Urteil des BVerwG vom 15.11.2007

Beendigung des Dienstverhältnisses, Dienstzeit, Beförderung, Altersgrenze

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 40.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsbootsmann ... L.,
Sanitätskommando ..., ..., K.,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 15. November 2007 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzuläs-
sig.
Der Rechtsstreit wird an das Schleswig-Holsteinische
Verwaltungsgericht verwiesen.
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G r ü n d e :
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Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass seine Dienstzeit neu festge-
setzt werden und eine „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ erfolgen müsse,
weil mit ihm kein Personalgespräch fünf Jahre vor dem Überschreiten der für
seine Zurruhesetzung geltenden Altersgrenze geführt worden sei.
Der am 20. Januar 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Zuletzt wurde
er am 1. Februar 2002 zum Stabsbootsmann befördert. Derzeit wird der Antrag-
steller als Truppenversorgungsbearbeiter beim Stabsquartier des Sanitätskom-
mandos I in Kiel verwendet.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2006, eröffnet am 29. Januar 2007, kündigte
die (damalige) Stammdienststelle ... dem Antragsteller an, dass beabsichtigt
sei, ihn wegen Überschreitens der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze
(Vollendung des 53. Lebensjahres) mit Ablauf des 31. Januar 2008 in den Ru-
hestand zu versetzen.
Unter dem 9. Februar 2007 legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde ein.
Zur Begründung führte er aus, dass nach den einschlägigen Erlassen mit jedem
Berufssoldaten frühzeitig, spätestens jedoch fünf Jahre vor dem Überschreiten
der für die Zurruhesetzung geltenden Altersgrenze ein Personalgespräch zu
führen sei, damit rechtzeitig entschieden werden könne, von welchem Dienstort
und gegebenenfalls aus welcher Verwendung heraus er in den Ruhestand trete.
Dieses Personalgespräch sei mit ihm nicht geführt worden. Er sehe darin eine
Benachteiligung gegenüber den Soldaten, die im Sinne dieser Weisungen
informiert worden seien, und erwarte von seiner personalführenden
Dienststelle, dass sie ihm den gleichen zeitlichen Rahmen verschaffe, um sich
auf seine Versetzung in den Ruhestand vorzubereiten.
In einem am 3. Mai 2007 bei der Stammdienststelle der Bundeswehr geführten
Personalgespräch wies der Antragsteller ergänzend darauf hin, dass sich auf-
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grund des bis dahin versäumten Personalgesprächs ein neues Dienstzeitende
zum 31. Mai 2012 ergeben könne. Entsprechend äußerte der Antragsteller in
einem am 10. Mai 2007 mit dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
geführten Telefonat, dass seiner Ansicht nach erst mit dem am 3. Mai 2007
durchgeführten Personalgespräch der fünfjährige Mindestzeitraum für die Fest-
legung des Endstandortes erfüllt werde; sein Dienstzeitende sei deshalb von
Amts wegen auf den 31. Mai 2012 neu festzusetzen. Mit Schreiben vom 10. Mai
2007 teilte der Antragsteller dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
ferner zu dessen „Kenntnisnahme und weiterer Veranlassung“ mit, dass er die
Neufestsetzung seiner Dienstzeit bis zum 31. Mai 2012, seine lauf-
bahnrechtliche Schadlosstellung/Beförderung zum Oberstabsbootsmann sowie
keine weitere Benachteiligung durch die verlängerte Dienstzeit erwarte.
Unter dem 5. Juli 2007 erhob der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde. Der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete dieses Schreiben nach
Rücksprache mit dem Antragsteller als Antrag auf gerichtliche Entscheidung
und legte diesen dem Senat zusammen mit seiner Stellungnahme vom
10. August 2007 vor.
Außerdem stellte der Antragsteller mit Schreiben an das Bundesverwaltungsge-
richt vom 10. August 2007 wegen der ihm angekündigten Versetzung in den
Ruhestand einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (BVerwG 1 WDS-VR
8.07).
Zur Begründung seines Begehrens im Hauptsacheverfahren, das zunächst ins-
gesamt unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 29.07 geführt wurde, erklärte
der Antragsteller insbesondere:
Seine Beschwerde vom 9. Februar 2007 und seine Untätigkeitsbeschwerde
vom 5. Juli 2007 richteten sich dagegen, dass mit ihm kein Personalgespräch
fünf Jahre vor dem Überschreiten der für ihn geltenden Altersgrenze geführt
worden sei. Das Erfordernis eines solchen Personalgesprächs sei durch den
Erlass des Bundesministers der Verteidigung - PSZ III 1 - Az.: 16-26-00/25 vom
1. August 2001 nicht generell aufgehoben worden. In diesem Erlass sei lediglich
verfügt, dass angesichts der voraussichtlich bis 2006 andauernden Umglie-
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derung der Streitkräfte die definitive Festlegung eines Endstandortes fünf Jahre
vor der Zurruhesetzung zu unterbleiben habe; eine Anhörung des Soldaten zu
seiner Endverwendung werde von dem Erlass nicht berührt. Da er nicht darüber
informiert gewesen sei, dass wegen der falschen Auslegung der Erlasse durch
die personalführenden/-bearbeitenden Dienststellen keine einschlägigen Perso-
nalgespräche stattgefunden hätten und keine Festlegungen erfolgt seien, habe
er davon ausgehen müssen, dass Personalgespräche weiterhin spätestens fünf
Jahre vor der Zurruhesetzung geführt würden. Das bedeute, dass die personal-
führende/-bearbeitende Dienststelle ihm nunmehr die Festlegung der Alters-
grenze fünf Jahre vor deren Erreichen mitzuteilen habe. Da er wisse, dass ein
Berufssoldat bis zum 60. Lebensjahr der Wehrüberwachung unterliege und aus
dienstlichen Gründen von einer Versetzung in den Ruhestand bis zu diesem
Zeitpunkt abgesehen werden könne, sei ihm, dem Antragsteller, durch die Be-
kanntgabe des Ruhestandstermins lediglich ein Jahr vor der Zurruhesetzung
ein Nachteil entstanden. Er sei bis zum 31. Januar 2008 nicht in der Lage, seine
persönlichen und familiären Belange zu planen. Das Rechtsstaatsprinzip des
Grundgesetzes verlange deshalb eine „zeitliche Heilung (Verlängerung der
Dienstzeit auf fünf Jahre)“ und eine „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Feststellung, dass das Schreiben des Bundesminis-
ters der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - vom 10. August
2007 vom Wesen her keine Antwort auf seine Untätig-
keitsbeschwerde vom 5. Juli 2007 ist;
2. die Feststellung, dass die Unterlassung des Personal-
gesprächs fünf Jahre vor der voraussichtlichen Zurruhe-
setzung rechtswidrig gewesen ist;
3. die - für alle von dieser Maßnahme betroffenen Solda-
ten geltende - Feststellung, dass durch die Nichtdurchfüh-
rung dieses Personalgesprächs eine fortgesetzte faktische
Rechtsbeeinträchtigung hinsichtlich des Anhörungsrechts
betrieben wird;
4. die Feststellung, dass seine Dienstzeit neu festgesetzt
wird (Fünf-Jahresfrist bis zur Zurruhesetzung);
5. die Feststellung, dass eine laufbahnrechtliche Schad-
losstellung erfolgen muss; sowie
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6. die Feststellung, dass das Beschwerdeverfahren durch
den Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - zeitlich
verschleppt wurde.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hält die Anträge allesamt für offensichtlich unzulässig.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 zu der Ab-
sicht angehört, den Rechtsstreit, soweit er die Beendigung des Dienstverhält-
nisses des Antragstellers und dessen Beförderung betrifft, an das Schleswig-
Holsteinische Verwaltungsgericht zu verweisen. Der Bundesminister der Vertei-
digung - PSZ I 7 - hat der Verweisung zugestimmt. Der Antragsteller hat die
Kopie eines Bescheids der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 1. Novem-
ber 2007, mit dem seine Anträge auf Verlängerung der Dienstzeit bis 31. Mai
2012 und auf Beförderung zum Oberbootsmann zurückgewiesen wurden, sowie
- nachrichtlich - seine hiergegen gerichtete Beschwerde vom 9. November 2007
übermittelt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15. November 2007 das Verfahren hinsicht-
lich der Anträge Nr. 4 und Nr. 5 von dem Verfahren BVerwG 1 WB 29.07 abge-
trennt. Dieser abgetrennte Teil des Begehrens des Antragstellers ist Gegen-
stand des vorliegenden, unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 40.07 fortge-
führten Verfahrens.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 561/07 -
sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Be-
ratung vorgelegen.
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II
Für die abgetrennten Feststellungsanträge, die die Neufestsetzung der Dienst-
zeit des Antragstellers (Antrag Nr. 4) und seine „laufbahnrechtliche Schadlos-
stellung“ (Antrag Nr. 5) im Sinne einer Beförderung betreffen, ist der Rechtsweg
nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsge-
richten eröffnet.
Nach § 82 Abs. 1 SG ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis
der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit nicht ein anderer Rechtsweg ge-
setzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fäl-
le vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Ver-
letzung seiner Rechte oder von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist,
die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit
Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte ha-
ben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden,
die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also
in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April
2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - NZWehrr 2005, 212
m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche An-
gelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der
Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, muss auf die wahre Natur
des geltend gemachten Anspruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfol-
ge abgestellt werden (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 -
m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Die vom Antragsteller begehrte Feststellung, dass seine Dienstzeit - mit dem
Ziel einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses als Berufssoldat - neu festzuset-
zen sei (Antrag Nr. 4), betrifft eine Materie, die nicht im Zweiten Unterabschnitt
des Ersten Abschnitts, sondern im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes ge-
regelt ist. Dasselbe gilt für die vom Antragsteller begehrte Feststellung, dass ei-
ne „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ erfolgen müsse (Antrag Nr. 5), soweit
dies in Form einer Beförderung geschehen soll; dass es dem Antragsteller auch
und wohl in erster Linie darum geht, befördert zu werden, ergibt sich aus sei-
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nem Schreiben vom 10. Mai 2007, in dem er die beanspruchte „laufbahnrechtli-
che Schadlosstellung“ mit dem Zusatz „Beförderung zum OStBtsm A9mZ mit
KW-Vermerk auf vorhandenem DP bis DZE 2012 (ggf. rückwirkend)“ erläuterte.
Beide Begehren betreffen somit keine truppendienstliche Angelegenheiten,
sondern den Status des Antragstellers. Für Streitigkeiten über das Dienstver-
hältnis, dessen Begründung oder dessen Dauer sowie für Beförderungsstreitig-
keiten sind nicht die Wehrdienstgerichte, sondern die allgemeinen Verwal-
tungsgerichte sachlich zuständig (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom
6. November 1995 - BVerwG 1 WB 91.95 - DokBer B 1996, 75, vom 15. Mai
2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Nachdem der Antragsteller und der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
sowie der Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 25. Oktober 2007
gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu angehört worden sind, ist der Rechts-
streit gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das gemäß § 52
Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich und sachlich zuständige Schleswig-Holsteinische
Verwaltungsgericht in Schleswig (§ 1 Abs. 1 Aus-
führungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung vom 6. März 1990, GVOBl.
Schl.-H. S. 226) zu verweisen. Der für Klagen im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO
maßgebliche „dienstliche Wohnsitz“ ist entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG
bei einem Soldaten sein Standort. Die Legaldefinition des dienstlichen
Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeb-
lich (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Über die Verweisung kann der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche
Richter entscheiden (Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 -
Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3 ).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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