Urteil des BVerwG vom 29.06.2010

Ohg, Gebäude, Infrastruktur, Kaserne

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 40.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 29. Juni 2010 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzuläs-
sig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht B. ver-
wiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die aus seiner Sicht nicht ausreichende
Bescheidung seines Antrags vom 17. November 2008 an den Bundesminister
der Verteidigung, eine geeignete Infrastruktur für den Betrieb der Offizierheim-
gesellschaft … in B. bereitzustellen.
Der 1968 geborene Antragsteller ist Berufssoldat und wird seit dem 1. Dezem-
ber 2009 beim … in B. verwendet. Zuvor war er beim … in … B. eingesetzt. Er
ist nach dem von ihm vorgelegten Auszug aus dem Vereinsregister (…) Vorsit-
zender des Vorstands des am 10. Mai 1994 gegründeten Vereins „… (im Fol-
genden: OHG) ...“ in B..
Auf Grund des mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Überlas-
sungsvertrages vom 21. August 1996/15. Oktober 1996 betrieb die OHG … im
Gebäude 5 der …-Kaserne in B. ein Offizierheim. Sie wurde mit Schreiben des
Bundeswehrdienstleistungszentrums B. vom 17. Dezember 2007 darüber un-
terrichtet, dass Teile der …-Kaserne - darunter das Gebäude 5 - mit Wirkung
vom 1. Juli 2005 in das Allgemeine Grundvermögen des Bundes abgegeben
worden seien; das Gebäude 5 habe nach Absprache mit der Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben noch für eine Übergangszeit weiter genutzt werden kön-
nen, sei nunmehr aber zum 31. März 2008 freizuziehen. Das Bundeswehr-
dienstleistungszentrum B. erklärte insoweit gemäß § 5 Nr. 1 des Überlassungs-
vertrages die Beendigung der Überlassung des Gebäudes 5 und forderte die
OHG ... auf, den Betrieb ab 17. März 2008 im Gebäude 5 einzustellen.
Das Landgericht B. wies mit Urteil vom 14. April 2008 (…) den Antrag der OHG
… zurück, die Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anord-
nung zu verpflichten, der OHG die Nutzung des Gebäudes 5 über den 17. März
2008/31. März 2008 hinaus auf der Basis des Überlassungsvertrages zu ge-
statten, bis über den Bestand oder Nichtbestand des Überlassungsvertrages
eine rechtskräftige Entscheidung vorliege oder - hilfsweise - bis die Verfü-
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gungsbeklagte der OHG ein vergleichbares Gebäude zur Nutzung als Offizier-
heim überlassen habe. Das Landgericht begründete seine Entscheidung mit der
zum 1. Juli 2005 eingetretenen Beendigung des Überlassungsvertrages.
Das Verwaltungsgericht B. wies mit Beschluss vom 9. Mai 2008 (…) die Anträ-
ge der OHG ... auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Schrei-
ben des Bundeswehrdienstleistungszentrums B. vom 17. Dezember 2007 und
vom 18. April 2008 sowie auf Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland
zurück, der OHG die Nutzung des Gebäudes 5 auf der Basis des Überlas-
sungsvertrages solange weiter zu gestatten, bis die Antragsgegnerin der OHG
in der …-Kaserne ein nach Größe und Ausstattung gleichwertiges Gebäude zur
Nutzung als Offizierheim überlassen habe.
Unter dem Briefkopf „OHG - Der Vorstand“ und mit der Funktionsbezeichnung
„Vorstandsvorsitzender“ unter seiner Unterschrift wandte sich der Antragsteller
mit Schreiben vom 26. März 2008, vom 14. Mai 2008, vom 20. September 2008
und vom 19. Oktober 2008 an den Bundesminister der Verteidigung bzw. an
das Referat WV III 7 im Bundesministerium der Verteidigung. Er machte im
Wesentlichen geltend, in der Verwaltungsvereinbarung zwischen der Wehrbe-
reichsverwaltung und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sei festgehal-
ten, dass das Gebäude 5 durch die Wehrverwaltung bis zum Abschluss einer
separaten Vereinbarung weitergenutzt werde; eine derartige Vereinbarung sei
jedoch nicht getroffen worden, sodass die Räumung des Gebäudes entbehrlich
sei. In den als Übergangs-Ersatz angebotenen Räumen im Gebäude 19 D sei
eine Fortsetzung der Eigenbewirtschaftung durch die OHG mangels einer Kü-
che nicht möglich; dort fehle eine geeignete Infrastruktur und die zur Verfügung
stehende Gesamtfläche (154 qm) sei für über 350 potentielle Nutzer des Offi-
zierheims zu klein. Der Infrastrukturstab Ost sehe keine Notwendigkeit, die Ei-
genbewirtschaftung für Offizierheime von Amts wegen zu ermöglichen. Ein
neues Offizierheim sei erst in fünf bis acht Jahren zu realisieren. Weder die
Vertrauenspersonen der General-Steinhoff-Kaserne noch der Hauptpersonalrat
hätten einem Umzug der OHG zugestimmt.
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Das Bundesministerium der Verteidigung (Referatsleiter WV III 7) führte in sei-
nen Antwortschreiben vom 30. April 2008, vom 4. Juni 2008 und vom 8. Okto-
ber 2008 unter anderem aus, die seinerzeit von den … Streitkräften genutzten
und von der Bundeswehr mit übernommenen Wohnhäuser sowie das in deren
Mitte gelegene Gebäude 5 seien aus dem Kasernenbereich der …-Kaserne
ausgegliedert und an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum Zweck der
Veräußerung abgegeben worden. Es gehöre nicht zu den Aufgaben der Bun-
deswehr, Wohnhäuser und Wohnungen vorzuhalten und zu vermieten, wenn
dafür ein militärischer Bedarf oder ein Bedarf ziviler Dienststellen der
Bundeswehr nicht bestehe. Die Nutzung des Gebäudes 5 als Offizierheim kön-
ne an anderer Stelle mit wesentlich geringerem Aufwand verwirklicht werden.
Die Räume im Gebäude 19 D seien für eine Übergangszeit für die OHG geeig-
net, zumal sich mit den deutlich reduzierten Belegungszahlen in der …-Kaserne
auch die Zahl der dort zu betreuenden Offiziere erheblich vermindert habe. Eine
private Pächterin betreibe das Mannschafts- und Unteroffizierheim im Gebäude
19 D; sie werde - wegen fehlender Betriebsräume für die Offiziere - auch die
Betreuung der Offiziere übernehmen. Eine Mitnutzung der Küche der Heim-
betreiberin komme nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Bereitstellung weiterer
Räumlichkeiten - etwa für Hochzeiten - bestehe nicht. Da eine Eigenbewirt-
schaftung durch die OHG ... im Gebäude 19 D derzeit nicht möglich sei, ruhe
die Eigenbewirtschaftung, bis eine geeignete Infrastruktur wieder zur Verfügung
stehe. Die Voraussetzungen für einen förmlichen Entzug der Eigenbewirtschaf-
tung nach Nr. 208 ZDv 60/2 lägen nicht vor.
Unter dem Briefkopf „OHG - Der Vorstand“ und mit der Funktionsbezeichnung
„Vorstandsvorsitzender“ unter seiner Unterschrift beantragte der Antragsteller
mit Schreiben vom 17. November 2008 an den Bundesminister der Verteidi-
gung,
die Bereitstellung einer Infrastruktur, die den Betrieb der
Offizierheimgesellschaft … in dem befohlenen Umfang er-
laubt,
hilfsweise,
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für den Fall der Nichtbereitstellung den formellen Entzug
der Eigenbewirtschaftung und den Befehl zur Auflösung
der Offizierheimgesellschaft …
Das Bundesministerium der Verteidigung (Referatsleiter WV III 7) erwiderte
darauf mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 unter Hinweis auf die Vorkorres-
pondenz und auf eine durchgeführte Ortsbesichtigung, die angebotene Inte-
rimslösung im Gebäude 19 D genüge für eine zumindest temporäre Gewährlei-
tung der Betreuung der Offiziere und der ihnen gleichgestellten Zivilbedienste-
ten. Eine endgültige Lösung für die angemessene Unterbringung der OHG …
sei von der weiteren Stationierungsentwicklung in der Kaserne abhängig.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 legte der Antragsteller als Naturalpartei -
ohne den bisher genutzten Briefkopf - gegen die Nichtbescheidung seines An-
trags vom 17. November 2008 Beschwerde ein, die der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - als Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungs-
gerichts gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 21. Juli 2009 dem Senat
vorgelegt hat.
Zur ergänzenden Begründung seines Rechtsschutzbegehrens bezieht sich der
Antragsteller insbesondere auf einzelne Vorschriften der ZDv 60/2 „Die Bewirt-
schaftung von Heimen und Heimräumen der Offiziere und Unteroffiziere durch
Heimgesellschaften“, die er für aktive Soldaten im Vorstand der OHG … als
Befehl des Bundesministers der Verteidigung qualifiziert.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Er hält den Antrag für unzulässig, weil sich der Antragsteller in der Sache auf
seinen Fürsorgeanspruch aus § 31 SG berufe, der nur vor den allgemeinen
Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden könne. Überdies eröffneten die
Vorschriften der ZDv 60/2 für ihn nicht den Beschwerdeweg nach der Wehrbe-
schwerdeordnung, weil diese Verwaltungsvorschrift dem Antragsteller gegen-
über kein truppendienstliches Vorgesetztenverhältnis begründe. Der Antrag sei
auch deshalb unzulässig, weil der Antragsteller durch die mit dem Bundesmi-
nisterium der Verteidigung - WV III 7 - geführte Korrespondenz nicht in seinen
persönlichen Rechten betroffen sei. Er habe den gesamten Schriftwechsel unter
dem Briefkopf des Vorstands der OHG ... geführt und sei damit im Ge-
schäftsverkehr als nach außen hin handlungsberechtigtes Organ des Vereins
aufgetreten. In dieser Funktion habe er auch die Überlassung einer aus seiner
Sicht adäquaten Infrastruktur an die OHG gefordert. Aus der vereinsrechtlichen
Funktion stehe dem Antragsteller jedoch kein persönlicher truppendienstlicher
Rechtsbehelf zu. Der Antrag sei im Übrigen in der Sache unbegründet, weil der
Antragsteller keinen Anspruch auf Verschaffung einer bestimmten Liegenschaft
an die OHG ... habe.
Die Wehrbereichsverwaltung … hat die Beschwerde des Antragstellers gegen
die Einstellung der Betreuung der Offiziere in der …-Kaserne durch Unterbre-
chung der Strom- und Wasserversorgung für das Gebäude 5 (am 25. April
2008) durch Bescheid vom 3. Juni 2008 zurückgewiesen. Die dagegen gerich-
tete Klage des Antragstellers (als Naturalpartei) mit dem Antrag, die Bundesre-
publik Deutschland unter Aufhebung des genannten Beschwerdebescheids zu
verpflichten, eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die seine Betreuung
nach der ZDv 60/2 ermögliche, hat das Verwaltungsgericht B. mit Urteil vom 1.
Juni 2010 (…) abgewiesen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 9. Juni 2010 zu der beab-
sichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht B. ange-
hört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwer-
deakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 139/09 - und eine
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die ZDv 60/2 enthaltende Beiakte haben dem Senat bei der Beratung vorgele-
gen.
II
Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom
17. November 2008, das er als Naturalpartei im gerichtlichen Verfahren weiter-
verfolgt, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den
allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb an das zu-
ständige Verwaltungsgericht B. zu verweisen.
Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtli-
che Richter (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05
- , vom
17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 und vom
9. März 2010 - BVerwG 1 WB 9.09 -).
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffent-
lich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit
die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich
zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für
Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein
anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist in der speziellen
Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO
- nur - für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Sol-
daten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines
Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Ab-
schnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt
sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher
Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen
Über- und Unterordnung bzw. der truppendienstlichen Unterstellung beruhen,
also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. - auch zum Folgenden
- Beschlüsse vom 17. März 2009 a.a.O. und vom 9. März 2010 - BVerwG 1 WB
9.09 - jeweils m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppen-
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dienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für
die der Rechtsweg zu den (allgemeinen) Verwaltungsgerichten eröffnet ist,
muss auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs und auf die da-
raus abzuleitende Rechtsfolge abgestellt werden.
Danach liegt hier zwar eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, jedoch keine spe-
ziell den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstliche Angelegenheit
vor. § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO greift nicht ein, weil die vom Antragsteller bean-
standete Unterlassung bzw. die von ihm geltend gemachten Ansprüche ihrer
wahren Rechtsnatur nach nicht im Zusammenhang mit der Einbindung des An-
tragstellers in den militärischen Organisationsbereich stehen, der durch das
Über- und Unterordnungsverhältnis zu einem militärischen Vorgesetzten ge-
prägt ist. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers betrifft vielmehr eine
Verwaltungsangelegenheit, für deren gerichtliche Klärung es bei der (sachli-
chen) Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte verbleibt.
1. Mit seinem Hauptantrag beanstandet der Antragsteller die Entscheidung des
Bundesministeriums der Verteidigung (Referatsleiter WV III 7), für den Betrieb
der OHG ... lediglich Räume im Gebäude 19 D in der …-Kaserne - ohne die
vom Antragsteller für erforderlich gehaltene erweiterte Infrastruktur - zur Verfü-
gung zu stellen. Damit betrifft der Hauptantrag eine Entscheidung der Abteilung
Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz (WV) des Bundesministeriums
der Verteidigung, deren Unterabteilung WV III für die Infrastruktur der
Bundeswehr zuständig ist. Diese Zuständigkeit wird auch im Schreiben des
Bundesministeriums der Verteidigung (Referatsleiter WV III 7) vom 10. Dezem-
ber 2008 unterstrichen.
Die Abteilung WV gehört nicht zum militärischen Bereich, sondern zum zivilen
Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung (ebenso schon Beschluss
vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 26.08 -).
Die Abteilung gliedert sich in die Unterabteilungen WV I (Planung und Organi-
sation der Wehrverwaltung), WV II (Einsatz der Wehrverwaltung, Logistische
Unterstützung), WV III (Infrastruktur der Bundeswehr), WV IV (Umwelt- und
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Arbeitsschutz der Bundeswehr) und umfasst außerdem - direkt der Abteilungs-
leitung unterstellt - das Referat WV Z (Zentrale Aufgaben, Controlling) und die
Steuergruppe „Interne Optimierung des Liegenschaftsmanagements der Bun-
deswehr“. Die Abteilung WV ist - wie die (zivile) Bundeswehrverwaltung insge-
samt - weder Teil noch Annex der Streitkräfte, sondern steht selbstständig ne-
ben den Streitkräften (vgl. Kokott in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 5. Aufl.,
2009, Art. 87b GG, Rn. 3). Diese Trennung ergibt sich aus Art. 87 a GG und
Art. 87 b Abs. 1 GG und wird für den Organisationsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung durch Nr. 102 ZDv 1/50 „Grundbegriffe zur militärischen
Organisation/Unterstellungsverhältnisse/Dienstliche Anweisungen“ bestätigt und
konkretisiert. Nach dieser Vorschrift gliedern sich die Funktionen des vom
Bundesminister der Verteidigung geleiteten Ministeriums in die jeweils separa-
ten Bereiche des „Fachressorts für militärische Verteidigung im Rahmen der
Gesamtverteidigung“, der „Führungsinstanz des Inhabers der Befehls- und
Kommandogewalt für die Streitkräfte“ und der „Obersten Dienstbehörde für die
Bundeswehrverwaltung, die Rechtspflege und die Militärseelsorge“. Nach Nr.
104 ZDv 1/50 umfasst die Bundeswehrverwaltung - gesondert von den Streit-
kräften (Nr. 103 ZDv 1/50) - die territoriale Wehrverwaltung und den Rüstungs-
bereich. Dieser grundsätzlichen Trennung der Streitkräfte und der Bundes-
wehrverwaltung steht nicht entgegen, dass es in einzelnen Teilbereichen aus-
nahmsweise zu Verschränkungen der Aufgaben der Wehrverwaltung mit Auf-
gaben der militärischen Einsatzführung kommt, die der Bundesminister der Ver-
teidigung in sogenannten Abgrenzungserlassen regelt (vgl. Kokott in: Sachs
a.a.O. Rn. 9, 12, 13).
Zwischen der Abteilung WV und dem Antragsteller besteht hiernach nicht das
von § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die spezielle Rechtswegzuweisung vorausge-
setzte Verhältnis einer militärischen Über- und Unterordnung bzw. einer persön-
lichen truppendienstlichen Unterstellung im Sinne der Vorgesetztenverordnung
(vgl. dazu Nr. 201 Satz 1 1. Spiegelstrich ZDv 1/50). Die beiden Dienststellen,
bei denen der Antragsteller während des bisherigen Verfahrens verwendet
wurde und wird (…), gehören zum militärischen Zuständigkeitsbereich des In-
spekteurs der Streitkräftebasis und sind diesem (…) unterstellt. Dass die Abtei-
lung WV ihm gegenüber aufgrund eines Abgrenzungserlasses ausnahmsweise
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die Funktion eines militärischen Vorgesetzten innehabe, macht der Antragsteller
seinerseits nicht geltend und ist für den Senat nicht ersichtlich. Der Bun-
desminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat die Möglichkeit einer Rechtsbeein-
trächtigung des Antragstellers im Rahmen eines militärischen Unterstellungs-
verhältnisses zwischen diesem und der Abteilung WV ausdrücklich ausge-
schlossen.
Auch der Bundesminister selbst, der mit dem Verpflichtungsteil des Hauptan-
trags in Anspruch genommen wird, steht bei einer Angelegenheit in der Zu-
ständigkeit der Wehrverwaltung - wie sie hier streitig ist - dem Antragsteller
nicht als höchster militärischer Vorgesetzter (zu den Voraussetzungen dieser
Funktion im Einzelnen: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2006, § 1 Rn. 56 f)
gegenüber, sondern als Leiter der obersten Dienstbehörde für die Bundes-
wehrverwaltung.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird ein Verhältnis der militäri-
schen Über- und Unterordnung zwischen ihm und dem Bundesminister der Ver-
teidigung nicht durch Vorschriften der ZDv 60/2 vermittelt. Diese Verwaltungs-
vorschrift enthält - auch gegenüber dem Antragsteller - keine militärischen Be-
fehle, weil sie nicht vom Bundesminister als Inhaber der Befehls- und Kom-
mandogewalt im Sinne des Art. 65a GG erlassen worden ist (zu dieser Voraus-
setzung der Befehlsbefugnis des Ministers vgl. Beschluss vom 30. November
2006 - BVerwG 1 WB 59.05 - BVerwGE 127, 203 = Buchholz 450.1 § 19 WBO
Nr. 1; Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 =
Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55).
Die - von der damaligen Sozialabteilung des Ministeriums federführend erarbei-
tete - ZDv 60/2 regelt die Bewirtschaftung von Heimen und Heimräumen der
Offiziere und Unteroffiziere durch Heimgesellschaften genannte Personenver-
einigungen bürgerlichen Rechts, die als rechtsfähige Vereine im Vereinsregister
des zuständigen Amtsgerichts eingetragen werden sollen (Nr. 101 Abs. 1 ZDv
60/2). Bei den Offizierheimen handelt es sich um militärische Einrichtungen ei-
gener Art, die weder organisatorisch oder personell in militärische Gliederungen
eingefügt sind noch deshalb bestehen, um vorrangig truppendienstliche Zwecke
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zu erfüllen. Bei ihrer zentralen Aufgabenerfüllung, nämlich der Bereitstellung
von Räumlichkeiten für dienstliche und außerdienstliche (gesellschaftliche)
Betreuungs- und Kontaktveranstaltungen und der gastronomischen Bewirt-
schaftung dieser Räumlichkeiten während solcher Veranstaltungen, sind die
Offizierheime aus den Streitkräften ausgegliedert und stehen außerhalb der
militärischen Befehlsgewalt; ihre Führung als Wirtschaftsbetrieb ist (deshalb) im
Regelfall einer Heim- oder Betreuungsgesellschaft in der Rechtsform eines
rechtsfähigen Vereins bürgerlichen Rechts in eigener Verantwortung übertragen
(Beschluss vom 16. Juli 1987 - BVerwG 6 P 17.86 - PersV 1989, 262 = juris Rn.
17). Offizier- und Unteroffizierheime werden in Nr. 102 Abs. 1 Satz 1 ZDv 60/2
ausdrücklich als militärische Betreuungseinrichtungen definiert. Das
Bundesministerium der Verteidigung stellt demnach diese Heime mit der in der
ZDv 60/2 beschriebenen Infrastruktur (vgl. insbesondere Nummern 103, 222 bis
225) den Nutzungsberechtigten in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn für dienstliche und außerdienstliche Zwecke zur Verfügung; auf
dieser Fürsorgepflicht - und nicht auf der Befehls- und Kommandogewalt des
Ministers - beruhen auch die in der ZDv 60/2 getroffenen näheren Weisungen
und Regelungen zum Betrieb der Offizier- und Unteroffizierheime. Soweit sich
die ZDv 60/2 nach Maßgabe der Nr. 101 Abs. 4 über den jeweiligen Überlas-
sungsvertrag an die privatrechtlich organisierten Heim- bzw. Betreuungsgesell-
schaften richtet, werden dadurch weder diese selbst noch ihre vertretungsbe-
rechtigten Vorstände dem Bundesminister der Verteidigung truppendienstlich
unterstellt.
2. Der Hilfsantrag des Antragstellers betrifft ebenfalls keine truppendienstliche
Angelegenheit, sondern eine Verwaltungsangelegenheit.
Der vom Antragsteller auf Nr. 208 ZDv 60/2 gestützte Antrag, die Eigenbewirt-
schaftung des strittigen Offizierheims durch die OHG ... förmlich zu entziehen,
richtet sich gegen den Bundesminister der Verteidigung, der seine diesbezügli-
che Zuständigkeit - wie dargelegt - in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn ausübt und nicht als höchster militärischer Vorgesetzter. Soweit der
Antragsteller außerdem einen „Befehl“ des Bundesministers der Verteidigung
zur Auflösung der OHG ... beantragt, begründet er dieses Rechtsschutzbegeh-
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ren mit der angestrebten Aufhebung seiner vereinsrechtlichen Betreuungs-
pflichten als Vorsitzender des Vorstands der OHG. In dieser vereinsrechtlichen
Vertretungsfunktion steht der Antragsteller dem Bundesminister der Verteidi-
gung nicht im Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung gegenüber.
Soweit das Vorbringen des Antragstellers außerdem als behauptete Verletzung
seines persönlichen Anspruchs auf Fürsorge des Dienstherrn nach § 31 SG zu
verstehen ist, sind für diesen Streitgegenstand ebenfalls die allgemeinen Ver-
waltungsgerichte sachlich zuständig, weil diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten
von der Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte ausgenommen sind (§
40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 82 Abs. 1 SG und § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i.V.m. §
31 SG).
Die vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - erörterte Frage, ob dem
Antragsteller als Naturalpartei für die geltend gemachten Ansprüche eine An-
tragsbefugnis zusteht, betrifft die Zulässigkeit des Antrags, die nicht vom Senat,
sondern im zulässigen Rechtsweg von dem zuständigen allgemeinen Verwal-
tungsgericht zu klären ist.
Nachdem der Antragsteller, der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
und der Bundeswehrdisziplinaranwalt gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 17a
Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu angehört worden sind, ist der Rechtsstreit gemäß
§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das nach § 52 Nr. 4 Satz 1
VwGO örtlich und sachlich zuständige Verwaltungsgericht B. zu verweisen. Der
für Klagen im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO maßgebliche dienstliche Wohnsitz ist
entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG bei einem Soldaten sein Standort. Die
Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen
des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG
1 WB 26.08 - m.w.N.).
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