Urteil des BVerwG vom 23.02.2010

Zustellung, Form, Express, Rechtswidrigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 34.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstarzt ...,
..., ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Generalmajor May und
die ehrenamtliche Richterin Major Meiners
am 23. Februar 2010 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die vom Befehlshaber des ...kommandos
und vom Inspekteur ... ... der Bundeswehr jeweils gewählte Art der Zustellung
ihrer Beschwerdebescheide vom 31. März 2009 bzw. vom 24. April 2009.
Der 1948 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit mit Ablauf
des 28. Februar 2010 enden wird. Zum Oberstarzt wurde er mit Wirkung vom 1.
April 1994 ernannt. Seit dem 1. Januar 2002 wird er auf dem Dienstposten des
Leiters des ...zentrums K...-W... in K... verwendet.
Mit Bescheid vom 31. März 2009 (mit dem Zusatz: Gegen Empfangsschein!)
wies der Befehlshaber des ...kommandos eine Beschwerde des Antragstellers
zurück. Diesen Beschwerdebescheid übersandte das ...kommando - ... - mit
Anschreiben vom 1. April 2009 an den Kommandeur ... ... beim ...kommando ...
als zuständigen Disziplinarvorgesetzten mit der Bitte, die Aushändigung an den
Antragsteller gegen Empfangsbekenntnis vorzunehmen. Das ...kommando ... -
... - übermittelte den Beschwerdebescheid am 3. April 2009 als „Einschreiben
Express“ an den Antragsteller, der den Bescheid am 6. April 2009 erhielt.
Gegen diese Form der Zustellung beschwerte sich der Antragsteller mit
Schreiben vom 7. April 2009. Er machte geltend, durch die für den Bescheid
vom 31. März 2009 gewählte Übermittlungsform sei im Beschwerdeverfahren
eine Verzögerung eingetreten, weil man ihm den Beschwerdebescheid nicht
unmittelbar, sondern auf dem Dienstweg zugestellt habe. Eine derartige
Verwaltungspraxis sei mit dem Gesetz nicht vereinbar.
Die Beschwerde des Antragstellers wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes
der Bundeswehr mit Beschwerdebescheid vom 24. April 2009 zurück.
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Gegen diese ihm am 5. Mai 2009 ausgehändigte Entscheidung legte der
Antragsteller mit Schreiben vom 14. Mai 2009 weitere Beschwerde ein, wobei
er auch ihre Form der Zustellung beanstandete.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2009 beantragte der Antragsteller die Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts. Zu diesem Antrag hat der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 Stellung genommen.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller
insbesondere vor:
Die Beschwerdebescheide vom 31. März 2009 und vom 24. April 2009 seien
ihm per „Einschreiben Express“ bzw. auf dem Dienstweg zugesandt worden.
Dieses Verfahren stehe mit der Regelung in Abschnitt C Nr. 223 ZDv 14/3 nicht
im Einklang, wonach ein Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch darauf habe,
dass ihm der Beschwerdebescheid unverzüglich und unmittelbar ausgehändigt
oder sonst zugestellt werde. Die Beschwerdebescheide seien von B...
(Inspekteur ... ...) und Ko... (Befehlshaber ...kommando) zuerst zum
...kommando ... nach D... geschickt worden; damit sei eine persönliche
Aushändigung durch seinen Disziplinarvorgesetzten schon nicht in Betracht
gekommen. In D... seien die Schreiben neu „eingetütet“ und mit der „gelben
Post“ erneut versandt worden. Durch diesen Umweg werde gegen Wort und
Geist der Wehrbeschwerdeordnung verstoßen. Der Inspekteur ... ... und der
Bundesminister der Verteidigung lenkten von dem Faktum ab, dass der
Erlassgeber eine Aushändigung des Beschwerdebescheides „über mehrere
Ecken“ nicht wolle. Seine persönliche Beschwer liege darin, dass Anlass zu der
Annahme bestehe, dass militärische Vorgesetzte bzw. Dienststellen der
Bundeswehr ihn unrichtig behandelt hätten. Die Art und Weise der Erledigung
der in Rede stehenden Vorgänge durch seine Vorgesetzten verletzten ihn in
seinen Rechten.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Er hält den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bei den
Beschwerdebescheiden gewählten Zustellungsverfahren für unzulässig. Das
beanstandete Zustellungsverfahren sei bei dem Bescheid vom 31. März 2009
gewählt worden, weil am 7. April 2009 das Verstreichen der Monatsfrist gedroht
habe, nach deren Ablauf ein Untätigkeitsrechtsbehelf hätte gestellt werden
können. Im Übrigen sei der Antrag auch offensichtlich unbegründet. Die
gewählten Zustellungsarten entsprächen den gesetzlichen Vorgaben. Der
Beschwerdebescheid sei dem Antragsteller gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 WBO
nach den Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung zuzustellen. Nach § 5 Abs. 1
Nr. 1 WDO werde die Zustellung u.a. durch Übergabe an den Empfänger gegen
Empfangsbekenntnis ausgeführt. Die in § 5 Abs. 1 WDO aufgeführten
Zustellungsarten stünden gleichrangig nebeneinander. Die Zustellung nach § 5
Abs. 1 Nr. 1 WDO könne durch Übergabe an den Empfänger gegen
Empfangsbekenntnis durch jede beliebige Person vorgenommen werden. Die
Zustellung werde von der Stelle angeordnet, welche die zuzustellende
Entscheidung getroffen habe. Dabei liege es in ihrem Ermessen, welcher
Zustellungsart sie den Vorzug gebe. Beide Beschwerdebescheide habe der
Antragsteller durch seinen beauftragten Disziplinarvorgesetzten erhalten. Dies
sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die
Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: .../09 -
und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der
Beratung vorgelegen.
II
Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt. Sein
Rechtsschutzbegehren ist dahin auszulegen, dass er die gerichtliche
Feststellung beantragt, dass die Zustellung des Beschwerdebescheids des
Befehlshabers des ...kommandos vom 31.
März 2009 und des
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Beschwerdebescheids des Inspekteurs ... ... vom 24. April 2009 „auf dem
Dienstweg“ rechtswidrig waren.
Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Antrag sachlich zuständig.
Die beanstandete Zustellung des Beschwerdebescheids vom 31. März 2009
„auf dem Dienstweg“ über den Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers wurde
durch das ...kommando
entschieden
und durch dessen
Übersendungsschreiben vom 1. April 2009 umgesetzt. Die Entscheidung über
die Art der Zustellung ist dem Vorgesetzten zuzurechnen, der die zuzustellende
Entscheidung getroffen hat (Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 5 Rn. 4). Die
Beschwerde des Antragstellers vom 7. April 2009 war damit als gegen den
Befehlshaber des ...kommandos gerichtet zu werten; über sie hatte der
Inspekteur ... ... als der zuständige Vorgesetzte im Sinne des § 9 Abs. 1 WBO
zu entscheiden. Für die Entscheidung über die weitere Beschwerde vom 14.
Mai 2009 war der Bundesminister der Verteidigung zuständig (§ 16 Abs. 3
WBO). Dieser hat auf die weitere Beschwerde des Antragstellers keinen
Beschwerdebescheid erlassen, obwohl die weitere Beschwerde am 27. Mai
2009 beim Bundesminister der Verteidigung eingegangen war. Deshalb ist das
Bundesverwaltungsgericht für den als (Untätigkeits-) Antrag auf gerichtliche
Entscheidung zu wertenden Rechtsbehelf vom 17. Juni 2009 gemäß § 21 Abs.
1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO sachlich zuständig.
Der Antrag ist unzulässig.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO kann mit
dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass
eine dienstliche Maßnahme oder Unterlassung rechtswidrig sei. Gegenstand
des gerichtlichen Antragsverfahrens können mithin nur truppendienstliche
Maßnahmen oder Unterlassungen sein. Das gilt auch dann, wenn nach § 19
Abs. 1 Satz 3 WBO die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer
sonstigen Maßnahme, die keinen Befehl darstellt, begehrt wird. Die Art und
Weise der Verfahrensbehandlung ist hingegen nach ständiger Rechtsprechung
des Senats einer isolierten Anfechtung im Wehrbeschwerdeverfahren nicht
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zugänglich; ihr fehlt die Rechtsnatur einer truppendienstlichen Maßnahme (vgl.
zuletzt Beschluss vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 18.09 -). Lediglich die
verfahrensabschließende Maßnahme oder Entscheidung ist gerichtlich
überprüfbar. Der Antragsteller selbst hat in seinem Schriftsatz vom 30. Juli 2009
bekräftigt, dass es ihm im vorliegenden Verfahren darum gehe, die Art und
Weise der Erledigung der Zustellung der beiden Beschwerdebescheide als
rechtswidrig beanstandet zu sehen.
Ein Soldat wird in diesem Zusammenhang nicht rechtsschutzlos gestellt. Eine
Verletzung seiner in § 17 Abs. 1 WBO geschützten materiellen Rechte ist nicht
erkennbar, weil er die Möglichkeiten der weiteren (Untätigkeits-)Beschwerde
nach § 16 Abs. 2 WBO und des Untätigkeitsantrags nach § 17 Abs. 1 Satz 2
WBO wahrnehmen kann. Verzögerungen in der Zustellung eines
Beschwerdebescheids gehen auch sonst nicht zu seinen Lasten, weil erst die
vollzogene Zustellung die maßgeblichen Rechtsbehelfsfristen beginnen lässt.
Der Antragsteller ist nicht mit Verfahrenskosten zu belasten, weil der Senat die
Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 WBO nicht als
gegeben erachtet.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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