Urteil des BVerwG vom 29.01.2008

Psychiatrische Untersuchung, Leiter, Anweisung, Ärztliches Gutachten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 4.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Leutnant ... R.,
Universität der Bundeswehr ..., ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Fischer und
den ehrenamtlichen Richter Oberleutnant Orthen
am 29. Januar 2008 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antrag richtet sich gegen eine Entscheidung des Bundesministers der Ver-
teidigung, mit der einer Beschwerde des Antragstellers gegen den Stellvertreter
des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis
stattgegeben wurde.
Der 1982 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit; seine Dienstzeit wird vor-
aussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2009 enden. Zum Leutnant wurde der An-
tragsteller mit Wirkung vom 1. Juli 2004 ernannt. Seit dem 27. September 2004
gehört er als Student der Studienfachrichtung Betriebswirtschaftslehre der ...-
Universität/Universität der Bundeswehr ... an.
Wegen mehrerer Vorfälle wurden gegen den Antragsteller seit Mitte 2005 dis-
ziplinare Vorermittlungen und auf der Grundlage der Einleitungsverfügung des
Amtschefs des Streitkräfteamts vom 10. März 2006 Ermittlungen im gerichtli-
chen Disziplinarverfahren geführt. Mit Urteil vom 30. Oktober 2007 (Az.: N 7 VL
19/07) verhängte das Truppendienstgericht Nord, 7. Kammer, gegen den An-
tragsteller wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer
von 36 Monaten. Gegen das Urteil hat der Antragsteller Berufung eingelegt,
über die noch nicht entschieden ist (Az.: BVerwG 2 WD 1.08).
Am 18. Juni 2006 erlitt der Antragsteller einen Verkehrsunfall, bei dem er (unter
anderem am Kopf) schwer verletzt wurde und mit einem Rettungshubschrauber
in das Universitätskrankenhaus E. verbracht werden musste. Nach seiner Re-
konvaleszenz bis zum 15. September 2006 sowie einem Erholungsurlaub vom
21. September bis 6. Oktober 2006 ordnete die Disziplinarvorgesetzte des An-
tragstellers, die Leiterin der Studentenfachbereichsgruppe 4/C, unter dem
9. Oktober 2006 auf Belegart (BA) 90/5 die Untersuchung des Antragstellers auf
seine Dienst- und Verwendungsfähigkeit an. Für diese Untersuchung hielt sich
der Antragsteller ab dem 17. Oktober 2006 für drei Tage stationär im Bun-
deswehrkrankenhaus ... auf.
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 an den Bundesminister der Verteidigung
legte der Antragsteller Beschwerde gegen den Inspekteur der Streitkräftebasis
wegen Verletzung seiner Rechte, Verstoßes gegen weitere Dienstpflichten und
entwürdigender Behandlung ein. Wie ihm, dem Antragsteller, von dem behan-
delnden Arzt im Bundeswehrkrankenhaus ... mitgeteilt worden sei, habe der In-
spekteur der Streitkräftebasis über seinen Adjutanten mündlich-telefonisch An-
weisung gegeben, die Untersuchung auf Dienst- und Verwendungsfähigkeit um
eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung auf Vernehmungs- und Ver-
handlungsfähigkeit zu ergänzen. Aufgrund dessen sei er, der Antragsteller, in
die neurologisch-psychiatrische Station des Bundeswehrkrankenhauses ... ein-
gewiesen und dort gegen seinen Willen stationär aufgenommen worden. Dies
sei ihm gegenüber medizinisch damit begründet worden, dass man ihn über
längere Zeit durchgehend auf mögliche psychische Ausfälle hin beobachten
müsse; man werde sich bemühen, die Einweisung auf sieben Tage zu begren-
zen, ohne dies jedoch zusichern zu können. Er fühle sich durch dieses Vorge-
hen auf das Gröbste in seinen bürgerlichen Rechten verletzt. Eine Einweisung
in ein Bundeswehrkrankenhaus zur Vorbereitung eines Gutachtens zum psy-
chischen Zustand bedürfe zwingend einer richterlichen Anordnung. Er weise in
diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass sich aus den Entlassungsberich-
ten sowohl des Universitätsklinikums E. als auch der Neurologischen Reha-
Klinik G. keine psychologisch-psychiatrischen Defizite ergäben. Vielmehr werde
im Entlassungsbericht der Reha-Klinik eine zeitnahe Fortsetzung des Studiums
dringend angeraten. Beim 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
sei ein Verfahren anhängig, das sich mit dem Unterdrücken einer von dem An-
tragsteller eingelegten Wehrbeschwerde durch den Inspekteur der Streitkräfte-
basis befasse. Es dränge sich der Verdacht auf, dass er, der Antragsteller, mit
einem negativen psychiatrischen Gutachten mundtot gemacht oder zumindest
zusätzlich psychologisch unter Druck gesetzt werden solle. Er bitte daher, die
angesprochenen Sachverhalte zu ermitteln, zu ahnden und gegebenenfalls
durch den Dienstherrn Strafanzeige zu stellen.
In der gleichen Sache wandte sich der Antragsteller außerdem mit einer Einga-
be an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.
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Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - ersuchte mit Schreiben vom
25. Oktober 2006 den Inspekteur der Streitkräftebasis als Betroffenen sowie
den Leiter des Studentenbereichs der ...-Universität/Universität der Bundeswehr
... und den Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses ... um Stellungnahmen zu
dem Beschwerdevorbringen.
Der Leiter des Studentenbereichs äußerte sich mit Schreiben vom 1. November
2006 unter anderem wie folgt:
„1. Mein mündlicher Auftrag vom 02.10.2006 über FKpt
Sch. an Frau KKpt H.t zur ‚bundeswehramtlichen’ Fest-
stellung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit des Lt R.
nach seiner Rückkehr aus zivilen Krankenhäusern und ei-
nem Urlaub zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit
führte zu der Mail vom 09.10. (…), die ich an den Amts-
chef SKA und die Adjutantur des Inspekteur SKB weiter-
leitete (…).
2. Eine Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte erst am
16.10., als ich nach Ankunft zur Dienststellenleitertagung
des SKA mittags in Magdeburg eintraf. Ich wurde ange-
wiesen, mich telefonisch mit dem Insp SKB in Verbindung
zu setzen. Vizeadmiral K. erklärte mir, dass gemäß einer
Absprache zwischen ihm und dem Inspekteur des Sani-
tätsdienstes im Rahmen der ohnehin geplanten Untersu-
chung des Lt R. im BwKrkh ... auf Dienst- und Verwen-
dungsfähigkeit auf BA 90/5 auch eine ärztliche Aussage
hinsichtlich einer Befragungsfähigkeit getroffen werden
sollte; ich solle sicherstellen, dass ihm eine entsprechende
Aussage bis Dienstag- oder Mittwochabend (ich bin mir
nicht mehr sicher) seitens des BwKrkh zur Kenntnis gege-
ben wird.
3. Da sich die Mehrzahl meiner Disziplinarvorgesetzten,
darunter auch FKpt Sch. und Frau KKpt H., auf einem
Lehrgang am ZInFü in Koblenz befanden, habe ich zu-
nächst den aus dem Studentenfachbereich C in ... ver-
bliebenen Leiter Studentenfachbereichsgruppe, Hptm
Dr. A., und wenig später den vor Ort die laufenden Ge-
schäfte führenden Leiter Studentenfachbereich A, Oberstlt
St., kontaktiert und über die Auftragslage informiert.
Oberstlt St. habe ich gebeten, mit dem Chefarzt des
BwKrkh ... oder - bei dessen Nichterreichbarkeit - mit dem
Leitenden Arzt der Neurologie Kontakt aufzunehmen und
darauf hinzuwirken, dass eine entsprechende Anweisung -
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auf dem sanitätsdienstlichen Strang gegeben - zeitgerecht
umgesetzt wird. (...)“
Der Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses ... erklärte unter dem
10. November 2006 zu dem Beschwerdevorbringen unter anderem Folgendes:
„Lt R. hatte für den 17.10.2006 einen stationären Auf-
nahmetermin im BwKrhs ... in Abteilung VI B (Neurologie)
zur fachneurologischen Begutachtung auf weitere Dienst-
und Verwendungsfähigkeit (gem. Auftrag Formblatt 90/5)
nach erlittenem Autounfall im Juni 2006. Bis dato wurde
der Beschwerdeführer - soweit hier bekannt - ausschließ-
lich in zivilen Kliniken behandelt. Es fand damit noch keine
Vorstellung bei einem Sanitätsoffizier mit Gebietsbezeich-
nung Neurologie zur wehrmedizinischen Begutachtung
statt.
Am Aufnahmetag stellt sich Lt R. - zunächst ohne Begut-
achtungsauftrag (gem. Formblatt Bw 90/5) oder eine an-
dere Krankenhausüberweisung - vor und war anfangs mit
der stationären Aufnahme nicht einverstanden. Der kom-
missarisch mit der Leitung der Abteilung VI A, Neurologie,
beauftragte Facharzt, OFA Dr. D., empfahl dem Be-
schwerdeführer im Aufnahmegespräch in Anwesenheit ei-
nes weiteren Sanitätsoffiziers, OSA (w) Dr. P., ebenfalls
Fachärztin, den stationären Verbleib, weil die Begutach-
tung nur auf diese Weise adäquat und zügig durchgeführt
werden könne. Im Verlauf dieses Gesprächs entstand der
Eindruck, dass Lt R. schließlich mit der stationären Auf-
nahme einverstanden war.
Wie sich am Folgetag herausstellte, hatte Lt R. den Be-
gutachtungsauftrag bei sich, es aber versäumt, diesen
dem Gutachter unmittelbar bei Aufnahme auszuhändigen.
Wäre der Begutachtungsauftrag bereits bei Aufnahme
ausgehändigt worden, hätte dies die Diskussion um die
stationäre Aufnahme erübrigt. Der Beschwerdeführer wäre
von vornherein verpflichtet gewesen, die Begutachtung in
jedem Fall auch unter stationären Bedingungen über sich
ergehen zu lassen. Im Übrigen ist zu keiner Zeit eine
fachpsychiatrische Begutachtung erfolgt, die - unter An-
wendung anderer Untersuchungsverfahren - eine Aufnah-
me in die Abteilung VI B (Psychiatrie und Psychotherapie,
Zentrum für Psychotraumatologie) bedingt hätte.
Die Durchführung einer ergänzenden fachärztlichen Be-
gutachtung der ‚Befragungsfähigkeit’ ist auf einen Anruf
vom 17.10.2006 des Leiters Studentenfachbereich A der
...-Universität ... zurückzuführen, der als Disziplinarvorge-
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setzter des Beschwerdeführers eine entsprechende Wei-
sung der Adjutantur des Inspekteurs SKB weitergab. Der
diesbezüglich von OFA Dr. D. erbetene schriftliche Unter-
suchungsauftrag erreichte den Begutachter jedoch erst
nach der Entlassung des Beschwerdeführers in Form ei-
ner Arztüberweisung (ausgestellt am 17.10.2006,
Posteingang BwKrhs ... am 24.10.2006, Anlage). Die Fra-
gestellung konnte jedoch im Rahmen der übrigen Unter-
suchungen beantwortet werden und führte deshalb nicht
zu einer Verlängerung des stationären Aufenthalts.“
Mit Schreiben vom 13. November 2006 äußerte sich der Inspekteur der Streit-
kräftebasis unter anderem wie folgt:
„1. An der UniBw .../HSU gab es eine Reihe von Vorfällen,
die zumindest zu disziplinaren Ermittlungen führen muss-
ten. (...). Einer dieser Vorfälle führte zu den disziplinaren
Ermittlungen gegen Lt R. durch den WDA SKA.
2. Lt R. hat im III. Quartal 2006 einen schweren Verkehrs-
unfall mit Kopfverletzungen erlitten. Während des Gene-
sungsprozesses hatte ich persönlichen Kontakt zur Fami-
lie und Lt R., um sicherzustellen, dass der Familie und
dem Lt R. jede mögliche Fürsorge zuteil wird. Dafür haben
sich sowohl der Vater als auch der Lt R. bei mir schriftlich
bedankt. Nach mehreren Monaten des Genesungspro-
zesses ist Lt R. zum Beginn des III. Trimesters 2006 wie-
der zum Dienst erschienen.
3. In der 40. KW habe ich mich sowohl beim Amtschef
Streitkräfteamt als auch beim Leiter Studentenbereich der
...U nach dem Gesundheitszustand Lt R. erkundigt. Mir
wurde gemeldet, dass sich Lt R. bis 06.10.2006 ein-
schließlich im Urlaub befinden würde. Über den Gesund-
heitszustand konnten beide keine Angaben machen. Die
Frage der Urlaubsfähigkeit als Grundlage einer Urlaubs-
gewährung konnte nicht beantwortet werden. In der glei-
chen Kalenderwoche habe ich den Leiter Studentenbe-
reich über Amtschef SKA angewiesen, auf der Grundlage
einer ärztlichen Begutachtung durch den Truppenarzt im
Krankenmeldeschein-Verfahren die Dienst- und Verwen-
dungsfähigkeit von Lt R. nunmehr endlich feststellen zu
lassen. Mit E-Mail vom 10.10.2006 (…) meldet Leiter Stu-
dentenbereich, dass sich der Truppenarzt aufgrund der
Aktenlage nicht in der Lage sieht, Aussagen zur Dienst-
und Verwendungsfähigkeit abzuleiten, ebenso zur Studier-
fähigkeit des Soldaten. Der Truppenarzt rät Lt R. von dem
Ablegen von Prüfungen ab. Daraufhin leitet Leiter Studen-
tenbereich die Untersuchung Lt R. auf der Grundlage ei-
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nes Formblattes 90/5 ein. Dazu wird er vom Truppenarzt
in das Bundeswehrkrankenhaus ... überwiesen, um dort
seine Verwendungsfähigkeit festzustellen. Da wegen der
Kopfverletzungen des Lt R. für mich die Untersuchung der
psychischen Belastungsfähigkeit selbstverständlicher Teil
der Untersuchung zur Dienst- und Verwendungsfähigkeit
insgesamt war, habe ich aufgrund langjähriger Berufser-
fahrung auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht und
angewiesen, sicherzustellen, dass die psychische Belas-
tungsfähigkeit des Lt R. als Teil der Untersuchung zur
Dienst- und Verwendungsfähigkeit ebenfalls beurteilt wird
(Anmerkung: Diese Weisung hat Ltr. Studentenbereich,
O.i.G. F., offensichtlich über Leiter Studentenfachbereich,
OTL St., an das BwKrH ... weitergeben lassen.). Diese
festzustellen ist wesentlich im Hinblick auf die Studier- und
Prüfungsfähigkeit für das Studium.
4. Im Rahmen meiner Pflicht zur Dienstaufsicht einerseits
und der Verpflichtung zur Fürsorge und zum Schutz der
mir unterstellten Soldaten andererseits erfolgte die Wei-
sung zur Feststellung zur Dienst- und Verwendungsfähig-
keit Lt R.. Die Teilnahme am ordnungsgemäßen Studium
setzt eine hinreichende Dienst- und Verwendungsfähig-
keit, d.h. Studierfähigkeit und Prüfungsfähigkeit, voraus.
Sollte die psychische Belastbarkeit eine Teilnahme auch
an Prüfungen nicht zulassen, müssten ggf. Entscheidun-
gen getroffen werden, die eine weitere Teilnahme am
Studium zwar erlaubt, aber nicht auf die zulässige
Höchstdauer des Studiums anrechenbar wäre. Hierzu la-
gen keine hinreichenden Erkenntnisse vor. Aus diesen
Gründen war es zwingend erforderlich, die Dienst- und
Verwendungsfähigkeit von Lt R., insbesondere nach sei-
nem schweren Autounfall, eindeutig beurteilen zu können.
Dies war nach Feststellung des Truppenarztes nur im
Bundeswehrkrankenhaus in ... möglich, die Durchführung
dieser Untersuchung damit zwingend geboten. Die Art
sowie die erforderliche Dauer der Untersuchung liegen
ausschließlich in der fachdienstlichen Zuständigkeit der
untersuchenden Ärzte. Ich habe darauf zu keinem Zeit-
punkt Einfluss genommen oder auch nur nehmen wollen.
Dass die Untersuchung der Dienst- und Verwendungsfä-
higkeit wegen möglicher Einschränkungen hinsichtlich der
Vernehmungsfähigkeit des Lt R. auch Auswirkungen auf
die zügige weitere Bearbeitung des gerichtlichen Diszipli-
narverfahrens hat, die im Übrigen auch in seinem eigenen
erklärten Interesse liegt, habe ich bei meiner Weisung
zwar berücksichtigt, war jedoch nicht mein vordergründi-
ges Bestreben. Vor allem war es nie mein Ziel, Lt R. - wie
von ihm in seiner Beschwerde vorgetragen - einer psychi-
schen Begutachtung im Sinne des § 88 WDO zu unterzie-
hen. Mein alleiniges Ziel war es, dem Lt R. Fürsorge und
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Schutz zuteil werden zu lassen zur Sicherstellung der
Durchführung seines Studiums als auch zur zügigen Be-
endigung der disziplinaren Ermittlungen. Gleichzeitig woll-
te ich sicherstellen, dass Studium, Prüfungen und Befra-
gungen seiner gesundheitlichen Entwicklung nicht kontra-
produktiv entgegenwirken.“
Unter dem 16. November 2006 gab außerdem der Beratende Arzt der Abteilung
PSZ eine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 23. November 2006, unterzeichnet von dem Staatssekretär
Dr. E., gab der Bundesminister der Verteidigung der Beschwerde statt und stell-
te fest, dass der Inspekteur der Streitkräftebasis nicht berechtigt war, am
16. Oktober 2006 eine Ergänzung der Begutachtung der Dienst- und Verwen-
dungsfähigkeit des Antragstellers sinngemäß um die Untersuchung seiner
Verhandlungs- und Vernehmungs- bzw. Befragungsfähigkeit im Bundeswehr-
krankenhaus ... anzuweisen (Nr. 1). Soweit sich der Antragsteller gegen die
Durchführung der Begutachtung seiner Dienst- und Verwendungsfähigkeit im
Bundeswehrkrankenhaus ... gewandt habe, werde die Beschwerde zur weiteren
Prüfung und Bescheidung an den Kommandeur des Sanitätskommandos I ab-
gegeben (Nr. 2). In den Gründen des Bescheids führte der Bundesminister der
Verteidigung unter anderem Folgendes aus:
„Es ist festzustellen, dass der InspSKB objektiv gegen
seine Pflicht aus § 10 Abs. 4 des Soldatengesetzes (SG),
Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Be-
achtung der Gesetze und der Dienstvorschriften zu ertei-
len, wofür er gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 SG als Vorgesetz-
ter die Verantwortung trägt, verstoßen hat; er hat damit
zugleich Ihre Rechte verletzt. Er war nicht berechtigt, am
16.10.2006 den Leiter Studentenbereich ...U/UniBw ...
fernmündlich sinngemäß anzuweisen, die ihm zuvor ge-
meldete Durchführung der durch Ihre Disziplinarvorge-
setzte auf BA 90/5 am 09.10.2006 angeordneten Begut-
achtung Ihrer Dienst- und Verwendungsfähigkeit im
BwKrhs ... ab dem 17.10.2006 um die Untersuchung Ihrer
Verhandlungs- und Vernehmungs- bzw. Befragungsfähig-
keit zu ergänzen.
Anhaltspunkte für ein weitergehendes dienstpflichtwidriges
oder sogar strafrechtlich relevantes Verhalten des
InspSKB Ihnen gegenüber - insbesondere soweit Sie in
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Ihrer Beschwerde den Vorwurf der ‚entwürdigende(n) Be-
handlung’ sowie in Ihrer Eingabe an den WBdBT zudem
die Vorwürfe der ‚Freiheitsentziehung’ und der ‚böswilli-
ge(n) Diensterschwernis’ erhoben haben - konnten im
Rahmen der Aufklärung des Sachverhalts jedoch nicht
festgestellt werden. Es trifft keinesfalls zu, dass der
InspSKB eine - selbstverständlich allein dem Truppen-
dienstgericht nach § 88 der Wehrdisziplinarordnung oblie-
gende - ‚Anordnung zur Einweisung in ein Bundeswehr-
krankenhaus zur Vorbereitung eines Gutachtens zum
psychischen Zustand’ selbst erteilt oder in sonstiger Weise
veranlasst hätte. Ebenso wenig trifft es zu, dass Sie in das
BwKrhs ... ‚eingewiesen’, ‚eingeliefert’ und ‚gegen meinen
erklärten Willen stationär aufgenommen’ worden wären
oder dort eine ‚neurologisch-psychiatrische Untersuchung’
stattgefunden hätte. Insoweit ist auf die Äußerungen des
InspSKB selbst, vor allem aber den Inhalt der
ausführlichen Stellungnahmen des Leiters Studentenbe-
reich ...U/UniBw ..., des Chefarztes BwKrhs ... sowie des
BerArztes PSZ zu Ihrem Beschwerdevorbringen Bezug zu
nehmen. So entsprach es aus Sicht des BerArztes PSZ
einer ermessensgerechten Ausübung der Fürsorgepflicht,
Ihre Begutachtung durch den zuständigen Truppenarzt zu
veranlassen bzw. Sie aufzufordern, sich begutachten bzw.
ärztlich untersuchen zu lassen. Da der zuständige Trup-
penarzt/die zuständige Truppenärztin sich nicht in der La-
ge sah, die Begutachtung alleine durchzuführen, war es
nicht zu beanstanden, deshalb Ihre Überweisung zur
fachärztlichen Untersuchung im BwKrhs ... zu veranlas-
sen. Seine Bewertung, dass ‚eine Begutachtung auf
Verhandlungs-, Vernehmungs- oder Befragungsfähigkeit
o.ä. bzw. die Erweiterung des bestehenden Begutach-
tungsauftrags’ um diese Fragestellung erst dann notwen-
dig geworden wäre, ‚wenn sich im Rahmen des ersten
Begutachtungsauftrages Hinweise darauf ergeben hätten,
dass Ihnen - auch zeitlich begrenzt - eine Teilnahme z.B.
an Prüfungen oder Prüfungsabschnitten oder vergleichba-
ren Situationen aus gesundheitlichen Gründen nicht zu-
mutbar (gewesen) wäre, teile ich uneingeschränkt. Da ge-
gen Sie gegenwärtig ein gerichtliches Disziplinarverfahren
geführt wird, hätte bei Vorliegen etwaiger Hinweise - und
in diesem Fall nicht auszuschließender Relevanz für den
Fortgang des Verfahrens - eine andere Vorgehensweise
nahe gelegen. Nach entsprechender Unterrichtung hätte
das Thema ‚Verhandlungs-, Vernehmungs- oder Befra-
gungsfähigkeit’ und Ihre Untersuchung hierauf dann zu-
nächst Gegenstand einer Erörterung zwischen der WDA
SKA, Ihrem Verteidiger und Ihnen selbst sein müssen.
Vor dem Hintergrund aber, dass der InspSKB nach mei-
nen Feststellungen sogar den Anstoß für die Anordnung
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der Begutachtung Ihrer Dienst- und Verwendungsfähigkeit
durch Ihre Disziplinarvorgesetzte gegeben hatte, ist für
mich ohne jeden Zweifel erkennbar geworden, dass sein
Verhalten einerseits von der ihm obliegenden Pflicht zur
Dienstaufsicht über den ihm unterstellten Bereich, ande-
rerseits aber vor allem durch sein keineswegs zu bean-
standendes Verständnis von kameradschaftlicher Fürsor-
ge Ihnen gegenüber nach Ihrem schweren Verkehrsunfall
geprägt war, das er außerdem auch bereits während der
Zeit Ihrer Genesung Ihnen selbst und Ihrer Familie gezeigt
hatte. Soweit er darüber hinaus dem Leiter Studentenbe-
reich ...U/UniBw ... sinngemäß die Anweisung gab, ergän-
zend - allerdings außerhalb seiner Zuständigkeit - die Un-
tersuchung Ihrer Verhandlungs- und Vernehmungs- bzw.
Befragungsfähigkeit anlässlich der Begutachtung Ihrer
Dienst- und Verwendungsfähigkeit im BwKrhs ... zu veran-
lassen, war sein Vorgehen - auch angesichts des Um-
stands, dass ihm zuvor gemeldet worden war, die Trup-
penärztin hätte Ihnen mündlich von der Teilnahme an
Klausuren abgeraten - unwiderlegbar von der Absicht ge-
tragen, auf diese Art und Weise die - im Übrigen von Ih-
nen selbst ebenfalls eingeforderte - zügige Fortführung
des gegen Sie eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarver-
fahrens zu fördern. Zu einer Verlängerung Ihres - entge-
gen Ihrem Beschwerdevorbringen aus ärztlicher Sicht tat-
sächlich ohnehin gebotenen - stationären Aufenthalts im
BwKrhs ... führte die Umsetzung seiner Weisung nach
meinen Feststellungen im Übrigen jedenfalls nicht.
Angesichts all dieser Umstände habe ich es als angemes-
sen, aber auch in jeder Hinsicht ausreichend erachtet, den
InspSKB anlassbezogen auf die von ihm im Rahmen sei-
ner Aufgabenwahrnehmung zu beachtenden Zuständig-
keiten hinzuweisen.
Soweit Ihr Beschwerdevorbringen Veranlassung gibt, die
Durchführung der Begutachtung Ihrer Dienst- und Ver-
wendungsfähigkeit im BwKrhs ... zu prüfen, habe ich zu-
ständigkeitshalber dem Kommandeur des Sanitätskom-
mandos I eine entsprechende Weisung erteilt. Von dort
werden Sie nach Abschluss der Prüfung weiteren Be-
scheid erhalten.“
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 an den Kommandeur des Sanitätskom-
mandos I stellte der Antragsteller klar, dass er mit seiner Beschwerde vom
24. Oktober 2006 kein Fehlverhalten der Ärzte des Bundeswehrkrankenhauses
... habe geltend machen wollen und er insoweit keine weitere Beschwerdebe-
scheidung wünsche.
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Mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 beantragte der Antragsteller die Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Bundesmi-
nister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 15. Januar
2007 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Der Beschwerdebescheid sei von einem Unzuständigen erteilt worden. Die all-
gemeine Ermächtigung des Bundesministers, die Zeichnungsbefugnis zu über-
tragen, sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da wegen der gravierenden
Dienstpflichtverletzung eines Inspekteurs der Bundesminister in seiner Eigen-
schaft als Disziplinarvorgesetzter selbst gefordert gewesen sei. Die Disziplinar-
befugnis über einen dem Bundesminister truppendienstlich unmittelbar unter-
stehenden Inspekteur könne nur an seinen Vertreter übergehen, wenn sich der
Minister nicht im Dienst befinde.
Der Beschwerdebescheid helfe der Beschwer des Antragstellers nur teilweise
ab. Unter anderem werde der Vorwurf der entwürdigenden Behandlung explizit
zurückgewiesen. Die Feststellung, dass die Anweisung des Inspekteurs der
Streitkräftebasis, die Verhandlungs-, Vernehmungs- und Befragungsfähigkeit zu
untersuchen, nicht mit einer psychischen Begutachtung oder deren Vorbe-
reitung gemäß § 88 WDO vergleichbar sei und nicht zu einer Verlängerung des
stationären Krankenhausaufenthalts geführt habe, sei unzutreffend. Unzutref-
fend sei auch die Behauptung, dass er - der Antragsteller - nicht in das Bundes-
wehrkrankenhaus eingewiesen, eingeliefert oder gegen seinen erklärten Willen
stationär aufgenommen worden sei, sondern sich mit diesem Verfahren einver-
standen erklärt habe. Die Tatsache, dass er bereits nach drei anstatt mindes-
tens sieben Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, sei nicht ge-
eignet, die Behauptung zu stützen, die Prüfung der Verhandlungsfähigkeit sei
gleichsam ein Abfallprodukt der ohnehin aus Fürsorgegründen erforderlichen
Untersuchung der Dienst- und Verwendungsfähigkeit gewesen. Dass der ur-
sprüngliche Untersuchungsansatz deutlich korrigiert worden sei, sei ausschließ-
lich darauf zurückzuführen, dass der Vater des Antragstellers (der frühere Stell-
vertreter des Inspekteurs des Heeres) noch am 17. Oktober 2006 den Inspek-
teur des Sanitätsdienstes persönlich eingeschaltet und ihn gebeten habe, das
grob rechtswidrige Vorgehen zügig zu beenden.
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Der Beschwerdebescheid sei ferner mit dem Mangel behaftet, dass ein gravie-
rendes Fehlverhalten eines hohen militärischen Vorgesetzten nicht angemes-
sen sanktioniert worden sei. Er, der Antragsteller, bezweifle, dass der Inspek-
teur der Streitkräftebasis von sich aus die zusätzliche Untersuchung auf Ver-
handlungs-, Vernehmungs- und Befragungsfähigkeit veranlasst habe. Auffällig
sei insbesondere die zeitliche Korrelation mit dem Bekanntwerden einer eides-
stattlichen Erklärung, die der Antragsteller in einem gegen seinen Vater geführ-
ten gerichtlichen Disziplinarverfahren abgegeben habe; mit der Untersuchung
habe offenkundig eine erste Abschätzung im Bundesministerium der Verteidi-
gung ermöglicht werden sollen, ob die Glaubwürdigkeit des Antragstellers durch
ein negatives ärztliches Gutachten erschüttert werden könne. Dagegen, dass
der Inspekteur der Streitkräftebasis von sich aus tätig geworden sei, spreche
implizit auch die Bewertung seines Fehlverhaltens; die Tatsache, dass der In-
spekteur lediglich anlassbezogen auf die von ihm zu beachtenden Zuständig-
keiten hingewiesen worden sei, stehe in eklatantem Missverhältnis zur Verlet-
zung der Rechte des Antragstellers. Die Maßnahme sei nur dann verständlich,
wenn das im Beschwerdebescheid ausschließlich dem Inspekteur der Streit-
kräftebasis zugerechnete Fehlverhalten in Wahrheit auf eine Anweisung von
anderer Stelle zurückzuführen sei. Der Antragsteller bitte daher, ermitteln zu
lassen, wer tatsächlich für die Verletzung seiner Rechte verantwortlich sei, und
um eine angemessene Ahndung der festgestellten Dienstvergehen.
Nicht zu erkennen sei schließlich die Notwendigkeit, einen Teil der Beschwerde
abzutrennen, zumal er sich nicht über die beteiligten Sanitätsoffiziere beschwert
habe.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid des Bundesministers der Verteidigung vom
23. November 2006 aufzuheben und in der Sache neu zu
entscheiden.
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Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei offensichtlich unzulässig. Soweit der Antragsteller die Aufhebung
des Beschwerdebescheids und eine neue Entscheidung in der Sache anstrebe,
sei dies im Weg eines Beschwerdeverfahrens nach der Wehrbeschwer-
deordnung ausgeschlossen. Der stattgebenden Entscheidung des - ordnungs-
gemäß durch einen Staatssekretär vertretenen - Bundesministers der Verteidi-
gung sei nichts hinzuzufügen. Soweit die Beschwerde so auszulegen gewesen
sei, dass sie sich auch gegen die Durchführung der Begutachtung der Dienst-
und Verwendungsfähigkeit im Bundeswehrkrankenhaus ... richte, habe es an
der Entscheidungszuständigkeit des Bundesministers gefehlt; die insoweit er-
folgte Abgabe an den Kommandeur des Sanitätskommandos I sei nicht zu be-
anstanden. Soweit der Antragsteller schließlich gebeten habe, ermitteln zu las-
sen, wer tatsächlich für die Verletzung seiner Rechte verantwortlich sei, und ei-
ne angemessene Ahndung festgestellter Dienstvergehen gefordert habe, stehe
ihm ein mit der Wehrbeschwerdeordnung durchsetzbares Recht, auf Inhalt und
Umfang disziplinarer Ermittlungen Einfluss zu nehmen, nicht zu.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 910/06 (richtig: 751/06) - und die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
1. Soweit sich der Antragsteller gegen die rechtliche Würdigung und Bewertung
des Verhaltens des Inspekteurs der Streitkräftebasis durch den Bundesminister
der Verteidigung wendet, ist der Antrag unzulässig, weil der Antragsteller inso-
weit durch den Bescheid vom 23. November 2006 nicht beschwert ist.
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Der Bescheid vom 23. November 2006 gibt der Beschwerde des Antragstellers
- ohne Einschränkung - statt und stellt fest, dass der Inspekteur der Streitkräfte-
basis nicht zu der Anweisung berechtigt war, die Begutachtung der Dienst- und
Verwendungsfähigkeit des Antragstellers um eine Untersuchung seiner Ver-
handlungs-, Vernehmungs- oder Befragungsfähigkeit zu ergänzen (Nr. 1 des
Tenors). Damit hat der Antragsteller alles erlangt, was er bezogen auf die bean-
standete Maßnahme - die Anweisung des Inspekteurs der Streitkräftebasis vom
16. Oktober 2006 - überhaupt beanspruchen kann.
Ein Soldat, der eine ihn belastende Maßnahme angefochten hat, kann von dem
zuständigen Vorgesetzten oder vom Gericht nur die Aufhebung der Maßnahme
wegen ihrer Rechtswidrigkeit, nicht jedoch die Aufhebung aus einem bestimm-
ten Grund verlangen. Sowohl der Vorgesetzte als auch das Gericht können die
vorgetragenen Rechtswidrigkeitsgründe ganz oder teilweise offenlassen und die
Aufhebung der Maßnahme tragend nur auf einen dieser Gründe oder auch auf
einen nicht vorgetragenen Grund stützen; denn es gibt - abgesehen von dem
hier nicht einschlägigen Fall der Nichtigkeit - keine unterschiedlichen Qualitäten
der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme (vgl. Beschluss vom 5. September 1984 -
BVerwG 1 WB 131.82 - BVerwGE 76, 258 = NZWehrr 1985,
23). Ebenso kann der Soldat im Falle der Erledigung der Maßnahme - unter den
Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - lediglich die Feststellung der
Rechtswidrigkeit, nicht jedoch
die Feststellung eines bestimmten
Rechtswidrigkeitsgrundes verlangen (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 1989 -
BVerwG 7 B 43.89 - Buchholz 11 Art. 2 GG Nr. 59). Die Tatsache, dass der
Bescheid vom 23. November 2006 in der Begründung das Vorliegen einer ent-
würdigenden Behandlung des Antragstellers verneint, beschwert damit den An-
tragsteller schon deshalb nicht, weil dieser nicht beanspruchen kann, dass die
Feststellung der Rechtswidrigkeit der von dem Inspekteur der Streitkräftebasis
erteilten Anweisung - außer auf einen Verstoß gegen § 10 Abs. 4 SG - gerade
auch auf den Grund der entwürdigenden Behandlung gestützt wird. Soweit der
Antragsteller der Ansicht gewesen sein sollte, es liege insoweit eine Straftat
(§ 31 WStG) vor, hätte es ihm freigestanden, bei den Strafverfolgungsbehörden
Strafanzeige zu erstatten.
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Entsprechendes gilt, soweit sich der Antragsteller gegen einzelne Feststellun-
gen, insbesondere zu den Umständen seiner Aufnahme in das Bundeswehr-
krankenhaus, in den Gründen des Bescheids vom 23. November 2006 wendet.
Feststellungen im Tatbestand und in der rechtlichen Begründung eines im
Wehrbeschwerdeverfahren ergangenen Bescheids, deren Richtigkeit bestritten
wird, stellen als solche - von dem hier nicht vorliegenden Fall der erstmaligen
Beschwer eines Dritten abgesehen - grundsätzlich keine selbständigen Be-
schwerdeanlässe und -gegenstände dar (vgl. Beschlüsse vom 21. August 1973
- BVerwG 1 WB 23.73, 24.73 - BVerwGE 46, 149 und vom
5. September 1984 a.a.O. ). Im Übrigen beruhte die Pflicht des
Antragstellers, sich in das Bundeswehrkrankenhaus ... stationär aufnehmen zu
lassen, nicht auf der hier streitgegenständlichen Anweisung des Inspekteurs der
Streitkräftebasis, sondern auf der von der Leiterin der Studentenfachbe-
reichsgruppe 4/C gemäß Formblatt BA 90/5 angeordneten Untersuchung des
Antragstellers auf seine Dienst- und Verwendungsfähigkeit; diese Begutach-
tungsanordnung hat der Antragsteller nicht angefochten.
2. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass seiner Auffassung nach das
Fehlverhalten des Inspekteurs der Streitkräftebasis nicht hinreichend sanktio-
niert worden sei, und er disziplinare Ermittlungen auch zur Feststellung mögli-
cher weiterer Verantwortlicher fordert, ist der Antrag unzulässig, weil der An-
tragsteller insoweit nicht in seinen Rechten verletzt ist.
Die Dienstaufsicht im Allgemeinen und die Ahndung von Dienstvergehen durch
Disziplinarmaßnahmen im Besonderen erfolgt allein im öffentlichen Interesse
(vgl. zuletzt Beschluss vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - NZWehrr
2007, 252 m.w.N.). Die Ausübung der Disziplinarbefugnisse obliegt dem zu-
ständigen Vorgesetzten nur gegenüber dem Dienstherrn. Der einzelne Soldat
hat, auch wenn er durch ein Dienstvergehen verletzt ist und unabhängig von
dessen Gewicht, keinen Anspruch darauf, dass ein Dritter wegen des Dienst-
vergehens disziplinar gemaßregelt wird. Die Wehrdisziplinarordnung kennt da-
her auch kein dem strafprozessualen Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO)
vergleichbares Rechtsinstitut, das zudem mit dem hier herrschenden Opportu-
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nitätsprinzip (vgl. dazu Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 15 Rn. 2 ff.) unvereinbar
wäre. Aus alledem folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass
ein durch ein Dienstvergehen verletzter Soldat - wie hier der Antragsteller -
nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO in seinen Rechten verletzt sein
kann, wenn die zuständigen Vorgesetzten bzw. die Einleitungsbehörde nicht
oder nicht in der von ihm gewünschten Weise oder Richtung disziplinar tätig
werden (vgl. Beschlüsse vom 27. März 1979 - BVerwG 1 WB 67.77 - BVerwGE
63, 204 <207 f.>, vom 14. November 1985 - BVerwG 1 WB 144.84 - BVerwGE
83, 80 <81> = NZWehrr 1986, 124, vom 27. November 1990 - BVerwG 1 WB
76.90, 77.90 - NZWehrr 1991, 73 und vom 18. August 1992 - BVerwG 1 WB
43.92 – DokBer B 1993, 47).
Der Soldat hat auch dann keinen Anspruch auf ein disziplinares Tätigwerden,
wenn sich - wie hier - die Tatsache, dass ein Dienstvergehen vorliegt, im Zu-
sammenhang mit einer begründeten Wehrbeschwerde ergibt (vgl. dazu insbe-
sondere Beschluss vom 14. November 1985 a.a.O.). Die Verpflichtung, in die-
sem Fall parallel auch nach der Wehrdisziplinarordnung zu verfahren (§ 13
Abs. 2 Satz 1 WBO), ändert nichts daran, dass die disziplinaren Ermittlungen
allein im öffentlichen Interesse stattfinden und es im pflichtgemäßen Ermessen
des zuständigen Disziplinarvorgesetzten liegt, zu bestimmen, ob und wie wegen
des Dienstvergehens einzuschreiten ist (§ 15 Abs. 2 Halbs. 1 WDO). Gemäß
§ 13 Abs. 2 Satz 2 WBO ist dem beschwerdeführenden Soldaten lediglich
mitzuteilen, ob gegen den Betroffenen eine Disziplinarmaßnahme verhängt
oder von einer Disziplinarmaßnahme abgesehen worden ist. Diese Mitteilung
hat der Antragsteller mit dem Bescheid vom 23. November 2006 erhalten. Der
Bundesminister der Verteidigung hat darin erklärt, dass er „es als angemessen,
aber auch in jeder Hinsicht ausreichend erachtet“ habe, „den Inspekteur der
Streitkräftebasis anlassbezogen auf die von ihm im Rahmen seiner Aufgaben-
wahrnehmung zu beachtenden Zuständigkeiten hinzuweisen“. Damit ist eindeu-
tig zum Ausdruck gebracht - und vom Antragsteller auch richtig so verstanden
worden -, dass von einer Disziplinarmaßnahme abgesehen wurde. Einen wei-
tergehenden Anspruch hat der Antragsteller nicht.
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3. Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass seine Beschwerde zum
Teil an den Kommandeur des Sanitätskommandos I - als zuständigen Vorge-
setzten der Ärzte des Bundeswehrkrankenhauses ... - abgegeben wurde (Nr. 2
des Tenors im Bescheid vom 23. November 2006), fehlt es wiederum an einer
Beschwer. Die Abgabe hatte erkennbar den Zweck, im Interesse des An-
tragstellers eine umfassende Prüfung seines Anliegens zu ermöglichen und
nicht durch einen vorzeitigen Verfahrensabschluss einzelne Aspekte auszu-
klammern, von denen - etwa hinsichtlich der Umstände der Aufnahme in das
Bundeswehrkrankenhaus - jedenfalls nicht auszuschließen war, dass sie der
Antragsteller für erheblich hielt. Dass das Verhalten der Ärzte des Bundes-
wehrkrankenhauses nicht Gegenstand seiner Beschwerde sein sollte und er auf
eine weitere Bescheidung verzichte, konnte der Antragsteller, wie geschehen,
ohne nennenswerten Aufwand gegenüber dem Kommandeur des Sani-
tätskommandos klarstellen.
4. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass der Antrag auch unbegründet
wäre, soweit der Antragsteller meint, dass der Bescheid vom 23. November
2006 nicht von einem Staatssekretär hätte unterzeichnet werden dürfen, son-
dern vom Bundesminister der Verteidigung selbst hätte unterzeichnet werden
müssen.
Hat der Bundesminister der Verteidigung über Beschwerden in truppendienstli-
chen Angelegenheiten zu entscheiden, so kann sein Vertreter die Beschwerde-
entscheidung unterzeichnen; der Bundesminister der Verteidigung kann die
Zeichnungsbefugnis weiter übertragen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 WBO). Die Vorschrift
hat den Zweck, die erhebliche Arbeitsbelastung zu mindern, die den Bundes-
minister als obersten Disziplinarvorgesetzten trifft. Auf der Grundlage von § 9
Abs. 2 WBO (und § 21 Abs. 3 WBO) hat der Bundesminister der Verteidigung
die Anordnung über die Übertragung der Zeichnungsbefugnis bei Beschwerden
und Anträgen auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in truppen-
dienstlichen Angelegenheiten vom 8. Dezember 1997 (VMBl 1998, S. 91) er-
lassen, die - gestuft nach der Bedeutung der Angelegenheiten - die Zeich-
nungsbefugnisse im Einzelnen festlegt. Gemäß Nr. 1.1 und 1.2, jeweils 1. Spie-
gelstrich der Anordnung unterzeichnet Entscheidungen über Beschwerden in
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truppendienstlichen Angelegenheiten, wenn Betroffener der Beschwerde „der
Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Zen-
tralen Militärischen Dienststellen der Bundeswehr“ ist, - übereinstimmend mit
der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WBO - der Minister
oder sein Vertreter, sofern die Beschwerde nicht unzulässig oder offensichtlich
unbegründet ist. Der beamtete Staatssekretär des Bundesministeriums der Ver-
teidigung Dr. E. war als Vertreter des Bundesministers der Verteidigung (§ 14
Abs. 3 der Geschäftsordnung der Bundesregierung) somit berechtigt, den Be-
schwerdebescheid vom 23. November 2006 zu unterzeichnen.
Gegen die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WBO (und der insoweit
übereinstimmenden Anordnung vom 8. Dezember 1997) bestehen keine recht-
lichen Bedenken; sie bedarf auch keiner einschränkenden Auslegung. Zwar gilt
der Grundsatz der an die Dienststellung und die Person des Inhabers der
Dienststellung gebundenen Disziplinargewalt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 und 2 WDO)
nicht nur für die Ausübung der Disziplinarbefugnis nach der Wehr-
disziplinarordnung, sondern darüber hinaus für alle Entscheidungen, die nur ein
Disziplinarvorgesetzter treffen darf (vgl. Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 9
Rn. 25 f. und 66), also auch für Entscheidungen über Beschwerden in truppen-
dienstlichen Angelegenheiten nach der Wehrbeschwerdeordnung (§ 9 Abs. 1
Satz 1 WBO). Die (bloße) Übertragung der Zeichnungsbefugnis lässt diesen
Grundsatz jedoch unberührt. Auch bei Unterzeichnung durch den Staatssekre-
tär als Vertreter ergeht die Entscheidung den Bundesminister der Vertei-
digung, der für sie die volle persönliche und sachliche Verantwortung trägt. Die
Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Bundesministers wird auch nicht fak-
tisch ausgehöhlt, solange zwischen der Bedeutung der Angelegenheit, über die
zu entscheiden ist, und der dienstlichen Stellung dessen, der zur Zeichnung be-
fugt ist, ein angemessenes Verhältnis besteht. Ein solches angemessenes Ver-
hältnis ist jedenfalls gewahrt, wenn bei denjenigen Beschwerden gegen Inspek-
teure der Bundeswehr, die substantielle Fragen aufwerfen - das heißt nicht un-
zulässig oder offensichtlich unbegründet sind -, neben dem Bundesminister nur
dessen (ständige) Vertreter, also nur die Staatssekretäre zeichnungsbefugt sind
(vgl. für strukturell ähnliche Konstellationen Beschlüsse vom 15. August 1972 -
BVerwG 1 DB 10.72 - BVerwGE 46, 14 <15> und vom 2. Juni 1995 - BVerwG
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1 DB 7.95 - BVerwGE 103, 240 <241> = Buchholz 235 § 91 BDO Nr. 1:
Unterzeichnung der Verfügung für die Einleitung eines förmlichen Diszip-
linarverfahrens bzw. der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der
teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen wegen der Bedeutung dieser Maß-
nahmen nur durch den Leiter der Einleitungsbehörde oder dessen allgemeinen
Vertreter).
5. Dem Antragsteller waren keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlie-
gen.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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