Urteil des BVerwG vom 05.02.2015

Subjektives Recht, Soldat, Überprüfung, Erhaltung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 38.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Major …,
…,
- Bevollmächtigte:
…,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Jünemann und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Claus
am 5. Februar 2015 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt seine Zuordnung zum „Zukunftspersonal“ der Heeres-
fliegertruppe - Fliegerischer Dienst - sowie den Fortbestand seiner Verpflichtung
zur Inübunghaltung.
Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des Truppendienstes des Heeres in der Heeresfliegertruppe; seine Dienstzeit
wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 20.. enden. Am 19. Juni 20..
wurde er zum Major ernannt. Er wird als Hubschrauberführer-Stabsoffizier bei
der … in B. verwendet.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 teilte das Personalamt der Bundeswehr
dem Antragsteller mit, dass er in der Personalauswahlkonferenz „Zukunftsper-
sonal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches Personal“ im Jahr 2012 im Eig-
nungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleich und unter Berücksichtigung der
strukturellen Rahmenbedingungen betrachtet worden sei; auf der Basis des
gebilligten Kriterienkataloges des Inspekteurs des Heeres habe er aber nicht
zum Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe - Fliegerischer Dienst - beraten
werden können. Sollten sich im Rahmen der weiteren Ausplanung der zukünfti-
gen Struktur der Heeresfliegertruppe Änderungen ergeben, die zu einem Bedarf
oder Überhang an Personal führten, werde eine neue Beratung durchgeführt.
Sollte er davon betroffen sein, werde er darüber in schriftlicher Form informiert.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 an das Bundesamt für das Personalma-
nagement der Bundeswehr - Referat I 4 Heeresflieger - erklärte der Antragstel-
ler, dass er am 30. November 2012 von dem Leiter des Bereichs Weiterent-
wicklung erfahren habe, dass er nicht zum Zukunftspersonal der Heeresflieger-
truppe - Fliegerisches Personal - beraten worden sei. Da aus dem ihm eröffne-
ten Serienbrief nicht ersichtlich sei, welcher Grund zu diesem Ergebnis geführt
habe, beantrage er eine detaillierte Aufschlüsselung der Kriterien, die zu der
negativen Einstufung geführt hätten.
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Mit Schreiben vom 7. März 2013, dem Antragsteller am 15. März 2013 eröffnet,
teilte ihm das Personalamt der Bundeswehr mit, dass der General der Heeres-
fliegertruppe im Rahmen der aktuellen Maßnahmen zur Neuausrichtung der
Streitkräfte, der damit verbundenen Reduzierung des Personalkörpers der Hee-
resfliegertruppe sowie der Entwicklung der verfügbaren Flugstunden für die zu-
kunftsfähigen Hubschraubermuster NH 90/TIGER entschieden habe, dass der
Antragsteller ab dem 1. Juni 2013 zu entpflichten sei. Der Antragsteller gehöre
gemäß der Besonderen Anweisung für die Entpflichtung von Luftfahrzeugfüh-
rern der Heeresfliegertruppe (1. Änderung vom 26. Februar 2013) zur Fallgrup-
pe 1.3.3 (Berufssoldat nicht Zukunftspersonal) und werde deshalb von der Ver-
pflichtung zur Erhaltung der Erlaubnis und der Berechtigungen im fliegerischen
Dienst der Bundeswehr nach ZDv 19/11 zum 1. Juni 2013 entbunden. Der Mili-
tärflugzeugführerschein-Hubschrauber sei einzuziehen und die Fliegerische
Akte abzuschließen. Mit dem Tag der Entpflichtung erlösche auch der Anspruch
auf Zulagen, die in Verbindung mit der fliegerischen Verwendung stünden.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10. April 2013 legte der Antragstel-
ler Beschwerde gegen die Anordnung der Entpflichtung vom 7. März 2013 ein.
Mit zwei persönlichen Schreiben vom 23. April 2014 beschwerte sich der An-
tragsteller gegen das mit Bescheid des Personalamts vom 31. Oktober 2012
bekannt gegebene Ergebnis der Personalauswahlkonferenz „Zukunftspersonal“
und wiederholte den Rechtsbehelf gegen die Anordnung der Entpflichtung vom
7. März 2013.
Mit Bescheid vom 8. Mai 2014 wies das Bundesministerium der Verteidi-
gung - R II 2 - die Beschwerden zurück. Zur Begründung führte es aus, dass
der Antragsteller gegen das Ergebnis der Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“
nicht rechtzeitig Beschwerde eingelegt habe. Ausweislich des am 19. Dezem-
ber 2012 beim Personalamt eingegangenen Empfangsbekenntnisses müsse
der Antragsteller den Bescheid vom 31. Oktober 2012 vor diesem Datum erhal-
ten haben. Die insoweit erst am 23. April 2014 erhobene Beschwerde sei ver-
spätet. Hinsichtlich der Entpflichtungsentscheidung fehle es an einem subjekti-
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ven Recht des Antragstellers, aufgrund dessen er verlangen könne, weiterhin
zur fliegerischen Inübunghaltung verpflichtet zu werden. Im dienstaufsichtlichen
Teil des Beschwerdebescheids bekräftigte das Bundesministerium der Verteidi-
gung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Gegen diese ihm am 27. Mai 2014 zugestellte Entscheidung hat der Antragstel-
ler mit dem am 6. Juni 2014 beim Bundesministerium der Verteidigung einge-
gangenen Antragsschriftsatz seiner Bevollmächtigten die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Diesen Antrag hat das Bundesministeri-
um der Verteidigung - R II 2 - mit seiner Stellungnahme vom 1. September 2014
dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbe-
sondere vor:
Der Beschwerdebescheid sei rechtswidrig. Die Mitteilung des Ergebnisses der
Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“ habe er rechtzeitig angefochten. Eine
Fristversäumnis könne man ihm nicht entgegenhalten, weil dem Bescheid vom
31. Oktober 2012 die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung fehle. Für ihn sei im
Übrigen nicht nachvollziehbar, wie es zu der behaupteten Flugstundenreduzie-
rung gekommen sei. Auch das Auswahlverfahren sei aus seiner Sicht nicht
transparent. Die Auswahlkonferenz Zukunftspersonal habe die Offiziere nicht
jahrgangsweise betrachten dürfen. Überdies seien Härteaspekte für seinen
Verbleib in der Heeresfliegertruppe nicht berücksichtigt worden. Im Hinblick auf
den Gesundheitszustand seiner Ehefrau bestehe in seiner Person ein Verset-
zungshindernis. Die fliegerische Inübunghaltung betreffe durchaus subjektive
Rechte der Soldaten. Insoweit sei die Fürsorgepflicht des Vorgesetzten gemäß
§ 10 Abs. 3 SG tangiert.
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es verweist auf die Gründe seiner Beschwerdeentscheidung vom 8. Mai 2014.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidi-
gung - R II 2 - 673/14, 674/14 und 675/14 haben dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag
auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkre-
ten Sachantrag zu formulieren. Dies hat er auch im gerichtlichen Verfahren
nicht nachgeholt.
Bei sachgerechter Auslegung beschränkt sich das Rechtsschutzbegehren des
Antragstellers nicht auf die Aufhebung des Beschwerdebescheids des Bun-
desministeriums der Verteidigung vom 8. Mai 2014. Es richtet sich vielmehr
auch gegen die Entscheidung der Personalauswahlkonferenz „Zukunftsperso-
nal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches Personal -“ (im Folgenden: Aus-
wahlkonferenz „Zukunftspersonal“), ihn nicht dem „Zukunftspersonal“ der Hee-
resfliegertruppe - Fliegerisches Personal - zuzuordnen, und gegen den Be-
scheid des Personalamts der Bundeswehr vom 7. März 2013, mit dem er von
seiner Verpflichtung zur fliegerischen Inübunghaltung zum 1. Juni 2013 entbun-
den worden ist.
Sein Vorbringen ist daher dahin zu interpretieren, dass er beantragt, die ihm mit
Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Oktober 2012 eröffnete
Ablehnungsentscheidung der Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“, den Ent-
pflichtungsbescheid des Personalamts vom 7. März 2013 und den Beschwer-
debescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Mai 2014 aufzu-
heben und das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, ihn, den
Antragsteller, dem „Zukunftspersonal“ der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches
Personal - zuzuordnen und ihn über den 1. Juni 2013 hinaus zur Erhaltung der
Erlaubnis und Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr nach
ZDv 19/11 zu verpflichten.
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1. Mit diesem Inhalt ist der Sachantrag, soweit er die vom Antragsteller bean-
standete Entscheidung der Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“ betrifft, zuläs-
sig.
a) Für den Antrag ist das Bundesverwaltungsgericht sachlich zuständig.
Nach § 21 Abs. 1 WBO ist das Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung von
Entscheidungen des Bundesministers der Verteidigung berufen, die dieser als
truppendienstliche Erstmaßnahmen oder als Beschwerdeentscheidungen er-
lässt. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat mit dem angefoch-
tenen Beschwerdebescheid als gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständige Stelle über
den Rechtsbehelf gegen die (nicht status-, sondern verwendungsbezogene)
Entscheidung einer Auswahlkonferenz entschieden, die beim Personalamt der
Bundeswehr angesiedelt war (vgl. dazu im Einzelnen: BVerwG, Beschluss vom
6. Februar 2014 - 1 WB 35.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 88 Rn. 21).
b) Die Entscheidung der Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“, einen Soldaten
nicht dem „Zukunftspersonal“ der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches Personal -
zuzuordnen, stellt auch eine anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des
§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO)
dar (dazu im Einzelnen: BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 2014 - 1 WB
35.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 88 Rn. 22 ff.).
2. Einer inhaltlichen Überprüfung der Entscheidung der Auswahlkonferenz „Zu-
kunftspersonal“ durch den Senat steht jedoch deren Bestandskraft entgegen.
Insoweit ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unbegründet.
a) Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer
Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Be-
schwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis
vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind,
aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, vgl.
BVerwG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 WB 26.10 - Rn. 20 und vom
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29. Januar 2013 - 1 WB 5.12 - juris Rn. 27, jeweils m.w.N.). Anders als § 17
Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die Zustel-
lung des zurückweisenden Beschwerdebescheids knüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO
für den Beginn der Beschwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom
Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt (nur) dann, wenn für eine trup-
pendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine
spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorge-
schrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann be-
ginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen
Bekanntgabe zu laufen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2013
- 1 WB 43.12 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 87 Rn. 30).
Eine besondere Form der Bekanntgabe ist für die Ergebnismitteilung der Aus-
wahlkonferenz „Zukunftspersonal“ nicht vorgeschrieben.
Für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich ist damit, dass der Antragstel-
ler, wie er im Schreiben vom 5. Dezember 2012 ausführt, von dem Ergebnis der
Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“ und seiner eigenen Nichtauswahl für das
„Zukunftspersonal“ am 30. November 2012 Kenntnis erhalten hat. Unerheblich
ist in diesem Zusammenhang, ob der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits
die der Auswahlentscheidung im Einzelnen zugrundeliegenden Erwägungen
kannte und ob ihm insoweit noch weitere Informationen notwendig erschienen.
Ein Soldat, der sich die Möglichkeit der Überprüfung in einem Rechtsbehelfs-
verfahren offen halten möchte, ist nach seiner erstmaligen Kenntnisnahme vom
Beschwerdeanlass grundsätzlich gehalten, zunächst ohne Information über die
nähere Begründung der Auswahlentscheidung fristwahrend Beschwerde einzu-
legen. Darin liegt keine unzumutbare Erschwerung des Rechtsschutzes, weil
die Beschwerde auch ohne Begründung wirksam eingelegt werden kann und
mit ihr - im Fall des späteren Misserfolgs oder der Rücknahme - keine Kostenri-
siken verbunden sind (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 1. März 2011
- 1 WB 57.10 - Rn. 13 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 21.14, 1 WB 30.14 -
Rn. 31 m.w.N.).
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Begann die Monatsfrist für die Einlegung der Beschwerde gemäß § 6 Abs. 1
WBO demnach am 1. Dezember 2012, so endete sie nach der im Wehrbe-
schwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Regelung des § 57 Abs. 2
VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB
mit Ablauf des 31. Dezember 2012 (Montag). Innerhalb dieser Frist hat der An-
tragsteller keine Beschwerde erhoben. Die unter dem 23. April 2014 eingelegte
Beschwerde ist verspätet.
Der Fristablauf wurde nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7
Abs. 1 WBO als „unabwendbarer Zufall“ zu werten sind. Der Rechtsbehelf der
Beschwerde und die dafür geltende Frist des § 6 Abs. 1 WBO können bei allen
Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse
vom 20. Januar 2009, - 1 WB 38.08 - Rn. 31
Buchholz 450.1 § 7 WBO Nr. 5> m.w.N. und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB
21.14, 1 WB 30.14 - Rn. 33). Als truppendienstliche Erstmaßnahme, gegen die
nicht unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet ist, bedurfte
die Auswahlentscheidung der Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“ deshalb
keiner Rechtsbehelfsbelehrung.
Der Schriftsatz des Antragstellers vom 5. Dezember 2012 an das Bundesamt
für das Personalmanagement der Bundeswehr stellt keine Beschwerde dar.
Zwar muss der Rechtsbehelf gegen eine truppendienstliche Maßnahme nicht
notwendig die ausdrückliche Bezeichnung als Beschwerde aufweisen. Aus dem
insoweit auszulegenden Schreiben muss aber eindeutig hervorgehen, dass die
Überprüfung einer getroffenen Entscheidung oder Maßnahme angestrebt wird
(BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 21.14, 1 WB 30.14 -
Rn. 35 m.w.N.) und worin der betroffene Soldat die Verletzung seiner individuel-
len Rechte sieht. In seinem Schreiben vom 5. Dezember 2012 hat der Antrag-
steller demgegenüber auf einen Änderungs- oder Aufhebungsantrag hinsichtlich
der Entscheidung der Auswahlkonferenz „Zukunftspersonal“ verzichtet, der sig-
nalisieren könnte, dass er die Überprüfung der Auswahlentscheidung durch die
zuständige Beschwerdestelle anstrebt. Vielmehr ist sein Antrag nur als Informa-
tionsbitte zu den Auswahlkriterien formuliert und an das Bundesamt für das
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Personalmanagement der Bundeswehr gerichtet, das weder für die in Rede
stehende Auswahlentscheidung noch für eine Beschwerdeentscheidung zu-
ständig ist.
3. Soweit der Antragsteller begehrt, über den 1. Juni 2013 hinaus zur Erhaltung
der Erlaubnis und der Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr
verpflichtet zu werden, fehlt ihm die Antragsbefugnis.
Nach der Rechtsprechung des Senats erfolgt die einen Soldaten verpflichtende
Anordnung zur fliegerischen Inübunghaltung ausschließlich im dienstlichen Inte-
resse; der Soldat hat kein geschütztes subjektives Recht auf Fortdauer seiner
Verpflichtung zur fliegerischen Inübunghaltung (vgl. - auch zum gesamten Fol-
genden - BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - 1 WB 6.11 - Buchholz
450.1 § 17 WBO Nr. 81 Ls und Rn. 16 ff., vom 26. Juni 2012 - 1 WB 42.11 -
Rn. 19 ff. und vom 17. Juli 2012 - 1 WB 56.11 - Rn. 29 ff.).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein
Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung sei-
ner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegen-
über zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts
des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.
Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung dient damit dem
individuellen, subjektiven Rechtsschutz des Soldaten; es ist kein Instrument
einer objektiven Rechtskontrolle oder einer allgemeinen Aufsicht über die Bun-
deswehr. Der Soldat kann nur ein ihm persönlich zustehendes Recht („sein
Recht“) bzw. eine Verletzung ihm persönlich dienender Pflichten („Pflichten …
ihm gegenüber“) geltend machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai
2011 - 1 WB 39.10 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 79 Rn. 17).
Dem Antragsteller steht ein derartiges subjektives Recht, vom Bundesministeri-
um der Verteidigung oder vom Personalamt zu verlangen, ihn zur Inübunghal-
tung im Sinne des Erlasses „Verpflichtung zur Erhaltung der Erlaubnisse und
Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr“ vom 26. Juni 2008
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(BMVg Fü S I 1 - Az 19-02-08 -; VMBl 2008, 142) zu verpflichten, nicht zu.
Ebenso besteht kein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
Die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung oder der von ihm
beauftragten zuständigen personalbearbeitenden Stelle, ob und in welchem
zeitlichen oder inhaltlichen Umfang ein Soldat zur Erhaltung der Erlaubnisse
und Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr (Inübunghaltung)
verpflichtet werden soll, beruht auf der Organisations- und Planungshoheit des
Bundesministers der Verteidigung. Diese Organisations- und Planungshoheit
erstreckt sich auch auf die Feststellung des militärischen Bedarfs, der seiner-
seits an dem sich aus Art. 87a GG ergebenden Gebot zu orientieren ist, das
Gefüge der Streitkräfte so zu gestalten, dass sie ihren militärischen Aufgaben
gewachsen sind (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR
531/68 - BVerfGE 28, 36; BVerwG, Beschlüsse vom 19. Mai 1981 - 1 WB
123.79 - BVerwGE 73, 182 <184> und vom 18. November 1997 - 1 WB
33.97 -). Die Frage, ob für die (weitere) fliegerische Inübunghaltung eines Sol-
daten eine dienstliche Notwendigkeit unter Berücksichtigung des militärischen
Bedarfs besteht, beruht auf planerisch-organisatorischen Gesichtspunkten und
damit weitgehend auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen, bei denen
auch haushaltsrechtliche Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu
beachten sind. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen sind nach ständiger
Rechtsprechung des Senats einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl.
z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Oktober 1996 - 1 WB 39.96 - und vom 4. No-
vember 2004 - 1 WB 28.04 - m.w.N.).
Hiernach entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die
Anordnung der fliegerischen Inübunghaltung ausschließlich im dienstlichen Inte-
resse und nicht im Interesse des betroffenen Soldaten erfolgt. Es besteht mithin
kein geschütztes subjektives Recht eines Soldaten, die Aufhebung der Anord-
nung einer fliegerischen Inübunghaltung in Frage zu stellen oder eine erneute
Anordnung dieses Inhalts vom Bundesministerium der Verteidigung zu verlan-
gen. Ein derartiges Recht folgt weder aus persönlichen noch aus wirtschaftli-
chen Aspekten, etwa aus dem Interesse, eine einmal erworbene Befähigung
wie den Militärflugzeugführerschein behalten zu können. Insofern ist die Für-
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sorgepflicht des Vorgesetzten im Sinne des § 10 Abs. 3 SG nicht tangiert. Die
dem Antragsteller fehlende Antragsbefugnis lässt sich auch nicht durch den
Wegfall von mit dem Flugdienst verbundenen Zulagenberechtigungen begrün-
den. Bei diesen handelt es sich lediglich um Reflexwirkungen zugunsten des
Soldaten, die kein subjektives Recht im Hinblick auf die strittige fliegerische In-
übunghaltung begründen.
4. Die vom Antragsteller außerdem in das Verfahren eingeführten persönlichen
Versetzungshinderungsgründe in Verbindung mit dem Gesundheitszustand sei-
ner Ehefrau sind im Rahmen der hier in Rede stehenden Entscheidungen ohne
rechtliche Relevanz, weil mit ihnen noch nicht über die Anschlussverwendung
des Antragstellers und insbesondere noch nicht über einen bestimmten Ver-
wendungsort entschieden worden ist.
Derartige Versetzungshinderungsgründe kann der Antragsteller erst dann gel-
tend machen, wenn aufgrund der angefochtenen Entscheidungen der Auswahl-
konferenz „Zukunftspersonal“ und des Personalamts der Bundeswehr eine kon-
krete Verwendungsentscheidung für den Antragsteller von der zuständigen per-
sonalbearbeitenden Stelle getroffen wird.
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