Urteil des BVerwG vom 09.03.2006

Absicht, Hauptsache, Dienstzeit, Soldat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
BVerwG 1 WB 40.05
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt …,
…, … -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller
sowie
Oberst Dönsdorf und
Obergefreiten Wehrstedt
als ehrenamtliche Richter
am 9. März 2006
b e s c h l o s s e n :
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der 1982 geborene Antragsteller war Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit
von zwei Jahren. Nach Ablauf seiner Dienstzeit ist er am 30. September 2004 aus
der Bundeswehr ausgeschieden. Zum Hauptgefreiten war er am 21. November
2003 ernannt worden. Vor dem Ende seiner Dienstzeit wurde er zuletzt als Sani-
tätssoldat und Sanitätssoldat Krankenpflegedienst beim SOZ A. verwendet.
Mit Bewerbungssofortmeldung vom 8. Juni 2004 hatte der Antragsteller bei der
Stammdienststelle des Heeres (SDH) seine Zulassung zur Laufbahn der Feldwe-
bel des Sanitätsdienstes in der Verwendung als Sanitätsfeldwebel (SanFw) Con-
trolling oder SanFw Rettungsassistent beantragt. Diesen Antrag lehnte die SDH
mit Bescheid vom 3. August 2004 ab. Die Beschwerde des Antragstellers vom
18. August 2004 wies der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - mit
Beschwerdebescheid vom 28. September 2004 zurück.
Den dagegen eingelegten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 4. Oktober
2004 hat der Senat mit Beschluss vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 57.04 -
als unzulässig verworfen.
In dem vorbezeichneten gerichtlichen Antragsverfahren legte der Bevollmächtigte
des Antragstellers mit Schreiben vom 20. Januar 2005 einen Antrag vom
20. November 2003 vor, mit dem sich der Antragsteller um die Zulassung zur
Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes (FwFD) beworben hatte.
Der Antragsteller hatte am 21. Januar 2004 an der Eignungsfeststellung teilge-
nommen und diese nach dem Schreiben des Zentrums für Nachwuchsgewinnung
West vom selben Tag mit dem Ergebnis „geeignet für die Laufbahn Fw FD“ abge-
schlossen. In diesem Schreiben wurde dem Antragsteller zugleich mitgeteilt, dass
er aufgrund fehlenden Bedarfs derzeit nicht auf einem Feldwebeldienstposten ein-
geplant werden könne und seine Bewerbungsunterlagen deshalb zuständigkeits-
halber zur weiteren Bearbeitung an die SDH weitergeleitet würden; von dort werde
er einen weiteren Bescheid erhalten.
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Die SDH lehnte den Antrag vom 20. November 2003 mit Bescheid vom 5. Februar
2004 unter Hinweis auf fehlenden Bedarf ab. Auf diesen Bescheid wies der BMVg
- PSZ I 7 - im Rahmen seiner Senatsvorlage vom 25. Oktober 2004 im Verfahren
BVerwG 1 WB 57.04 hin. Nachdem der Bevollmächtigte des Antragstellers am
11. März 2005 um Übersendung einer Kopie des Bescheides der SDH vom
5. Februar 2004 gebeten hatte, wurde ihm diese vom BMVg am 15. März 2005
übersandt.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16. März 2005 legte der Antragsteller
gegen den Bescheid der SDH vom 5. Februar 2004 Beschwerde ein und trug zur
Begründung vor, dieser Bescheid sei ihm nicht zugestellt worden. Deshalb liefen
keine Rechtsbehelfsfristen. Von der Existenz dieses Bescheides habe er erst in
dem Verfahren BVerwG 1 WB 57.04 erfahren. Das SOZ A. habe mit Schreiben
vom 26. April 2004 eine Nebenakte und neun Ausdrucke aus der Stellenbörse an
die SDH abgesandt und darum gebeten, für ihn, den Antragsteller, eine Stellen-ID
zu vergeben. Hierauf habe die SDH nicht reagiert. Letztlich habe er nicht rechtzei-
tig einen der ausgeschriebenen Dienstposten erhalten und sei daher mit Ablauf
des 30. September 2004 aus der Bundeswehr ausgeschieden.
Die Beschwerde wies der BMVg - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 31. Mai 2005 zu-
rück.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 11. Juni
2005, den der BMVg - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 5. August 2005
dem Senat vorgelegt hat, bei dem er am 10. August 2005 eingegangen ist.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Zu Unrecht halte der BMVg die Beschwerde vom 16. März 2005 gegen den Be-
scheid der SDH vom 5. Februar 2004 für unzulässig. Er, der Antragsteller, sei
nicht verpflichtet, eine Beschwerde „ins Blaue“ hinein rechtshängig zu machen.
Erst müsse ihm schwarz auf weiß ein rechtsmittelfähiger Bescheid vorliegen. Un-
streitig habe die SDH das Schreiben des SOZ A. vom 26. April 2004 weder be-
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arbeitet noch beschieden. Andernfalls hätte sie ihm, dem Antragsteller, mit Si-
cherheit eine der nachgewiesenen neun offenen Stellen zugeteilt, so dass er noch
heute „aufgrund seiner 12-Jahresverpflichtung“ Soldat bei der Bundeswehr hätte
sein können. Ihm stehe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite, denn er
beabsichtige, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen.
Er beantragt
festzustellen, dass die im Zusammenhang mit seinem Antrag vom
20. November 2003 auf Aufnahme in die Laufbahn der FwFD durch
die SDH in Köln unterbliebene Bescheidung des Antragergänzungs-
schreibens des SOZ A. vom 26. April 2004 mit den beigefügten „9-
Ausdrucke Stellenbörse“ rechtswidrig war.
Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für unzulässig. Für die beantragte
Feststellung fehle es dem Antragsteller an einem berechtigten Interesse. Der
Hinweis auf seine Absicht, einen Schadenersatzanspruch geltend machen zu wol-
len, ändere hieran nichts. Denn dieses Begehren erscheine von vornherein als
aussichtslos. In Bezug auf das Schreiben vom 26. April 2004 bzw. die darin als
Anlage aufgeführten neun „Ausdrucke Stellenbörse“ sei bereits im Beschwerde-
bescheid darauf hingewiesen worden, dass ein Posteingang dieser Unterlagen bei
der SDH nicht feststellbar sei. Deshalb könne der SDH auch keine rechtswidrig
unterbliebene Bescheidung des „Antragergänzungsschreibens“ vom 26. April 2004
vorgeworfen werden. Darüber hinaus sei die Erledigung der Hauptsache bereits
vor Stellung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung eingetreten. Bei dieser
Fallkonstellation könne der Antragsteller aus seinem Bekunden, einen
Schadenersatzanspruch geltend machen zu wollen, kein berechtigtes Interesse
herleiten.
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Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Be-
teiligten und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg
- PSZ I 7 - 458/05 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers und die Ge-
richtsakte BVerwG 1 WB 57.04 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
Das Ausscheiden des Antragstellers aus dem Wehrdienstverhältnis steht der Fort-
führung des Verfahrens nach § 15 WBO nicht entgegen (ebenso: Beschlüsse vom
17. Januar 1974 - BVerwG 1 WB 89.72 - , vom 22. De-
zember 2004 - BVerwG 1 WB 41.03 - und vom 24. Januar
2006 - BVerwG 1 WB 43.05 -).
Das vom Antragsteller mit der Beschwerde vom 16. März 2005 ursprünglich ver-
folgte Rechtsschutzanliegen der Aufhebung des Bescheides der SDH vom
5. Februar 2004 konnte allerdings schon im Zeitpunkt dieser Beschwerde nicht
mehr zu der damit sinngemäß angestrebten Verpflichtung des BMVg führen, den
Antragsteller zur Laufbahn der FwFD zuzulassen. Dieses Rechtsschutzanliegen
war bereits mit dem am 30. September 2004 erfolgten Ausscheiden des Antrag-
stellers aus der Bundeswehr in der Hauptsache erledigt. Denn Gegenstand des
Antrages vom 20. November 2003 war die Zulassung des Wechsels aus der
Laufbahn der Mannschaften in die Laufbahn der Fw, jedoch nicht die Einstellung
oder Wiedereinstellung des Antragstellers.
Diesem Umstand hat der Antragsteller in verfahrensrechtlicher Hinsicht dadurch
Rechnung getragen, dass er nach der auch im Wehrbeschwerdeverfahren ent-
sprechend anwendbaren Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO mit Schreiben
vom 11. Juni 2005 einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt hat.
Insoweit kann dahinstehen, ob dieser Fortsetzungsfeststellungsantrag in der Sa-
che auf die gerichtliche Feststellung gerichtet ist, dass die aus Sicht des Antrag-
stellers - mangels förmlicher Eröffnung des Bescheides vom 5. Februar 2004 -
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unterbliebene Bescheidung seines Antrages vom 20. November 2003 auf Über-
nahme in die Laufbahn der FwFD rechtswidrig ist, oder auf die Feststellung, dass
die aus Sicht des Antragstellers unterlassene gesonderte Bescheidung des „An-
tragergänzungsschreibens des SOZ A. vom 26. April 2004“ rechtswidrig ist.
Der Antrag ist in beiden Auslegungsvarianten unzulässig. Denn insoweit fehlt dem
Antragsteller das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich dieses Fortsetzungsfest-
stellungsinteresse aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederho-
lungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadenersatzanspruch geltend
zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätz-
lich kommt auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19
Abs. 4 GG) ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte
Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich
zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 -
119, 341 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 = NZWehrr 2004, 163> und - BVerwG
1 WB 24.03 - , vom 22. Januar 2004
- BVerwG 1 WB 34.03 - jeweils m.w.N. und vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB
19.04 -).
Zwar hat der Antragsteller - erstmals - mit seinem Antrag vom 11. Juni 2005 als
Grundlage seines Fortsetzungsfeststellungsinteresses seine Absicht vorgetragen,
einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen. Ein Anspruch auf Schaden-
ersatz, soweit er auf eine schuldhafte Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB
i.V.m. Art. 34 GG gestützt würde, könnte vor den Zivilgerichten (Art. 34 Satz 3 GG
i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) oder, soweit es sich um einen Folgenbeseiti-
gungsanspruch handeln sollte, vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten (§ 40
Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend gemacht werden. Nach ständiger Rechtsprechung
des Senats besteht indessen insoweit kein Anspruch auf den (vermeintlich) „sach-
näheren“ Richter. Vielmehr ist es Sache des Antragstellers, in den Fällen, in denen
eine Erledigung der Hauptsache bereits vor Stellung des Antrages auf gerichtliche
Entscheidung eingetreten ist, wegen des von ihm angestrebten Scha-
denersatzanspruches (Amtshaftungs- oder Folgenbeseitigungsanspruch) unmit-
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telbar das hierfür zuständige Zivil- oder Verwaltungsgericht anzurufen. Dieses Ge-
richt hat dann über sämtliche den geltend gemachten Anspruch betreffenden
Rechtsfragen in eigener Zuständigkeit zu befinden (stRspr.: vgl. zuletzt Beschlüs-
se vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 -
= NZWehrr 2001, 165>, vom 22. Januar 2004 - BVerwG 1 WB 43.03 - und vom
22. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 1.05 - jeweils m.w.N.).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf das vorliegende Verfahren ergibt, dass
sich die vom Antragsteller angestrebte Bescheidung seines Antrages auf Zulas-
sung zur Laufbahn der FwFD mit Ablauf des 30. September 2004 und damit lange
vor Eintritt der Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens am 10. August 2005
erledigt hatte. Damit ist für das vorliegende Verfahren vor dem angerufenen
Wehrdienstsenat ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, soweit es sich auf die
beabsichtigte Durchsetzung eines Schadenersatzanspruches bezieht, nicht gege-
ben; weitere Gründe für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hat der Antragstel-
ler nicht dargetan.
Auch eine Verweisung des Verfahrens an das für einen Amtshaftungsanspruch
zuständige Zivilgericht oder das für einen Folgenbeseitigungsanspruch zuständige
allgemeine Verwaltungsgericht kommt nicht in Betracht, da diesbezügliche Sach-
anträge im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind.
Von einer Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat ab,
weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WBO nicht als gegeben erachtet.
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