Urteil des BVerwG vom 24.03.2009

Chef, Slv, Unbefangenheit, Reserve

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 33.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Major der Reserve ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Motschilnig und
den ehrenamtlichen Richter Major Steffen
am 24. März 2009 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die ihm im Rahmen einer besonderen
Auslandsverwendung erteilte Beurteilung.
Der 1969 geborene Antragsteller ist Reserveoffizier und hat bisher 29 Wehr-
übungen abgeleistet, darunter drei in besonderen Auslandsverwendungen. Zum
Major der Reserve wurde er am 15. Dezember 2005 ernannt. Vom 30. Mai bis
1. Oktober 2007 nahm er im Rahmen einer Wehrübung an einer besonderen
Auslandsverwendung beim Stab des Deutschen Einsatzkontingents KFOR in
P./Kosovo teil, wo er als S 3-Stabsoffizier eingesetzt war.
Unter dem 24. September 2007 erstellte der Chef des Stabes des Deutschen
Einsatzkontingents KFOR zu der besonderen Auslandsverwendung des Antrag-
stellers eine Beurteilung, die dem Antragsteller am 19. September 2007 im Ent-
wurf ausgehändigt und mit ihm am 23. September 2007 erörtert worden war. In
der Bewertung der Aufgabenerfüllung (Nr. 2 des Vordrucks E gemäß Anlage
14/2 zur ZDv 20/6) kreuzte der Beurteiler die Wertungsstufe 1 („die Leistungen
wurden nicht erfüllt“) an und führte dazu im Einzelnen aus:
„Maj G. ist ein Stabsoffizier der Reserve, der in der Funk-
tion als S 3 StOffz und zugleich Abteilungsleiter S 3 im
Stab ... Deutsches Einsatzkontingent (DEU EinsKtgt)
KFOR klar überfordert war.
Fehlende Analyse- und Koordinationsfähigkeiten haben
sehr häufig nicht nur zu mangelhaften Ergebnissen im
Rahmen der Stabsarbeit, sondern bereits nach sehr kur-
zer Einsatzzeit bei der Truppe zu Autoritätsverlust geführt.
Trotz mehrmaliger Anleitung, hilfeorientierter persönlicher
Gespräche durch den Chef des Stabes ... DEU EinsKtgt
KFOR und ständiger zusätzlicher Unterstützung durch die
gesamte S 3-Abteilung und S 1 StOffz ist es ihm erst zum
Einsatzende teilweise gelungen, eine ansteigende Lern-
kurve nachzuweisen. Fehlendes Führerverhalten, man-
gelnde soziale Kompetenz und deutliche Stressanzeichen
runden das fachlich geschilderte Bild negativ ab.
Viele Versuche, ihn ‚über das Team’ ins Boot zu holen
sind an seiner sehr introvertierten Art gescheitert. Dieser
Offizier ist für derartige Stabsverwendungen unterqualifi-
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ziert und darf in zukünftigen Einsätzen nicht wieder in ei-
ner Führungsfunktion eingesetzt werden.
Wenn wieder für einen Einsatz vorgesehen oder freiwillig
gemeldet, sollte er im Rahmen seiner zivilberuflichen Qua-
lifikation ausschließlich für Verwendungen mit juristischer
Spezialisierung vorgesehen werden.
Unter Zugrundelegung des im Einsatz gezeigten Lei-
stungs- und Persönlichkeitsbildes erscheint Major G. für
eine Einplanung und zukünftige Verwendung als Stabsof-
fizier der Reserve in Führungsfunktionen, auch im Heimat-
land, nicht geeignet.“
Der Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents KFOR gab am 26. Sep-
tember 2007 als nächsthöherer Vorgesetzter eine Stellungnahme zu der Beur-
teilung (Nr. 5 des Vordrucks E) ab, in der er ausführte:
„Der Dienstposten des S 3 StOffz und KLV StOffz erfor-
dert weitreichende Erfahrung in einer Verwendung als S 3
StOffz und stv BtlKdr, um den vielfältigen Herausforde-
rungen an umfassender Stabsarbeit und vor allem auch
Menschenführung gerecht werden zu können.
Diese Voraussetzungen waren bei Major G. nicht gege-
ben. Zusätzlich ist Major G., und hier muss ich die vorge-
gebene Beurteilung unterstreichen, ein sehr introvertierter
Charakter, der sich deshalb schwer tat, mit den restlichen
Elementen des Stabes oder des ... DEU EinsKtgt’s in en-
ge Kommunikation zu treten, um so seine Defizite aus-
zugleichen.
Deshalb war ein Scheitern auf diesem Dienstposten na-
hezu vorprogrammiert.
Er wurde von seinen Kameraden getragen und gestützt
gemäß dem Motto ‚one mission, one team’. Auch in den
Zeiten der Vertretung konnte ich deshalb keine wesentli-
chen, gravierenden Mängel oder Nachlässigkeiten fest-
stellen.
Major G. hat sich immer bemüht, den Anforderungen sei-
nes Dienstpostens gerecht zu werden, auch wenn ihm
dies nicht überwiegend gelang, sein überdurchschnittlicher
Fleiß konnte die Defizite nicht hinreichend kompensieren.
Insofern ist die Benotung zwar streng, aber noch
gerechtfertigt.
Ich folge allerdings dem Vorschlag der Ausplanung nicht,
denn ich sehe in ihm einen Mitarbeiter, der in speziellen
Stabsverwendungen, in denen er zur Lagebeurteilung
oder Auswertung eingesetzt wird, positive Beiträge und
Analysen liefern kann. Weiterhin halte ich ihn ebenfalls für
Verwendungen im Bereich CIMIC unter Nutzung seiner ju-
ristischen Ausbildung für geeignet.
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Für Führungsverwendungen sollte er nicht vorgesehen
werden.“
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 4. Oktober 2007 legte der Antrag-
steller gegen die Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren Vor-
gesetzten Beschwerde ein. Diese seien vollkommen konträr zu der Beurteilung
und Stellungnahme, die er anlässlich seiner Wehrübung vom 26. Februar bis
23. März 2007 beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr erhalten ha-
be. Dort seien die Einzelmerkmale rundum mit „Leistungen übertreffen sehr
deutlich die Anforderungen“ bewertet worden; ferner sei festgestellt worden,
dass er „uneingeschränkte Förderung“ verdiene. Die jetzige Beurteilung und
Stellungnahme seien zudem in sich widersprüchlich. Wenn seine, des Antrag-
stellers, Leistungen tatsächlich so schlecht gewesen seien, hätte er unverzüg-
lich von seinem Dienstposten abgelöst werden müssen. Dass dies nicht ge-
schehen sei, bedeute eine Verletzung der Fürsorgepflicht; man habe ihn „ins
offene Messer laufen lassen“. Es sei auch widersprüchlich, dass er einerseits
vollkommen ungeeignet gewesen sein solle, andererseits jedoch seine Erfah-
rungen und Lagekenntnisse an seinen Nachfolger auf dem Dienstposten habe
weitergeben sollen. Die Art und Weise der Formulierungen in der Beurteilung
habe zudem einen schon fast beleidigenden Charakter.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2008 wies der Befehlshaber des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr die Beschwerde zurück. Unter Berücksichti-
gung der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit dienstlicher Beurteilungen seien
die angefochtene Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren Vor-
gesetzten nicht zu beanstanden.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
22. Januar 2008 weitere Beschwerde ein. Die Begründung entsprach im We-
sentlichen derjenigen der Beschwerde.
Mit Bescheid vom 19. März 2008 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs
der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die weitere Beschwerde
zurück. Die Ausführungen des beurteilenden Vorgesetzten und die Stellung-
nahme des nächsthöheren Vorgesetzten würden auf sachlichen Erwägungen
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und zulässig verwerteten Erkenntnissen beruhen. Es seien weder Widersprü-
che noch beleidigende Formulierungen festzustellen. Ebensowenig sei eine Be-
fangenheit des beurteilenden Vorgesetzten zu erkennen. Auch habe der Kom-
mandeur des Einsatzkontingents ermessensfehlerfrei gehandelt, als er sich in
Abwägung aller Umstände entschlossen habe, den Antragsteller weiter im Stab
des Deutschen Einsatzkontingents Dienst tun zu lassen. Einen Anspruch auf
Fortschreibung früherer Beurteilungen gebe es nicht.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 1. April 2008 beantragte der An-
tragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde
vom Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 21. April
2008 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Die Beurteilung und die Stellungnahme hierzu seien in sich widersprüchlich und
ermessensfehlerhaft. Sie stünden in vollkommenem Gegensatz zu früheren
Beurteilungen und Stellungnahmen. Dies sei ermessensfehlerhaft, weil bei der
Bewertung auch zu berücksichtigen sei, wie der Beurteilte vorher gesehen und
bewertet worden sei. Der nächsthöhere Vorgesetzte habe zudem in seiner Stel-
lungnahme bestätigt, dass der Beurteilungsmaßstab zu streng und damit un-
richtig gewählt worden sei. Damit sei auch die Voreingenommenheit des Beur-
teilenden dokumentiert. Diese sei ferner darin zu erkennen, dass er, der An-
tragsteller, weiter seinen Dienst habe verrichten müssen, obwohl er nach Auf-
fassung des Beurteilenden hierfür nicht geeignet gewesen sei.
Der Antragsteller beantragt,
die Beurteilung durch den Chef des Stabes des Deut-
schen Einsatzkontingents KFOR vom 24. September 2007
und die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten
hierzu vom 26. September 2007 sowie den Be-
schwerdebescheid des Befehlshabers des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr vom 10. Januar 2008
in Gestalt des Beschwerdebescheids des Stellvertreters
des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs
der Streitkräftebasis vom 19. März 2008 aufzuheben.
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Der Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die angefochtene Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren Vor-
gesetzten hierzu seien aus den in den Beschwerdebescheiden genannten
Gründen rechtmäßig. Eine Befangenheit des Beurteilenden sei nicht schon
dann anzunehmen, wenn die Beurteilung ungünstig ausgefallen sei oder sich
gegenüber einer früheren Beurteilung verschlechtert habe; sonstige Anhalts-
punkte für eine Befangenheit seien nicht erkennbar. Die Ausführungen in der
Beurteilung und die Wertungen in der Stellungnahme seien auch nicht in sich
widersprüchlich. Ein Widerspruch ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass
man den Antragsteller trotz negativer Beurteilung seiner Eignung auf seinem
Dienstposten weiterverwendet habe und ihn seinen Nachfolger habe einarbei-
ten lassen. Die Entscheidung über den Verbleib oder die Ablösung von Kontin-
gentangehörigen unterliege anderen (militärischen und rechtlichen) Kriterien als
die Abfassung von Beurteilungen. Der Kommandeur des Deutschen Einsatz-
kontingents KFOR habe in seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 2007 zur
Erstbeschwerde ausführlich die Gründe dargelegt, die ihn dazu bewogen hät-
ten, den Antragsteller nicht vorzeitig aus dem Einsatzkontingent herauszulösen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des In-
spekteurs der Streitkräftebasis ..., die Verfahrensakte zur einer sachgleichen
Eingabe des Antragstellers zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundesta-
ges ... und die Reserveoffizierakte des Antragstellers, Hauptteile I und II, haben
dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
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Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 201
ZDv 20/6 (hier in der Fassung vom Januar 2007) stellen nach ständiger Recht-
sprechung des Senats truppendienstliche Maßnahmen dar, die nach Maßgabe
des § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 1102 ZDv 20/6 vor den Wehrdienstgerich-
ten angefochten werden können. Das gilt auch für Beurteilungen von Reservis-
tinnen und Reservisten nach Nr. 201 Buchst. a (5) i.V.m. Nr. 212 ff. (hier:
Nr. 213 Buchst. b) ZDv 20/6 (vgl. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG
1 WB 41.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV Nr. 10). Zwar findet gemäß § 1 Abs. 3
WBO (in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung)
sowie § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 1101 ZDv 20/6 eine Beschwerde gegen
die in dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Aussagen und Wertungen zur
Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung der Beurteilten nicht statt.
Derartige Aussagen und Wertungen sind als höchstpersönliche Werturteile ei-
ner inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Gleichwohl kann ein
Soldat oder eine Soldatin eine Beurteilung mit der Begründung anfechten, sie
verstoße gegen Rechte, die ihm oder ihr in Bezug auf die Erstellung von Beur-
teilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG
1 WB 23.05 - insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002
Nr. 7). Nr. 1102 Buchst. b ZDv 20/6 weist in diesem Sinne klarstellend darauf
hin, dass eine Beschwerde statthaft ist, wenn der Beurteilte glaubt, dass bei der
Erstellung der Beurteilung, einschließlich der Stellungnahmen, solche Rechte
verletzt worden sind, die ihm als Garantie für eine sachgerechte Beurteilung
nach der Rechtsordnung eingeräumt sind. Hiernach ist eine Beschwerde unter
anderem dann statthaft, wenn der Beurteilte die Befangenheit des Beurteilen-
den (Nr. 305 ZDv 20/6) oder einen Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze
(Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6) geltend macht. Das ist hier seitens des Antragstel-
lers geschehen.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Die Beurteilung durch den Chef des Stabes des Deutschen Einsatzkontingents
KFOR vom 24. September 2007 und die Stellungnahme des Kommandeurs des
Deutschen Einsatzkontingents KFOR vom 26. September 2007 sowie die
Beschwerdebescheide des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der
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Bundeswehr vom 10. Januar 2008 und des Stellvertreters des Generalinspek-
teurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 19. März 2008
sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
a) Dienstliche Beurteilungen sind in der Sache gerichtlich nur beschränkt nach-
prüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der
beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den
gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von ei-
nem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe
nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvor-
schriften verstoßen hat. Wenn das Bundesministerium der Verteidigung auf der
Grundlage des § 2 Abs. 2 SLV Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurtei-
lungen erlassen hat, kann das Gericht im Hinblick auf das Gleichbehandlungs-
gebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden
sind und mit den gesetzlichen Regelungen, speziell mit denen der Soldaten-
laufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und mit sonstigen Rechts-
vorschriften in Einklang stehen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 2001
- BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 <82> = Buchholz 236.11 § 1a SLV
Nr. 15, vom 3. Juli 2001 - BVerwG 1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV
Nr. 16, vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - Buchholz 236.110 § 2
SLV Nr. 5, vom 8. März 2006 a.a.O. und vom 11. März 2008 a.a.O.).
b) Nach diesen Maßgaben sind die angefochtene Beurteilung und die Stellung-
nahme des nächsthöheren Vorgesetzten rechtlich nicht zu beanstanden. Das
Vorbringen des Antragstellers, der im Wesentlichen die Befangenheit des beur-
teilenden Vorgesetzten und die Widersprüchlichkeit der Bewertung seiner Leis-
tung geltend macht, lässt keinen Rechtsverstoß erkennen.
aa) Es bestehen keine Zweifel an der Unbefangenheit des Chefs des Stabes
des Deutschen Einsatzkontingents KFOR als dem für die Beurteilung des An-
tragstellers zuständigen Vorgesetzten.
Nach Nr. 305 Buchst. b ZDv 20/6 sind Anhaltspunkte für eine Befangenheit an-
zunehmen, wenn aus der Sicht desjenigen, der den Einwand geltend macht,
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Gründe vorliegen, ernsthaft an der Unbefangenheit des Beurteilenden zu zwei-
feln und dies bei neutraler Bewertung verständlich und nachvollziehbar ist.
Zweifel können sich z.B. ergeben, wenn zwischen dem Beurteilenden und dem
Soldaten besondere Beziehungen bestehen, die weit über das dienstliche Ver-
hältnis hinausgehen (z.B. Verwandtschaft, Freundschaft, Rechtsstreit, privates
Zerwürfnis).
Eine solche Beziehung, die Anlass für (berechtigte) Zweifel an der Unvoreinge-
nommenheit geben könnte, bestand zwischen dem Chef des Stabes und dem
Antragsteller . Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der ständigen dienst-
lichen Zusammenarbeit während der Dauer der besonderen Auslandsverwen-
dung, in deren Rahmen sich der Chef des Stabes (siehe dazu auch dessen
Stellungnahme vom 20. Dezember 2007 zur Beschwerde des Antragstellers)
wiederholt persönlich - helfend, aber auch kritisch - mit der Aufgabenerfüllung
durch den Antragsteller zu befassen hatte. Es gehört zu den Führungsaufgaben
eines militärischen Vorgesetzten, den Untergebenen auf Mängel bei der Wahr-
nehmung seiner dienstlichen Aufgaben hinzuweisen; mit einem derartigen Ver-
halten macht er sich nicht befangen (Beschluss vom 29. April 1999 - BVerwG
1 WB 55.98, 66.98 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 6 = NZWehrr 1999, 204
m.w.N.). Ebenso stellen grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der
Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Solda-
ten noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen als solche die Er-
wartung in Frage, der Vorgesetzte wolle und könne seine Pflichten einschließ-
lich derjenigen zur sachlichen und gerechten dienstlichen Beurteilung erfüllen
(vgl. Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 16.97 - BVerwGE 106, 318
<321 f.> und Beschluss vom 8. März 2006 a.a.O. m.w.N.). Dementsprechend
bestimmt im Übrigen auch Nr. 305 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6, dass sich Zweifel
an der Unbefangenheit eines Beurteilenden nicht schon aus einem Verhalten
ergeben, das mit seinen Erziehungs- und Führungsaufgaben im Zusammen-
hang steht.
Zweifel an der Unbefangenheit des Chefs des Stabes resultieren auch nicht
daraus, dass er den Antragsteller nicht wegen dessen mangelnder Eignung von
seinem Dienstposten abgelöst und die Auslandsverwendung vorzeitig beendet
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hat bzw. er nicht auf solche Entscheidungen bei den zuständigen Vorgesetzten
hingewirkt hat. Sowohl der Chef des Stabes (in der genannten Stellungnahme
vom 20. Dezember 2007) als auch der Kommandeur (in seiner Stellungnahme
vom 22. Dezember 2007 zur Beschwerde des Antragstellers) haben dargelegt,
dass eine Ablösung bzw. vorzeitige Beendigung der Auslandsverwendung nicht
geboten, sondern es - ungeachtet der Leistungsschwäche des Antragstellers -
weckmäßiger erschien, ihn nach dem Motto „one mission, one team“ mit kame-
radschaftlicher Unterstützung bis zum vorgesehenen Ende seines Einsatzes
„mit- und durchzuziehen“. Dies ist eine plausible, von sachlichen Gesichtspunk-
ten getragene und im Übrigen der Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) entspre-
chende Vorgehensweise, aus der sich keine Befangenheitsgründe herleiten
lassen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Chef des Stabes und der
Kommandeur den Antragsteller hierdurch „ins offene Messer“ - im Sinne von: in
eine schlechte Beurteilung - haben „laufen lassen“. Denn bei einer Ablösung
des Antragstellers und vorzeitigen Beendigung seiner Auslandsverwendung
wegen mangelnder Eignung wäre schlechterdings keine andere Bewertung der
Aufgabenerfüllung als nach der Wertungsstufe 1 („die Leistungen wurden nicht
erfüllt“) in Betracht gekommen. Bei der Fortführung und regulären Beendigung
seiner Auslandsverwendung hatte der Antragsteller - in Verbindung mit der ihm
gewährten Unterstützung durch Vorgesetzte und andere Offiziere - dagegen die
Chance, durch eine Leistungssteigerung eine bessere Bewertung zu erlangen.
Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Chefs des Stabes ergeben sich
schließlich nicht aus der Tatsache (als solcher), dass er die Leistung des An-
tragstellers mit der niedrigsten Wertungsstufe beurteilt hat, was der Antragstel-
ler auf die Anlegung eines besonders strengen Beurteilungsmaßstabs zurück-
führt. Eine (objektiv) schlechte Beurteilung berechtigt für sich genommen, das
heißt ohne Hinzutreten weiterer Umstände, nicht zu Zweifeln an der Unbefan-
genheit des Beurteilenden (vgl. Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB
23.05 - insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 7
m.w.N.; vgl. auch Nr. 305 Buchst. c Satz 2 ZDv 20/6). Solche weiteren Umstän-
de sind hier nicht ersichtlich. Sie gehen insbesondere nicht aus einem - wie der
Antragsteller behauptet - „schon fast beleidigenden Charakter“ der Formulie-
rungen der Beurteilung hervor. Die Beurteilung enthält keine beleidigenden oder
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„schon fast“ beleidigenden Formulierungen; als Folge der negativen inhaltlichen
Aussage ist im Übrigen eine in weiten Teilen negative Wortwahl kaum vermeid-
bar.
bb) Die angefochtene Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten verstoßen auch nicht gegen allgemeine Beurteilungsgrundsätze.
Sie sind insbesondere nicht, wie der Antragsteller geltend macht, in sich wider-
sprüchlich (vgl. zum Gebot der Widerspruchsfreiheit Nr. 101 Abs. 2 und Nr. 401
Abs. 1 Satz 2 ZDv 20/6).
Die Beurteilung durch den Chef des Stabes und die Stellungnahme des Kom-
mandeurs des Einsatzkontingents enthalten keinen Widerspruch zwischen dem
zugrundegelegten Sachverhalt und dessen Bewertung. Ein Widerspruch be-
steht auch nicht hinsichtlich der in der Beurteilung und der Stellungnahme je-
weils angelegten Beurteilungsmaßstäbe. Der Einwand des Antragstellers, der
Kommandeur habe in seiner Stellungnahme selbst zugegeben, dass der Beur-
teilungsmaßstab durch den Chef des Stabes zu streng und damit unrichtig ge-
wählt worden sei, trifft nicht zu; der Kommandeur hat vielmehr ausgeführt, dass
die Benotung - auch unter Berücksichtigung des überdurchschnittlichen Fleißes
des Antragstellers - „zwar streng, aber noch gerechtfertigt“ sei.
Auch der weitere Einwand des Antragstellers, er sei trotz der ihm vorgehaltenen
mangelnden Eignung weiter auf dem Dienstposten verwendet worden und habe
dort seinen Nachfolger einarbeiten sollen, begründet keine Widersprüchlichkeit
der Beurteilung oder Stellungnahme. Die - auf der Grundlage der Versetzungs-
richtlinien vom 3. März 1988 und des Befehls des Einsatzführungskommandos
der Bundeswehr für Personalführung und Personalbearbeitung bei Aus-
landseinsätzen der Bundeswehr vom 13. März 2002 zu treffende - Entschei-
dung, ob die Auslandsverwendung des Antragstellers vorzeitig beendet oder
aber bis zum vorgesehenen Ende fortgesetzt werden sollte, liegt außerhalb der
hier strittigen Beurteilung und kann schon deshalb nicht zu deren Rechtswidrig-
keit führen. Im Übrigen ist auf die bereits genannten Darlegungen des Chefs
des Stabes und des Kommandeurs zu verweisen, wonach es zweckmäßiger
erschien, den Antragsteller auf seinem Dienstposten zu belassen. Hinsichtlich
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der Einarbeitung auf dem Dienstposten ist darauf hinzuweisen, dass - ausweis-
lich der Stellungnahme des Kommandeurs vom 22. Dezember 2007 - der Nach-
folger des Antragstellers seinen Einsatz am 26. September 2007 begann,
während der Antragsteller am 27. September 2007 ausflog; insofern dürfte es
sich kaum um mehr als eine geordnete Übergabe der Amtsgeschäfte gehandelt
haben.
Soweit der Antragsteller beanstandet, dass positive Bewertungen seiner Leis-
tungen in früheren Beurteilungen - insbesondere derjenigen anlässlich seiner
Wehrübung vom 26. Februar bis 23. März 2007 - bei der hier strittigen Beurtei-
lung unberücksichtigt geblieben sind, folgt daraus gleichfalls kein Verstoß ge-
gen allgemeine Beurteilungsgrundsätze. Eine dienstliche Beurteilung bezieht
sich stets (nur) auf einen bestimmten Beurteilungszeitraum und den bzw. die in
diesem Zeitraum wahrgenommenen Dienstposten (vgl. Nr. 406 Buchst. a Abs. 1
ZDv 20/6; speziell für Beurteilungen von Reservisten Nr. 214 Satz 3 ZDv 20/6).
Der Chef des Stabes und der Kommandeur hatten deshalb nur die Auf-
gabenerfüllung durch den Antragsteller auf dem Dienstposten des S 3-
Stabsoffiziers beim Stab des Deutschen Einsatzkontingents KFOR während
seiner Auslandsverwendung vom 30. Mai bis 1. Oktober 2007 zu würdigen. Ei-
ne vergleichende Bewertung unter Einbeziehung früherer Beurteilungen war
nicht geboten.
Soweit der Antragsteller sich schließlich gegen die schlechte Bewertung seiner
Aufgabenerfüllung als solche wendet, betrifft dies die eigentliche Leistungsbe-
wertung. Dieser Kern der Beurteilung ist der richterlichen Nachprüfung entzo-
gen. Die Ausfüllung des Persönlichkeits- und Leistungsbildes des Soldaten ist
allein Sache des beurteilenden Vorgesetzten und fällt in den Kernbereich seines
höchstpersönlichen, gerichtlich nicht nachprüfbaren Werturteils (vgl. Beschluss
vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - insoweit nicht veröffentlicht in
Buchholz 449.2 § 2 SLV Nr. 10 m.w.N.).
cc) Die angefochtenen Maßnahmen sind auch im Übrigen rechtmäßig. Insbe-
sondere ist ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, der zur Aufhebung der
Beurteilung oder Stellungnahme führen könnte, nicht ersichtlich.
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Der Chef des Stabes hat den Antragsteller ordnungsgemäß angehört, indem er
ihm am 19. September 2007 die Beurteilung im Entwurf ausgehändigt (Nr. 619
Buchst. a ZDv 20/6) und den Entwurf mit ihm am 23. September 2007 im per-
sönlichen Gespräch erörtert hat (Nr. 619 Buchst. b ZDv 20/6). Hinsichtlich des
Entwurfs der Stellungnahme ist eine entsprechende Aushändigung und Erörte-
rung durch den Kommandeur des Einsatzkontingents zwar nicht erfolgt. Diese
war jedoch nicht erforderlich, weil der Kommandeur in seine Stellungnahme
keine über die Aussagen, Behauptungen oder Wertungen des Chefs des Sta-
bes hinausgehenden Formulierungen oder Wertungen aufgenommen hat, die
für den Antragsteller ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können (Nr. 621
ZDv 20/6). Der Kommandeur hat sich größtenteils übereinstimmend mit dem
Chef des Stabes und im Übrigen nur zugunsten des Antragstellers geäußert;
letzteres gilt insbesondere hinsichtlich der Verwendungsvorschläge für
Folgeverwendungen (Nr. 3.2 des Vordrucks E), wo der Kommandeur dem Vor-
schlag der Ausplanung nicht folgte und feststellte, dass er den Antragsteller
neben Verwendungen im Bereich CIMIC für spezielle Stabsverwendungen für
geeignet halte.
Soweit der Antragsteller beanstandet, dass mit ihm kein Beurteilungsgespräch
in der Mitte des Einsatzes geführt worden sei, ergibt sich hieraus kein Grund
zur Aufhebung der Beurteilung. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift
der Nr. 508 Buchst. c ZDv 20/6, wonach ein Beurteilungsgespräch spätestens
in der Mitte des Beurteilungszeitraums geführt werden soll, auch für die Vorbe-
reitung von Beurteilungen von Reservistinnen und Reservisten gilt. Für die Gel-
tung spricht, dass Kapitel 5 der ZDv 20/6 grundsätzlich keine Unterschiede zwi-
schen den einzelnen Beurteilungsarten (Nr. 201 Buchst. a ZDv 20/6) macht.
Dagegen spricht, dass Nr. 214 bis 216 ZDv 20/6 spezielle verfahrensrechtliche
Regelungen für Beurteilungen von Reservistinnen und Reservisten enthält, die
Beurteilungsgespräche nicht vorsehen und insoweit als abschließend angese-
hen werden könnten; auch enthält der Vordruck E für Beurteilungen von Reser-
vistinnen und Reservisten - anders als etwa der Vordruck A für planmäßige Be-
urteilungen (siehe dort Nr. 6.1) - keine Rubrik zur Dokumentation von Beurtei-
lungsgesprächen. Jedenfalls aber hat auch in dem Fall, dass ein Beurteilungs-
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gespräch hätte geführt werden sollen, dessen Unterbleiben gemäß Nr. 508
Buchst. e Satz 1 ZDv 20/6 nicht die Aufhebung der Beurteilung zur Folge.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer