Urteil des BVerwG vom 27.02.2014

Subjektives Recht, Soldat, Erhaltung, Regiment

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 36.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Görtz und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Neumeyer
am 27. Februar 2014 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Dem Antragsteller geht es um den Fortbestand seiner Verpflichtung zur fliegeri-
schen Inübunghaltung.
Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des Truppendienstes in der Heeresfliegertruppe; seine Dienstzeit endet voraus-
sichtlich mit Ablauf des … . Am … wurde er zum Oberstleutnant befördert und
mit Wirkung vom … in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen.
Der Antragsteller wurde seit 1. April 2002 beim …regiment … in R. verwendet,
das zum 30. Juni 2013 aufgelöst wurde. Mit Wirkung vom 1. Juli 2013 wurde er
als Stabsoffizier z.b.V. ohne Wechsel der Teilstreitkraft in den Organisationsbe-
reich Luftwaffe zur …gruppe … in R. versetzt.
Mit Info-Brief vom 13. Juli 2012 „zur Entpflichtung von Luftfahrzeugführern und
Besatzungsangehörigen im Heer“ unterrichtete der Inspekteur des Heeres die
Angehörigen der Heeresfliegertruppe darüber, dass die Verkleinerung und Um-
strukturierung der Heeresfliegertruppe und die Ausrichtung der künftigen Ein-
satzbedarfe am neuen Fähigkeitsprofil des Heeres mit einer Reduzierung der
Zahl der Waffensysteme einhergehen werde. Es würden daher zukünftig weni-
ger Besatzungen benötigt. Ebenso werde es Reduzierungen in den betroffenen
Ausbildungs- und Verwendungsreihen und in deren Regeneration geben. Bei
der Nutzung der kostbaren Flugstunden müsse die Inübunghaltung auf den un-
abweisbaren und geringeren Kernbedarf der neuen Struktur ausgerichtet wer-
den. Eine Konsequenz der Umstrukturierung werde sein, dass etliche Besat-
zungen der Verbände in andere nicht-fliegende Verwendungen überführt wer-
den müssten und ein Teil der Inübunghalter ihre Erlaubnisse und Berechtigun-
gen verlieren würden.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2012, eröffnet am 27. November 2012, teilte das
Personalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass er in der Personal-
auswahlkonferenz „Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe - Fliegerisches
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Personal“ im Jahr 2012 im Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleich und
unter Berücksichtigung der strukturellen Rahmenbedingungen betrachtet und
nicht zum Zukunftspersonal Heeresfliegertruppe fliegerischer Dienst beraten
worden sei.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2013 beantragte der Antragsteller, ihn weiterhin
fliegerisch zu verwenden. In der vorgesehenen Verwendung bei der
…gruppe … könne er bei Ausfall von Luftfahrzeugführern unterstützend einge-
setzt werden. Dies sei kostenneutral jedenfalls bis Januar 2014 möglich.
Mit Bescheid vom 7. März 2013, eröffnet am 28. März 2013, teilte das Personal-
amt dem Antragsteller mit, dass der General der Heeresfliegertruppe im Rah-
men der aktuellen Maßnahmen zur Neuausrichtung der Streitkräfte, der damit
verbundenen Reduzierung des Personalkörpers der Heeresfliegertruppe sowie
der Entwicklung der verfügbaren Flugstunden für die zukunftsfähigen Hub-
schraubermuster NH 90/TIGER entschieden habe, dass der Antragsteller ab
dem 1. Juni 2013 zu entpflichten sei. Der Antragsteller gehöre gemäß der Be-
sonderen Anweisung für die Entpflichtung von Luftfahrzeugführern der Heeres-
fliegertruppe (1. Änderung vom 26. Februar 2013) zur Fallgruppe 1.3.2. (BS
5 Jahre vor Dienstzeitende) und werde deshalb von der Verpflichtung zur Erhal-
tung der Erlaubnis und der Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundes-
wehr nach ZDv 19/11 zum 1. Juni 2013 entbunden. Der Militärflugzeugführer-
schein-Hubschrauber sei einzuziehen und die fliegerische Akte abzuschließen.
Mit dem Tag der Entpflichtung erlösche auch der Anspruch auf Zulagen, die in
Verbindung mit der fliegerischen Verwendung stünden.
Mit Schreiben vom 8. April 2013 legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde
ein. Zur Begründung führte er aus, dass sowohl der Kommandeur des
…regiments … als auch der Leiter der …gruppe … Vorteile bei einer weiteren
fliegerischen Verwendung sähen. Er verfüge derzeit noch über einen gültigen
Militärflugzeugführerschein, der ihn einschließlich einer Verlängerung um drei
Monate bis zum 23. Januar 2014 in die Lage versetze, der …gruppe … als Luft-
fahrzeugführer zur Verfügung zu stehen. Dies sei mit nur geringen zusätzlichen
Kosten, aber erheblichen Vorteilen für den Dienstherrn verbunden. Im Übrigen
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sei seine Entpflichtung zu einem willkürlich gewählten Datum erfolgt. Die Maß-
nahme beruhe einzig auf seinem Lebensalter und sei damit altersdiskriminie-
rend. Dem Bescheid fehle eine Rechtsbehelfsbelehrung. Auch seien die
Dienststellen, die ehemalige Heeresflieger auf dienstpostenähnlichen Konstruk-
ten aufnähmen, nicht über die Möglichkeit informiert worden, eine weitere flie-
gerische Verwendung zu beantragen.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2013 erhob der Antragsteller Untätigkeitsbeschwer-
de. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - wertete die Untätigkeitsbe-
schwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen mit seiner
Stellungnahme vom 13. Juni 2013 dem Senat vor.
Der Antragsteller hat sich im gerichtlichen Verfahren nicht mehr schriftlich ge-
äußert.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unzulässig, weil es ein subjektives Recht auf Verpflichtung zur
fliegerischen Inübunghaltung nicht gebe. Die Anordnung der fliegerischen In-
übunghaltung erfolge ausschließlich im dienstlichen Interesse und nicht im Inte-
resse des betroffenen Soldaten. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet.
Nach Mitteilung der Division Luftbewegliche Operationen bestehe kein dienstli-
ches Interesse an einer weiteren fliegerischen Verwendung des Antragstellers;
hierfür würde vorrangig das entsprechende Zukunftspersonal der Heeresflieger-
truppe angefordert. Die Entpflichtung zum 1. Juni 2013 sei nicht willkürlich, weil
das Luftfahrzeugmuster CH 53 bereits zum 1. Januar 2013 an die Luftwaffe ab-
gegeben worden sei und für den Antragsteller in seiner Verwendung als Flug-
sicherheitsstabsoffizier beim …regiment … kein operationeller Bedarf für die
fliegerische Inübunghaltung mehr bestehe. Die Entpflichtung sei auf der Grund-
lage der Bedarfsträgerforderungen des Heeres erfolgt; eine Altersdiskriminie-
rung liege nicht vor.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung
- R II 2 - Az.: …/13 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile
A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
Der Bundesminister der Verteidigung hat die als Untätigkeitsbeschwerde erho-
bene weitere Beschwerde des Antragstellers zutreffend als Antrag auf gerichtli-
che Entscheidung gewertet und dem Senat vorgelegt (§ 21 Abs. 1 und Abs. 2
Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO).
Der Antragsteller hat keinen konkreten Sachantrag gestellt. Er wendet sich, wie
aus dem Betreff, den Bezügen und der Begründung seiner Beschwerde vom
8. April 2013 eindeutig hervorgeht, nicht gegen den Bescheid des Personalamts
der Bundeswehr vom 31. Oktober 2012, mit dem ihm mitgeteilt wurde, dass er
nicht zum Zukunftspersonal der Heeresfliegertruppe fliegerischer Dienst bera-
ten wurde; hiergegen wäre die Beschwerde auch verspätet eingelegt (§ 6
Abs. 1 WBO). Dem Antragsteller geht es vielmehr (nur) darum, dass er weiter-
hin - auch in seiner neuen Verwendung bei der …gruppe … - zur fliegerischen
Inübunghaltung (mit den damit verbundenen Einsatzmöglichkeiten und den da-
ran geknüpften Zulagenberechtigungen) verpflichtet bleibt. Bei sachgerechter
Auslegung begehrt der Antragsteller deshalb, den Bescheid des Personalamts
der Bundeswehr vom 7. März 2013 aufzuheben und den Bundesminister der
Verteidigung zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, über den 1. Juni 2013 hi-
naus zur fliegerischen Inübunghaltung (Erhaltung der Erlaubnis und der Berech-
tigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr nach ZDv 19/11) zu verpflich-
ten, hilfsweise über den Fortbestand der Verpflichtung zur fliegerischen In-
übunghaltung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ent-
scheiden.
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Für diesen - formal sachgerechten und statthaften - Antrag fehlt dem Antrag-
steller jedoch die Antragsbefugnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats erfolgt die einen Soldaten verpflichtende Anordnung zur fliegerischen
Inübunghaltung ausschließlich im dienstlichen Interesse; der Soldat hat kein
geschütztes subjektives Recht auf Fortdauer seiner Verpflichtung zur fliegeri-
schen Inübunghaltung (vgl. - auch zum gesamten Folgenden - insb. Beschluss
vom 24. Januar 2012 - BVerwG 1 WB 6.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 81
Leitsatz und Rn. 16 ff.).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein
Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung sei-
ner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegen-
über zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts
des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.
Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung dient damit dem
individuellen, subjektiven Rechtsschutz des Soldaten; es ist kein Instrument ei-
ner objektiven Rechtskontrolle oder einer allgemeinen Aufsicht über die Bun-
deswehr. Der Soldat kann nur ein ihm persönlich zustehendes Recht („sein
Recht“) bzw. eine Verletzung ihm persönlich dienender Pflichten („Pflichten …
ihm gegenüber“) geltend machen (vgl. Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG
1 WB 39.10 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 79 Rn. 17 = NZWehrr 2012, 33).
Dem Antragsteller steht ein derartiges subjektives Recht, vom Bundesminister
der Verteidigung oder vom Personalamt zu verlangen, ihn zur Inübunghaltung
im Sinne des Erlasses „Verpflichtung zur Erhaltung der Erlaubnisse und Be-
rechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr - Neufassung -“ vom
26. Juni 2008 (BMVg Fü S I 1 - Az 19-02-08 -; VMBl 2008, S. 142) zu verpflich-
ten, nicht zu. Ebenso besteht kein Anspruch auf eine erneute ermessensfehler-
freie Entscheidung.
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Die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung oder der von ihm be-
auftragten zuständigen personalbearbeitenden Stelle, ob und in welchem zeitli-
chen oder inhaltlichen Umfang ein Soldat zur Erhaltung der Erlaubnisse und
Berechtigungen im fliegerischen Dienst der Bundeswehr (Inübunghaltung) ver-
pflichtet werden soll, beruht auf der Organisations- und Planungshoheit des
Bundesministers der Verteidigung. Diese Organisations- und Planungshoheit
erstreckt sich auch auf die Feststellung des militärischen Bedarfs, der seiner-
seits an dem sich aus Art. 87a GG ergebenden Gebot zu orientieren ist, das
Gefüge der Streitkräfte so zu gestalten, dass sie ihren militärischen Aufgaben
gewachsen sind (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 -
BVerfGE 28, 36; BVerwG, Beschlüsse vom 19. Mai 1981 - BVerwG 1 WB
123.79 - BVerwGE 73, 182 <184> und vom 18. November 1997 - BVerwG
1 WB 33.97 -). Die Frage, ob für die (weitere) fliegerische Inübunghaltung eines
Soldaten eine dienstliche Notwendigkeit unter Berücksichtigung des militäri-
schen Bedarfs besteht, beruht auf planerisch-organisatorischen Gesichtspunk-
ten und damit weitgehend auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen, bei
denen auch haushaltsrechtliche Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
zu beachten sind. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen sind nach ständiger
Rechtsprechung des Senats einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl.
z.B. Beschlüsse vom 16. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 39.96 - und vom 4. No-
vember 2004 - BVerwG 1 WB 28.04 - m.w.N.).
In Konkretisierung seiner diesbezüglichen Organisations- und Planungshoheit
hat das Bundesministerium der Verteidigung in Nr. 1 und Nr. 2 des Erlasses
vom 26. Juni 2008 festgelegt, dass die Verpflichtung zur fliegerischen Inübung-
haltung für Luftfahrzeugführer, Waffensystemoffiziere und Luftfahrzeugopera-
tionsoffiziere in Betracht kommt und von der dienstlichen Notwendigkeit ab-
hängt, die entsprechenden fliegerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erhal-
ten, bzw. an dem Erfordernis einer sachgerechten Erfüllung der Aufgaben auf
dem jeweiligen Dienstposten zu orientieren ist. Die Anordnung der fliegerischen
Inübunghaltung erfolgt demnach ausschließlich im dienstlichen Interesse und
nicht im Interesse des betroffenen Soldaten. Es besteht daher kein geschütztes
subjektives Recht eines Soldaten, die Aufhebung der Anordnung einer fliegeri-
schen Inübunghaltung in Frage zu stellen oder eine erneute Anordnung dieses
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Inhalts vom Bundesminister der Verteidigung zu verlangen. Ein derartiges
Recht folgt weder aus persönlichen noch aus wirtschaftlichen Aspekten, etwa
aus dem Interesse, eine einmal erworbene Befähigung wie den Militärflugzeug-
führerschein behalten zu können. Die dem Antragsteller fehlende Antragsbe-
fugnis lässt sich auch nicht durch den Wegfall von mit dem Flugdienst verbun-
denen Zulagenberechtigungen begründen. Bei diesen handelt es sich lediglich
um Reflexwirkungen zugunsten des Soldaten, die kein subjektives Recht im
Hinblick auf die strittige fliegerische Inübunghaltung begründen.
Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Vor-
aussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
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