Urteil des BVerwG vom 22.04.2010

Rechtliches Gehör, Rüge, Hauptsache, Verfügung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 4.10 (1 WB 86.08)
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
der Frau Stabsunteroffizier …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 22. April 2010 beschlossen:
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens über
die Anhörungsrüge.
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G r ü n d e :
I
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Anhörungsrüge vom 4. Januar 2010
gegen den Beschluss des Senats vom 24. November 2009 - BVerwG 1 WB
86.08 -, der ihrem Bevollmächtigten am 21. Dezember 2009 zugestellt worden
ist.
Sie macht im Wesentlichen geltend, sie habe sich zu dem Schriftsatz des Bun-
desministers der Verteidigung vom 17. November 2009 nebst der beigefügten
Anlage „Vorgang Arztsache“ nicht äußern können, weil das Schriftstück erst am
Tag der Entscheidung des Senats bei ihrem Bevollmächtigten eingegangen sei.
In den Ausführungen des Bundesministers der Verteidigung werde auch eine
Stellungnahme des Beratenden Arztes der Abteilung … vom 3. November 2009
zitiert, die ihr unbekannt sei. Wäre ihr zu diesen beiden Schriftstücken, auf de-
nen der angefochtene Beschluss des Senats beruhe, rechtliches Gehör ge-
währt worden, hätte sie sich damit schriftsätzlich auseinander gesetzt; ihr Fest-
stellungsantrag wäre nicht als unzulässig zu verwerfen gewesen.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - und der Bundeswehrdiszipli-
naranwalt hatten gemäß § 23a Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 3 VwGO Gele-
genheit zur Stellungnahme. Der Bundesminister der Verteidigung hat sich mit
Schriftsatz vom 1. März 2010 geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Der Vorgang des Bundesministers der Verteidigung
- PSZ I 7 - Az.: 885/08 -, die Personalgrundakte der Antragstellerin und die Ge-
richtsakte BVerwG 1 WB 86.08 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in der Besetzung mit drei Be-
rufsrichtern ohne ehrenamtliche Richter.
Im Wehrbeschwerdeverfahren gilt nach § 23a Abs. 3 WBO für die Rüge der
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör § 152a VwGO entsprechend.
Mit dieser Verweisung wird auch die Form der gerichtlichen Entscheidung, die
nach § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO bei erfolgloser Anhörungsrüge durch Be-
schluss ergeht, in die Wehrbeschwerdeordnung transformiert. In Verfahren der
Anhörungsrüge nach § 152a VwGO entscheiden die Senate des Bundesver-
waltungsgerichts - auch wenn sich die Rüge auf ein in der Besetzung mit fünf
Richtern ergangenes Urteil bezieht - durch Beschluss in der Besetzung mit drei
Richtern (vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. August 2007 - BVerwG 8 C 5.07 - Buch-
holz 310 § 152a VwGO Nr. 4 und vom 6. November 2007 - BVerwG 8 C 17.07
(8 C 8.06) - juris Rn. 1). Der in der Regelung des § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO
zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers, dass über die Anhörungs-
rüge nur in der sich aus § 10 Abs. 3 VwGO ergebenden „kleinen“ Besetzung
der Spruchkörper entschieden werden soll, führt bei der in § 23a Abs. 3 WBO
vorgesehenen entsprechenden Anwendung auch für das Wehrdienstgericht zu
einer Besetzung ohne ehrenamtliche Richter. Dies gilt im Übrigen - soweit Ent-
scheidungen nach § 152a VwGO in Betracht kommen - auch für die Besetzung
der Verwaltungsgerichte (§ 152a Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO)
und für die Oberverwaltungsgerichte, soweit der Landesgesetzgeber von der
Möglichkeit des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VwGO Gebrauch gemacht hat (vgl.
z.B. § 2 Satz 2 AGVwGO BE; § 4 Abs. 3 Satz 2 BbgVwGG; § 4 Abs. 2 Satz 1
Nds. AGVwGO; § 10 Abs. 1 Satz 2 AGVwGO NW; § 2 Abs. 1 Satz 2 AGVwGO
RP; § 4 Abs. 2 Satz 1 AGVwGO LSA).
Der Antrag ist zulässig; er ist jedoch unbegründet und deshalb zurückzuweisen
(§ 23a Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 4 Satz 2 VwGO).
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Der angegriffene Beschluss des Senats verletzt nicht in entscheidungserhebli-
cher Weise den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (§ 23a
Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Der Inhalt des Schriftsatzes des Bundesministers der Verteidigung vom 17. No-
vember 2009, der sich unter anderem auf Aussagen des Beratenden Arztes der
Abteilung … vom 3. November 2009 und auf das Gutachten des Bundeswehr-
krankenhauses U. vom 3. Juli 2009 bezieht, ist mit seinem wesentlichen Inhalt
lediglich als Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten in den Sachverhalt (Teil I)
des Senatsbeschlusses aufgenommen worden (Rn. 17 des Beschlussab-
drucks).
Die Entscheidung, den Feststellungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zu
verwerfen, hat der Senat in Teil II der Gründe des Beschlusses darauf gestützt,
dass im Rahmen des geltend gemachten Feststellungsinteresses ein beabsich-
tigter Schadensersatz- oder Entschädigungsprozess von vornherein als aus-
sichtslos erscheine, weil die erforderliche Kausalität zwischen dem behaupteten
Schaden und der angefochtenen Ablehnungsentscheidung der Stammdienst-
stelle der Bundeswehr weder dargelegt noch ersichtlich sei. Dazu hat der Senat
die Entscheidung tragende Erwägungen in Rn. 28, 29, 30 und 31 des Be-
schlusses ausgeführt.
Die Ausführungen in Rn. 28, 29 und Rn. 31 greift die Antragstellerin mit der
Anhörungsrüge nicht an. In die Ausführungen in Rn. 30, die sich auf die lauf-
bahnrelevante Bedarfsprüfung 2007 beziehen, hat der Senat nicht die Stel-
lungnahme des Beratenden Arztes der Abteilung … vom 3. November 2009,
sondern (nur) dessen Stellungnahme vom 25. Juli 2008 und das Gutachten des
Bundeswehrkrankenhauses U. vom 3. Juli 2009 einbezogen. Die Stellungnah-
me vom 25. Juli 2008 hatte der Bevollmächtigte der Antragstellerin schon im
Beschwerdeverfahren anlässlich seiner Akteneinsicht am 8. August 2008 zur
Kenntnis genommen. Das Gutachten vom 3. Juli 2009 hatte der Bevollmächtig-
te sodann mit seinem Schriftsatz vom 28. September 2009 ausdrücklich in das
gerichtliche Verfahren eingeführt und mit Schriftsatz vom 11. November 2009
erneut zum Gegenstand seiner Argumentation gemacht. Die Antragstellerin be-
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hauptet in der Anhörungsrüge nicht, dass ihr dieses Gutachten unbekannt sei.
Der Umstand, dass in Rn. 30 zu der vom Bundeswehrkrankenhaus U. fest-
gestellten - und von der Antragstellerin inhaltlich nicht angezweifelten - Fehler-
ziffer III/13 infolge eines Versehens nicht die zutreffende Definition nach der
ZDv 46/1 angegeben ist, berührt nicht die Frage des rechtlichen Gehörs. Der
Senat hat seine entscheidungstragenden Erwägungen in Rn. 30 nur auf Unter-
lagen gestützt, zu denen sich die Antragstellerin äußern konnte.
Die Bemerkungen im Schreiben des Bundesministers der Verteidigung vom
17. November 2009 zur eingetretenen Erledigung der Hauptsache und zur Fort-
führung des Verfahrens mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag waren im
Übrigen bereits Gegenstand des gerichtlichen Hinweises an den Bevollmächtig-
ten in der Verfügung vom 9. November 2009.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2
VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 23a Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 4 Satz 3
VwGO unanfechtbar.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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