Urteil des BVerwG vom 25.03.2010

Versetzung, Soldat, Wiederholungsgefahr, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 42.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Örtlichen Personalrats ...,
...,
..., ...,
- Bevollmächtigter:
... -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wienbreier und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Schulz
am 25. März 2010 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Fortsetzung des Beteiligungsverfahrens
hinsichtlich der Versetzung eines Soldaten.
Seit April 2006 war Hauptmann K... auf einem nach Besoldungsgruppe A 12
dotierten Dienstposten als ...offizier und ...berater beim ...kommando ... in E...
tätig. Wegen der organisatorischen Umgliederung des ...kommandos ... zum
...kommando .../...kommando T... ist der Dienstposten des Soldaten zum 31.
Dezember 2006 weggefallen. Er wurde deshalb seit dem 1. Januar 2007 unter
Nutzung einer Planstelle z.b.V. beim ...kommando .../...kommando T...
verwendet.
Mit Fernschreiben vom 25. Februar 2008 teilte das Personalamt der
Bundeswehr dem Soldaten mit, es sei beabsichtigt, ihn mit Wirkung vom 1. Juli
2008 auf einen Dienstposten im ...regiment ... in B... zu versetzen. Der Soldat
erklärte sich hiermit nicht einverstanden und beantragte die Beteiligung des
Antragstellers.
Unter dem 11. April 2008 wandte sich der Antragsteller an den
Dienststellenleiter des ...kommandos ... und bat, um zu der Personalmaßnahme
sachgerecht Stellung nehmen zu können, um Beantwortung von acht Fragen.
Zu den Fragen nahm das Personalamt mit Schreiben an den Befehlshaber im
...bereich ... vom 21. April 2008 Stellung, das dieser an den Antragsteller
weiterleitete. In der Folgezeit machte der Antragsteller in einer Reihe weiterer
Schreiben geltend, die von ihm gestellten Fragen seien nicht ausreichend
beantwortet worden bzw. es hätten sich neue Fragen ergeben, um deren
Beantwortung gebeten werde. Schließlich nahm das Personalamt mit Schreiben
vom 18. Juni 2008, das über den Befehlshaber im ...bereich ... an den
Antragsteller geleitet wurde, nochmals zu den aus Sicht des Antragstellers nicht
beantworteten bzw. neu aufgeworfenen Fragen Stellung, verwies im Übrigen
auf ein mit dem Soldaten am 2. Juni 2008 geführtes zweieinhalbstündiges
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Personalgespräch und bat um Vorlage der abschließenden Stellungnahme bis
zum 4. Juli 2008.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2008 teilte der Antragsteller dem Dienststellenleiter
des ...kommandos ... mit, dass er immer noch nicht alle Fragen als ausreichend
beantwortet ansehe. Ihm sei eine sachgerechte Personalentscheidung aus den
bisherigen Schreiben des Personalamts nicht nachvollziehbar. Unter
Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst und des Wunsches
des Soldaten werde daher vorgeschlagen, den Soldaten im Raum K... zu
verwenden.
Mit Fernschreiben vom 18. Juli 2008, dem Soldaten am 11. August 2008
eröffnet, sowie mit anschließender förmlicher Verfügung Nr. ... vom 14. August
2008, dem Soldaten ausgehändigt am 12. September 2008, versetzte das
Personalamt der Bundeswehr den Soldaten mit Wirkung vom 1. Juli 2008 und
Dienstantritt am 12. November 2008 auf den Dienstposten eines ...offiziers
beim ...regiment ... in B.... Gegen die Versetzung legte der Soldat Beschwerde
ein. Seinen nach Zurückweisung der Beschwerde gestellten Antrag auf
gerichtliche Entscheidung (BVerwG 1 WB 83.08) hat der Soldat mit Schriftsatz
seines Bevollmächtigten vom 16. Januar 2009 zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2008 an den Befehlshaber des ...kommandos legte
der Antragsteller gemäß § 16 SBG Beschwerde gegen „den Abbruch des
Beteiligungsverfahrens“ ein und führte zur Begründung aus, er habe zu der
beabsichtigten Personalmaßnahme aufgrund fehlender Information keine
Stellungnahme abgeben können
und habe
den Abbruch des
Beteiligungsverfahrens durch den Erlass der Versetzungsverfügung vom 18.
Juli 2008, von der er, der Antragsteller, am 22. Juli 2008 Kenntnis erlangt habe,
zur Kenntnis nehmen müssen. Hierdurch werde die Gruppe der Soldaten in der
Ausübung ihrer Befugnisse behindert.
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Mit Bescheid vom 13. März 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung -
PSZ I 7 - die Beschwerde des Antragstellers zurück. Hiergegen beantragte der
Antragsteller mit Schreiben vom 23. April 2009 die gerichtliche Entscheidung
durch das Bundesverwaltungsgericht. Zur Begründung führte der
Bevollmächtigte des Antragstellers aus,
die Beteiligungsrechte des
Antragstellers seien dadurch verletzt worden, dass eine gesetzmäßige
Erörterung und vollständige Unterrichtung entgegen § 20 SBG unterblieben sei.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschwerdebescheid des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - vom 13. März 2009 aufzuheben
und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten,
den Antragsteller über das Beteiligungsverfahren mit dem
Antragsteller hinsichtlich der beabsichtigten Unterlassung
der Versetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden und dafür Sorge zu
tragen, dass das
rechtswidrig abgebrochene
Beteiligungsverfahren unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts fortgesetzt wird.
Der Bundesminister der Verteidigung, der den Antrag zusammen mit seiner
Stellungnahme vom 27. Juli 2009 dem Senat vorgelegt hat, beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag aus mehreren Gründen für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - (Az.: 451/09) hat dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
Der Antrag ist unzulässig.
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1. Allerdings hat der Antragsteller den richtigen Rechtsweg beschritten. Für den
Antrag ist gemäß § 16 SBG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, §
21 Abs. 1 WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet. Bei
Streitigkeiten des Personalrats über personalvertretungsrechtliche
Beteiligungsrechte ist zwar grundsätzlich der Rechtsweg zu den allgemeinen
Verwaltungsgerichten gegeben. Abweichend von dieser generellen
Rechtswegzuweisung in § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG ist der Rechtsweg zu den
Wehrdienstgerichten aber dann eröffnet, wenn sich der Personalrat auf eine
Behinderung in seinen Beteiligungsrechten in Angelegenheiten beruft, die nur
die Soldaten betreffen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 1. November 2001 -
BVerwG 6 P 10.01 - BVerwGE 115, 223 = Buchholz 252 § 52 SBG Nr. 2, vom
26. Oktober 2006 - BVerwG 1 WB 17.06 - BVerwGE 127, 85 = Buchholz 450.1
§ 9 WBO Nr. 1 = NZWehrr 2007, 128 und zuletzt vom 28. Oktober 2009 -
BVerwG 1 WB 11.09 - ). Mit der
Zuweisung der Befugnisse der Vertrauensperson an die Soldatenvertreter im
Personalrat enthält § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG eine Maßgabe zum
Personalvertretungsgesetz im Sinne des § 48 Satz 1 SBG, die sich für den
Bereich der Beteiligungen in Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen,
auch auf den Rechtsweg gemäß § 16 SBG i.V.m. § 17 Abs. 1 WBO auswirkt
(Beschluss vom 1. November 2001, a.a.O. S. 228 f.).
Die Anhörung des Antragstellers zu der beabsichtigten Versetzung des
Hauptmanns K... nach § 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG
ist eine Angelegenheit, die ausschließlich die Gruppe der Soldaten betrifft.
Für den Antrag ist nach § 21 Abs. 1 WBO das Bundesverwaltungsgericht
sachlich zuständig.
2. Der Antrag des Antragstellers ist dahin auszulegen, dass der Antragsteller
die Aufhebung des Beschwerdebescheides und die Verpflichtung des
Bundesministers der Verteidigung begehrt, das Beteiligungsverfahren
hinsichtlich der beabsichtigten Versetzung des Hauptmanns K... fortzusetzen.
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a) Für einen solchen Verpflichtungsantrag fehlt dem Antragsteller das
Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Personalangelegenheit durch die
Versetzungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 14. August
2008 und die Rücknahme des dagegen eingelegten Rechtsbehelfs im
Verfahren BVerwG 1 WB 83.08 bestandskräftig abgeschlossen ist. Es kommt
noch hinzu, dass der betroffene Soldat inzwischen aus dem Dienst
ausgeschieden ist. Unter diesen Umständen ist für die vom Antragsteller
begehrte Fortsetzung des Beteiligungsverfahrens kein Raum.
b) Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die keinen Befehl im Sinne von
§ 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so
entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob die
Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes
Interesse an dieser Feststellung hat. Dies gilt auch für Verfahren nach § 16
SBG (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 17.08 - Buchholz
449.7 § 36 SBG Nr. 1). § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO in der seit dem 1. Februar
2009 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 22. Januar 2009, BGBl I S.
81) verlangt zwar von dem jeweiligen Antragsteller nicht mehr die förmliche
Stellung eines Feststellungsantrages (vgl. Beschlüsse vom 17. Februar 2009 -
BVerwG 1 WB 76.08 - und vom 24. März 2009 - BVerwG 1 WB 46.08 -
Buchholz 449 § 3 SG Nr. 52). Der Antragsteller muss aber das
Feststellungsinteresse, das sich im Falle des § 16 SBG insbesondere aus einer
Wiederholungsgefahr ergeben kann, substanziiert geltend machen (stRspr,
Beschlüsse vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 76.08 - und vom 24. März
2009 a.a.O.; vgl. zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO: Beschluss vom 4. März 1976 -
BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137 f.>, Urteile vom 15. November
1984 - BVerwG 2 C 56.81 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 145 und vom 13.
Juni 1985 - BVerwG 2 C 6.83 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 149, sowie
Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119,
341 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 = NZWehrr 2004, 163 und vom 8. August
2007 - BVerwG 1 WB 18.07 - m.w.N.).
Daran fehlt es hier. Der Senat hat dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit
Verfügung vom 31. Juli 2009 Gelegenheit gegeben, zu der Frage Stellung zu
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nehmen, ob sich das Beteiligungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat und
welche Anträge gegebenenfalls gestellt werden sollen. Eine Stellungnahme und
insbesondere eine Darlegung der Umstände, aus denen sich hier eine
Wiederholungsgefahr und damit ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 19
Abs. 1 Satz 3 WBO ergeben könnte, sind nicht erfolgt und auch sonst nicht
ersichtlich. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich eines möglichen
Feststellungsinteresses obliegt dem Senat nicht (vgl. Beschluss vom 4. März
1976 a.a.O. S. 138).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Wehrbeschwerdeverfahrensrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
WBO § 19 Abs. 1 Satz 3
SBG § 16
Stichworte:
Erledigung der Hauptsache; Feststellungsantrag; Feststellungsinteresse;
substanziierte Darlegung.
Leitsatz:
§ 19 Abs. 1 Satz 3 WBO n.F. verlangt zwar von dem jeweiligen Antragsteller
nicht mehr die förmliche Stellung eines Feststellungsantrages, der Antragsteller
muss aber das Feststellungsinteresse substanziiert geltend machen; eine
Aufklärungspflicht hinsichtlich eines möglichen Feststellungsinteresses obliegt
dem Senat nicht (wie Beschluss vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 -
BVerwGE 53, 134 <138>).
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 42.09