgehensweise im Einklang mit Nr. 702 ZDv 20/6.
Im Übrigen hat die Antragstellerin die Beurteilung am 28. Juli 2011 (so der Ein-
trag in Nr. 7.2 des Vordrucks) oder bereits am 29. Juni 2011 (so der Vortrag der
Antragstellerin) im Entwurf erhalten, wobei ein Exemplar (die zweite Ausferti-
gung des Entwurfs) bei ihr verblieb (Nr. 619 Buchst. a ZDv 20/6); am 1. August
2011 wurde der Entwurf mit ihr im persönlichen Gespräch erörtert (Nr. 619
Buchst. b ZDv 20/6). Der Entwurf der Beurteilung wurde nach dem Vortrag der
Antragstellerin vor der Eröffnung lediglich um zwei Einzelpunkte (Angaben zum
Sportabzeichen und zur Weiterbildungsbefugnis) sowie um die Vorstellungen
der Antragstellerin zu ihrem weiteren Werdegang (Nr. 7.1 des Vordrucks) er-
gänzt. Die Antragstellerin war deshalb, als ihr die Beurteilung am 2. August
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2011 eröffnet wurde, durchaus informiert und hinreichend in der Lage, sich eine
Meinung zu bilden, ob sie - ggf. zunächst nur fristwahrend ohne gleichzeitige
Begründung - Beschwerde einlegen wolle. Auch insoweit liegt daher kein Hin-
dernis für die Einhaltung der Beschwerdefrist im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO vor.
Als truppendienstliche Erstmaßnahme bedurfte die dienstliche Beurteilung nach
der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 13. April
2011 - BVerwG 1 WB 45.10 - Rn. 20 und vom 29. Januar 2013 a.a.O. Rn. 39)
schließlich keiner Rechtsbehelfsbelehrung (§ 7 Abs. 2 WBO).
b) Soweit sich der Antrag gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorge-
setzten richtet, ist er begründet.
Die Stellungnahme des Amtschefs des Sanitätsamts der Bundeswehr vom
7. September 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren
Rechten. Die Stellungnahme sowie die Beschwerdebescheide des Inspekteurs
des Sanitätsdienstes vom 20. März 2012 und des Bundesministers der Vertei-
digung - R II 2 - vom 10. Mai 2012, soweit sie die Stellungnahme betreffen, sind
deshalb aufzuheben und der Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten,
eine Neufassung der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erstellen zu lassen, sofern auf
diese nicht gemäß Nr. 1204 ZDv 20/6 zu verzichten ist (§ 21 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 und 4 WBO).
Dienstliche Beurteilungen und hierzu abgegebene Stellungnahmen sind gericht-
lich nur beschränkt nachprüfbar, weil den beurteilenden und stellungnehmen-
den Vorgesetzten bei ihrem Werturteil über die Eignung, Befähigung und Leis-
tung des zu beurteilenden Soldaten ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die
Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Vorgesetzte
den anzuwendenden Begriff der Beurteilung bzw. Stellungnahme oder den ge-
setzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht
beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschrif-
ten verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien für
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die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an denen sich die Beurtei-
lungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG)
ständig orientiert, kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehal-
ten worden sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in
Einklang stehen (stRspr, vgl. Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB
48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 30
449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14>).
Die Stellungnahme des Amtschefs des Sanitätsamts der Bundeswehr ist da-
nach rechtswidrig, weil ihr eine fehlerhaft gebildete Vergleichsgruppe zugrunde
liegt.
aa) Die Vergleichsgruppe wurde gemäß Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 (in der hier
maßgeblichen Fassung der 2. Änderung vom 16. Oktober 2009) aus den dem
Amtschef des Sanitätsamts der Bundeswehr unterstehenden Sanitätsstabsoffi-
zieren gebildet, die auf einem nach Besoldungsgruppe A 16 dotierten Dienst-
posten verwendet waren. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - hat
hierzu mit seinem Vorlageschreiben ein Übersichtsblatt vorgelegt. Danach setz-
te sich die Vergleichsgruppe aus 11 Sanitätsstabsoffizieren, darunter
10 Oberstärzten (einschließlich 2 Flottenärzten, 2 Oberstapothekern und
2 Oberstveterinären) und einem Oberfeldarzt, zusammen, die - innerhalb der
damaligen Organisationsstruktur des Sanitätsdienstes - beim Sanitätsamt der
Bundeswehr (1 Offizier), beim Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bun-
deswehr an den Standorten Kiel, Koblenz und München (insgesamt 5 Offiziere),
bei der Sanitätsakademie der Bundeswehr (1 Offizier) sowie bei verschiedenen
dem Sanitätsamt unterstellten medizinischen Instituten (insgesamt 4 Offiziere)
verwendet waren.
Die Größe der Vergleichsgruppe liegt danach zwar unterhalb der Zahl von
zwanzig Soldaten, die nach der Rechtsprechung des Senats auf der Ebene des
stellungnehmenden nächsthöheren Vorgesetzten grundsätzlich erreicht sein
muss, damit bei der Anwendung der Vorschriften über die Richtwerte und Wer-
tungsbereiche Verzerrungen in der Bewertung, die nicht durch Leistungsunter-
schiede gerechtfertigt sind, vermieden werden (Beschluss vom 25. Oktober
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2011 - BVerwG 1 WB 51.10- BVerwGE 141, 113 = Buchholz 449.2 § 2
SLV 2002 Nr. 18 ). Die nicht hinreichende Größe hat jedoch
nicht zur Folge, dass die Soldaten nicht miteinander verglichen werden dürften,
sondern entbindet lediglich von der Einhaltung der Richtwerte (vgl. Nr. 610
Buchst. c Satz 2 ZDv 20/6).
bb) Die Vergleichsgruppe ist jedoch wegen fehlender Homogenität ihrer Zu-
sammensetzung fehlerhaft.
(1) Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 (a.a.O. Leit-
satz 2 und Rn. 38 ff.) entschieden, dass die Regelung in Nr. 203 Buchst. a
Satz 3 ZDv 20/6 in der - auch hier zur Anwendung gelangten - Fassung der
2. Änderung vom 16. Oktober 2009, wonach für die Zuordnung zu den beurtei-
lungsrelevanten Vergleichsgruppen nicht der Dienstgrad oder die Besoldungs-
gruppe der zu beurteilenden Soldaten, sondern die Dotierung der von ihnen in-
negehabten Dienstposten maßgeblich ist, gegen § 2 Abs. 4 Satz 1 SLV ver-
stößt. Hierfür waren die folgenden Gründe tragend (a.a.O. Rn. 39 bis 41):
„Für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen im Sinne
des § 2 Abs. 1 SLV sind gemäß § 2 Abs. 4 SLV in den
Beurteilungsbestimmungen Vergleichsgruppen nach dem
Dienstgrad, der Besoldungsgruppe oder der Funktions-
ebene zu bilden; innerhalb dieser Vergleichsgruppen sind
die Soldatinnen und Soldaten nach einem einheitlichen
Beurteilungsmaßstab zu beurteilen.
Die Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 1 SLV, die auch eine
Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene zu-
lässt, ist rechtlich nicht zu beanstanden und mit höherran-
gigem Recht, insbesondere mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 3
Abs. 1 SG vereinbar. Nach der Rechtsprechung des Se-
nats muss die für den einzelnen Beurteiler überschaubare
Vergleichsgruppe insbesondere hinreichend homogen
sein. Die Vergleichsgruppe muss in dem Sinne homogen
zusammengesetzt sein, dass für alle Gruppenmitglieder
im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung,
Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann kön-
nen diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Sol-
daten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rang-
folge nach der Notenskala gebracht werden. Die für die
Angehörigen der Vergleichsgruppe im Wesentlichen iden-
tischen Anforderungen bestimmen den Maßstab, anhand
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dessen die Arbeitsqualität und die Arbeitsquantität einge-
stuft werden (im Anschluss an das Urteil vom 24. Novem-
ber 2005 - BVerwG 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 =
Buchholz 232.1 § 41a BLV Nr. 1: Beschluss vom 26. Mai
2009 a.a.O. Rn. 53, 61 m.w.N.). § 2 Abs. 4 Satz 1 SLV
bezeichnet als hinreichend homogen neben der Gruppe
der Soldaten desselben Dienstgrades und derselben Be-
soldungsgruppe auch die Gruppe der Soldaten derselben
Funktionsebene. Bei der auf diese Weise gebildeten Ver-
gleichsgruppe ist das Kriterium für die Gruppenzugehörig-
keit die Innehabung eines Dienstpostens mit weitgehend
denselben Anforderungen; die Ähnlichkeit der verrichteten
Aufgaben ist der tragende Grund für die Vergleichbarkeit.
Bei der Vergleichsgruppenbildung nach Funktionsebenen
werden die Leistungsanforderungen nicht aus dem Status-
amt hergeleitet, sondern daran orientiert, welche Anforde-
rungen die durch die Wahrnehmung der im Wesentlichen
gleichen Aufgaben gekennzeichneten Dienstposten über-
einstimmend stellen (vgl. Urteil vom 24. November 2005
a.a.O.).
Auf dieser Ermächtigungsgrundlage regelt Nr. 203
Buchst. a Satz 3 ZDv 20/6 in der Fassung der 2. Änderung
vom 16. Oktober 2009 allein eine Vergleichsgruppenbil-
dung in Anknüpfung an die Dotierung der Dienstposten
der zu beurteilenden Soldatinnen und Soldaten; ausdrück-
lich schließt der Erlassgeber die Zuordnung zu den Ver-
gleichsgruppen nach dem Dienstgrad oder der Besol-
dungsgruppe der zu beurteilenden Soldatinnen und Sol-
daten aus. Diese Regelung und der Katalog der Ver-
gleichsgruppen nach Dienstpostendotierungen in der Liste
zu Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 lassen indessen nicht die
erforderliche Differenzierung erkennen, ob und in welcher
Weise die dort lediglich abstrakt - teilweise gebündelt -
nach Besoldungsgruppen abgestuften Dienstposten mit im
Wesentlichen identischen Aufgaben und deshalb ver-
gleichbaren Leistungsanforderungen ausgestattet sind.
Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 steht mit der ausschließlichen
Anknüpfung an die Dotierung der Dienstposten nicht mit
§ 2 Abs. 4 Satz 1 SLV im Einklang. Für die Funktionsebe-
ne im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 1 SLV ist die im Wesent-
lichen gleiche Aufgabe des Dienstposteninhabers maß-
geblich. Dies gewährleistet die Anknüpfung an die einem
Dienstposten zugewiesene Besoldungsstufe nicht. Bereits
auf Dienstposten, die mit einer Besoldungsgruppe dotiert
sind, und erst recht auf gebündelten Dienstposten, die mit
mehreren Besoldungsgruppen dotiert sind, können ver-
schiedene Aufgaben unterschiedlicher Ebenen wahrge-
nommen werden. Allein aus der Dotierung eines Dienst-
postens lässt sich nicht auf die Aufgaben des Dienstpos-
teninhabers schließen. Nur bei der Bildung von Ver-
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gleichsgruppen nach der Besoldungsgruppe kommt es auf
die Dotierung an. Aus § 18 BBesG folgt nichts Gegenteili-
ges. Die in dieser Vorschrift verlangte Bewertung der
Funktionen der Beamten, Richter und Soldaten und deren
Zuordnung zu Ämtern sollen der Verwirklichung des Ali-
mentationsprinzips und des Grundsatzes der amtsange-
messenen Beschäftigung Rechnung tragen. Die insoweit
erforderliche Ämter- und Dienstpostenbewertung soll die
Prüfung ermöglichen, ob der Anspruch der genannten
Amtsträger auf Übertragung eines Aufgabenbereichs er-
füllt ist, dessen Wertigkeit ihrem jeweiligen Amt im
Sinn entspricht (Urteile vom 25. Oktober 2007
- BVerwG 2 C 30.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG
Nr. 91 Rn. 14 und vom 30. Juni 2011 - BVerwG 2 C
19.10 - BVerwGE 140, 83 = Buchholz Art. 33 Abs. 2 GG
Nr. 49 Rn. 27). Diese Anknüpfung an das statusrechtliche
Amt soll bei der in § 2 Abs. 4 Satz 1 SLV zugelassenen
Vergleichsgruppenbildung nach Funktionsebenen aber ge-
rade ausgeschlossen sein.“
(2) Die vom Amtschef des Sanitätsamts der Bundeswehr gewählte, der Vorschrift
der Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 folgende Methode der Vergleichsgruppenbildung
nach der Dienstpostendotierung steht danach nicht im Einklang mit der Rechts-
grundlage in § 2 Abs. 4 Satz 1 SLV.
Die der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zugrundeliegende Ver-
gleichsgruppe ist auch in ihrer konkreten Zusammensetzung nicht mit den in § 2
Abs. 4 Satz 1 SLV vorgegebenen Kriterien der Vergleichsgruppenbildung verein-
bar. Die konkret gebildete Vergleichsgruppe lässt sich nicht unter die Kriterien
des Dienstgrads oder der Besoldungsgruppe fassen, weil sie nicht nur Oberstärz-
te der Besoldungsgruppe A 16 (einschließlich Flottenärzte, Oberstapotheker und
Oberstveterinäre), sondern auch einen Sanitätsstabsoffizier im Dienstgrad Ober-
feldarzt (Besoldungsgruppe A 15) umfasst. Die Gruppe der elf Sanitätsstabsoffi-
ziere wird aber auch nicht durch die gleiche Funktionsebene auf eine gemeinsa-
me Homogenitätsbasis gestellt. Die Zulassung der Vergleichsgruppenbildung
nach der Funktionsebene rechtfertigt sich ausschließlich durch die Annahme von
Leistungsanforderungen, die gleichmäßig und übereinstimmend für alle Angehö-
rigen derselben Funktionsebene gelten sollen. Dies ist vorliegend nicht gegeben.
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Die elf Sanitätsstabsoffiziere haben zwar, wie der Bundesminister der Verteidi-
gung in seinem Beschwerdebescheid (Seite 14) hervorhebt, allesamt Leitungs-
funktionen inne. Die Gemeinsamkeit in der Leitungsfunktion, die mit einem
Dienstposten der Ebene A 16 in aller Regel verbunden ist, tritt vorliegend jedoch
gegenüber den Unterschieden in den mit dem jeweiligen Dienstposten konkret
verbundenen Aufgaben und Anforderungen in den Hintergrund. So dürfte von
einer Vergleichbarkeit der Aufgaben und Anforderungen zwar noch bei den Sani-
tätsstabsoffizieren auszugehen sein, die als Abteilungsleiter beim Zentralen Insti-
tut des Sanitätsdienstes und den medizinischen Instituten (Sportmedizinisches
Institut der Bundeswehr, Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, Institut für
Mikrobiologie der Bundeswehr, Institut für Pharmakologie und Toxikologie der
Bundeswehr) tätig sind, also Einrichtungen, deren Aufgaben vorwiegend im Be-
reich der medizinischen (veterinärmedizinischen, pharmazeutischen, biologi-
schen, chemischen) Untersuchung und Forschung liegen; die Anforderungen an
diese Dienstposteninhaber beruhen dementsprechend im Kern auf wissenschaft-
licher Qualifikation und Expertise, ihre Leitungsaufgaben sind medizinisch-fach-
lich geprägt. Demgegenüber liegen die Aufgaben des Abteilungsleiters G 1 beim
Sanitätsamt der Bundeswehr und des Kommandeurs der Lehrgruppe A bei der
Sanitätsakademie der Bundeswehr im Schwerpunkt im Bereich der administrati-
ven Organisation und der militärisch geprägten Personalführung. Jedenfalls zwi-
schen diesen beiden administrativ-militärisch ausgerichteten Dienstposten
einerseits und den übrigen medizinisch-fachlich geprägten Dienstposten ande-
rerseits unterscheiden sich die Aufgaben und Anforderungen in einem Maße, die
eine Zusammenfassung aller Offiziere zu einer homogenen Vergleichsgruppe
nicht mehr zulässt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1
WBO.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer
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Sachgebiet:
BVerwGE:
Nein
Wehrbeschwerdeverfahrensrecht
Fachpresse:
Ja
Rechtsquellen:
WBO
§ 17 Abs. 3 Satz 1
SLV
§ 2
Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bun-
deswehr (ZDv 20/6) vom 17. Januar 2007
Stichworte:
Dienstliche Maßnahme; dienstliche Beurteilung; Stellungnahme des nächsthö-
heren Vorgesetzten.
Leitsatz:
Die Beurteilung durch den zuständigen Vorgesetzten (Nr. 601 ff. ZDv 20/6), die
Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten (Nr. 904 ff. ZDv 20/6) und ggf.
die Stellungnahme eines weiteren höheren Vorgesetzten (Nr. 911 ff. ZDv 20/6)
sind jeweils selbständig anzufechtende dienstliche Maßnahmen im Sinne von
§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 16. Juli 2013 - BVerwG 1 WB 43.12