Urteil des BVerwG vom 27.01.2010

Falsche Auskunft, Bekanntgabe, Zufall, Beschwerdefrist

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 35.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberleutnant ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wilcke und
den ehrenamtlichen Richter Oberleutnant Merkl
am 27. Januar 2010 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in
seiner einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1/Sabotageschutz).
Der 1967 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 31. August 2022. Zum Oberleutnant wurde er am
18. Oktober 2005 ernannt. Derzeit wird er beim Lufttransportgeschwader ... in
W. als Lehroffizier verwendet.
Mit Bescheid vom 21. August 2007 stellte der Geheimschutzbeauftragte des
Streitkräfteamts fest, dass die für den Antragsteller durchgeführte erweiterte
Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) Umstände ergeben hat, die im Hinblick auf
eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellen; die
Entscheidung umfasste auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen
Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 (Verschlusssachenschutz). Die Feststellung
des Sicherheitsrisikos stützte sich darauf, dass der Antragsteller bei
Sicherheitsüberprüfungen in den Jahren 1994 und 1999 ebenso wie in dem
aktuellen Verfahren unvollständige und unwahre Angaben zu seinen
finanziellen Verhältnissen und zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn
gemacht habe.
Am 10.
September 2007 leitete der Sicherheitsbeauftragte des
Lufttransportgeschwaders
...
für den Antragsteller eine einfache
Sicherheitsüberprüfung (Ü
1/
Sabotageschutz) ein. In seiner
Sicherheitserklärung vom 6. September 2007 bat der Antragsteller zu Frage Nr.
4.1 (Sind Sie in der Lage, Ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen?)
um ein Gespräch und beantwortete die Frage 4.2 (Sind in den letzten fünf
Jahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Sie erfolgt?) mit „Ja“.
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Mit Schreiben vom 30. April 2008 hörte der Geheimschutzbeauftragte des
Streitkräfteamts den Antragsteller zu den vom Militärischen Abschirmdienst
ermittelten sicherheitserheblichen Erkenntnissen an.
Der Antragsteller nahm hierzu mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 3.
Juni 2008 Stellung. Dabei räumte er seine früheren unwahren Angaben ein.
Diese stellten jedoch seiner Auffassung nach seine Zuverlässigkeit und
Vertrauenswürdigkeit für die Zukunft nicht in Frage. Seine Beurteilungen
würden ihn als gefestigten und zielstrebigen Offizier ausweisen. Er leiste seit 20
Jahren Dienst, ohne dass es zu Unzuverlässigkeiten gekommen sei. Seine
Finanzen seien mittlerweile geordnet und schon die nächste Abrechnung werde
frei von Pfändungen und Abtretungen sein.
Mit Schreiben vom 21. August 2008 an die Bevollmächtigten des Antragstellers,
nachrichtlich an den Antragsteller selbst, teilte der Geheimschutzbeauftragte
des Streitkräfteamts mit, dass die Ausführungen im Rahmen der Anhörung die
Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers
nicht hinreichend hätten entkräften können. Wegen der wiederholten unwahren
Angaben in Sicherheitserklärungen und des wiederholten Vertrauensbruchs
müsse der Antragsteller noch über einen längeren Zeitraum zeigen, dass sich
seine Persönlichkeit und sein Charakter gefestigt hätten, bevor ihm eine
sicherheitsempfindliche Tätigkeit anvertraut werden könne. Das Ergebnis der
Sicherheitsüberprüfung werde dem Antragsteller zu gegebener Zeit von der
personalbearbeitenden Dienststelle eröffnet, die ihn zugleich über die
eintretenden Folgen in Kenntnis setze.
Mit Schriftsatz vom 19. September 2008 bestätigten die Bevollmächtigten des
Antragstellers den Erhalt des Schreibens vom 21. August 2008 und nahmen
nochmals zu den sicherheitserheblichen Umständen Stellung.
Mit formularmäßigem Bescheid vom 21. August 2008, dem in der vorgelegten
Akte
eine sechsseitige Begründung beigefügt ist, stellte der
Geheimschutzbeauftragte des Streitkräfteamts fest, dass die einfache
Sicherheitsüberprüfung (Ü 1/Sabotageschutz) Umstände ergeben habe, die im
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Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko
darstellten. Eine Wiederholungsüberprüfung könne bei Bedarf im August 2012
eingeleitet werden. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 30. September
2008 im Auftrag des Personalamts der Bundeswehr (als personalbearbeitender
Stelle) durch seinen Staffelchef eröffnet. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008
teilte der Kommandeur des Lufttransportgeschwaders ... - Fliegende Gruppe -
dem Antragsteller ferner mit, dass er wegen des Ergebnisses der
Sicherheitsüberprüfung keine Tätigkeiten in sicherheitsrelevanten Bereichen
mehr übernehmen könne. Der Antragsteller könne zwar auf seinem bisherigen
Dienstposten verbleiben; sein Zugang zu und sein
Umgang mit
Verschlusssachen sei jedoch beschränkt.
Mit Schreiben vom 25. November 2008 wandten sich die Bevollmächtigten des
Antragstellers an den Geheimschutzbeauftragten und baten um eine Reaktion
auf ihr Schreiben vom 19. September 2008. Der Geheimschutzbeauftragte teilte
den Bevollmächtigten unter dem 5. Dezember 2008 mit, dass die Entscheidung
dem Antragsteller am 30. September 2008 eröffnet worden und das
Sicherheitsüberprüfungsverfahren damit beendet sei.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. Dezember 2008 legte der
Antragsteller Beschwerde gegen das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung ein.
Die Eröffnung der Entscheidung sei nicht wirksam, weil sie gegen §§ 14 und 41
VwVfG verstoße. Die Eröffnung bzw. Bekanntgabe hätte nicht ihm, sondern
seinen Bevollmächtigten gegenüber erfolgen müssen. Außerdem fehle eine
Rechtsbehelfsbelehrung, weshalb die Jahresfrist des § 58 VwGO gelte.
Hilfsweise werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. In der Sache
verweise er auf die bis dahin abgegebenen Stellungnahmen.
Mit Bescheid vom 8. April 2009, zugestellt am 14. April 2009, wies der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde als unzulässig
zurück. Die Beschwerde sei erst erheblich nach Ablauf der mit der Eröffnung
am 30. September 2008 beginnenden Beschwerdefrist eingelegt worden. Da es
sich bei der Mitteilung des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung um eine
truppendienstliche Erstmaßnahme handele, sei eine Rechtsbehelfsbelehrung
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nicht erforderlich gewesen. Das Ergebnis eines
Sicherheitsüberprüfungsverfahrens werde nicht dem Vertreter, sondern gemäß
Nr. 2712 ZDv 2/30 nur dem betroffenen Soldaten selbst eröffnet; die
Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes seien insoweit nicht
anwendbar. Ungeachtet dessen habe der Geheimschutzbeauftragte mit
Schreiben vom 21. August 2008 die Bevollmächtigten über die beabsichtigte
Feststellung des Sicherheitsrisikos sowie über die Modalitäten des Verfahrens
informiert. Es habe deshalb in der Risikosphäre des Antragstellers und seiner
Bevollmächtigten gelegen, sich nach dem 30. September 2008 über die weitere
Vorgehensweise rechtzeitig zu informieren. Eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil diese Rechtsfigur in der
Wehrbeschwerdeordnung nicht vorgesehen sei. Ein unabwendbarer Zufall im
Sinne des § 7 WBO sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im
dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids führte der Bundesminister der
Verteidigung aus, dass die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten auch
in der Sache nicht zu beanstanden sei.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 13. Mai 2009 beantragte der
Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen mit
seiner Stellungnahme vom 29. Juni 2009 dem Senat vor.
Zur Begründung führt der Antragsteller ergänzend insbesondere aus:
Sämtlicher Schriftwechsel seit Juni 2008 sei zwischen dem
Geheimschutzbeauftragten und seinen Bevollmächtigten geführt worden. Die
anwaltliche Vertretung sei nicht zurückgewiesen worden, was im Hinblick auf
Nr. 2708 ZDv 2/30 auch nicht zulässig gewesen wäre. Dementsprechend habe
er davon ausgehen können, dass, wenn das Ergebnis der
Sicherheitsüberprüfung nicht schon direkt den Bevollmächtigten, sondern ihm
eröffnet werde, den Bevollmächtigten zumindest eine Durchschrift der
Entscheidung zur Verfügung gestellt werde. Der Geheimschutzbeauftragte sei
deshalb am 25. November 2008 in Unkenntnis der Eröffnung angeschrieben
und um eine Reaktion auf den Schriftsatz vom 19. September 2008 gebeten
worden. Da er, der Antragsteller, davon ausgegangen sei, dass den
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Bevollmächtigten die Eröffnung mitgeteilt werde und diese fristgerecht darauf
reagieren könnten, habe er die Eröffnung durch seinen Staffelkapitän lediglich
als zweitrangig angesehen. Obwohl er über umfangreichere Kenntnisse der
Wehrbeschwerdeordnung verfüge als einige seiner Kameraden, sei er sich
nicht im Klaren darüber gewesen, dass er selbst fristgebunden hätte reagieren
müssen. Auch hätte die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten im
Hinblick auf den Beschluss des Senats vom 24. Januar 2006 - BVerwG 1 WB
15.05 - einer Rechtsbehelfsbelehrung bedurft.
In der Sache verwies der Antragsteller auf seinen bisherigen Vortrag sowie auf
ein als Anlage beigefügtes Schreiben an den Wehrbeauftragten des Deutschen
Bundestages vom Juni 2009, in dem er ausführlich seinen bisherigen
Werdegang in der Bundeswehr und seine Dienstauffassung darstellte. Die
Zweifel an seiner Zuverlässigkeit seien ihm, dem Antragsteller, angesichts der
langen Zeit von der ersten Überprüfung bis zur Feststellung der unwahren
Angaben, in der er sich dennoch positiv bewährt habe, nicht nachvollziehbar. Er
halte
deshalb
die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten für
unverhältnismäßig. Auch nach seiner jüngsten Beurteilung vom 21. März 2007
übertreffe er sehr deutlich die Anforderungen und zeige eine ausgeprägte
Identifikation mit seinem Beruf als Soldat und Offizier. Ihm in einer solchen
Situation sein bisheriges Einsatzfeld zu entziehen, in dem er seine besonderen
Fähigkeiten gezeigt habe, müsse zwangsläufig zu einer Demoralisierung
führen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die bereits in dem Beschwerdebescheid dargelegten
Gründe, aus denen sich die verspätete Einlegung der Beschwerde ergebe. In
der Sache weist er insbesondere darauf hin, dass der Antragsteller wiederholt
und in mehreren Sicherheitsüberprüfungsverfahren unwahre Angaben gemacht
habe.
Der Wahrheitspflicht komme gerade im Rahmen eines
Sicherheitsüberprüfungsverfahrens und bei
Wahrnehmung einer
sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eine besondere Bedeutung zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 535/09 - und die Personalgrundakte des
Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg. Der Bundesminister
der Verteidigung hat die Beschwerde des Antragstellers zu Recht als unzulässig
zurückgewiesen, weil diese nicht rechtzeitig eingelegt worden ist.
1. Die Beschwerdefrist begann mit der Eröffnung der hier strittigen
Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts gegenüber
dem Antragsteller am 30. September 2008.
a) Nach § 6 Abs. 1 WBO in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009
geltenden Fassung des Gesetzes darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf
einer Nacht und muss binnen zwei Wochen eingelegt werden, nachdem der
Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis
vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind,
aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, vgl.
Beschlüsse vom 30. November 2006 - BVerwG 1 WB 18.06 - Buchholz 450.1 §
6 WBO Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127, vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB
45.07 - Buchholz 450.1 § 6 WBO Nr. 5 und vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB
4.09 und 1 WB 5.09 - NZWehrr 2009, 253). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1
WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die „Bekanntgabe des
ablehnenden Bescheides“ (in der bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung)
bzw. an die „Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheides“ (in der
ab 1. Februar 2009 geltenden Fassung) anknüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den
Beginn der Beschwerdefrist demnach nur die tatsächliche, positive Kenntnis
vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für eine
truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine
spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift
vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann
beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen
Bekanntgabe zu laufen (vgl. Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB
93.95 - = Buchholz 402.8 § 5
SÜG Nr. 6 = NZWehrr 1997, 158, vom 28. April 2009 a.a.O. sowie zuletzt vom
22. Dezember 2009 - BVerwG 1 WNB 6.09 -).
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Eine derartige besondere Form der Bekanntgabe ergibt sich vorliegend aus Nr.
2710 und Nr. 2712 Abs. 1 ZDv 2/30 (vgl. zum folgenden Beschlüsse vom 4.
September 1996 - BVerwG 1 WB 14.96 - Buchholz 311 § 6 WBO Nr. 2 =
NZWehrr 1997, 78, vom 15. Oktober 1996 a.a.O. und vom 8. März 2007 -
BVerwG 1 WB 63.06 -). Gemäß Nr. 2710 Abs. 1 Satz 1 ZDv 2/30 hat der
Geheimschutzbeauftragte, wenn er die Verwendung des Betroffenen in
sicherheitsempfindlicher Tätigkeit wegen Vorliegens eines Sicherheitsrisikos
ablehnt, den Sicherheitsbeauftragten (mit Nebenabdruck für die
personalbearbeitende Stelle) und den Militärischen Abschirmdienst zu
unterrichten; der Sicherheitsbeauftragte der Beschäftigungsdienststelle des
Betroffenen unterrichtet unverzüglich den Dienststellenleiter und leitet den
Nebenabdruck an die zuständige personalbearbeitende Stelle weiter (Nr. 2710
Abs. 3 ZDv 2/30); die personalbearbeitende Stelle schließlich setzt die
Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten in eine dienst-
oder
arbeitsrechtliche Maßnahme um und unterrichtet den Betroffenen über die
Ablehnung der Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (Nr.
2712 Abs. 1 ZDv 2/30). In dieser Weise ist auch gegenüber dem Antragsteller
verfahren worden. Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten des
Streitkräfteamts vom 21. August 2008, der ein Sicherheitsrisiko feststellte,
wurde dem Antragsteller am 30. September 2008 im Auftrag des Personalamts
der Bundeswehr (als der für den Antragsteller zuständigen
personalbearbeitenden Stelle) durch seinen Staffelchef, Major L., eröffnet.
Dieser Vorgang als solcher wird von dem Antragsteller nicht bestritten.
b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers musste die Entscheidung des
Geheimschutzbeauftragten nicht gegenüber seinen Bevollmächtigten eröffnet
oder bekanntgegeben oder diesen zumindest (zeitnah zu der Eröffnung
gegenüber dem Antragsteller) ein Abdruck der Entscheidung übermittelt
werden.
Die Wehrbeschwerdeordnung enthält keine Bestimmung, wonach die
Bekanntgabe einer Entscheidung nur an einen bestellten Bevollmächtigten
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erfolgen kann (vgl. - auch zum Folgenden - Beschluss vom 13. August 2008
a.a.O.).
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Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen
verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Dabei kommt es auf die - vom
Bundesminister der Verteidigung unter Berufung auf Nr. 2 des Erlasses zur
Vertretung von Soldaten gegenüber personalbearbeitenden Stellen außerhalb
von Beschwerdeverfahren (vom 11. September 1987, VMBl S. 335) verneinte -
Frage nicht an, ob die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über
Bevollmächtigte und Beistände in truppendienstlichen Angelegenheiten
Anwendung finden. Denn § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG sieht lediglich vor, dass die
Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes auch gegenüber einem bestellten
Bevollmächtigten vorgenommen werden (jedoch nicht muss). § 41 Abs. 1
Satz 2 VwVfG stellt eine spezielle Vorschrift dar, die für die Bekanntgabe einer
Entscheidung die allgemeine Regelung des § 14 Abs. 3 VwVfG, wonach sich
die Behörde an einen bestellten Bevollmächtigten wenden , verdrängt (vgl.
näher Urteil vom 30. Oktober 1997 - BVerwG 3 C 35.96 - BVerwGE 105, 288
<292 ff.> = Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 11). Die Vorschrift des § 7 Abs. 1
Satz 2 VwZG, wonach eine Zustellung an den bestellten Bevollmächtigten zu
richten , wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, ist schließlich schon
deswegen nicht einschlägig, weil die Entscheidung des
Geheimschutzbeauftragten nicht förmlich zugestellt wurde und auch nicht
förmlich zugestellt werden musste.
2. Begann die Zwei-Wochen-Frist für die Einlegung der Beschwerde nach § 6
Abs. 1 WBO demnach am 30. September 2008, so endete sie nach der - im
Wehrbeschwerdeverfahren (ab dem 1. Februar 2009: gemäß § 23a Abs. 2
WBO) entsprechend anwendbaren - Regelung des § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. §
222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 14. Oktober
2008.
Die mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 23. Dezember 2008 eingelegte
Beschwerde war damit verspätet. Das Schreiben vom 19. September 2008
stellt seinem Inhalt nach offenkundig eine Äußerung im Rahmen der - nach
Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers noch offenen - Anhörung,
nicht aber die Einlegung eines Rechtsbehelfs dar; letzteres wird von dem
Antragsteller auch nicht geltend gemacht.
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a) Die Verfristung der Beschwerde wird auch nicht dadurch ausgeschlossen,
dass der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten keine
Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Zwar ist es gemäß § 7 Abs. 2 WBO als
ein unabwendbarer, die Einhaltung einer Frist hindernder Zufall anzusehen,
wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden
ist; in diesem Falle läuft die Frist erst drei Tage (ab 1. Februar 2009: zwei
Wochen) nach Beseitigung des Hindernisses, d.h. der nachträglichen Erteilung
einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, ab (§ 7 Abs. 1 WBO). Dies
gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch nur dann, wenn eine
gesetzliche Verpflichtung besteht, eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, oder
wenn eine solche Belehrung im Hinblick auf eine nicht vorauszusetzende
Kenntnis der Frist verfassungsrechtlich geboten ist.
Die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts bedurfte
danach keiner Rechtsbehelfsbelehrung. Die Wehrbeschwerdeordnung schreibt
Rechtsbehelfsbelehrungen nur für ablehnende Beschwerdeentscheidungen vor
(§ 12 Abs. 1 Satz 4, § 16 Abs. 4 WBO). Eine darüber hinausgehende
verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer derartigen Belehrung hat der
Senat für die bis zum 31. Januar 2009 geltende Fassung der
Wehrbeschwerdeordnung
nur bei truppendienstlichen Erstmaßnahmen
angenommen, die unmittelbar vom Bundesminister der Verteidigung erlassen
sind und gegen die deshalb als Rechtsbehelf nur der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung - mit dem Zwang, den Antrag innerhalb der Antragsfrist nicht nur
einzulegen, sondern auch zu begründen - zu Gebote steht (§ 21 Abs. 1 und
Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO). Ansonsten bedürfen
truppendienstliche Erstmaßnahmen - wie hier die Entscheidung des
Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts - keiner Belehrung, weil der
Rechtsbehelf der Beschwerde und die dafür geltende Frist des § 6 Abs. 1 WBO
- jedenfalls in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009 geltenden
Fassung des Gesetzes - bei allen Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden
können (stRspr, vgl. Beschluss vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 38.08 -
m.w.N.).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller angeführten
Beschluss des Senats vom 24. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 15.05 - (BVerwGE
125, 56 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 11). Denn Gegenstand des dortigen
Verfahrens war -
anders als hier
-
nicht ein Bescheid
des
Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts, sondern ein Bescheid des
Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung. Das
Handeln des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der
Verteidigung ist dem Bundesminister der Verteidigung im Sinne des § 21 Abs. 1
WBO zuzurechnen, weshalb als Rechtsbehelf nicht - wie hier - die Beschwerde,
sondern nur unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in Betracht
kam. Deshalb war nach den dargelegten Grundsätzen - anders als hier - auch
eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich.
b) Andere Umstände, die im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO als den Fristablauf
hemmender „unabwendbarer Zufall“ angesehen werden könnten, liegen nicht
vor. Dies gilt insbesondere für die fehlerhafte Einschätzung der Situation und
der erforderlichen Schritte zur Rechtswahrung durch den Antragsteller und
seine Bevollmächtigten.
Grundsätzlich gilt, dass eine unrichtige Rechtsauffassung oder mangelnde
Rechtskenntnis keinen unanwendbaren Zufall im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO
begründen (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 7 Rn. 12 mit zahlreichen Beispielen
und Nachweisen). Im Falle des Antragstellers ist ferner zu berücksichtigen,
dass er bereits wiederholt eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen hat und ihm
erst etwa ein Jahr vor der hier strittigen Entscheidung in Gestalt des Bescheids
des Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts vom 21. August 2007 eine
negative Entscheidung in einem Sicherheitsüberprüfungsverfahren eröffnet
worden ist; es ist deshalb davon auszugehen, dass dem Antragsteller der
Ablauf und die Bedeutung der einzelnen Verfahrensschritte durchaus vertraut
waren. Darüber hinaus hat der Geheimschutzbeauftragte mit Schreiben vom
21. August 2008 die Bevollmächtigten des Antragstellers und - nachrichtlich -
den Antragsteller selbst über die beabsichtigte Entscheidung und das weitere
Vorgehen, wie es in Nr. 2712 ZDv 2/30 vorgesehen ist, korrekt informiert.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung
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wird Ihrem Mandanten zu gegebener Zeit von der personalbearbeitenden
Dienststelle eröffnet, die ihn zugleich auch über die eintretenden Folgen in
Kenntnis setzt“. Die Annahme des Antragstellers und seiner Bevollmächtigten,
der Geheimschutzbeauftragte werde seine Entscheidung (auch) den
Bevollmächtigten gegenüber eröffnen bzw. bekanntgeben, entspricht deshalb
nicht nur nicht der Rechts- und Vorschriftenlage (dazu oben 1. b); sie wurde
auch nicht etwa durch eine falsche Auskunft oder ein irreführendes Verhalten
des Geheimschutzbeauftragten veranlasst. Es wäre daher allein Sache des
Antragstellers und seiner Bevollmächtigten gewesen, sicherzustellen, dass
nach Eröffnung der Entscheidung gegenüber dem Antragsteller rechtzeitig die
erforderlichen Schritte ergriffen werden. Eventuelle Kommunikations- und
Koordinationsprobleme zwischen dem
Antragsteller und seinen
Bevollmächtigten liegen in deren Verantwortungs- und Risikobereich und stellen
keinen unabwendbaren Zufall im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO dar. Dabei bedarf
es keiner Aufklärung, bei wem - dem Antragsteller oder seinen
Bevollmächtigten - letztlich der für die verspätete Einlegung der Beschwerde
ursächliche „Fehler“ lag; denn im Wehrbeschwerdeverfahren geht auch ein von
den Bevollmächtigten zu vertretendes Versäumnis zu Lasten des Antragstellers
(vgl. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 8.08 - Buchholz 450.1 § 5
WBO Nr. 1).
c) Die vom Antragsteller hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand sieht die Wehrbeschwerdeordnung nicht vor. Die Funktion dieses
Rechtsinstituts erfüllt im Wehrbeschwerdeverfahren die Vorschrift des § 7
WBO, deren Voraussetzungen hier, wie dargelegt, nicht gegeben sind. § 32
VwVfG und § 60 VwGO sind nicht entsprechend anwendbar, weil eine
planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt (stRspr, vgl. Beschluss vom 20.
Januar 2009 - BVerwG 1 WB 80.08 -); im Übrigen wären auch deren
Voraussetzungen nicht erfüllt.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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