Urteil des BVerwG vom 27.05.2014
Versetzung, Eltern, Bataillon, Stiefvater
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 41.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberfeldwebel …,
…,
- Bevollmächtigte:
…,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Wendroth und
die ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Jakobsche
am 27. Mai 2014 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
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Dem Antragsteller geht es um die Versetzung an einen heimatnahen Standort.
Der 19.. geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit; seine derzeit auf 14 Jahre
festgesetzte Dienstzeit endet mit Ablauf des 30. September 20... Zuletzt wurde
er mit Wirkung vom 17. Dezember 20.. zum Oberfeldwebel befördert. Vom
1. Januar 2011 bis 31. Juli 2012 wurde er auf einem Dienstposten im …team …
der .../Bataillon … in N. verwendet; Voraussetzung für die Wahrnehmung die-
ses Dienstpostens ist eine dauerhafte Borddienstverwendungsfähigkeit.
Nachdem der Antragsteller mehrfach als vorübergehend nicht borddienstver-
wendungsfähig begutachtet worden war, wurde ihm in einem Personalgespräch
am 2. Februar 2012 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihn von diesem Dienstpos-
ten wegzuversetzen. Der Antragsteller erklärte sich mit den ihm vorgeschlage-
nen Folgeverwendungen (… Feldwebel Streitkräfte in der ortsfesten Aufklärung,
in einer Kommandobehörde oder im Bereich EURO HAWK) grundsätzlich ein-
verstanden. Mit Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 1. März
20.. erhielt der Antragsteller daraufhin die Vororientierung für eine Verwendung
ab 1. Juli 20.. in der …abschnitt … in D. . In einem Personalgespräch am
7. März 2012 erklärte sich der Antragsteller mit der geplanten Personalmaß-
nahme einverstanden.
Mit Verfügung vom 24. April 2012, eröffnet am 14. Juni 2012, versetzte die
Stammdienststelle der Bundeswehr den Antragsteller mit Wirkung vom und
Dienstantritt am 1. August 20.. auf einen Dienstposten als … Feldwebel bei der
…abschnitt … (später umbenannt in: …/Bataillon …) in D. .
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juni 2012 Beschwer-
de. Aufgrund der Entfernung zu seinem Wohnort H. würde sich durch die Ver-
setzung nach D. seine problematische private Situation verschärfen; er bitte
deshalb um eine heimatnahe Versetzung. Der Antragsteller verwies ferner auf
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eine Stellungnahme des Sozialdienstes beim Bundeswehrdienstleistungszen-
trum M. vom 12. Juni 2012. In dieser werden gesundheitliche Probleme der
beiden Eltern des Antragstellers dargelegt, mit denen zusammen er in einem
Reiheneigenheim mit Garten in H. wohne. Die .. Jahre alte Mutter des Antrag-
stellers habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 %; sie habe ihre
Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden reduziert. Der .. Jahre alte Stiefvater des An-
tragstellers habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90 % nach einer the-
rapierten Krebserkrankung; er werde von seinem Arbeitgeber in der … einge-
setzt und dürfe keine anstrengenden Tätigkeiten ausüben. Der Antragsteller
kümmere sich um die Gartenversorgung, schwere Arbeiten im Haushalt sowie
die Wochenendeinkäufe. Daneben unterstütze er seine Eltern emotional bei der
Bewältigung der Krankheitsfolgen. Ein Bruder des Antragstellers lebe ca. 40 km
entfernt, besitze jedoch keinen Führerschein. Zusammenfassend könne ein er-
heblicher Unterstützungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf zu erwartende
gesundheitliche Verschlechterungen bei den Eltern konstatiert werden. Aus so-
zialarbeiterischer Sicht solle dem Antragsteller die Möglichkeit gegeben werden,
durch eine Verwendung in Heimatnähe seine Eltern auch in der Woche nach
Dienstschluss zu unterstützen.
Nach einem Personalgespräch am 22. August 2012 legte der Antragsteller Ein-
verständniserklärungen seiner Eltern zur Entbindung von der ärztlichen
Schweigepflicht sowie mehrere ärztliche Unterlagen (insbesondere Attest vom
23. Oktober 2012 für die Mutter und Befundbericht vom 30. Oktober 2012 für
den Stiefvater) vor. Mit Stellungnahme vom 10. Dezember 2012 erklärte der Be-
ratende Arzt des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr,
dass nach Prüfung des Sachverhalts und der bewertungsrelevanten Unterlagen
aus militärärztlicher Sicht keine schwerwiegenden persönlichen Gründe gemäß
den Versetzungsrichtlinien vorlägen.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2013 wies der Bundesminister der Verteidigung
- R II 2 - daraufhin die Beschwerde zurück. Schwerwiegende persönliche Grün-
de im Sinne der Nr. 6 der Versetzungsrichtlinien lägen nach der Stellungnahme
des Beratenden Arztes nicht vor. Ein Absehen von einer Versetzung aus ande-
ren persönlichen Gründen im Sinne von Nr. 7 der Versetzungsrichtlinien komme
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nicht in Betracht, weil dies mit dienstlichen Belangen nicht in Einklang gebracht
werden könne. Die Wegversetzung von der …/Bataillon … sei unabdingbar,
weil der Antragsteller nicht über die erforderliche dauerhafte Borddienstverwen-
dungsfähigkeit verfüge. Die Zuversetzung zum …abschnitt … beruhe darauf,
dass dort von 429 Dienstposten für … Feldwebel lediglich 279 besetzt seien.
Zwar sei die dreimonatige Schutzfrist ab Aushändigung der Versetzungsverfü-
gung am 14. Juni 2012 nicht eingehalten worden; durch den am 1. August 2012
erfolgten Dienstantritt sei dies jedoch ohne weitere Auswirkungen geblieben.
Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten
vom 19. März 2013 die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht. Der
Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag mit seiner Stellung-
nahme vom 19. August 2013 dem Senat vor.
Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Die Stellungnahme des Beratenden Arztes vom 10. Dezember 2012 könne
nicht herangezogen werden. Der dortige einzige Satz könne nicht als Gutachten
bezeichnet werden. Unabhängig davon komme der Stellungnahme kein Be-
weiswert zu, weil es vor deren Erstellung keine persönliche Untersuchung und
keine Besprechung mit ihm, dem Antragsteller, gegeben habe. Auch habe sich
niemand bei den seine Eltern behandelnden Ärzten gemeldet, um die familiäre
Situation zu überprüfen. Seine Eltern seien pflegebedürftig; andere Personen
seien nicht in der Lage, die Pflege zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2014 legte der Antragsteller außerdem ein Attest
der Hautärztin seiner Mutter vom 26. Februar 2014 vor. Danach habe die Mutter
eine anerkannte Berufskrankheit und sei arbeitsunfähig. Bei der Bewältigung
der Haushaltstätigkeiten dürfe sie nicht mit chemischen Substanzen in Berüh-
rung kommen. Sie benötige Hilfe im Haushalt, soweit dies hautbelastende Tä-
tigkeiten betreffe (Spülen, Wäsche waschen, Putzen, Gartenarbeit, Zubereitung
der Mahlzeiten). Es sei daher erforderlich den Antragsteller wohnortnah zu sta-
tionieren, weil die Mutter dringend familiäre Unterstützung benötige.
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Der Antragsteller beantragt,
den Bundesminister der Verteidigung unter Aufhebung der
Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Bundes-
wehr vom 24. April 2012 und des Beschwerdebescheids
vom 20. Februar 2013 zu verpflichten, ihn, den Antragstel-
ler, heimatnah zu verwenden.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Gemäß ZDv 14/5 B 195 seien bei dem Antrag eines Soldaten, der mit einer Ge-
sundheitsstörung eines Familienangehörigen begründet werde, durch den Sol-
daten die entsprechenden Bescheinigungen und Unterlagen vorzulegen. Die
Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht diene lediglich dazu, den Bera-
tenden Arzt der personalbearbeitenden Stelle zu berechtigen, Einsicht in die
vorgelegten Unterlagen zu nehmen und diese zu seiner Beurteilung heranzu-
ziehen. Im Übrigen habe eine erneute Überprüfung durch die Beratende Ärztin
der Abteilung Personal vom 19. August 2013 ergeben, dass weiterhin keine
schwerwiegenden persönlichen Gründe im Sinne der Versetzungsrichtlinien
vorlägen. Eine Pflegebedürftigkeit sei bei beiden Elternteilen nicht gegeben. Die
vorgelegten ärztlichen Unterlagen belegten lediglich gesundheitliche Einschrän-
kungen im täglichen Leben, die gelegentliche Unterstützungsleistungen im
Haushalt und in der allgemeinen Lebensführung erforderlich machten. Diese Si-
tuation, die sich für den Antragsteller und seine Angehörigen sicherlich als
schwierig darstelle und den Wunsch nach einer heimatnahen Versetzung nach-
vollziehbar mache, lasse gleichwohl keine erhebliche Abweichung im Vergleich
zu anderen Soldaten erkennen, weil beide Eltern mit leichten Einschränkungen
in der Lage seien, sich selbst zu versorgen.
Zu dem Attest vom 26. Februar 2014 nahm die Beratende Ärztin beim Bundes-
ministerium der Verteidigung - P II 2 - mit Schreiben vom 11. April 2014 Stel-
lung. Danach ergäben sich aus dem Attest keine neuen Informationen. Die Mut-
ter des Antragstellers leide an einer Erkrankung, die dazu geführt habe, dass
sie seit 2009 berufsunfähig als … sei. Bei der Führung des Haushalts sei sie
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durch die Erkrankung deutlich eingeschränkt und auf Unterstützung, z.B. durch
den Ehemann, angewiesen. Eine darüber hinausgehende Pflegebedürftigkeit
bestehe hingegen nicht. Sofern sich die gesundheitlichen Einschränkungen der
Mutter so verschlechtern sollten, dass auch tagsüber, wenn sowohl der Ehe-
mann als auch beide Söhne ihrer Berufstätigkeit nachgingen, ein Unterstüt-
zungsbedarf bestehe, gebe es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglich-
keit der Kostenübernahme für eine Haushaltshilfe durch die Berufsgenossen-
schaft. Insgesamt sei eine heimatnahe Verwendung des Antragstellers sicher-
lich wünschenswert; eine zwingende Notwendigkeit im Sinne der Versetzungs-
richtlinien bestehe aber weiterhin nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 - Az.: 314/13 - und die Personalgrundakte des Antragstellers ha-
ben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Soweit sich der Antragsteller gegen seine Versetzung von der .../Bataillon …
in N. zur …abschnitt … in D. wendet, ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.
Die Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr vom
24. April 2012 und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 - vom 20. Februar 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Antrag-
steller nicht in seinen Rechten.
Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Ver-
wendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahin-
gehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über
die Verwendung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder
die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen
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(stRspr, vgl. Beschlüsse vom 25. September 2002 - BVerwG 1 WB 30.02 -
Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 und vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 1 WB
40.02 - jeweils m.w.N.). Bei dieser Entscheidung sind zwar aus Fürsorgegrün-
den sowie wegen der gemäß § 6 Satz 1 SG auch für Soldaten geltenden
Schutzpflichten für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) auch die persönlichen
und familiären Interessen des Soldaten angemessen zu berücksichtigen. Bei
einem Berufssoldaten und einem Soldaten auf Zeit gehören jedoch seine jeder-
zeitige Versetzbarkeit und damit die Möglichkeit, ihn dort einzusetzen, wo er
gebraucht wird, zu den von ihm freiwillig übernommenen Pflichten und zum
prägenden Inhalt seines Wehrdienstverhältnisses. Er muss es deshalb hinneh-
men, wenn seine persönlichen Belange beeinträchtigt werden und für ihn da-
raus Härten entstehen. Erst wenn die mit einer konkreten örtlichen Verwendung
verbundenen Nachteile für den Soldaten so einschneidend sind, dass sie ihm
unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zugemutet werden können, muss das
grundsätzlich vorrangige Interesse des Dienstherrn, den Soldaten dort zu ver-
wenden, wo er gebraucht wird, im Rahmen des dienstlich Möglichen ausnahms-
weise hintangestellt werden (stRspr, vgl. Beschluss vom 13. Dezember 2011
- BVerwG 1 WB 43.11 - juris Rn. 20 m.w.N.).
Die Ermessensentscheidung über die Verwendung kann vom Wehrdienstge-
richt nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte bzw. die personalbearbei-
tende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher
Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die ge-
setzlichen Grenzen des ihm bzw. ihr zustehenden Ermessens überschritten
oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die ge-
richtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium
der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften (wie
z.B. Erlassen oder Richtlinien) festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschrif-
ten eingehalten sind (vgl. Beschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB
57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2 S. 2
nicht veröffentlicht in NZWehrr 2003, 212>), wie sie sich hier insbesondere aus
den Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandie-
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rung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der zuletzt am 9. Juni
2009 (VMBl S. 86) geänderten Fassung (Versetzungsrichtlinien) ergeben.
Danach ist die angefochtene Versetzung des Antragstellers rechtlich nicht zu
beanstanden.
Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass der Antragsteller wegen seiner feh-
lenden - für den Einsatz auf dem Dienstposten im …team … der .../Bataillon …
in N. jedoch zwingend erforderlichen - dauerhaften Borddienstverwendungsfä-
higkeit nicht mehr für diesen Dienstposten geeignet war und deshalb ein dienst-
liches Bedürfnis für seine Wegversetzung bestand (Nr. 5 Buchst. g der Verset-
zungsrichtlinien). Für die Zuversetzung auf den Dienstposten eines … Feldwe-
bels bei der ...abschnitt … in D. lag ein dienstliches Bedürfnis vor, weil der
Dienstposten frei und zu besetzen war (Nr. 5 Buchst. a der Versetzungsrichtli-
nien); Einwände gegen seine Eignung für diesen Dienstposten hat der Antrag-
steller nicht erhoben.
Von einer Versetzung musste auch nicht aus schwerwiegenden oder anderen
persönlichen Gründen im Sinne der Nr. 6 und Nr. 7 der Versetzungsrichtlinien,
die den Schutz von Ehe und Familie bei Verwendungsentscheidungen konkreti-
sieren, abgesehen werden.
Gemäß Nr. 6 Abs. 1 der Versetzungsrichtlinien kann von einer Versetzung ab-
gesehen werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vor-
rangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach Nr. 6 Abs. 2 Buchst. c
der Versetzungsrichtlinien können Eltern dann Berücksichtigung finden, wenn
sie nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftig sind und keine Geschwister des
Soldaten vorhanden bzw. diese selbst nicht in der Lage sind, die Pflege zu
übernehmen.
Aus den zum maßgeblichen Zeitpunkt - der Vorlage des Antrags auf gerichtli-
che Entscheidung an den Senat (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 28. Oktober
2008 - BVerwG 1 WB 49.07 - BVerwGE 132, 234 <243> = Buchholz 449.7 § 23
SBG Nr. 7 S. 18 m.w.N.) - vorliegenden ärztlichen und sonstigen Unterlagen
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ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Pflegebedürftigkeit der Eltern (Mutter und
Stiefvater) des Antragstellers.
Nach dem Attest der Hautärztin Dr. ... vom 23. Oktober 2012 habe die Mutter
des Antragstellers eine anerkannte Berufskrankheit und sei arbeitsunfähig. Der
Befundbericht der Fachärztin für Urologie Dr. ... vom 30. Oktober 2012 bestätigt
für den Stiefvater des Antragstellers nach radikaler Prostatektomie einen Grad
der Behinderung von 90 % , eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit (häufige
Pausen erforderlich, Heben nur bis 10 kg) und generell das Erfordernis von Hil-
fe beim Tragen schwerer Lasten. Ergänzende Angaben zum Gesundheitszu-
stand der Eltern ergeben sich aus der Stellungnahme des Sozialdienstes beim
Bundeswehrdienstleistungszentrum M. vom 12. Juni 2012, der bei dem Antrag-
steller und seinen Eltern einen Hausbesuch durchgeführt hat. Danach habe die
.. Jahre alte Mutter des Antragstellers aufgrund ihrer gesundheitlichen Proble-
me ihre Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden reduziert. Ihre bisherige Tätigkeit in
der Pflege könne sie nicht mehr ausüben; sie werde übergangsweise von ihrem
Arbeitgeber im Bereich … eingesetzt. Aktuell komme es zu erheblichen Krank-
heitszeiten, so dass eine Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit im Raum ste-
he. Die schmerzhafte Hautveränderung an den Händen sei eine anerkannte Be-
rufskrankheit, für die bereits eine Grundrente gewährt werde. Daneben leide sie
vor allem unter Bandscheibenschädigungen und Entzündungen an den Augen
nach einem operativen Eingriff. Der .. Jahre alte Stiefvater des Antragstellers
leide - neben der therapierten Krebserkrankung - an einer degenerativen Ge-
lenk- und Rückenerkrankung. Zur Zeit werde er von seinem Arbeitgeber in der
… eingesetzt und dürfe keine anstrengenden Tätigkeiten ausüben. Vorbehalt-
lich der Ergebnisse der Nachsorgeuntersuchungen sei eine Verrentung wegen
Erwerbsunfähigkeit nicht unrealistisch.
Ungeachtet der zweifellos gegebenen erheblichen gesundheitlichen Belastun-
gen, die auch die Stellungnahme der Beratenden Ärztin beim Bundesministe-
rium der Verteidigung - P II 2 - vom 19. August 2013 anerkennt, wird in keinem
der vorgelegten Atteste und Berichte eine Pflegebedürftigkeit der Eltern oder
eines Elternteils festgestellt, die vielmehr beide, wenn auch mit Einschränkun-
gen, noch erwerbstätig waren und sich selbst versorgten. Aus den mitgeteilten
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Umständen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Pflegebedürftigkeit
der Eltern, die ein Nachfragen oder weitere Ermittlungen oder Untersuchungen
durch die Beratenden Ärzte der Bundeswehr nahegelegt hätten. Entgegen der
Rüge des Antragstellers ist deshalb nicht zu beanstanden, dass über die Be-
schwerde anhand der vorliegenden Unterlagen entschieden wurde. Da die Ärz-
te der Bundeswehr keine Befugnisse zu Untersuchungen oder sonstigen Ermitt-
lungen bei den Angehörigen eines Soldaten haben, wäre es Sache des Antrag-
stellers gewesen, ärztliche Atteste vorzulegen oder konkrete Untersuchungen
anzuregen, wenn er meint, dass bestimmte entscheidungserhebliche Umstände
noch nicht bekannt sind. Die bei einzelnen Verrichtungen erforderliche Unter-
stützung der Eltern im täglichen Leben begründet keine Pflegebedürftigkeit.
Unabhängig davon wird die Möglichkeit des Antragstellers, als Wochenend-
heimfahrer seinen Beitrag zur Haushaltsführung zu leisten, durch die Verset-
zung von N. (ca. … km bis H.) nach D. (ca. … km bis H.) nicht wesentlich ver-
schlechtert.
Nicht rechtswidrig ist auch, dass nicht gemäß Nr. 7 der Versetzungsrichtlinien
von der Versetzung des Antragstellers abgesehen wurde. Nach dieser Vor-
schrift kann von einer Versetzung abgesehen werden, wenn andere Gründe
vorliegen, die der Person des Soldaten oder seinen privaten Lebensumständen
zugerechnet werden müssen und das Absehen von der Versetzung mit den
dienstlichen Belangen in Einklang gebracht werden kann. Letzteres verneint der
Bundesminister der Verteidigung in dem Beschwerdebescheid. Er verweist
hierzu darauf, dass der Antragsteller wegen seiner fehlenden Borddienstver-
wendungsfähigkeit in jedem Falle aus dienstlichen Gründen von seinem bishe-
rigen Dienstposten wegversetzt werden musste und dass im Bereich des Ver-
bands, zu dem er versetzt wurde (…abschnitt …), ein hoher Bedarf an Feldwe-
beln mit der Qualifikation des Antragsteller (nur 279 von 429 Dienstposten für
… Feldwebel besetzt) bestand. Diese Erwägung ist rechtlich nicht zu beanstan-
den.
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Wohl zu Unrecht nimmt schließlich der Bundesminister der Verteidigung in dem
Beschwerdebescheid einen - wegen des faktischen Dienstantritts des Antrag-
stellers am 1. August 2012 im Ergebnis folgenlosen - Verstoß gegen die drei-
monatige Schutzfrist bei einer Versetzung mit Wechsel des Standortverwal-
tungsbereichs (Nr. 21 der Versetzungsrichtlinien) an; denn die Schutzfrist gilt
nicht bei einer Versetzung nach Nr. 5 Buchst. g der Versetzungsrichtlinien, um
die es hier geht. Unabhängig davon berührt ein Verstoß gegen Nr. 21 der Ver-
setzungsrichtlinien von vorneherein nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht
aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche (stRspr, vgl. Beschluss vom
24. November 2009 - BVerwG 1 WB 1.09 - Rn. 35 m.w.N.).
2. Soweit der Antragsteller - unabhängig von der Anfechtung seiner Versetzung
nach D. - die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung begehrt, ihn
für die Zukunft heimatnah zu verwenden, ist der Antrag unzulässig.
Die gerichtliche Kontrolle, ob der Bundesminister der Verteidigung oder die zu-
ständige personalbearbeitende Stelle bei der Ablehnung einer beantragten Ver-
setzung rechtmäßig gehandelt haben, ist nur möglich, wenn ein bestimmter
Dienstposten konkret bezeichnet wird. Nur bei einer Konkretisierung des ange-
strebten Dienstpostens kann das Wehrdienstgericht insbesondere das jeweils in
Betracht kommende dienstliche Bedürfnis oder die in Frage stehenden dienstli-
chen Belange überprüfen. Der Senat verlangt deshalb bei streitigen Verset-
zungsanträgen in ständiger Rechtsprechung, dass - spätestens im Beschwer-
deverfahren - ein konkreter Dienstposten bezeichnet sein muss (vgl. Beschluss
vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 WB 43.11 - juris Rn. 18 m.w.N.). Die vom
Antragsteller pauschal begehrte „heimatnahe Verwendung“ wird diesen Anfor-
derungen nicht gerecht und ist nicht hinreichend bestimmt. Sofern der Antrag-
steller über keine hinreichenden eigenen Kenntnisse von geeigneten Dienstpos-
ten an einem heimatnahen Standort verfügt, kann und muss er sich die ent-
sprechenden Informationen gegebenenfalls in einem Personalgespräch ver-
schaffen, in dem er zugleich die praktischen Möglichkeiten einer Versetzung
abklären kann, bevor er den Beschwerdeweg beschreitet.
Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet.
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Soweit der Antragsteller seinen Versetzungswunsch mit den ärztlichen und
sonstigen Unterlagen begründet, die bis zur Vorlage des Antrags an den Senat
vorhanden waren (Attest der Hautärztin Dr. ... vom 23. Oktober 2012, Befund-
bericht der Fachärztin für Urologie Dr. ... vom 30. Oktober 2012, Stellungnahme
des Sozialdienstes beim Bundeswehrdienstleistungszentrum M. vom 12. Juni
2012), gilt das zur Anfechtung der Versetzungsverfügung vom 24. April 2012
Gesagte hier entsprechend. Eine Pflegebedürftigkeit der Eltern im Sinne von
Nr. 6 Abs. 2 Buchst. c der Versetzungsrichtlinien, die ein Versetzungsbegehren
begründen könnte (Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien), ist danach
nicht nachgewiesen. Ein auf andere persönliche Gründe gestütztes Verset-
zungsbegehren (Nr. 7 Satz 1 der Versetzungsrichtlinien) durfte - jedenfalls so-
lange der Antragsteller keine geeigneten anderen Dienstposten benennt - vor
dem Hintergrund der Personalsituation in D. abgelehnt werden.
Aus dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten weiteren Attest der Hautärztin
Dr. … vom 26. Februar 2014 (mit Beiblatt Hautbefund) ergibt sich keine andere
Bewertung. Danach habe die Mutter des Antragstellers eine anerkannte Berufs-
krankheit und sei arbeitsunfähig; bei der Bewältigung der Haushaltstätigkeiten
dürfe sie nicht mit chemischen Substanzen in Berührung kommen; sie benötige
Hilfe im gesamten Haushalt, soweit dies hautbelastende Tätigkeiten betreffe
(Spülen, Wäsche waschen, Putzen, Gartenarbeit, Zubereitung der Mahlzeiten).
Das Attest vom 26. Februar 2014 ist zu berücksichtigen, weil für Verpflich-
tungs-, anders als für Anfechtungsbegehren, grundsätzlich die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Aus
dem Attest ergeben sich jedoch, worauf auch die Beratende Ärztin beim Bun-
desministerium der Verteidigung - P II 2 - in ihrer Stellungnahme vom 11. April
2014 hinweist, keine neuen entscheidungserheblichen Informationen über den
Gesundheitszustand der Mutter, die nicht bereits in früheren Unterlagen enthal-
ten und mit diesen berücksichtigt worden sind.
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