Urteil des BVerwG vom 23.02.2010

Teilzeitbeschäftigung, Vorbehalt des Gesetzes, Qualifikation, Alleinerziehende Mutter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 36.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
der Frau Oberstabsarzt ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Leusch und
die ehrenamtliche Richterin Major Meiners
am 23. Februar 2010 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um
die Besetzung des nach Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstpostens
eines Laborgruppenleiters am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr.
Die 1965 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 31. Januar 2027. Zuletzt wurde sie am 1. Juli
2001 zum Oberstabsarzt befördert. Seit Oktober 1998 wird die Antragstellerin
am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes ... - Außenstelle ... - als
Sanitätsstabsoffizier Laboratoriumsmedizin eingesetzt. Am 17. Juli 2007 erhielt
sie die Anerkennung als Fachärztin für Laboratoriumsmedizin und am 6.
November 2008 die Anerkennung als Fachärztin für Mikrobiologie.
Seit dem 1. August 2008 war der nach Besoldungsgruppe A 15 bewertete
Dienstposten des Laborgruppenleiters (Teileinheit/Zeile 130/010) am Zentralen
Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ... - Außenstelle ... -
nachzubesetzen.
Mit Schreiben vom 19. August 2008 beantragte die Antragstellerin ihre
Versetzung auf diesen Dienstposten. Unter dem 12. September 2008 teilte das
Personalamt der Bundeswehr der Antragstellerin mit, dass sie die formellen
Voraussetzungen erfülle und ihr die Mitbetrachtung bei der
Besetzungsentscheidung zugesagt werde.
Mit Schreiben vom 3. November 2008 an das Personalamt legte der Leiter des
Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes ein „Bewerberprofil“ für die Besetzung
des Dienstpostens vor. Zusammenfassend würden vom zukünftigen
Dienstposteninhaber folgende Eigenschaften erwartet: Arzt/Ärztin für
Laboratoriumsmedizin; umfassende Kenntnisse in der Immunologie, vor allem
sicheres Beherrschen der Autoimmundiagnostik; überdurchschnittliche
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Leistungsbereitschaft und beispielgebendes persönliches Engagement;
umfassende DV-Kenntnisse, vor allem für das Labordatenverarbeitungssystem
IMP-MIC; Bewährung im Auslandseinsatz, uneingeschränkte Verfügbarkeit für
weitere Auslandseinsätze.
Mit weiterem Schreiben an das Personalamt vom 15. Dezember 2008 nahm der
Leiter des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes zur Eignung der
Antragstellerin sowie des damaligen Oberstabsarztes Dr. W. Stellung. Im
Ergebnis sprach sich der Leiter des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes für
eine Besetzung des Dienstpostens mit Dr. W. aus.
In der Konferenz „Verwendungsentscheid PST 142S“ entschied das
Personalamt der Bundeswehr am 15. Dezember 2008, den Dienstposten
Teileinheit/ Zeile 130/010 beim Zentralen Institut des Sanitätsdienstes ab 1.
Januar 2009 mit dem damaligen Oberstabsarzt Dr. W. zu besetzen. Das
Protokoll der Konferenz vom 15. Dezember 2008 enthält eine tabellarische
Übersicht über drei Bewerber, nämlich den damaligen Oberstabsarzt Dr. W., die
Antragstellerin sowie Oberstabsarzt Dr. R. Aus dem Protokoll ist ferner
ersichtlich, dass der Personalführer Dr. W. zur Auswahl vorgeschlagen hatte
und die Konferenz diesen mit drei Ja-Stimmen ausgewählt und sich mit jeweils
drei Nein-Stimmen gegen die Antragstellerin und Dr. R. ausgesprochen hat.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 erhob die Antragstellerin Beschwerde,
weil ihr am 19. August 2008 gestellter Antrag auf Versetzung auf den strittigen
Dienstposten bislang nicht beschieden worden sei. Inzwischen seien in Bezug
auf die Nachbesetzung des Dienstpostens einige Dinge vorgefallen, durch die
sie sich persönlich benachteiligt und massiv beschwert fühle. Sowohl der
Amtschef des Sanitätsamts als auch mehrfach der Abteilungsleiter I des
Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes hätten Personalgespräche mit ihr
geführt, in denen ihre Bewerbung explizit Gegenstand gewesen sei. Im Laufe
der Gespräche sei immer wieder auf ihre bestehende Schwangerschaft und ihre
familiäre Situation als de facto alleinerziehende Mutter angespielt und daraus
gefolgert worden, dass sie weniger leistungsfähig sei. Diese Ereignisse stünden
in einer traurigen Reihe von Vorfällen, die ihre persönliche Benachteiligung
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dokumentierten und die ab dem Zeitpunkt begonnen hätten, als sie gegen den
Willen ihrer Dienststelle erstmals Teilzeitarbeit beantragt habe.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2009 verfügte das Personalamt der Bundeswehr
den Wechsel von Dr. W. auf den Dienstposten Teileinheit/Zeile 130/010 beim
Zentralen Institut des Sanitätsdienstes zum 1. Januar 2009. Am 12. März 2009
wurde Dr. W. zum Oberfeldarzt befördert.
Mit Bescheid vom 27. April 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung -
PSZ
I
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-
die Beschwerde der Antragstellerin zurück. Die
Untätigkeitsbeschwerde sei in der Sache unbegründet, weil der
Versetzungsantrag abgelehnt werde. Die am 15. Dezember 2008 zugunsten
von Dr. W. getroffene Entscheidung sei rechtmäßig. Dieser verfüge gegenüber
der Antragstellerin über einen deutlichen Leistungsvorsprung aus den letzten
drei planmäßigen Beurteilungen, die sowohl er als auch die Antragstellerin
jeweils im Dienstgrad eines Oberstabsarztes erhalten hätten. Dr. W. sei bei der
planmäßigen Beurteilung zum Termin 31. März 2008 mit der Note 5,70 bewertet
worden; die Antragstellerin habe demgegenüber lediglich die Note 4,80
erhalten. Das für Dr. W. günstigere Beurteilungsbild setze sich in der vorletzten,
jeweils zum Termin 30. September 2005 erstellten Beurteilung fort. In der
vorvorletzten Beurteilung hätten Dr. W. und die Antragstellerin eine im
Wesentlichen gleich gute Beurteilung erhalten. Es sei auch zulässig gewesen,
die Beurteilung zum 31. März 2008 zu verwerten. Nach Nr. 1103 Buchst. c ZDv
20/6 könne eine Beurteilung für Personalentscheidungen herangezogen
werden, wenn sie - wie hier - bestandskräftig und abschließend vom
Personalamt geprüft worden sei. Die Antragstellerin habe keine Rechtsmittel
eingelegt, sondern lediglich Gegenvorstellungen/Stellungnahmen zur
Beurteilung abgegeben, die vom Personalamt im Rahmen der Dienstaufsicht
geprüft worden seien; dabei hätten keine Erkenntnisse vorgelegen, die zu einer
Aufhebung hätten führen müssen. Erstmals mit der Untätigkeitsbeschwerde
seien Sachverhalte vorgetragen worden, die einer näheren Überprüfung
bedürften. Der Antragstellerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in ihrer
Vergleichsgruppe nicht zwischen Fachärzten und Weiterbildungsassistenten
unterschieden werden dürfe; falls dies bei ihrer Beurteilung der Fall gewesen
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sein sollte, hätte das Personalamt insoweit eine Aufhebung der Beurteilung im
Wege der Dienstaufsicht zu prüfen. Auf die am 15. Dezember 2008 getroffene
Verwendungsentscheidung habe dies aber keinen Einfluss, weil die Verwertung
der Beurteilung zum damaligen Entscheidungszeitpunkt in jedem Falle
rechtmäßig gewesen sei. Dr. W. verfüge darüber hinaus über die bessere
Eignung für den Dienstposten. Für die Wahrnehmung der Aufgaben des
Dienstpostens seien umfangreiche IT-Kenntnisse notwendig, über die Dr. W.,
nicht aber die Antragstellerin verfüge. Im Übrigen bestünden keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin in anderer Hinsicht besser für den
Dienstposten geeignet wäre. Hinsichtlich der fachlichen Qualifikation seien sie
und Dr.
W.
gleich gut geeignet, weil sie beide Fachärzte für
Laboratoriumsmedizin seien. Da sich die Qualifikationen an den Anforderungen
des Dienstpostens orientierten, seien darüber hinausgehende Weiterbildungen
nicht in die Auswahlentscheidung einzubeziehen gewesen. Wegen der
Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin werde darauf hingewiesen, dass sich
diese nach der Richtlinie für die Personalführung bei Teilzeitbeschäftigung vom
20. Juli 2006 nicht nachteilig auf die Beurteilung auswirken dürfe.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 4. Juni 2009 beantragte die
Antragstellerin hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen
mit seiner Stellungnahme vom 7. Juli 2009 dem Senat vor.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin insbesondere vor:
Die Entscheidung, den Dienstposten des Laborgruppenleiters mit Dr. W. und
nicht mit ihr zu besetzen, verstoße gegen § 3 SG sowie Art. 33 Abs. 2 und Art.
3 GG. Die Ausführungen des Beschwerdebescheids zur besseren Eignung von
Dr. W. seien nicht nachvollziehbar und hielten einer Betrachtung am
Leistungsprinzip nicht stand. Insbesondere sei die Aussage willkürlich, dass sie,
die Antragstellerin, auch in anderer Hinsicht nicht besser für den Dienstposten
geeignet sei. So umfasse die strittige Stelle die fachliche Vertretung des
Abteilungsleiters; da die Abteilung über die Laborgruppen Immunologie und
Mikrobiologie verfüge, sei hierbei von enormem Vorteil, zugleich Facharzt für
Mikrobiologie
zu sein. Vorteile bestünden auch hinsichtlich der
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Weiterbildungsermächtigung zur Erlangung von Facharztqualifikationen.
Insoweit seien daher sehr wohl ihre weitergehenden Qualifikationen in die
Auswahlentscheidung einzubeziehen gewesen.
Was den Vergleich der dienstlichen Beurteilungen angehe, sei ihre Beurteilung
rechtswidrig und habe daher der Auswahlentscheidung nicht zugrunde gelegt
werden dürfen. Insbesondere sei bei der Beurteilung von falschen
Vergleichsgruppen ausgegangen worden. Die Rechtswidrigkeit der Beurteilung
sei bei der gerichtlichen Kontrolle zu berücksichtigen. Die Bestandskraft stehe
dem nicht entgegen; eine dienstliche Beurteilung könne im Rahmen eines
Konkurrentenstreitverfahrens inzidenter überprüft werden, auch wenn seinerzeit
keine Beschwerde erhoben worden sei. Zudem habe sich die Situation durch
die Entscheidung des Senats vom 26.
Mai 2009 zu den
Beurteilungsbestimmungen der ZDv 20/6 grundlegend geändert. Unabhängig
davon, ob die dort geäußerten Bedenken gegen die Beurteilungsrichtlinien zur
Nichtigkeit der Beurteilungen führten, habe sie, die Antragstellerin, jedenfalls
einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich ihrer
dienstlichen Beurteilung.
Sie weise schließlich nochmals auf ihre Benachteiligung wegen ihres
Geschlechts, ihrer Situation als Mutter und der von ihr teilweise praktizierten
Teilzeitbeschäftigung hin. Auffällig sei, dass immer wieder - auch im Schreiben
des Leiters des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes vom 15. Dezember
2008 - auf die Teilzeitbeschäftigung und das Beschäftigungsverbot nach dem
Mutterschutzgesetz abgestellt werde. In dem Protokoll der Konferenz vom 15.
Dezember 2008 seien die Tatsachen der Teilzeitbeschäftigung und des
Entbindungstermins in der tabellarischen Übersicht speziell umkreist.
Die Antragstellerin beantragt,
die Entscheidung betreffend die Versetzung von Herrn
Oberstabsarzt Dr. W. auf den streitigen A 15-Dienstposten
des Laborgruppenleiters Teileinheit/Zeile 130/010 am
Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ...,
Außenstelle
..., und die Entscheidung in dem
Wehrbeschwerdeverfahren hierzu vom 27. April 2009
aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu
verpflichten, über die Besetzung des nach
Vergütungsgruppe A 15 bewerteten Dienstpostens am
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Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ...,
Außenstelle ..., unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei gemäß den Darlegungen des Beschwerdebescheids
unbegründet. Der ausgewählte Kandidat Dr. W. verfüge gegenüber der
Antragstellerin über einen teilweise deutlichen Leistungsvorsprung. Auch die
letzte Beurteilung der Antragstellerin zu dem für die Entscheidung
maßgeblichen Zeitpunkt sei insoweit verwertbar. Rechtsmittel habe die
Antragstellerin hiergegen nicht eingelegt. Mögliche Probleme bei der
Vergleichsgruppenbildung hätten sich erst zu einem wesentlich späteren
Zeitpunkt herausgestellt und hätten bei der zugunsten von Dr. W. getroffenen
Verwendungsentscheidung nicht berücksichtigt werden können. Auch komme
es nach dem materiellen Recht bei Anfechtungsbegehren auf den Zeitpunkt der
getroffenen Entscheidung, hier also der Entscheidung zugunsten des
Konkurrenten, an. Da Dr. W. über einen deutlichen Leistungsvorsprung auf der
Grundlage der letzten drei Beurteilungen verfüge, sei auch eine Benachteiligung
der Antragstellerin wegen ihrer Schwangerschaft bzw. ihrer
Teilzeitbeschäftigung zu verneinen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 2. September 2009 beantragte die
Antragstellerin wegen ihrer planmäßigen dienstlichen Beurteilung zum 31. März
2008 das Wiederaufgreifen des Verfahrens; durch die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - habe
sich die ihrer dienstlichen Beurteilung zugrundeliegende Rechtslage in Gestalt
der Beurteilungsbestimmungen der ZDv 20/6 nachträglich zu ihren Gunsten
geändert. Mit Bescheid vom 24. November 2009 lehnte das Personalamt der
Bundeswehr den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ab; aus dem
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich weder eine Änderung
der Sachlage noch eine Änderung der Rechtslage. Gegen diese Entscheidung
des Personalamts hat die Antragstellerin keine Beschwerde eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 606/09 - und die Personalgrundakten der
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Antragstellerin und von Oberfeldarzt Dr. W., jeweils Hauptteile A - D, haben
dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
Die Entscheidung des Personalamts der Bundeswehr vom 15. Dezember 2008
in Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung -
PSZ I 7 - vom 27. April 2009, den nach Besoldungsgruppe A 15 bewerteten
Dienstposten eines Laborgruppenleiters (Teileinheit/Zeile 130/010) beim
Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ... - Außenstelle ... - ab
1. Januar 2009 mit dem damaligen Oberstabsarzt (seit 12. März 2009:
Oberfeldarzt) Dr. W. zu besetzen, ist rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen
Anspruch auf eine erneute Auswahlentscheidung.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Der Rechtsstreit hat sich
insbesondere nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten inzwischen
mit dem ausgewählten Bewerber Dr. W. besetzt worden ist. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische
Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat
eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen
Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von
seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn die Antragstellerin bei der
Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (vgl.
Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 m.w.N.
sowie zuletzt vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 -).
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Auswahlentscheidung zugunsten von
Oberfeldarzt Dr. W. ist hinreichend dokumentiert (dazu 1.) und in der Sache
nicht zu beanstanden (dazu 2.).
Insbesondere konnten der
Auswahlentscheidung die planmäßigen Beurteilungen der Antragstellerin ohne
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weitere Überprüfung mit dem Inhalt, mit dem sie in Bestandskraft erwachsen
sind, zugrunde gelegt werden (dazu 3.).
1. Das „Bewerberprofil“ für die Besetzung des Dienstpostens (Schreiben des
Leiters des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes vom 3. November 2008)
und das vom Personalamt der Bundeswehr erstellte „Protokoll für die Konferenz
‚Verwendungsentscheid PST 142S am 15.12.2008’“ vom 15. Dezember 2008
stellen, jedenfalls
in Verbindung mit den Ausführungen in dem
Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 27.
April 2009,
eine hinreichende Dokumentation der wesentlichen
Auswahlerwägungen dar.
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung,
Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen
Amt. Der sich heraus ergebende Leistungsgrundsatz oder Grundsatz der
Bestenauslese gilt nicht nur bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst,
sondern auch bei Beförderungsentscheidungen; ihm korrespondiert ein
Anspruch des Einstellungs- oder Beförderungsbewerbers auf ermessens- und
beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (vgl. BVerfG,
Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 = ZBR
2008, 169). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus
Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die
seiner Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Auswahlerwägungen
schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen
Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber
gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in
die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die
Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen
Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner
Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen
will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen
Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung
eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation
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der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der
entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich
damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des
Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. zum Ganzen BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli
2007 a.a.O.; aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vgl. NdsOVG,
Beschluss vom 14. Januar 2008 - 5 ME 317.07 - NVwZ-RR 2008, 552 = DÖD
2008, 132 m.w.N.).
§ 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das
Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus
ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen. Diese Erweiterung der
Reichweite des Leistungsgrundsatzes ist auch vor dem Hintergrund zu sehen,
dass in der Praxis der Bundeswehr die Entscheidung über die höherwertige
Verwendung die nachfolgende Entscheidung über eine der Dotierung des
Dienstpostens entsprechende Beförderung in ein höheres Statusamt wesentlich
vorprägt. Der Senat hat deshalb eine der beamtenrechtlichen Rechtsprechung
entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen
Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die - wie im
vorliegenden Fall - ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische
Verwendung betreffen (vgl. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB
31.06 - BVerwGE 128, 329 <335 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41 und vom 16.
Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 <14 f.> = Buchholz
449 § 3 SG Nr. 50).
Zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen verpflichtet ist dabei
primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist. Im
Hinblick auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 WBO verankerte umfassende
Kontroll- und Abänderungskompetenz kann die Dokumentationspflicht aber
auch von der gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständigen Beschwerdestelle erfüllt
werden, wenn und soweit sie eine eigene Sachentscheidung trifft (vgl. - auch
zum Folgenden - näher Beschluss vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08
- ). Bestätigt die
Beschwerdestelle die Ausgangsentscheidung und weist sie die Beschwerde
zurück (§ 13 Abs. 3 WBO), kann sie, falls eine Dokumentation bis dahin fehlt, in
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dem Beschwerdebescheid die wesentlichen Auswahlerwägungen niederlegen
oder eine vorhandene Dokumentation der Ausgangsentscheidung ergänzen
oder inhaltlich fortschreiben. Sofern sie auf eine eigene Sachentscheidung
verzichtet und den Beschwerdevorgang im Wege der Abhilfe zum Zweck der
Neubescheidung zurückgibt, liegt die Dokumentationspflicht wiederum zunächst
bei der für die Auswahlentscheidung zuständigen Stelle.
b) Nach diesen Maßstäben ist die Auswahlentscheidung für den hier strittigen
Dienstposten des Laborgruppenleiters hinreichend dokumentiert.
Die Anforderungen an die Bewerber ergeben sich aus dem vom Leiter des
Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes erstellten „Bewerberprofil“ (Schreiben
an das Personalamt vom 3. November 2008). Es nennt als - einzige -
zwingende Voraussetzung für die Dienstpostenbesetzung die Qualifikation als
„Arzt/Ärztin für Laboratoriumsmedizin“, womit nach dem Zusammenhang die
entsprechende Facharztqualifikation gemeint ist; dies deckt sich mit dem vom
Bundesminister der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren vorgelegten
„Tätigkeitsbild“ der Fachärzte für Laboratoriumsmedizin (dort Nr. 5). Als weitere
Eigenschaften, die aus der Sicht des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes
vom zukünftigen Dienstposteninhaber erwartet würden, bezeichnet das
„Bewerberprofil“: umfassende Kenntnisse in der Immunologie, vor allem
sicheres Beherrschen der
Autoimmundiagnostik; überdurchschnittliche
Leistungsbereitschaft und beispielgebendes persönliches Engagement;
umfassende DV-Kenntnisse, vor allem für das Labordatenverarbeitungssystem
IMP-MIC; Bewährung im Auslandseinsatz, uneingeschränkte Verfügbarkeit für
weitere Auslandseinsätze.
Das Protokoll der Auswahlkonferenz beim Personalamt der Bundeswehr vom
15. Dezember 2008 enthält eine Übersicht über drei Bewerber, nämlich den
damaligen Oberstabsarzt Dr. W., die Antragstellerin sowie Oberstabsarzt Dr. R.,
die in tabellarischer Form Angaben zur Person (Spalten 1 und 2), zum
dienstlichen Werdegang und zur Verwendung (Spalten 3 und 4), zu den
Bewertungen in den drei letzten Beurteilungen (Spalte 5) sowie - in einer Rubrik
„Bemerkung“ (Spalte 6) - Angaben insbesondere zu Auslandseinsätzen, im
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Falle der Antragstellerin auch zu deren Erziehungszeiten, ihrer
Teilzeitbeschäftigung, ihrem damals bevorstehenden Entbindungstermin und
ihrer Qualifikation als „Doppelfachärztin Laboratoriumsmedizin/Mikrobiologie“,
enthält. Aus dem Protokoll ist ferner ersichtlich, dass der Personalführer den
damaligen Oberstabsarzt Dr. W. zur Auswahl vorgeschlagen hatte (Spalte 7)
und die Konferenz diesen mit drei Ja-Stimmen (ohne Nein-Stimmen und
Enthaltungen) ausgewählt und sich mit jeweils drei Nein-Stimmen (ohne Ja-
Stimmen und Enthaltungen) gegen die Antragstellerin und gegen Oberstabsarzt
Dr. R. ausgesprochen hat (Spalte 8).
Aus dem Protokoll der Konferenz ergibt sich allerdings nicht ausdrücklich,
welche der in der tabellarischen Übersicht enthaltenen Gesichtspunkte letztlich
für die Auswahlentscheidung zugunsten von Dr. W. waren.
Nach den Umständen und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon
auszugehen, dass alle drei betrachteten Bewerber als grundsätzlich geeignet
für die Besetzung angesehen wurden, da sie alle über die zwingend
vorgegebene Qualifikation als Facharzt/Fachärztin für Laboratoriumsmedizin
verfügen (Angaben in Spalte 4 „Verwendung“). Da sich auch in den anderen
Rubriken zu allen drei Kandidaten im Wesentlichen gleichartige Angaben
finden, drängt sich die Annahme auf, dass für die Reihung der Kandidaten und
für die Auswahl von Dr. W. die Bewertungen in den dienstlichen Beurteilungen
(Angaben in Spalte 5 „Beurteilung“) bestimmend waren, zumal es sich hierbei
um das - auch von Rechts wegen (dazu unten 2 a) - „naheliegende“ Kriterium
der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern handelt.
Ob das Konferenzprotokoll vom 15. Dezember 2008 damit bereits für sich
genommen den Dokumentationsanforderungen genügt, kann dahingestellt
bleiben, weil jedenfalls der Beschwerdebescheid des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - vom 27. April 2009 insoweit eine eindeutige
Klarstellung enthält. Der Bundesminister der Verteidigung war nach dem oben
Gesagten befugt, im Rahmen seiner Zuständigkeit zur Entscheidung über die
Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 WBO) die Dokumentation des Personalamts zu
ergänzen und inhaltlich fortzuschreiben. Im vorliegenden Fall kommt hinzu,
dass es sich bei dem Beschwerdebescheid, weil er auf eine
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Untätigkeitsbeschwerde der Antragstellerin erging, der Sache nach um die
erstmalige Bescheidung ihres Antrags auf Versetzung auf den strittigen
Dienstposten handelt. Nach dem Beschwerdebescheid wurde Dr. W. in erster
Linie ausgewählt, weil er über einen deutlichen Leistungsvorsprung aus den
letzten drei planmäßigen Beurteilungen verfüge. Ergänzend weist der
Beschwerdebescheid darauf hin, dass sich eine bessere Eignung von Dr. W. für
den Dienstposten auch aus dessen umfangreichen IT-Kenntnissen ergebe.
Andere Kriterien, wie etwa über die Qualifikation als Facharzt für
Laboratoriumsmedizin hinausgehende Weiterbildungen oder die Tatsache der
Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin, hätten bei der Auswahlentscheidung
keine Rolle gespielt.
Jedenfalls in der Gesamtschau ermöglichen damit das „Bewerberprofil“ vom 3.
November 2008, das Konferenzprotokoll vom 15. Dezember 2008 und die die
ergänzenden Ausführungen in dem Beschwerdebescheid des Bundesministers
der Verteidigung vom 27. April 2009 eine sachgerechte Kontrolle der
Auswahlentscheidung.
2. Die Auswahlentscheidung für den Dienstposten eines Laborgruppenleiters
(Teileinheit/Zeile 130/010) ist auch materiell rechtmäßig. Es ist rechtlich nicht zu
beanstanden, dass Oberfeldarzt
Dr.
W.
aufgrund
seiner besseren
Leistungsbewertung im Vergleich der dienstlichen Beurteilungen ausgewählt
und der Antragstellerin vorgezogen wurde.
a) Für die nach Art. 33 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 SG gebotene Auswahl nach
Eignung, Befähigung und Leistung und die gerichtliche Kontrolle der
Auswahlentscheidung gelten nach der Rechtsprechung des Senats
insbesondere die nachfolgenden Grundsätze (vgl. zum Ganzen
zusammenfassend insb. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB
39.07 - BVerwGE 133, 1 <2 ff.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49 und vom 27.
Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 -):
Da Eignung, Befähigung und Leistung unbestimmte Rechtsbegriffe wertenden
Inhalts sind, steht dem zuständigen Vorgesetzten bei der Entscheidung über die
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Eignung eines Soldaten für eine bestimmte Verwendung im Sinne des § 3 Abs.
1 SG ein Beurteilungsspielraum zu, den er unter Berücksichtigung des von dem
Soldaten wahrzunehmenden Dienstpostens auszufüllen hat (stRspr, vgl.
Beschluss vom 26. November 1986 - BVerwG 1 WB 117.86 - BVerwGE 83, 251
<253>). Demzufolge beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung der Eignung
insoweit auf die Kontrolle, ob der Vorgesetzte bei der Entscheidung den
anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen des
Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt
ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde
Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl.
Beschluss vom 14. September 1999 - BVerwG 1 WB 40, 41 und 42.99 -
BVerwGE 111, 22 <23> = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 21).
Festlegungen über die Anforderungen an die Wahrnehmung eines
Dienstpostens (etwa in Form einer Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung oder
eines Anforderungsprofils) unterliegen als organisatorische Maßnahmen nach
Maßgabe militärischer Zweckmäßigkeit zwar nicht der gerichtlichen Kontrolle,
binden aber die zuständige Stelle im Auswahlverfahren; sie ihre
Auswahlentscheidung an der Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung bzw. an
dem Anforderungsprofil ausgerichtet hat, ist gerichtlich in vollem Umfang
überprüfbar (vgl. dazu im Einzelnen Beschluss vom 16. Dezember 2008 a.a.O.
S. 3 f.).
Wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben -
in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der
Qualifikation Bedeutung (Beschluss vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 -
BVerwGE 128, 329 <338> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41; für das Beamtenrecht
Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61> =
Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54). Zur Ermittlung des Leistungsstandes
konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der
letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung
zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und
Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es nach der Rechtsprechung des
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Senats darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere
Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der
aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007
- BVerwG 1 WB 6.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 9 m.w.N. und vom 16.
Dezember 2008 a.a.O. S. 7).
Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung der Auswahlentscheidung
schließlich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung. Dies gilt auch für die hier vorliegende Kombination der
Anfechtung einer Auswahlentscheidung mit dem Verpflichtungsantrag, über die
Besetzung des Dienstpostens neu zu entscheiden (vgl. Beschlüsse vom 25.
April 2007 a.a.O. S. 334 und vom 16. Dezember 2008 a.a.O. S. 2).
b) Die Entscheidung über die Besetzung des hier strittigen Dienstpostens eines
Laborgruppenleiters steht im Einklang mit diesen Grundsätzen.
Wie bereits erwähnt verfügen alle drei betrachteten Bewerber über die
Qualifikation als Facharzt/Fachärztin für Laboratoriumsmedizin und erfüllen
damit das einzige im „Bewerberprofil“ zwingend vorgegebene
Anforderungskriterium für die Besetzung des Dienstpostens.
Für die Auswahl unter den mehreren grundsätzlich geeigneten Bewerbern war
nach dem Protokoll der Personalkonferenz in Verbindung mit dem
Beschwerdebescheid der „deutliche Leistungsvorsprung“ von Dr. W. im
Vergleich der - bestandskräftigen (dazu im Einzelnen unten 3.) - letzten drei
planmäßigen Beurteilungen ausschlaggebend. Das Personalamt und der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - haben damit auf dasjenige
Auswahlkriterium zurückgegriffen, das nach der Rechtsprechung, aber auch
nach den Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr (siehe insb. Nr. 102 Buchst. a ZDv 20/6) vorrangig
heranzuziehen ist. Die planmäßigen Beurteilungen waren insofern ohne
Weiteres miteinander vergleichbar, als alle Bewerber durchgängig denselben
Dienstgrad, nämlich den eines Oberstabsarztes, innehatten. Zutreffend hat der
Beschwerdebescheid bei dem Vergleich in erster Linie auf die aktuellste, für alle
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Bewerber zum Termin 31. März 2008 erstellte planmäßige Beurteilung
abgestellt. Der ausgewählte Kandidat Dr. W. erzielte hier auf der neunstufigen
Skala einen signifikant besseren Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung
(5,70) als die beiden Mitbewerber (die Antragstellerin: 4,80; Dr. R.: 3,80). Unter
dem Blickwinkel der Kontinuität des Beurteilungsbildes besteht ein
Leistungsvorsprung von Dr. W. auch bei der vorletzten, für alle Bewerber zum
Termin 30. September 2005 erstellten planmäßigen Berteilung; bei dieser
wurde Dr. W. auf der siebenstufigen Skala des damaligen Beurteilungssystems
mit einem Durchschnittswert von 6,38, die Antragstellerin mit 6,06 und Dr. R.
mit 6,25 beurteilt. Auch die vorvorletzte planmäßige Beurteilung, die allerdings
zu divergierenden Stichtagen erfolgte (Dr. W.: 31. März 2003 [das im
Konferenzprotokoll angegebene Datum 31. Juli 2004 betrifft eine die
planmäßige Beurteilung aufrechterhaltende Sonderbeurteilung]; Antragstellerin:
30. September 2001 [die Beurteilung 2003 entfiel wohl wegen der Elternzeit];
Dr. R.: 30. September 2003), steht jedenfalls nicht im Widerspruch zu der
getroffenen Auswahlentscheidung; die entsprechenden Durchschnittswerte
lauten insoweit für Dr. W. 6,19, für die Antragstellerin ebenfalls 6,19 und für Dr.
R. 6,07.
Insgesamt ist die getroffene Auswahlentscheidung damit bereits durch das
durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene bessere Leistungsbild von Dr.
W. gerechtfertigt. Auf die in dem Beschwerdebescheid ergänzend angeführten
umfangreichen IT-Kenntnisse von Dr. W. kommt es entscheidungserheblich
nicht mehr an.
Die Einwände der Antragstellerin stellen die Rechtmäßigkeit der
Auswahlentscheidung nicht in Frage.
Soweit die Antragstellerin auf ihre zusätzlichen ärztlichen Qualifikationen, wie
insbesondere ihre Qualifikation als Fachärztin für Mikrobiologie sowie ihre
besonderen molekularbiologischen Kenntnisse und Erfahrungen verweist,
gehören diese nicht zu den Anforderungen, die an den Dienstposteninhaber
gestellt werden; sie konnten deshalb bei der Auswahlentscheidung außer
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Betracht bleiben. Die Zweckmäßigkeit des „Bewerberprofils“ vom 3. November
2008 selbst unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle.
Soweit die Antragstellerin betont, dass sie zwar nur Auslandseinsatz,
diesen jedoch mit einer - gegenüber den Auslandseinsätzen von Dr. W.
längeren - Dauer von 6 Monaten absolviert habe, spielte dieses Kriterium bei
der Bewerberauswahl ersichtlich keine bestimmende Rolle. Wie im Einzelnen
aus der Kandidatenübersicht im Konferenzprotokoll ablesbar ist, haben sich alle
drei Bewerber im Auslandseinsatz bewährt; bei keinem Bewerber wurde die
erwünschte uneingeschränkte Verfügbarkeit für weitere Auslandseinsätze
angezweifelt.
Soweit sich die Antragstellerin schließlich wegen ihrer Situation als Mutter und
wegen der von ihr in Anspruch genommenen Teilzeitbeschäftigung benachteiligt
sieht, lässt sich der Auswahlentscheidung kein Anhaltspunkt für eine
rechtswidrige Diskriminierung entnehmen. Die Antragstellerin hat zwar
glaubhaft gemacht, dass zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten, dem
Abteilungsleiter I beim Zentralen Institut des Sanitätsdienstes, Unstimmigkeiten
herrschen, die sich gerade auch an der Tatsache ihrer Teilzeitbeschäftigung
festmachen; auch macht der Leiter des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes
in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2008 zur Besetzung des
Dienstpostens deutlich, dass es sich bei der Antragstellerin nicht um die von
ihm bevorzugte Kandidatin handelt. Die Auswahlentscheidung selbst stützt sich
jedoch, wie dargelegt, ausschlaggebend auf den - objektiven - Vergleich der
dienstlichen Beurteilungen. Auch wenn die Antragstellerin zu Recht auf dem
Standpunkt steht, dass sie wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht benachteiligt
werden dürfe - was im Übrigen auch der Beschwerdebescheid hervorhebt -, so
begründet die Tatsache der Teilzeitbeschäftigung andererseits aber auch
keinen Anspruch auf Bevorzugung in dem Sinne, dass dem oder der
Teilzeitbeschäftigten bei förderlichen Verwendungsentscheidungen trotz
schlechterer Leistungsbeurteilung der Vorrang zu geben wäre. Soweit die
Antragstellerin der Auffassung sein sollte, dass sie wegen ihrer
Teilzeitbeschäftigung bereits bei der Bewertung in der dienstlichen Beurteilung
benachteiligt worden sei, so hätte sie sich hiergegen mit einer Beschwerde
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- 19 -
gegen die dienstliche Beurteilung zur Wehr setzen müssen (siehe dazu sogleich
unter 3.). Soweit die Antragstellerin schließlich beanstandet, dass die Tatsache
ihrer Teilzeitbeschäftigung sowie ihr Entbindungstermin in dem
Konferenzprotokoll „speziell umkreist“ sei, ist diese „Umkreisung“ offenbar
später auf einer Kopie des Protokolls angebracht worden; sie befindet sich nicht
auf dem dem Gericht vorgelegten Original des Protokolls.
3. Das Personalamt der Bundeswehr und der Bundesminister der Verteidigung
waren nicht verpflichtet, im Rahmen der Auswahlerwägungen die Einwände der
Antragstellerin gegen die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Beurteilung vom 18.
März 2008 zu überprüfen. Sie konnten vielmehr die Beurteilung der
Antragstellerin - wie auch die entsprechenden Beurteilungen der Konkurrenten -
mit dem Inhalt, mit dem sie in Bestandskraft erwachsen ist, der
Auswahlentscheidung zugrunde legen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erwächst die dienstliche
Beurteilung eines Soldaten, die nicht fristgerecht im Beschwerdeweg
angefochten wird, in Bestandskraft (vgl. Beschlüsse vom 28. November 2000 -
BVerwG 1 WB 90.00 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 12, vom 3. Juli 2001 -
BVerwG 1 WB 18.01 - und vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 - Rn. 17 f.),
sofern sie nicht ausnahmsweise entsprechend den Grundsätzen des § 44
VwVfG nichtig ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom 4. Juli 1990 - BVerwG 1 WB 103.89
- und vom 2. März 1994 - BVerwG 1 WB 25.93 -). Wirkung der Bestandskraft in
diesem Sinne ist nicht nur die formelle Unanfechtbarkeit der Beurteilung mit
Rechtsbehelfen. Hinzu kommt vielmehr die materielle (Tatbestands-)Wirkung,
dass der von der Bestandskraft erfasste Inhalt der Beurteilung, wie hier
insbesondere die Wertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten (vgl.
Nr. 102 Buchst. b Satz 1 ZDv 20/6), zur Grundlage für andere Entscheidungen,
insbesondere im Rahmen von Auswahl- und Perspektivbestimmungsverfahren
(vgl. Nr. 102 Buchst. a Satz 2 ZDv 20/6), genommen werden kann.
Die Antragstellerin hat gegen ihre dienstliche Beurteilung vom 18. März 2008
keine Beschwerde erhoben. Sie hat vielmehr lediglich zu dem ihr
ausgehändigten Beurteilungsentwurf eine schriftliche Äußerung gemäß Nr. 619
Buchst. c ZDv 20/6 (Schreiben vom 28. Februar 2008) und sodann zu der ihr
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eröffneten Beurteilung eine - von ihr ausdrücklich als solche bezeichnete und
daher nicht als Beschwerde auslegbare - Gegenvorstellung gemäß Nr. 1001
ZDv 20/6 abgegeben (Schreiben vom 26. März 2008). Ein besonders
schwerwiegender und zudem offensichtlicher Fehler, der entsprechend § 44
Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit der Beurteilung führen könnte, ist weder nach
dem Vortrag der Antragstellerin noch sonst erkennbar. Die Beurteilung vom 18.
März 2008 ist damit bestandskräftig geworden.
b) Nach Eintritt der Bestandskraft kann der Soldat nur unter den
Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 51 VwVfG
eine Entscheidung über die Änderung oder Aufhebung der Beurteilung
beanspruchen (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 65.06 -,
vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 - Rn. 22 und vom 25. Juni 2008 -
BVerwG 1 WB 28.08 -). Im Übrigen kommt nur die Überprüfung im Wege der
Dienstaufsicht in Betracht (siehe dazu Nr. 901 ZDv 20/6). Allerdings wird die
Dienstaufsicht allein im öffentlichen Interesse wahrgenommen (vgl. Beschluss
vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62
= NZWehrr 2007, 252). Sie obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht
gegenüber den Untergebenen und dient damit nicht im Sinne des § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO der Wahrung der Rechte eines Soldaten; der betroffene Soldat hat
deshalb keinen Anspruch darauf, dass seine Beurteilung außerhalb eines
förmlichen Beschwerdeverfahrens in Ausübung der Dienstaufsicht durch einen
höheren Vorgesetzten oder durch personalbearbeitende Stellen aufgehoben
wird; die Unterlassung einer dienstaufsichtlichen Prüfung stellt - ebenso wie das
Ergebnis einer dienstaufsichtlichen Prüfung in Gestalt eines Bescheides -
gegenüber dem betroffenen Soldaten keine anfechtbare truppendienstliche
Maßnahme gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar (vgl. Beschluss vom 28. Mai
2008 - BVerwG 1 WB 11.08 - Rn. 18 m.w.N.).
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 2. September
2009 beim Personalamt der Bundeswehr das Wiederaufgreifen des Verfahrens
hinsichtlich ihrer dienstlichen Beurteilung vom 18. März 2008, hilfsweise deren
Aufhebung im Wege der Dienstaufsicht beantragt. Zur Begründung verwies sie
insbesondere auf den Beschluss des Senats vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB
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48.07 -, wonach für das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar
2007 eingeführte Richtwertesystem keine hinreichende normative Grundlage
bestehe und dienstliche Beurteilungen, die auf der Anwendung des
Richtwertesystems beruhten, rechtswidrig seien. Mit Bescheid vom 24.
November 2009 lehnte das Personalamt den Antrag auf Wiederaufgreifen des
Verfahrens ab, weil die gerichtliche Entscheidung vom 26. Mai 2009 keine
nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1
Nr. 1 VwVfG darstelle. Ferner teilte das Personalamt mit, dass es aus Gründen
der Rechtssicherheit die Beurteilung auch nicht im Wege der Dienstaufsicht
aufhebe. Gegen den Bescheid des Personalamts vom 24. November 2009 hat
die Antragstellerin keine Beschwerde eingelegt. Die Bestandskraft der
dienstlichen Beurteilung vom 18. März 2008 ist deshalb auch nicht nachträglich
durchbrochen worden.
c) Der Senat hält an den vorstehenden Grundsätzen seiner Rechtsprechung zur
Bestandskraft der dienstlichen Beurteilung der Soldaten auch nach erneuter
Überprüfung fest.
aa) Ein Anlass zur Korrektur der Senatsrechtsprechung ergibt sich nicht aus der
abweichenden Rechtslage bei der dienstlichen Beurteilung der .
Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind
dienstliche Beurteilungen der Beamten der Bestandskraft fähig (Urteile
vom 9. November 1967 - BVerwG 2 C 107.64 - BVerwGE 28, 191 = Buchholz
232 § 23 BBG Nr. 12, vom 13. November 1975 - BVerwG 2 C 16.72 - BVerwGE
49, 351 = Buchholz 237.1 Art. 118 BayBG Nr. 1 und vom 18. April 2002 -
BVerwG 2 C 19.01 - Buchholz 237.95 § 20 SHLBG Nr. 2; vgl. auch
Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3.
Aufl., Stand November 2009, Rn. 435 ff.). Der Beamte ist deshalb - im
Unterschied zum Soldaten - nicht genötigt, Einwendungen gegen die
Beurteilung unmittelbar gegen diese vorzubringen, um zu verhindern, dass eine
Beurteilung, die er für rechtswidrig hält, zu seinem Nachteil bei
Auswahlentscheidungen verwendet wird. Er kann vielmehr - auch ohne
vorherige Anfechtung der Beurteilung selbst - seine Einwendungen in dem
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Auswahlverfahren, in dem die Beurteilung herangezogen wird, ebenso wie in
einem ggf. anschließenden verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenstreit geltend
machen und die Beurteilung auf diese Weise einer inzidenten
Rechtmäßigkeitsprüfung zuführen; eine - einzelfallbezogene - Grenze wird
insoweit lediglich durch die Grundsätze der Verwirkung gezogen.
Diese abweichende Rechtslage bei der dienstlichen Beurteilung der Beamten
ist Folge einer andersartigen gesetzlichen Ausgestaltung des
Rechtsschutzsystems. Die für die Beamten geltenden Grundsätze lassen sich
deshalb nicht auf die dienstliche Beurteilung der Soldaten übertragen.
Die genannte Rechtsprechung zum Beamtenrecht beruht tragend auf dem
Umstand, dass Beurteilungen nicht als Verwaltungsakte im Sinne von § 35
VwVfG zu qualifizieren sind und deshalb nicht der Widerspruchsfrist des § 70
VwGO unterfallen. Daraus folgt, dass für die dienstlichen Beurteilungen der
Beamten keine Rechtsbehelfsfristen gelten, weshalb die Beurteilungen nicht
unanfechtbar werden und damit auch nicht in Bestandskraft erwachsen können
(vgl. Urteile vom 9. November 1967 a.a.O. S. 193 und vom 13. November 1975
a.a.O. S. 357).
Kennzeichnend für den Rechtsschutz der Soldaten ist hingegen, dass sämtliche
Rechtsbehelfe nach der für sie maßgeblichen Wehrbeschwerdeordnung - von
der Beschwerde über die weitere Beschwerde bis zum Antrag auf Entscheidung
durch das Wehrdienstgericht - einer Frist unterliegen (siehe § 6 Abs. 1, § 16
Abs. 1, § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO); die Beschwerdefrist des § 6 Abs. 1 WBO gilt
im Übrigen auch dann, wenn für eine Klage aus dem Wehrdienstverhältnis der
Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (§ 23 Abs. 1 WBO). Für den Rechtsschutz
nach der Wehrbeschwerdeordnung spielt hingegen die Qualifikation als
Verwaltungsakt keine Rolle; maßgeblich ist insoweit, wenn der Soldat
gerichtlichen Rechtsschutz begehrt, der - weiter gefasste - Begriff der
dienstlichen Maßnahme (§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO), dem nach ständiger
Rechtsprechung auch die dienstliche Beurteilung unterfällt (vgl. z.B. Beschluss
vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 -
und Buchholz vorgesehen>). Anders als die dienstliche Beurteilung des
Beamten wird deshalb die Beurteilung des Soldaten, wenn innerhalb der
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jeweiligen Frist kein Rechtsbehelf eingelegt wird, unanfechtbar und damit
bestandskräftig. Die Bestandskraft der Beurteilung kann auch nicht durch eine
inzidente Überprüfung in anderen Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen werden.
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss vom 26. Mai 2009
- BVerwG 1 WB 48.07 - zur fehlenden normativen Grundlage für das durch die
Beurteilungsbestimmungen vom 17.
Januar 2007 eingeführte
Richtwertesystem.
Der Senat hat bereits in diesem Beschluss (Rn. 68 f.) darauf hingewiesen, dass
es sich hierbei - ungeachtet der Tatsache, dass der beanstandete Verstoß
gegen den Vorbehalt des Gesetzes Auswirkungen auf eine Vielzahl von
dienstlichen Beurteilungen haben kann -
nicht um
eine
„Normenkontrollentscheidung“ handelt. Eine solche Verfahrensart sieht die
Wehrbeschwerdeordnung generell nicht vor; sie käme im Übrigen schon
deshalb nicht Betracht, weil es sich bei den Beurteilungsbestimmungen um eine
Verwaltungsvorschrift und nicht um eine Rechtsnorm handelt. Die in dem
Beschluss vom 26. Mai 2009 getroffenen Aussagen zur Zulässigkeit des
Richtwertesystems und zur Rechtswidrigkeit darauf beruhender dienstlicher
Beurteilungen können deshalb stets nur im Rahmen der Einzelfallprüfung zum
Tragen kommen, wenn ein Soldat seine dienstliche Beurteilung im
Wehrbeschwerdeverfahren anficht. Unberührt bleibt damit - auch nach dem
Beschluss vom 26. Mai 2009 - die Bestandskraft der auf der Grundlage des
neuen Beurteilungssystems erstellten und unanfechtbar gewordenen
dienstlichen Beurteilungen, wie hier die Beurteilung der Antragstellerin vom 18.
März 2008.
cc) Für die Rechtsprechung des Senats zur Bestandskraftfähigkeit dienstlicher
Beurteilungen von Soldaten sprechen im Übrigen auch materielle Erwägungen.
Das Rechtsschutzsystem der Wehrbeschwerdeordnung gewährt dem Soldaten
umfassenden Rechtsschutz innerhalb des Wehrdienstverhältnisses. Zugleich ist
es auf eine zügige Klärung und Befriedung und auf die baldmögliche
Herstellung von Rechtssicherheit angelegt; dem dienen auch die in allen
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Stadien des Wehrbeschwerdeverfahrens vorgesehenen und mit Devolutiveffekt
ausgestatteten Untätigkeitsrechtsbehelfe, mit denen der Soldat seinerseits das
Verfahren vorantreiben kann (siehe § 1 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 2
WBO). Das Interesse an einer zügigen Herstellung von Klarheit und
Rechtssicherheit, wie es durch die Bestandskraftfähigkeit der dienstlichen
Beurteilung gefördert wird, entspricht auch der Ausgestaltung des
Beurteilungswesens der Bundeswehr. Zum einen werden planmäßige
Beurteilungen für Soldaten in einem kurzen Turnus, nämlich alle zwei Jahre
erstellt (vgl. Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6). Die schnelle Abfolge und Erneuerung
der jeweils aktuellen Leistungsbewertung, die zugleich auf eine kontinuierliche
Fortschreibung des Beurteilungsbildes zielt, setzt voraus, dass förmliche
Einwendungen gegen eine Beurteilung zeitnah mit der Beschwerde vorgebracht
werden und nicht der nachfolgende Turnus (einschließlich der dabei durch den
Vorgesetzten zu führenden Beurteilungsgespräche) mit der Ungewissheit über
mögliche „versteckte“ Vorbehalte gegen die zurückliegende Beurteilung belastet
wird. Zum anderen wird in den neueren Beurteilungsbestimmungen der
Ausgangspunkt der dienstlichen Beurteilung als einer individuellen, auf die
Person des jeweiligen Soldaten bezogenen Wertung zunehmend durch den
Gedanken einer vergleichenden Betrachtung ergänzt, der die Leistung des zu
beurteilenden Soldaten auch in der Relation zu den vergleichbaren Leistungen
anderer Soldaten sieht und bewertet (vgl. z.B. Nr. 404 Abs. 1 ZDv 20/6). Wird
schon die Überprüfung der Leistungen des Soldaten im Beurteilungszeitraum
mit zunehmender zeitlicher Distanz immer schwieriger (was auch in der
beamtenrechtlichen Rechtsprechung als Problem gesehen wird; vgl. Urteil vom
13. November 1975 a.a.O. S. 358 f.), so verstärken sich diese Schwierigkeiten
noch erheblich, wenn das Leistungsbild darüber hinaus im Vergleich mit
anderen Soldaten und damit in einem weiter ausgreifenden Bezugsrahmen zu
würdigen ist. Auch dies spricht nachdrücklich dafür, den Rechtsschutz des
Soldaten auf die fristgebundene Anfechtung der dienstlichen Beurteilung
alsbald nach ihrer Eröffnung zu konzentrieren und eine inzidente Überprüfung
bestandskräftiger Beurteilungen in Auswahl- und Konkurrentenstreitverfahren
auszuschließen.
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Golze Dr. Frentz Dr. Langer