Urteil des BVerwG vom 28.05.2013

Ukraine, Gefährdung, Berufliche Tätigkeit, Russland

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 31.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Major …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Kuhnke und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Ortenstein
am 28. Mai 2013 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in
seiner einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1/Sabotageschutz) und seiner er-
weiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/W 2).
Der 1978 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet vo-
raussichtlich am 30. November 2034. Zum Major wurde er am 22. November
2011 befördert. Der Antragsteller war seit dem 1. April 2010 als Logistikstabsof-
fizier und Staffelchef bei der … eingesetzt. Zum 1. September 2012 wurde er
auf einen Dienstposten als Organisationsstabsoffizier beim … in K. versetzt.
Für den Antragsteller war zuletzt am 15. Januar 2008 eine Aktualisierung seiner
erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) mit folgenden Auflagen, Ein-
schränkungen und personenbezogenen Hinweisen abgeschlossen worden:
„1. Dem Sicherheitsbeauftragten wird aufgegeben, den Betrof-
fenen über folgende Punkte schriftlich und aktenkundig (mit
Unterschrift des Betroffenen) zu belehren:
-
Solange die Ehefrau des Betroffenen (einzubeziehende
Person, ezP) die ukrainische Staatsangehörigkeit besitzt,
haben Reisen des Betroffenen und der ezP in die Ukraine
grundsätzlich zur Folge, dass hierdurch seine sicherheits-
empfindliche Verwendbarkeit in Frage gestellt wird.
-
Sofern der Betroffene und/oder die ezP gleichwohl in die
Ukraine reisen wollen, ist dies rechtzeitig vor Antritt der
Reise dem Sicherheitsbeauftragten schriftlich zu melden.
-
Besonderheiten/Auffälligkeiten während der Reise sind
dem Sicherheitsbeauftragten nach Rückkehr zu melden.
-
Der Betroffene hat die Entlassung seiner Ehefrau aus der
ukrainischen Staatsangehörigkeit zu melden. Eventuell
anfallende Kosten oder Gebühren werden nicht erstattet.
-
Der Betroffene hat über Kontakte von/zu Behörden von/
nach der Ukraine (auch zu diplomatischen Vertretungen in
der Bundesrepublik Deutschland) sowie über Veränderun-
gen in den persönlichen Beziehungen in/nach der Ukraine
zu berichten.
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2. Der Sicherheitsbeauftragte unterrichtet den MAD über dies-
bezügliche Meldungen des Betroffenen.
3. Ein Einsatz in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit in der Uk-
raine ist nicht zulässig.
4. Nach Ablauf von drei Jahren ist eine Wiederholungsüber-
prüfung einzuleiten, sofern der Betroffene dann noch in einer
sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eingesetzt/eingeplant wird.“
Der Auflagenentscheidung lag zugrunde, dass die Ehefrau des Antragstellers
ukrainische Staatsangehörige war, sie nahe Angehörige sowie Eigentum und
Erbansprüche in der Ukraine hatte und der Antragsteller und seine Ehefrau
Reisen in die Ukraine durchführten und weitere Reisen dorthin beabsichtigten.
Am 12. April 2010 beauftragte der Sicherheitsbeauftragte des … den Militäri-
schen Abschirmdienst mit der Durchführung einer einfachen Sicherheitsüber-
prüfung (Ü 1/Sabotageschutz) und am 9. Februar 2011 wiederum mit einer ein-
fachen Sicherheitsüberprüfung sowie einer Wiederholungsüberprüfung zur er-
weiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/W 2). Der Antragsteller gab hierzu unter
dem 7. April 2010 und dem 7. Februar 2011 Sicherheitserklärungen ab. Im
Rahmen der Sicherheitsüberprüfungen wurde der Antragsteller am 30. Juni und
20. Juli 2010, seine Ehefrau am 4. August 2010 durch den Militärischen Ab-
schirmdienst befragt.
Unter dem 11. Mai 2011 teilte die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfte-
amt dem Antragsteller mit, dass sie beabsichtige, die Sicherheitsüberprüfungen
mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzuschließen. Zur Begründung
führte sie aus, dass sich seit der Auflagenentscheidung vom 15. Januar 2008
neue sicherheitserhebliche Erkenntnisse ergeben hätten. Die Geheimschutzbe-
auftragte verwies hierzu insbesondere auf Erbansprüche und engere emotiona-
le Bindungen der Ehefrau des Antragstellers an ihr Heimatland, berufliche Rei-
sen und Kontakte der Ehefrau in die Russische Förderation, mangelnde Mit-
arbeit und mangelndes Sicherheitsbewusstsein der Ehefrau sowie regelmäßige
private Reisen in die Ukraine durch den Antragsteller und seine Ehefrau.
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Mit Schreiben vom 4. Juni 2011 nahm der Antragsteller zu dem Anhörungs-
schreiben in ausführlicher Form Stellung und trat den Vorhaltungen Punkt für
Punkt entgegen. Insbesondere wies er darauf hin, dass er zwar unter Nr. 8.2
der Sicherheitserklärung fahrlässigerweise nur die privaten und nicht auch die
beruflichen Reisen seiner Ehefrau nach Russland angegeben habe, diese je-
doch in den Gesprächen mit dem Militärischen Abschirmdienst offengelegt ha-
be; es fehle daher lediglich an der Eintragung im Formblatt, nicht aber an der
Erklärung gegenüber dem Militärischen Abschirmdienst.
Am 9. September 2011 erhielt die Ehefrau des Antragstellers die deutsche
Staatsangehörigkeit, nachdem sie zuvor aus der ukrainischen Staatsangehörig-
keit entlassen worden war.
Mit Schreiben vom 12. September 2011 teilte die Geheimschutzbeauftragte
dem Antragsteller mit, dass sie ihn von dem Vorwurf unwahrer Angaben gegen-
über dem Militärischen Abschirmdienst freistelle. Nicht ausgeräumt seien aller-
dings ihre Bedenken bezüglich einer nachrichtendienstlichen Gefährdung. Die
Geheimschutzbeauftragte bat deshalb um Mitteilung, ob die Ehefrau zu einem
Verzicht auf berufliche Reisen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken und
der Antragsteller und seine Ehefrau zu einem Verzicht auf private Reisen in die
Ukraine bereit seien.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 teilte der Antragsteller mit, dass er und sei-
ne Ehefrau nicht zu einer Reiseverzichtserklärung bereit seien. Der Arbeitgeber
seiner Ehefrau (…) sei sowohl in der Ukraine als auch in Russland tätig. Reisen
seiner Ehefrau in diese Länder seien zwar derzeit nicht zu erwarten, könnten
aber auch nicht ausgeschlossen werden; eine eingeschränkte Einsetzbarkeit
hätte berufliche Nachteile für seine Ehefrau zur Folge. Auch auf die privaten
Reisen nach Jalta/Krim (Ukraine) zu der dort lebenden Mutter der Ehefrau, ihrer
einzigen nahen Angehörigen, wolle man nicht verzichten. In der Zeit zwischen
2006 und 2011 seien er und seine Ehefrau insgesamt viermal dorthin gereist.
Die Möglichkeiten eines Reiseverzichts wurden am 7. Oktober 2011 nochmals
in einem Telefonat zwischen der Geheimschutzbeauftragten und dem Antrag-
steller ohne Ergebnis erörtert.
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Mit formularmäßigem Bescheid vom 7. Oktober 2011 stellte die Geheimschutz-
beauftragte beim Streitkräfteamt fest, dass die einfache Sicherheitsüberprüfung
(Ü 1/Sabotageschutz) und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/W 2) Um-
stände ergeben hätten, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätig-
keit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die Entscheidung umfasse auch die Ver-
wendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1
(Verschlusssachenschutz). Die sicherheitsmäßige Bewertung durch die Ge-
heimschutzbeauftragte in den Entscheidungsgründen lautet dabei wie folgt:
„Seit meiner Auflagenentscheidung vom 15.01.2008 ha-
ben sich neue sicherheitserhebliche Erkenntnisse erge-
ben, die zu einer Neubewertung der Situation des Betrof-
fenen führen.
- Erbansprüche/engere emotionale Bindungen seiner Ehe-
frau an ihr Heimatland
- Berufliche Reisen und Kontakte seiner Ehefrau in Staa-
ten mit besonderen Sicherheitsrisiken (Russland)
- Mangelndes Sicherheitsbewusstsein·bei seiner Ehefrau
- Regelmäßige private Reisen in die Ukraine zur Schwie-
germutter des Betroffenen
Die zuständige Fachabteilung des MAD-Amts kommt zu
dem Ergebnis, dass die nachrichtendienstliche Gefähr-
dung des Betroffenen aufgrund der vielfältigen persönli-
chen und beruflichen Kontakte, der ausgeprägten emotio-
nalen Bindung seiner Ehefrau an die Ukraine und der
möglichen Erbansprüche als hoch einzustufen ist. Daran
ändert auch die zwischenzeitliche Entlassung aus der uk-
rainischen Staatsangehörigkeit nichts, da die Ehefrau des
Betroffenen schon beim russischen FSB bekannt ist. So-
fern der Betroffene hierzu vorträgt, dass seine Ehefrau le-
diglich an einem Abendessen teilgenommen habe, wel-
ches mutmaßlich von Personen gesponsert wurde, welche
dem nachrichtendienstlichen Bereich nahegestanden hät-
ten, und er daraus keine nachrichtendienstliche Gefähr-
dung erkennen könne, vermag dies an meiner Bewertung
nichts zu ändern. Für die Feststellung eines Sicherheitsri-
sikos gemäß ZDv 2/30 Nr. 2414 (2) ist kein Nachweis ei-
nes konkreten Kontaktes zu einem fremden Nachrichten-
dienst erforderlich. Denn aus Fürsorgegründen ist der
Dienstherr gehalten, bei tatsächlichen Anhaltspunkten ei-
ner nachrichtendienstlichen Gefährdung diese bereits im
Vorfeld auszuschließen, um den Betroffenen zu schützen.
Für eine Reduzierung der nachrichtendienstlichen Gefähr-
dung ist eine Reiseverzichtserklärung des Betroffenen und
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seiner Ehefrau in die Ukraine und nach Russland unver-
zichtbar. Hierzu sind jedoch weder der Betroffene noch
dessen Ehefrau bereit.
Die Ukraine und Russland gehören zu den Staaten, die
durch das Bundesministerium des lnnern als Nationale Si-
cherheitsbehörde der Bundesrepublik … (Textteile fehlen).
Das intensive nachrichtendienstliche Interesse der Ukrai-
ne und Russlands an der Bundesrepublik Deutschland
und der Bundeswehr ist konkret belegt.
Es besteht die Besorgnis, dass der Betroffene oder seine
Ehefrau über ihre noch in der Ukraine lebenden nahen
Angehörigen, über mögliche spätere Erbansprüche sowie
aufgrund der Tatsache, dass seine Ehefrau im Rahmen
von beruflichen Reisen nach Russland bereits Kontakte
zum FSB hatte, durch einen ukrainischen oder russischen
Nachrichtendienst unter Druck gesetzt werden könnten,
um den Betroffenen auf diese Weise zu einer nachrich-
tendienstlichen Mitarbeit zu erpressen. Hieran ändert auch
die zwischenzeitlich erfolgte Entlassung aus der ukraini-
schen Staatsangehörigkeit nichts, da die Ehefrau des Be-
troffenen nach wie vor starke emotionale Bindungen an
die Ukraine hat. Dadurch ist sie einer höheren nachrich-
tendienstlichen Gefährdung ausgesetzt. Auch das man-
gelnde Sicherheitsbewusstsein seiner Ehefrau, welches
sie in den Befragungen durch den MAD gezeigt hat, trägt
zu einem unkalkulierbaren Risiko im Hinblick auf mögliche
Erpressungen durch ausländische Nachrichtendienste bei.
Das mangelnde Sicherheitsbewusstsein seiner Ehefrau
zeigte sich vor allem in ihren Äußerungen, dass sie bei
den Sicherheitsüberprüfungen Einsparpotential bei der
Bundeswehr sehe und mit dem MAD nur negative Erfah-
rungen gemacht habe. Derart zu erwartende Gefahren-
situationen hat der Dienstherr im Interesse der militäri-
schen Sicherheit, aber auch im Interesse des Betroffenen
und dem Interesse seiner Familie möglichst auszuschlie-
ßen.
Im Interesse der militärischen Sicherheit ist deshalb ein
Sicherheitsrisiko gemäß ZDv 2/30 Ziffer 2414 (2) festzu-
stellen.
Die positive Stellungnahme des Disziplinarvorgesetzten
vermag auch unter Berücksichtigung von Fürsorgeaspek-
ten an meiner Bewertung nichts zu ändern, da sie die hier
im Fokus stehende nachrichtendienstliche Gefährdung
des Betroffenen nicht kompensieren kann.“
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21. Oktober 2011 erhob der An-
tragsteller Beschwerde gegen die Entscheidung der Geheimschutzbeauftrag-
ten, die der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom
27. Januar 2012 zurückwies.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. Februar 2012 beantragte der
Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - mit seiner Stel-
lungnahme vom 11. Mai 2012 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Die Tatsache, dass seine Ehefrau ukrainische Staatsbürgerin gewesen sei und
Kontakte zu ihrer in der Ukraine lebenden Mutter pflege, genüge nicht für die
Feststellung eines Sicherheitsrisikos. Der Beschwerdebescheid räume selbst
ein, dass sich die Situation seiner Ehefrau durch die Annahme der deutschen
Staatsangehörigkeit gegenüber der Auflagenentscheidung vom 15. Januar
2008 sogar verbessert habe. Neue sicherheitserhebliche Umstände könnten
weder in den Dienstreisen in die Russische Förderation noch in einem man-
gelnden Sicherheitsbewusstsein seiner Ehefrau gesehen werden. Häufige
Dienstreisen seien bisher nicht unternommen worden und auch in Zukunft nicht
geplant. Seine Ehefrau sei lediglich grundsätzlich durch ihr Arbeitsverhältnis
beim … verpflichtet, wegen ihrer Sprachkenntnisse eventuell in einen Staat mit
besonderen Sicherheitsrisiken zu reisen. Im Übrigen besuchten er, der Antrag-
steller, und seine Ehefrau lediglich etwa alle zwei Jahre deren Mutter. Seine
Ehefrau sei im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses beim … für die bauliche Si-
cherheit von Atomkraftwerken zuständig. Ihre Zuverlässigkeit sei deshalb be-
reits gemäß § 12b des Atomgesetzes i.V.m. der Atomrechtlichen Zuverlässig-
keitsüberprüfungs-Verordnung überprüft worden. Bei dieser Prüfung gehe es
nicht nur um den Schutz vor unbefugten Handlungen, die zur Entwendung oder
Freisetzung radioaktiver Stoffe führen könnten; vielmehr würden auch Auskünf-
te aus dem nachrichtendienstlichen Informationssystem bei der zuständigen
Verfassungsschutzbehörde eingeholt. Angesichts dessen verhalte sich die Ge-
heimschutzbeauftragte widersprüchlich, wenn sie bei seiner Ehefrau ein Si-
cherheitsrisiko oder mangelndes Sicherheitsempfinden sehe. Bestritten werde
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ebenfalls die mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit seitens seiner Ehefrau. Sie
habe jederzeit alles offengelegt. Eine Reiseverzichtserklärung ihrerseits sei
nicht erforderlich und zumutbar.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid der Geheimschutzbeauftragten beim Streit-
kräfteamt vom 7. Oktober 2011 in Gestalt des Beschwer-
debescheids des Bundesministers der Verteidigung
- PSZ I 7 - vom 27. Januar 2012 aufzuheben.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass in dem Anhörungsschreiben vom 11. Mai 2011 sechs
Dienstreisen der Ehefrau des Antragstellers nach Moskau, St. Petersburg und
Murmansk im Zeitraum von April 2008 bis Oktober 2009 aufgeführt worden sei-
en; der Antragsteller habe diese nicht bestritten. Im Übrigen sei bei der Feststel-
lung des Sicherheitsrisikos nicht davon ausgegangen worden, dass weitere
Dienstreisen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken konkret geplant sei-
en, sondern dass diese in Zukunft nicht auszuschließen seien. Der Antragsteller
habe ferner für sich und seine Ehefrau mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 so-
wie in dem Telefonat am 7. Oktober 2011 erklärt, dass ein Reiseverzicht nicht in
Betracht komme. Dies sei auch erfolgt, nachdem ihm für den Fall einer Reise-
verzichtserklärung eine erneute Auflagenentscheidung in Aussicht gestellt und
außerdem klargestellt worden sei, dass sich der Reiseverzicht für private Rei-
sen nicht auf familiäre Notfälle beziehe. Der Antragsteller habe vielmehr erklärt,
dass er beabsichtige, spätestens übernächstes Jahr wieder den Urlaub in der
Ukraine verbringen zu wollen.
Das mangelnde Sicherheitsbewusstsein der Ehefrau des Antragstellers zeige
sich unter anderem in ihrer Äußerung gegenüber dem Militärischen Abschirm-
dienst, dass sie bei den Sicherheitsüberprüfungen „Einsparpotenzial“ sehe.
Auch lasse ihre Bemerkung, „was sie denn schon zu verraten hätte“, erkennen,
dass sie sich der Gefährdung durch fremde Nachrichtendienste, der sie durch
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ihre Reisen und ihre persönliche Situation ausgesetzt sei, nicht bewusst sei.
Gleiches gelte für ihr Misstrauen gegenüber dem Militärischen Abschirmdienst
und ihre Aussage, dass sie bisher negative Erfahrungen nur mit dem Militäri-
schen Abschirmdienst, nicht aber mit ausländischen Nachrichtendiensten ge-
macht habe. Unabhängig von den Umständen, unter denen diese Aussagen
gemacht worden seien, zeigten sie, dass es bei der Ehefrau des Antragstellers
an der erforderlichen Vorsicht und Aufmerksamkeit gegenüber einer möglichen
Kontaktaufnahme durch fremde Nachrichtendienste fehle.
Die atomrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung diene ausschließlich dem vorbeu-
genden Sabotageschutz im Sinne der Entwendung oder Freisetzung von radio-
aktiven Stoffen, während das Sicherheitsüberprüfungsgesetz speziell auch dem
Schutz von Verschlusssachen diene. Die Sicherheitsüberprüfung nach dem Si-
cherheitsüberprüfungsgesetz gehe deshalb über die atomrechtliche Zuverläs-
sigkeitsüberprüfung hinaus, weil hier auch die Frage nach dem Bestehen einer
besonderen Gefährdungslage durch Anbahnungs- und Werbungsversuche
fremder Nachrichtendienste zu prüfen und hierzu weitergehende Überprüfungs-
akte als nach dem Atomrecht vorgesehen seien. Insgesamt seien deshalb die
bis dahin verfügten Auflagen nicht mehr ausreichend gewesen, um der nach-
richtendienstlichen Gefährdung des Antragstellers zu begegnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 - Az.: … - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Haupttei-
le A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zwar zulässig.
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann nach
ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Ent-
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scheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des ent-
sprechenden Bescheids angefochten werden. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO
(hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstge-
richte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betref-
fen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im
Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauf-
tragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die
sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche
Verwendung entschieden wird (vgl. zum Ganzen Beschluss vom 20. November
2012 - BVerwG 1 WB 21.12 und 1 WB 22.12 - juris Rn. 24 m.w.N.).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid der Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 7. Ok-
tober 2011 und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung
vom 27. Januar 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in
seinen Rechten.
Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist
eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit aus-
schließen soll (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB
37.07 - BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14
m.w.N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier: der Geheimschutzbeauf-
tragten beim Streitkräfteamt (Nr. 2416 ZDv 2/30) -, aufgrund einer an diesem
Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzel-
falls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit
zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
Der Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person
eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur einge-
schränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle be-
schränkt sich darauf, ob die Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzli-
chen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige
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Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen
Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. Juli 2011
- BVerwG 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 25
m.w.N.; ferner Urteile vom 15. Februar 1989 - BVerwG 6 A
2.87 - BVerwGE 81, 258 <264> = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2 S. 7und vom
15. Juli 2004 - BVerwG 3 C 33.03 - BVerwGE 121, 257 <262> = Buchholz
442.40 § 29d LuftVG Nr. 1 S. 4 f.; Beschluss vom 1. Oktober 2009 - BVerwG
2 VR 6.09 - juris Rn. 15).
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des
hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko be-
reits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte - wie hier in Rede stehend - ei-
ne besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder
Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen
(§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 2 ZDv 2/30). Dabei hat im
Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3
Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Pro-
gnose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt,
darf sich nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis
stützen. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend,
dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künf-
tig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwar-
tungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird
(stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buch-
holz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 S. 17, vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -
Rn. 22 und vom 22. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 53.08 - Rn. 24; vgl. auch BVerfG,
Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
Die Feststellung in dem Bescheid vom 7. Oktober 2011, dass wegen der per-
sönlichen und beruflichen Kontakte und Bindungen des Antragstellers und ins-
besondere seiner Ehefrau in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken (Ukrai-
ne, Russland) ein Sicherheitsrisiko vorliegt, hält die Grenzen des vorbezeichne-
ten Beurteilungsspielraums ein.
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a) Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SÜG soll in die erweiterte Sicherheitsüberprüfung
(§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SÜG) u.a. der volljährige Ehegatte des Antragstellers
einbezogen werden. Es sind keine Umstände ersichtlich, nach denen - abwei-
chend von der Soll-Vorschrift - die Einbeziehung der Ehefrau des Antragstellers
ausnahmsweise hätte unterbleiben können (vgl. hierzu Beschluss vom 26. Juni
2007 - BVerwG 1 WB 37.06 - Rn. 34 m.w.N.). Für die Einschätzung, ob ein Si-
cherheitsrisiko vorliegt, konnten deshalb nicht nur den Antragsteller unmittelbar
betreffende Erkenntnisse, sondern auch tatsächliche Anhaltspunkte zur Person
seiner Ehefrau herangezogen werden (§ 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SÜG).
b) Die Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen oder unvoll-
ständigen Sachverhalt ausgegangen.
Die Geheimschutzbeauftragte hat als - gegenüber der Auflagenentscheidung
vom 15. Januar 2008 - neue sicherheitserhebliche Erkenntnisse, die sie zu ei-
ner Neubewertung der Situation bewogen haben, Erbansprüche und engere
emotionale Bindungen der Ehefrau des Antragstellers an ihr Heimatland (Ukrai-
ne), berufliche Reisen und Kontakte der Ehefrau in Staaten mit besonderen Si-
cherheitsrisiken (Russische Förderation), mangelndes Sicherheitsbewusstsein
der Ehefrau sowie regelmäßige private Reisen (des Antragstellers und seiner
Ehefrau) in die Ukraine zur Mutter der Ehefrau angeführt. Diese Punkte hat die
Geheimschutzbeauftragte mit konkreten Umständen und Ereignissen unterlegt,
die ganz überwiegend von dem Antragsteller oder seiner Ehefrau selbst vorge-
tragen wurden oder als solche nicht strittig sind.
Hierzu zählen insbesondere das Wohnungseigentum der Ehefrau und ihrer
Mutter in der Ukraine (Entscheidungsgründe vom 7. Oktober 2011, S. 3; Schrei-
ben des Antragstellers vom 4. Juni 2011 unter Nr. 11), sechs Dienstreisen der
Ehefrau für deren früheren Arbeitgeber (…) in den Jahren 2008 und 2009 nach
Moskau, St. Petersburg und Murmansk einschließlich damit verbundener Kon-
takte zu russischen Verantwortlichen und Politikern (Entscheidungsgründe, S. 4
und 5; Schreiben vom 4. Juni 2011 unter Nr. 7 und 16 ff.) sowie drei jeweils
mehrwöchige Besuchs- und Urlaubsreisen der Ehefrau, überwiegend gemein-
sam mit dem Antragsteller, nach Jalta/Krim (Ukraine) in den Jahren 2006, 2007
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und 2009 (Entscheidungsgründe, S. 6; Schreiben des Antragstellers vom
4. Juni 2011 unter Nr. 24 ff.); ein weiterer dreiwöchiger Urlaub in Jalta fand im
Sommer 2011 statt (Meldung des Antragstellers vom 9. September 2011). Hin-
sichtlich künftiger Dienstreisen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken
(§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG) für den derzeitigen Arbeitgeber der Ehefrau
(…) hat die Geheimschutzbeauftragte nicht angenommen, dass solche Reisen
geplant seien, wohl aber - übereinstimmend mit der Erklärung des Antragstel-
lers (Schreiben vom 6. Oktober 2011 unter Nr. 1 und 2; Antragsschrift vom
29. Februar 2012, S. 4 unten) -, dass solche Reisen nicht ausgeschlossen wer-
den könnten und die Ehefrau sich insoweit in einer arbeitsvertraglichen Pflicht
sehe. Hinsichtlich künftiger privater Reisen in Staaten mit besonderen Sicher-
heitsrisiken hat der Antragsteller ausdrücklich erklärt, dass er aus familiären
Gründen weiterhin mit seiner Ehefrau und seiner Tochter zum Besuch und
Urlaub bei der Mutter der Ehefrau auf die Krim fahren wolle und werde; zu einer
Meldung im Vorfeld und einer Nachbereitung sei er bereit, nicht jedoch zu
einem Reiseverzicht (Schreiben vom 6. Oktober 2011 unter Nr. 3). Die Geheim-
schutzbeauftragte hat ferner zur Kenntnis genommen und berücksichtigt, dass
die Ehefrau während des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens aus der ukraini-
schen Staatsangehörigkeit entlassen und die deutsche Staatsangehörigkeit er-
worben hat (Entscheidungsgründe, S. 8 und 9; Beschwerdebescheid vom
27. Januar 2012, S. 7); sie hat jedoch gleichzeitig die fortbestehende starke
emotionale Bindung der Ehefrau an die Ukraine betont. Den Vorwurf eines
mangelnden Sicherheitsbewusstseins der Ehefrau stützt die Geheimschutzbe-
auftragte vor allem auf das Verhalten der Ehefrau in den Befragungen durch
den Militärischen Abschirmdienst, in denen sie sich negativ über den Sinn der
Sicherheitsüberprüfung geäußert und fehlende Sensibilität für die Gefährdungs-
lage gezeigt habe (siehe im Einzelnen Entscheidungsgründe, S. 6 und 9; Be-
schwerdebescheid, S. 8). Der Antragsteller hat die diesbezüglichen Äußerun-
gen als solche nicht grundsätzlich in Abrede gestellt; er hat jedoch erklärt, dass
seine Ehefrau in den Befragungen eingeschüchtert und provoziert worden sei
und ihre Äußerungen einseitig und verfälschend herausgegriffen worden seien
(insb. Schreiben vom 4. Juni 2011 unter Nr. 27).
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Insgesamt sind damit keine Fehler bei der Ermittlung des für die abschließende
Entscheidung bedeutsamen Sachverhalts ersichtlich. Vereinzelte, auf das Gan-
ze gesehen geringfügige Differenzen zwischen der Geheimschutzbeauftragten
und dem Antragsteller, etwa hinsichtlich des Einflusses der Umstände der Be-
fragung durch den Militärischen Abschirmdienst auf die dortigen Äußerungen
der Ehefrau oder hinsichtlich der Begriffswahl (z.B. Bezeichnung von vier Rei-
sen in 2006, 2007, 2009 und 2011 als „regelmäßige private Reisen in die Ukrai-
ne“), bewegen sich schwerpunktmäßig bereits im wertenden Bereich.
c) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Geheimschutzbeauftragte in
dem dargelegten Sachverhalt tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere
Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichten-
dienste erkannt und deswegen das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos ange-
nommen hat (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 2 ZDv 2/30). Mit
dieser Einschätzung hat die Geheimschutzbeauftragte weder den anzuwenden-
den Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann,
verkannt noch allgemeingültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde
Erwägungen angestellt.
Die Geheimschutzbeauftragte hat das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos mit der
Besorgnis begründet (Entscheidungsgründe, S. 8 und 9), dass der Antragsteller
oder seine Ehefrau über deren noch in der Ukraine lebende nahe Angehörige,
über mögliche Erbansprüche sowie aufgrund der Tatsache, dass die Ehefrau im
Rahmen von beruflichen Reisen nach Russland bereits Kontakte zum russi-
schen Inlandsgeheimdienst (FSB) gehabt habe, durch einen ukrainischen oder
russischen Nachrichtendienst unter Druck gesetzt werden könnten, um den An-
tragsteller zu einer nachrichtendienstlichen Mitarbeit zu erpressen. Hieran än-
dere auch die zwischenzeitlich erfolgte Entlassung aus der ukrainischen Staats-
angehörigkeit nichts, weil die Ehefrau nach wie vor starke emotionale Bindun-
gen an die Ukraine habe und dadurch einer erhöhten nachrichtendienstlichen
Gefährdung ausgesetzt sei. Auch das mangelnde Sicherheitsbewusstsein der
Ehefrau, das sie in den Befragungen durch den Militärischen Abschirmdienst
gezeigt habe, trage zu einem unkalkulierbaren Risiko im Hinblick auf mögliche
Erpressungen durch ausländische Nachrichtendienste bei.
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Mit dieser wertenden Einschätzung hat die Geheimschutzbeauftragte nicht den
ihr zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten. Sie steht im Einklang mit
den Erläuterungen/Hinweisen Nr. 10 zu Nr. 2414 (2) (Anlage C 18/4 zur ZDv
2/30), wonach nach langjährigen Erfahrungen aus der Spionageabwehr fremde
Nachrichtendienste als Druckmittel u.a. verwandtschaftliche Beziehungen in
Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken nutzen und häufige Reisen in diese
Staaten den Betroffenen einer besonderen Gefährdung durch fremde Nachrich-
tendienste aussetzen. Die Russische Föderation und die Ukraine gehören in
diesem Sinne zu den Staaten, in denen nach Feststellung des Bundesministe-
riums des Innern als Nationaler Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisi-
ken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besor-
gen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG i.V.m. der Staatenliste, Anlage C 2
Beilage 1/6 zur ZDv 2/30). Zutreffend ist auch die Erklärung der Geheimschutz-
beauftragten, dass es für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht auf den
Nachweis eines konkreten Kontakts zu einem fremden Nachrichtendienst an-
komme. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Annahme eines
Sicherheitsrisikos nicht erforderlich, dass die Gefährdung durch konkrete An-
bahnungsversuche bereits realisiert wurde; vielmehr soll dies gerade vermieden
werden (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2002 - BVerwG 1 WB 21.02 - Buchholz
402.8 § 5 SÜG Nr. 13 S. 22 f. = NZWehrr 2003, 34).
Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Geheimschutzbeauftragte die Äuße-
rungen der Ehefrau des Antragstellers in den Befragungen durch den Militäri-
schen Abschirmdienst („Einsparpotenzial bei den Sicherheitsüberprüfungen“,
„nur negative Erfahrungen mit dem MAD“, „veraltetes Material bei der Bundes-
wehr“, „Was könnte sie schon verraten?“, etc.) als Ausdruck eines mangelnden
Sicherheitsbewusstseins gewertet hat. Dies gilt auch dann, wenn man - mit dem
Antragsteller - davon ausgeht, dass sich seine Ehefrau erst durch Provokatio-
nen des Befragers zu ihren negativen Äußerungen hat hinreißen lassen, weil -
gerade unter dem Blickwinkel einer möglichen nachrichtendienstlichen Gefähr-
dung - auch Äußerungen in einer unangenehmen Gesprächssituation Aussage-
wert haben können. Dafür, dass gegenüber seiner Ehefrau etwa unzulässige
Befragungsmethoden angewandt worden seien, hat der Antragsteller keinerlei
greifbare Anhaltspunkte vorgetragen.
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d) Die Geheimschutzbeauftragte war an der Feststellung eines Sicherheitsrisi-
kos auch nicht dadurch gehindert, dass die Ehefrau des Antragstellers für ihre
berufliche Tätigkeit beim … über eine positive Zuverlässigkeitsüberprüfung
nach § 12b des Atomgesetzes (AtG) i.V.m. der Verordnung über die Überprü-
fung der Zuverlässigkeit zum Schutz gegen Entwendung oder erhebliche Frei-
setzung radioaktiver Stoffe nach dem Atomgesetz (Atomrechtliche Zuverlässig-
keitsüberprüfungs-Verordnung - AtZüV) vom 1. Juli 1999 (BGBl I 1525), und
zwar gemäß § 2 Nr. 1, § 3 AtZüV in der höchsten Stufe (umfassende Zuverläs-
sigkeitsüberprüfung, Kategorie 1), verfügt (Bescheid des Bayerischen Staats-
ministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 19. April 2011).
Die atomrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfung ist in ihrer Stufung nach Kate-
gorien (§ 2 AtZüV) und den dabei vorgeschriebenen Maßnahmen (§ 5 AtZüV)
zwar ähnlich aufgebaut wie die Überprüfung nach dem Sicherheitsüberprü-
fungsgesetz (§ 7 Abs. 1, § 12 SÜG). Gleichwohl stehen die Entscheidungen der
zuständigen Behörde nach der Atomrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungs-
Verordnung einerseits und der Geheimschutzbeauftragten nach dem Sicher-
heitsüberprüfungsgesetz - mit dem ihr dabei zugewiesenen Beurteilungsspiel-
raum - andererseits selbstständig nebeneinander. Sie unterscheiden sich zu-
dem in ihrer Ausrichtung. Zweck der atomrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprü-
fung ist (ausschließlich) der Schutz gegen unbefugte Handlungen, die zu einer
Entwendung oder einer erheblichen Freisetzung von radioaktiven Stoffen führen
können (siehe § 12b Abs. 1 Satz 1 AtG; § 1 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 2 Satz 1 AtZüV; vgl. auch BR-Drucks 185/99, S. 16, 18, 35 f.; Junker,
in: Danner/Theobald, Energierecht, Stand Dezember 2012, B 11 Rn. 11 f.). Die
Überprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz bezieht sich hingegen
im Kern auf den Verschlusssachen- und Geheimschutz (§ 1 Abs. 2 SÜG) und
soll Sicherheitsrisiken ausschließen, die nicht nur - wie bei der atomrechtlichen
Überprüfung - auf Zweifeln an der Zuverlässigkeit, sondern auch - wie hier - auf
einer unabhängig von Zuverlässigkeitsbedenken bestehenden besonderen
nachrichtendienstlichen Gefährdung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG) beruhen
können. Hinzu kommt die übergreifende Orientierung der Sicherheitsüberprü-
fung an der Gewährleistung der militärischen Sicherheit (Nr. 101 und Nr. 2401
Abs. 1 ZDv 2/30), die sich in der - im atomrechtlichen Verfahren nicht vorgese-
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henen - Beteiligung des Militärischen Abschirmdienstes als mitwirkender Be-
hörde (§ 3 Abs. 2 SÜG und § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und b MADG) wi-
derspiegelt.
Die Tatsache, dass das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesund-
heit unter dem Blickwinkel einer möglichen Entwendung oder Freisetzung von
radioaktiven Stoffen keine Bedenken gegen eine berufliche Tätigkeit der Ehe-
frau in Atomanlagen sieht, hat deshalb keine präjudizierende oder vorprägende
Bedeutung für die von der Geheimschutzbeauftragten innerhalb des ihr zuge-
wiesenen Beurteilungsspielraums selbstständig zu treffende Entscheidung, ob
aufgrund der bestehenden persönlichen und beruflichen Beziehungen der Ehe-
frau des Antragstellers in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken das Risiko
besteht, dass diese von fremden Nachrichtendiensten durch Druck oder Er-
pressung benutzt werden, um den Antragsteller - direkt oder mittelbar über die
Ehefrau - zu einem Geheimnisverrat zu bewegen.
e) Die Entscheidung der Geheimschutzbeauftragten ist auch nicht deshalb feh-
lerhaft, weil sie nicht - wie bei ihrer Entscheidung vom 15. Januar 2008 - erneut
eine (positive) Entscheidung unter Auflagen, Einschränkungen oder personen-
bezogenen Sicherheitshinweisen (Nr. 2705 Abs. 1 ZDv 2/30) getroffen hat.
Auf der Grundlage der Annahme eines Sicherheitsrisikos kommt nach dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Grundsatz des milderen Mittels) und unter Be-
achtung des Grundsatzes, dass im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang
vor anderen Belangen hat (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG), ein gleichwohl positiver
Abschluss des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens unter Auflagen, Einschrän-
kungen oder personenbezogenen Sicherheitshinweisen nur dann in Betracht,
wenn diese geeignet sind, die tatsächlichen Gründe für die nachrichtendienstli-
che Gefährdung auszuräumen. Kommt die Geheimschutzbeauftragte aufgrund
ihrer - nicht zu beanstandenden - Einschätzung zu dem Ergebnis, dass die
nachrichtendienstliche Gefährdung vor allem bei den Aufenthalten des Antrag-
stellers (privat) und seiner Ehefrau (beruflich und privat) in der Ukraine und der
Russischen Föderation besteht, so stellen bloße Melde- und Berichtspflichten,
wie sie in der Auflagenentscheidung vom 15. Januar 2008 vorgesehen waren,
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kein ausreichendes und damit kein gleich geeignetes Mittel zur Reduzierung
des Gefährdungspotenzials mehr dar. Die Geheimschutzbeauftragte durfte des-
halb unter dem Blickwinkel einer möglichen Auflagenentscheidung eine Reise-
verzichtserklärung des Antragstellers und seiner Ehefrau für Reisen in die Uk-
raine und nach Russland für erforderlich halten. Nachdem der Antragsteller und
seine Ehefrau nicht bereit waren, eine solche Erklärung abzugeben (Schreiben
vom 6. Oktober 2011, S. 3 am Ende), musste auch eine Auflagenentscheidung
nicht mehr in Betracht gezogen werden.
f) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist ferner die prognostische Einschätzung,
zu der sich allerdings erst der Beschwerdebescheid des Bundesministers der
Verteidigung (S. 9 unten) ausdrücklich äußert (vgl. zum prognostischen Ele-
ment in der Feststellung eines Sicherheitsrisikos Beschluss vom 11. März 2008
- BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14
). Die dortige - der Sache nach auch in der Entscheidung der
Geheimschutzbeauftragten enthaltene - Aussage, dass sich an den persönli-
chen Verhältnissen des Antragstellers und seiner Ehefrau und damit an den für
die Feststellung eines Sicherheitsrisikos maßgeblichen Umständen in den
nächsten Jahren nichts ändern werde, rechtfertigt die negative prognostische
Bewertung.
g) Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vor. Der
Antragsteller und seine Ehefrau hatten hinreichende Gelegenheit, sich zu den
für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sowie speziell zur Abgabe einer
Reiseverzichtserklärung zu äußern. Das Schreiben vom 12. September 2011,
mit dem die Geheimschutzbeauftragte nochmals die Problematik beruflicher
und privater Reisen in die Ukraine und nach Russland darlegte, war zwar nur
an den Antragsteller adressiert. Das Schreiben wandte sich in der Sache jedoch
sowohl an den Antragsteller als auch an seine Ehefrau, was auch an den beige-
fügten separaten, inhaltlich unterschiedlichen Formularen einer Reiseverzichts-
erklärung ersichtlich ist. Dementsprechend nahm der Antragsteller mit seinem
Antwortschreiben vom 6. Oktober 2011 zu den angesprochenen Punkten nicht
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nur für sich, sondern auch für seine Ehefrau Stellung und erklärte, dass die an-
gebotenen Reiseverzichte für seine Ehefrau und ihn inakzeptabel seien.
Dr. von Heimburg
Dr. Langer
Dr. Eppelt