Urteil des BVerwG vom 17.07.2012

Einstellung des Verfahrens, Hauptsache, Versetzung, Ermessen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 35.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 17. Juli 2012 beschlossen:
Die dem Antragsteller in dem durch seinen Antrag auf ge-
richtliche Entscheidung vom 20. März 2012 eingeleiteten
Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen wer-
den dem Bund zur Hälfte auferlegt.
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G r ü n d e :
I
Dem Antragsteller geht es um die Erstattung seiner notwendigen Aufwendun-
gen im Wehrbeschwerdeverfahren.
Der Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ab-
lauf des 30. September 2021. Derzeit wird er als Nachprüfer F-4 Fachrichtung
Rettungs- und Sicherheitsgeräte bei der … in S. verwendet.
Mit Schreiben vom 1. September 2009 (dort „Versetzungsgesuch A“) beantrag-
te der Antragsteller seine Versetzung - unter anderem - auf den Oberstabsfeld-
webel-Dienstposten eines Fluggerätemechaniker-Feldwebel Fachrichtung Ret-
tungs- und Sicherheitsgeräte - Sammelfachtätigkeit - / Fluggerätemechaniker-
meister EF Fachrichtung Rettungs- und Sicherheitsgeräte / Nachprüfer Fach-
richtung Rettungs- und Sicherheitsgeräte - Sammelfachtätigkeit - / Rüstungs-
feldwebel Streitkräfte …. Die Stammdienststelle der Bundeswehr lehnte den
Antrag zunächst mit Bescheiden vom 6. Oktober 2010 und 22. März 2011 ab;
beide Bescheide wurden wieder aufgehoben, nachdem der Antragsteller jeweils
Beschwerde eingelegt hatte. Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 lehnte die Stamm-
dienststelle die Versetzung des Antragstellers auf den strittigen Dienstposten
erneut ab. Die hiergegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde wies der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 14. Februar
2012 zurück.
Mit Schriftsatz vom 20. März 2012 zeigten die Bevollmächtigten des Antragstel-
lers dessen Vertretung an und beantragten die Entscheidung des Bundesver-
waltungsgerichts. In der Sache wandten sie sich mit ausführlicher Begründung
gegen die Auswahlentscheidung bei der Besetzung des strittigen Dienstpostens
und beantragten, den Bescheid der Stammdienststelle vom 19. Mai 2011 und
den Beschwerdebescheid vom 14. Februar 2012 aufzuheben und den Bundes-
minister der Verteidigung zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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In einem Personalgespräch (Vermerk vom 9. Mai 2012) teilte die Stammdienst-
stelle der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass sie ihn bei der zum 1. Sep-
tember 2012 anstehenden Besetzung des Oberstabsfeldwebel-Dienstpostens
eines Fluggerätemechaniker-Feldwebels Rettung und Sicherheit - Sammelfach-
tätigkeit - und Fluggerätemechaniker-Feldwebels Transport/Hubschrauber
Flugausrüster … mitbetrachten werde.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. Mai 2012 erklärte der Antragstel-
ler daraufhin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt und beantragte die
Erstattung der ihm durch die Hinzuziehung der Bevollmächtigten entstandenen
Kosten. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag mit sei-
ner Stellungnahme vom 22. Juni 2012 dem Senat vor, schloss sich der Erledi-
gungserklärung an und stellte die Kostenentscheidung in das Ermessen des
Gerichts.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung
- R II 2 - Az.: …/12 - lag dem Senat bei der Beratung vor.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat nur zum Teil Erfolg. Die dem An-
tragsteller in diesem Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden
zur Hälfte dem Bund auferlegt.
1. Über den Antrag entscheidet der Senat in der Besetzung ehrenamtliche
Richter.
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Erledigt sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder erklären die Beteilig-
ten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt,
der Bundesminister der Verteidigung den Antrag dem Bundesverwaltungsge-
richt vorgelegt hat (§ 21 Abs. 3 Satz 1 WBO) und der Antrag hierdurch rechts-
hängig geworden ist, so stellt der Senat das Verfahren ein und befindet gemäß
§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Ver-
fahrens. Nach ständiger Rechtsprechung entscheidet der Senat hierbei ent-
sprechend § 80 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 WDO und § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 5
Abs. 3 Satz 2 VwGO in der Besetzung ehrenamtliche Richter.
Erledigt sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder erklären - wie hier -
die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt,
der Bundesminister der Verteidigung den bei ihm gestellten (§ 21 Abs. 1
Satz 2 WBO) Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, so kann der
Antragsteller weiterhin die Vorlage seines Antrags verlangen, um die Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts über die Erstattung seiner notwendigen
Aufwendungen nach § 20 Abs. 3 WBO herbeizuführen; Gegenstand des
rechtshängigen Verfahrens ist dann der geltend gemachte Auslagenerstat-
tungsanspruch (vgl. Beschlüsse vom 8. Juli 1980 - BVerwG 1 WB 134.79 -
BVerwGE 73, 24 = NZWehrr 1981, 61, vom 7. Juni 1995 - BVerwG 1 WB
51.95 - und vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 60.05 - Buchholz 450.1 § 17
WBO Nr. 60). Hierüber hat der Senat bisher in der Besetzung ehrenamtli-
chen Richtern entschieden (vgl. zuletzt Beschluss vom 14. Juni 2006 a.a.O.).
Für diese Praxis ist nach der Änderung der Wehrbeschwerdeordnung durch das
Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsän-
derungsgesetz 2008 - WehrRÄndG 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629)
kein Raum mehr. Durch Art. 5 Nr. 12 WehrRÄndG 2008 wurde mit der - am
1. Februar 2009 in Kraft getretenen (Art. 18 Abs. 2 WehrRÄndG 2008) - Vor-
schrift des § 16a WBO eine Regelung über die Erstattung der notwendigen Auf-
wendungen und Kosten im Verfahren eingefügt. Die Entschei-
dung über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen und die Notwendig-
keit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten kann danach durch Anrufung des
zuständigen Wehrdienstgerichts angefochten werden (§ 16a Abs. 5 Satz 1 und
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4 WBO). Die gerichtliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch erfolgt
dabei stets in der Besetzung ehrenamtliche Richter, entweder durch den
Vorsitzenden der Truppendienstkammer (§ 16a Abs. 5 Satz 3 WBO) oder - im
Falle der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts - durch drei Berufsrich-
ter des Senats (§ 16a Abs. 5 Satz 3 und 4 WBO; vgl. dazu im Einzelnen Be-
schluss vom 28. September 2009 - BVerwG 1 WB 31.09 - Buchholz 450.1
§ 16a WBO Nr. 1 Rn. 16 = NZWehrr 2010, 38).
Aus der Vorschrift des § 16a Abs. 5 WBO ist der eindeutige Wille des Gesetz-
gebers ersichtlich, das Wehrbeschwerdeverfahren, wenn es nur noch um die
Erstattung von notwendigen Aufwendungen geht, möglichst unkompliziert zu
regeln und einem zügigen Abschluss zuzuführen, wie er durch die Entschei-
dung unabhängig von gerichtlichen Sitzungsterminen und ohne die Heranzie-
hung ehrenamtlicher Richter gefördert wird. Mit diesem Ziel und der Systematik
der gesetzlichen Regelung würde es nicht übereinstimmen, wenn zwar in den
Fällen der Erledigung der Hauptsache im vorgerichtlichen Beschwerdeverfah-
ren (§ 16a Abs. 5 WBO) oder nach Vorlage des Antrags auf gerichtliche Ent-
scheidung (§ 21 Abs. 3 Satz 1 WBO) eine Mitwirkung ehrenamtlicher Richter
nicht vorgesehen ist, das Gericht jedoch in dem Sonderfall, dass sich ein Antrag
nach Stellung, aber vor Vorlage erledigt, in der („großen“) Besetzung mit ehren-
amtlichen Richtern zu entscheiden hätte. Es dient zudem der Klarheit und
Rechtssicherheit, wenn feststeht, dass die Wehrdienstgerichte - unabhängig
von etwaigen Besonderheiten und Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs - über
nach Erledigung in der Hauptsache noch verbleibende Kostenfragen stets in
der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheiden.
Für diese Auslegung spricht ferner, dass nach dem gesetzlichen Regelungs-
modell die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter vorgesehen und gerechtfertigt ist,
soweit wehrdienstrechtliche Fragen zu entscheiden sind, bei deren Beurteilung
die spezifische Fachkunde und Einschätzung ehrenamtlicher (militärischer) Bei-
sitzer von besonderer Bedeutung sind; die Beteiligung ehrenamtlicher Richter
ist jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um Entscheidungen über rein verfah-
rensrechtliche Vorfragen oder um Neben- oder Zwischenentscheidungen han-
delt, die auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren außerhalb der Hauptver-
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handlung nur mit drei richterlichen Mitgliedern beurteilt werden (vgl. Beschluss
vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - Rn. 32 f.
druckt in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3> zur Entscheidung über die Verwei-
sung eines Rechtsstreits an das zuständige Gericht). Dazu gehören auch die
genannten Kostenfragen, bei deren Entscheidung (siehe nachfolgend 2.) das
Gericht in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht nicht mehr in eine vertiefte Fall-
lösung eintritt.
2. Nach den im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätzen ist bei überein-
stimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen un-
ter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden
(§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse
vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - und vom 27. Juli 2011 - BVerwG
1 WB 21.11 - jeweils m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen
notwendigen Aufwendungen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen.
Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse
vom 5. August 2010 - BVerwG 1 WDS-VR 3.10 - und vom 27. Juli 2011
- BVerwG 1 WB 21.11 -) in der Regel die notwendigen Aufwendungen (voll-
ständig) dem Bund aufzuerlegen, wenn die übereinstimmenden Erledigungser-
klärungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt wurde. Das ist
vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Antragsteller hat das streitgegenständliche
Ziel, die Versetzung auf den Oberstabsfeldwebel-Dienstposten …, nicht er-
reicht; die Stammdienststelle der Bundeswehr hat ihre diesbezügliche Aus-
wahlentscheidung nicht revidiert. Dem Antragsteller wurde in dem Personalge-
spräch (Vermerk vom 9. Mai 2012) lediglich mitgeteilt, dass er bei der zum
1. September 2012 anstehenden Besetzung eines zwar im Wesentlichen wohl
gleichwertigen, aber anderen Oberstabsfeldwebel-Dienstpostens … mit be-
trachtet werde.
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Die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen sind zur Hälfte
jedoch deshalb dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussichten des ur-
sprünglichen Rechtsschutzbegehrens - Aufhebung der ablehnenden Bescheide
und Neubescheidung des Antrags auf Versetzung auf den Oberstabsfeldwebel-
Dienstposten … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - nach
dem bisherigen Sach- und Streitstand als offen einzuschätzen sind (vgl. Be-
schluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 1 WB 66.09 - Rn. 10 ff. sowie allgemein
zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten
Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September
2011, § 161 Rn. 22 m.w.N.). Die Stammdienststelle hat sich mehrfach mit dem
Versetzungsbegehren des Antragstellers befasst; dem streitgegenständlichen
Bescheid vom 19. Mai 2011 gingen zwei auf Beschwerden des Antragstellers
hin aufgehobene Ablehnungsbescheide vom 6. Oktober 2010 und 22. März
2011 voraus. Der Antragsteller hat sich seinerseits mit ausführlicher und subs-
tantiierter Begründung gegen die Auswahlentscheidung gewandt (Beschwerde
vom 23. Juni 2011 und Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. März
2012). Eine abschließende Beurteilung des Falls bedürfte deshalb weiterer Er-
mittlungen, insbesondere unter Einbeziehung der Verhältnisse des für den
Dienstposten ausgewählten Bewerbers, für die im Rahmen der auf den
Sach- und Streitstand eingegrenzten Kostenentscheidung jedoch kein
Raum ist.
Insgesamt erscheint deshalb unter Billigkeitsgesichtspunkten eine hälftige Kos-
tenteilung angemessen.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer
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Sachgebiet:
BVerwGE:
Nein
Wehrbeschwerdeverfahrensrecht
Fachpresse:
Ja
Rechtsquellen:
WBO
§ 16a Abs. 5, § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3 Satz 1
Stichworte:
Erledigung in der Hauptsache; Erstattung der notwendigen Aufwendungen; Be-
setzung des Senats bei Kostenentscheidungen.
Leitsatz:
Über die Einstellung des Verfahrens und die Erstattung notwendiger Aufwen-
dungen entscheidet der Senat auch dann in der Besetzung ohne ehrenamtliche
Richter, wenn sich der beim Bundesminister der Verteidigung gestellte Antrag
auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, bevor der Antrag
dem Senat gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 WBO vorgelegt wurde.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 17. Juli 2012 - BVerwG 1 WB 35.12