Urteil des BVerwG vom 08.03.2007

Verfügung, Rechtsschutzinteresse, Behandlung, Anfechtung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 43.06
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberleutnant ...,
...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Lübeck und
Oberleutnant Klappert
als ehrenamtliche Richter
am 8. März 2007 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
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Der 1977 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit
von 14 Jahren, die voraussichtlich mit Ablauf des 31. August 2010 enden wird.
Zum Oberleutnant wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 2003 ernannt. Seit dem
3. April 2006 wird er als D...Offz beim I... verwendet.
Mit Schreiben vom 18. November 2004 hatte er beantragt, ihn aus persönlichen
Gründen von seinem damaligen Standort in M. schnellstmöglich an den Stand-
ort H. zu versetzen. Am 23. Dezember 2005 wurde er von dem im Personalamt
der Bundeswehr (PersABw) für ihn zuständigen Personalführer darüber infor-
miert, dass beabsichtigt sei, ihn zum 1. April 2006 zum I... zu versetzen. Damit
erklärte sich der Antragsteller einverstanden. Mit Fernschreiben des PersABw
vom 23. Dezember 2005, das ihm am 29. Dezember 2005 eröffnet wurde, wur-
de er mit Wirkung ab 1. April 2006 zum I... versetzt und darauf hingewiesen,
das Datum des Dienstantritts sei noch zwischen dem S... und dem I... einver-
nehmlich abzusprechen. Nach vorausgehender Mitteilung durch E-Mail vom
17. Januar 2006 wurde der Antragsteller mit Versetzungs- und Kommandie-
rungsverfügung Nr. 5052 des PersABw vom 31. Januar 2006, ihm ausgehän-
digt am 21. Februar 2006, unter vorangehender Kommandierung vom 13. bis
31. März 2006 mit Wirkung ab 1. April 2006 zum I... versetzt. Der Dienstantritt
wurde auf den 13. März 2006 festgelegt.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2006, eingegangen beim nächsten Disziplinar-
vorgesetzten am selben Tag, legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde ein
und machte geltend, die angeordnete vorangehende Kommandierung mit
Dienstantritt zum 13. März 2006 stelle sich ihm als „reine Maßnahme zur Um-
gehung der Schutzfrist“ von drei Monaten dar. Eine dienstliche Notwendigkeit
hierfür erschließe sich ihm unter Berücksichtigung der langen Vakanz des
Dienstpostens nicht. Eine Einweisungszeit von lediglich rund zwei Wochen
könne vor dem Hintergrund, dass er keine der geforderten Voraussetzungen
zur Wahrnehmung des neuen Dienstpostens erfüllen werde, keinesfalls als
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ausreichend angesehen werden. Zur Abwendung finanzieller Nachteile (Wegfall
der Stellenzulage, weitere Wegstecke) erwarte er, dass die genannte Verset-
zungs- und Kommandierungsverfügung Nr. 5052 aufgehoben und der Kom-
mandierungszeitraum gestrichen sowie eine „erneute Ausstellung der geänder-
ten Verfügung“ veranlasst werde.
Am 9. März 2006 wurde der Antragsteller im S... durch den L... darüber infor-
miert, dass der Dienstantritt im I... durch das PersABw aufgrund der eingelegten
Beschwerde auf den 3. April 2006 verschoben worden sei.
Mit Verfügung Nr. 600078639 des PersABw vom 10. März 2006, dem An-
tragsteller ausgehändigt am 29. März 2006, wurde er (ohne vorangehende
Kommandierung) zum 1. April 2006 und mit Dienstantritt am 3. April 2006 zum
I... versetzt.
Nachdem das PersABw mit Schreiben vom 24. März 2006 den Antragsteller
darauf hingewiesen hatte, dass damit seiner Beschwerde vom 23. Februar
2006 abgeholfen worden sei, legte der Antragsteller mit Schreiben vom
24. März 2006, eingegangen beim PersABw am selben Tag, „weitere Be-
schwerde gemäß § 16 Abs. 2 WBO“ ein und führte aus, aufgrund seiner an den
Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages gemachten Eingabe sei er von
dort mit Schreiben vom 15. März 2006 darüber informiert worden, dass durch
das PersABw ein Nebenabdruck der geänderten Versetzungsverfügung nach
Berlin übersandt worden sei. Ihm, dem eigentlichen Beschwerdeführer, seien
jedoch leider keine Unterlagen zugesandt worden. Dies sei mit der einschlägi-
gen Erlasslage nicht vereinbar und „Abbild einer mehr als unzufriedenstellenden
und nicht hinnehmbaren Personalführung“. Er bitte „um Prüfung und Entschei-
dung in der Sache gemäß § 16 Abs. 2 und 4 WBO i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 5
WBO.“ Im Rahmen eines am 28. März 2006 geführten Telefonats beanstandete
der Antragsteller gegenüber dem für ihn zuständigen Personalführer des
PersABw die Art und Weise der Bearbeitung seiner Rechtsbehelfe und erklärte,
dass seine weitere Beschwerde vom 24. März 2006 der Erzwingung eines Be-
schwerdebescheides zum Abschluss des mit der Beschwerde vom 23. Februar
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2006 begonnenen Beschwerdeverfahrens diene. Auf erneute Nachfrage erklär-
te er, an seiner weiteren Beschwerde vom 24. März 2006 halte er fest.
Mit Schreiben vom 3. April 2006 zog der Antragsteller seine „weitere Be-
schwerde“ vom 24. März 2006 zurück und wies darauf hin, dies geschehe des-
halb, um dem Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - die Möglich-
keit zu geben, den Sachverhalt aufzuklären und die Beschwerde vom
23. Februar 2006 zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2006, dem Antragsteller ausgehändigt am 24. Mai
2006, wies der BMVg - PSZ I 7 - die Beschwerde des Antragstellers vom
23. Februar 2006 als unzulässig zurück. In den dienstaufsichtlichen Feststel-
lungen dieses Beschwerdebescheides wird ausgeführt, die für "die festgestell-
ten Mängel jeweils verantwortlichen Bearbeiter" der Beschwerde seien "nach-
drücklich belehrt" worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des Antragstellers auf ge-
richtliche Entscheidung vom 6. Juni 2006, den der BMVg - PSZ I 7 - mit seiner
Stellungnahme vom 10. August 2006 dem Senat vorgelegt hat.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Entgegen der Auffassung des BMVg sei seine Beschwerde zulässig gewesen,
da sie form- und fristgerecht und bei einer im Gesetz vorgesehenen Stelle ein-
gelegt worden sei. Auch wenn der Beschwerde im Kern abgeholfen und sich die
Maßnahme erledigt habe, müsse festgestellt werden, dass die Maßnahme
rechtswidrig gewesen sei. Des Weiteren habe er ein Recht auf Mitteilung, ob
„wegen des erkannten Dienstvergehens“ eine Disziplinarmaßnahme verhängt
oder die Sache eingestellt worden sei. Der Umstand, dass die Beschwerde vom
23. Februar 2006 zulässig und begründet gewesen sei, lasse sich bereits dar-
aus ableiten, dass nach erfolgter Einschaltung des Wehrbeauftragten des
Deutschen Bundestages im Kern der Sache abgeholfen worden sei. Aus dem
Beschwerdebescheid des BMVg ergebe sich auch, dass die Voraussetzungen
für eine Unterschreitung der Drei-Monats-Frist im Zeitpunkt der Erstellung der
zur Beschwerde führenden Verfügung Nr. 5052 objektiv nicht vorgelegen hät-
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ten. Die zur Beschwerde führende Verfügung habe damit nicht im Einklang mit
der gültigen Erlasslage gestanden. Er sei „durch eine derartige dienstliche Maß-
nahme in seinen Rechten beeinträchtigt worden“. Die Entscheidung des BMVg
vom 23. Mai 2006 sei fehlerhaft und nehme ihm „das Recht auf Mitteilung, ob in
der Sache disziplinar ermittelt wurde.“
Er beantragt,
„den BMVg anzuweisen, den rechtswidrigen Bescheid des
BMVg - PSZ I 7 - mit der Entscheidung vom 23.05.2006 in
der Wehrbeschwerdeangelegenheit vom 23.02.2006 auf-
zuheben und in der Sache eine Neubescheidung gemäß
den gültigen Vorschriften und Gesetzen der Wehrbe-
schwerdeordnung vorzunehmen.“
Der BMVg - PSZ I 7 - beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Antrag sei unzulässig. Dem Antragsteller fehle das für
einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung notwendige Rechts-
schutzbedürfnis.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg
- PSZ I 7 - 396/06 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Haupttei-
le A bis C, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der auf Aufhebung des Beschwerdebescheides des BMVg - PSZ I 7 - vom
23. Mai 2006 sowie auf Verpflichtung zur Neubescheidung gerichtete Antrag
des Antragstellers ist unzulässig.
Eine isolierte Anfechtung eines Beschwerdebescheides kommt nur dann in Be-
tracht, wenn dieser Bescheid gegenüber der ursprünglichen Maßnahme eine
zusätzliche selbständige Beschwer enthält (§ 79 Abs. 2 VwGO analog). Das
damit für die selbständige Anfechtung eines Beschwerdebescheides zu for-
dernde besondere Rechtsschutzinteresse hat der jeweilige Antragsteller in einer
der näheren Prüfung bedürfender Weise darzulegen (stRspr, vgl. u.a. Be-
schlüsse vom 11. April 1989 - BVerwG 1 WB 180.88 - und vom 31. Januar 2007
- BVerwG 1 WB 16.06 -). Daran fehlt es hier.
Soweit in der Antragsschrift der Beschwerdebescheid vom 23. Mai 2006 mit
dem Hinweis angegriffen wird, die Behandlung der Beschwerde als unzulässig
stehe nicht mit der gültigen Rechtslage in Einklang, resultiert hieraus keine iso-
lierte Beschwer des Antragstellers. Denn mit dem Beschwerdebescheid hat der
BMVg lediglich die auf die eingelegte Beschwerde des Antragstellers vom
23. Februar 2006 hin ergangene (Abhilfe-)Entscheidung vom 10. März 2006
(Versetzungsverfügung Nr. 600078639) bestätigt, mit der das PersABw unter
Änderung der Versetzungs- und Kommandierungsverfügung Nr. 5052 vom
31. Januar 2006 den Dienstantritt nunmehr auf den 3. April 2006 festgesetzt
hatte. Die Maßnahme, die Gegenstand der Beschwerde des Antragstellers vom
23. Februar 2006 war (Vorabkommandierung und Dienstantritt zum 13. März
2006), hatte sich durch den Erlass der neuen Versetzungsverfügung vom
10. März 2006 und die damit erfolgte Änderung der Versetzungs- und Kom-
mandierungsverfügung Nr. 5052 des PersABw vom 31. Januar 2006 erledigt.
Soweit das Rechtsschutzbegehren des - anwaltlich nicht vertretenen - An-
tragstellers dahin auszulegen sein sollte, dass er beantragt festzustellen, dass
die von ihm mit der Beschwerde vom 23. Februar 2006 angegriffene (und dann
abgeänderte) Versetzung- und Kommandierungsverfügung des PersABw
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Nr. 5052 vom 31. Januar 2006 sowie die Art und Weise der „Behandlung“ sei-
ner Beschwerde rechtswidrig waren, ist der Antrag ebenfalls unzulässig. Ein
derartiger Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO ist im wehrdienstgerichtlichen Verfahren nach der ständigen Rechtspre-
chung des Senats zwar grundsätzlich zulässig (Beschlüsse vom 22. Juli 1997
- BVerwG 1 WB 4.97 - BVerwGE 113, 112 = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 17 und
vom 11. Mai 2006 - BVerwG 1 WB 44.05 -). Das für einen zulässigen Fortset-
zungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (analog) erforderli-
che berechtigte Interesse hat der Antragsteller jedoch nicht dargetan. Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats kann das Fortsetzungsfeststellungsinte-
resse auf ein Rehabilitierungsinteresse, auf eine Wiederholungsgefahr oder auf
die Absicht gestützt werden, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen,
sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; zusätzlich kann
sich - unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) -
ein berechtigtes Feststellungsinteresse jedenfalls daraus ergeben, dass die
erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung
nach sich zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 -
BVerwGE 119, 341 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 und vom 14. Juli 2005
- BVerwG 1 WB 66.04 - jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller
hat nicht dargetan, in welcher Weise für ihn insoweit ein Fortsetzungsfeststel-
lungsinteresse besteht. Er hat keinen Anspruch darauf, dass das angerufene
Gericht unabhängig davon die Rechtswidrigkeit einer bereits aufgehobenen
Kommandierungs- und Versetzungsentscheidung gleichsam in Gestalt eines
abstrakten Rechtsgutachtens prüft.
Auch soweit der Antragsteller eine verzögerliche oder sonst unangemessene
Sachbehandlung seiner Beschwerde rügt, ist sein Rechtsschutzbegehren unzu-
lässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein Antrag auf ge-
richtliche Entscheidung nur dann zulässig, wenn der Sachvortrag des An-
tragstellers die Verletzung eigener Rechte wenigstens als möglich erscheinen
lässt (Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 61.05 -). Ein Antrag, mit
dem ausschließlich gegen die Art und Weise der Verfahrensbehandlung vorge-
gangen werden soll, ist unzulässig, weil die Art und Weise des Verfahrens keine
selbständig anfechtbare Maßnahme darstellt (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom
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25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160, vom 27. November
1990 - BVerwG 1 WB 62.90 -).
Soweit der Antragsteller des Weiteren (sinngemäß) rügt, ihm sei nicht mitgeteilt
worden, ob gegen seinen (früheren) Personalführer eine Disziplinarmaßnahme
verhängt worden sei, ist der Antrag ebenfalls unzulässig. Dem Antragsteller
fehlt insoweit das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Denn ihm ist in den
dienstaufsichtlichen Feststellungen des Beschwerdebescheides vom 23. Mai
2006 (S. 6 f.) bereits mitgeteilt worden, dass „die für die festgestellten Mängel
jeweils verantwortlichen Bearbeiter“ der Beschwerde „nachdrücklich belehrt“
wurden und dass mithin keine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde. Dies hat
der BMVg - PSZ I 7 - in seinem Vorlageschreiben an den Senat vom 10. August
2006 nochmals ausdrücklich bestätigt.
Der Senat hat davon abgesehen, den anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller
gemäß § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO mit Verfahrenskosten zu be-
lasten.
Ri’inBVerwG Dr. Frentz
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth
ist wegen Urlaubs ver-
hindert zu unterschreiben.
Prof. Dr. Widmaier
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