Urteil des BVerwG vom 27.11.2007

Ermittlung des Sachverhaltes, Ermächtigung, Stellvertreter, Zugang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 31.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Major der Reserve ... H.,
...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberfeldarzt Bosse und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Schmidt
am 27. November 2007 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
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Der 1968 geborene Antragsteller leistete vom 1. Juli 1990 bis zum 30. Juni
1992 Dienst in der Bundeswehr als Soldat auf Zeit/Reserveoffizieranwärter. Er
wurde am 31. März 2006 zum Major der Reserve befördert. Nach zahlreichen
Inlandswehrübungen absolvierte er drei besondere Auslandsverwendungen
nach §§ 6a, 23 WPflG, bei denen er vom 24. November 2000 bis zum
22. Januar 2001 als Pressestabsoffizier/... bei SFOR und vom 17. Juni bis zum
10. November 2002 u.a. als Verbindungsstabsoffizier bei KFOR eingesetzt war.
Die dritte besondere Auslandsverwendung war vom 5. Dezember 2002 bis zum
4. Juli 2003 im Stab des Kommandeurs Deutsches Einsatzkontingent SFOR
vorgesehen, wurde jedoch am 24. April 2003 aufgrund einer Entscheidung des
Kommandeurs des Deutschen Einsatzkontingents SFOR vom 22. März 2003
vorzeitig beendet. Den - nach erfolglosem Beschwerdeverfahren - gegen diese
Entscheidung gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Antragstel-
lers hat der Senat durch Beschluss vom 22. Januar 2004 - BVerwG 1 WB
43.03 - als unzulässig verworfen.
Für den Zeitraum vom 4. Dezember 2006 bis zum 21. Juni 2007 stellte sich der
Antragsteller erneut für die freiwillige Teilnahme an einem Auslandseinsatz der
Bundeswehr zur Verfügung, diesmal im Rahmen einer Wehrübung beim Deut-
schen Einsatzkontingent EUFOR in R. Dazu wurde er durch das Kreiswehrer-
satzamt Köln mit Bescheid vom 17. November 2006 gemäß §§ 6a, 23 WPflG
zum Wehrdienst in einer besonderen Auslandsverwendung beim Stab Pionier-
brigade 100 in Minden einberufen. Von dort wurde der Antragsteller mit Kom-
mandierungsverfügung vom 6. Dezember 2006 ab 7. Dezember 2006 zum Stab
6. Deutsches Einsatzkontingent EUFOR kommandiert. Dort war er als Chefre-
dakteur bzw. Pressestabsoffizier für Inhalt und Gestaltung der Feldzeitung „Der
Keiler“ verantwortlich.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2007 an den Kommandeur des Deutschen
Einsatzkontingents EUFOR beantragte der Chef des Stabes dieses Kontingents
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die vorzeitige Beendigung der Kommandierung des Antragstellers und dessen
schnellstmögliche Rückführung in das Heimatland. Den Entwurf dieses
Antrages händigte er dem Antragsteller am gleichen Tage aus und räumte ihm
eine Frist zur Stellungnahme bis zum 11. Februar 2007 ein. Der Antrag war mit
der Erschütterung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers
als Offizier aufgrund eingetretener persönlicher Differenzen in der Redaktion
der Feldzeitung „Der K.“ begründet.
Mit weiterem Schreiben vom 13. Februar 2007 an den Kommandeur begründe-
te der Chef des Stabes zusätzlich seinen Vorschlag auf vorzeitige Beendigung
des Auslandseinsatzes mit dem Umstand, dass der Sicherheitsbeauftragte der
Pionierbrigade ... am 9. Februar 2007 die Ermächtigung des Antragstellers zum
Zugang zu Verschlusssachen bis zum Geheimhaltungsgrad GEHEIM mit Wir-
kung vom 9. Februar 2007 aufgehoben habe. Nach Prüfung der Stellenbeset-
zungsliste aller vakanten Offizierdienstposten im 7. Deutschen Einsatzkontin-
gent EUFOR durch den S 1 sei eine Umsetzung des Antragstellers auf einen
anderen freien Dienstposten nicht möglich, weil für diese Dienstposten gemäß
Stellenbesetzungsliste mindestens eine Ermächtigung zum Zugang zu Ver-
schlusssachen VS-VERTRAULICH erforderlich sei. Ein Dienstposten, der keine
Ermächtigung erfordere, sei nicht verfügbar. Der Chef des Stabes gab dem An-
tragsteller einen Entwurf dieser Ergänzung seines Vorschlags zur Kenntnis und
räumte ihm bis zum 14. Februar 2007 die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.
Diese Möglichkeit nahm der Antragsteller mit seinen Äußerungen vom
11. und 14. Februar 2007 wahr. Die zuständige Vertrauensperson wurde am
12. Februar 2007 angehört.
Auf dieser Grundlage und unter Bezugnahme auf eine weitere Anhörung der
Vertrauensperson am 14. Februar 2007 entschied der Kommandeur des Deut-
schen Einsatzkontingents EUFOR am 14. Februar 2007, den Antragsteller un-
verzüglich vom Einsatz als Chefredakteur und Redaktionsstabsoffizier des „Kei-
lers“ im Stab des Deutschen Einsatzkontingents EUFOR im Feldlager R. abzu-
lösen; zugleich beendete er vorzeitig den Auslandseinsatz des Antragstellers
mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung führte er aus:
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„1. Sie haben den Ihnen als Redaktionsfeldwebel unter-
stellten Stabsunteroffizier R. am 24.01.2007 gegen
11.30 Uhr in Gegenwart der beiden Hauptgefreiten Por.
und Po. gerügt und sinngemäß gesagt, dass er sich auf
dünnem Eis bewege, weil dieser sich tags zuvor nicht per-
sönlich bei Ihnen abgemeldet habe, obwohl SU R., der
sich nach einer Blutspende unwohl fühlte, mangels Ihrer
Erreichbarkeit ordnungsgemäß vom Abteilungsfeldwebel,
OStFw T., beurlaubt worden war.
2. Sie hatten durch ein Gespräch mit dem LdP, Oberst-
leutnant Pu., am 24.01.2007 Kenntnis davon, dass der SU
R. sich von Ihnen nicht gerecht behandelt fühlte, und ha-
ben am Morgen des 25.01.2007 gegen 9.00 Uhr in den
Redaktionsräumen des ‚K.’, Feldlager R., Gebäude ..., SU
R., der aufgestanden war, um eine gegen Sie gerichtete
Beschwerde beim LdP, Oberstleutnant Pu., abzugeben,
im Beisein der beiden Hauptgefreiten Po. und Por. befoh-
len, sich wieder hinzusetzen und weiterzuarbeiten, so
dass die Abgabe der Beschwerde durch diesen Befehl,
den der SU R. befolgte, unterblieb.
3. Am Morgen des 25.01.2007 gegen 9.30 Uhr haben Sie
im Feldlager R., Gebäude 1, vor der Tür des LdP, Oberst-
leutnant Pu., versucht, den SU R. an der Abgabe von
dessen Beschwerde zu hindern, indem Sie ihm sinnge-
mäß sagten, dass er sich gut überlegen sollte, was er jetzt
tue und ob er sich über die Folgen darüber hinaus be-
wusst sei.
4. Sie haben am Abend des 25.01.2007 kurz nach
19.00 Uhr in den Redaktionsräumen des ‚K.’ im Feldlager
R., Gebäude 1, nachdem Sie zuvor Kenntnis vom Inhalt
der Beschwerde des SU R. gegen Sie durch den Chef des
Stabes DEUEinsKtgt erhalten hatten, SU R. als ‚linke Ba-
zille’ bezeichnet und diesem gegenüber geäußert, dass
man so einen wie SU R. in Ihren Kreisen als ‚Kameraden-
schwein’ bezeichnen würde. Sinngemäß sagten Sie zu SU
R.: ‚Erst mit einer Maske anlächeln und dann von hinten
einen Dolchstoß geben.’
5. Sie haben am Abend des 25.01.2007 kurz nach
19.00 Uhr, nachdem Sie SU R. zuvor Dienstunterbre-
chung gewährt hatten, diesem erneut befohlen, sofort alle
seine Aktivitäten im Zeitraum vom 18.01.2007 bis zum
25.01.2007 schriftlich an Sie per Mail zu senden, obwohl
Sie im Rahmen Ihrer Ihnen obliegenden Dienstaufsicht
von all diesen Aktivitäten im genannten Zeitraum hätten
Kenntnis haben müssen und zumindest für den Zeitraum
22.01.2007 bis zum 25.01.2007 diese Information direkt
vom an der Wand hängenden Redaktionsbord und der
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Druckfahne der in Arbeit befindlichen aktuellen Keileraus-
gabe ablesen konnten, so dass SU R. damit bis etwa
20.45 Uhr beschäftigt war.
6. Sie haben im Anschluss an den vorgenannten Auftrag
SU R. veranlasst, einen von Ihnen am 22.01.2007 ver-
fassten Zettel mit Aufträgen zu suchen, obwohl Sie im
Rahmen der Ihnen obliegenden Dienstaufsicht von all den
auf dem Zettel befindlichen Aufträgen hätten Kenntnis ha-
ben müssen und für den Zeitraum vom 22.01.2007 bis
zum 25.01.2007 die Erledigung oder den Bearbeitungs-
stand der Aufträge direkt vom an der Wand hängenden
Redaktionsbord und der Druckfahne der in Arbeit befindli-
chen aktuellen Keilerausgabe ablesen konnten. Da der
Zettel in den Redaktionsräumen des Keilers nicht auffind-
bar war, sollte SU R. diesen auf seiner Stube in der Ver-
sorgungskompanie, Gebäude 28, suchen, womit dieser
bis 22.00 Uhr beschäftigt war. Sie forderten den OvD der
Versorgungskompanie, HFw H., telefonisch auf, dass SU
R. unter der Aufsicht des OvD den Zettel auf der Stube
suchen sollte. Der OvD sagte SU R. bei dessen Eintreffen
in der Versorgungskompanie, dass er diese Aufforderung
unter Hinweis auf Ihre nicht vorhandene Weisungsbefug-
nis ihm gegenüber abgelehnt habe. SU R. sollte den Zettel
unmittelbar nach dem Auffinden dem OvD, HFw H.,
übergeben und nicht selbst in die Redaktion zurückbrin-
gen. Er fühlte sich dadurch wie ein ‚strafrechtlich Verfolg-
ter’, war sich aber keiner Schuld bewusst.
7. Am 09.02.2007 wurde durch den Sicherheitsbeauftrag-
ten der Pionierbrigade ..., ..., ..., Ihre Ermächtigung zum
Zugang mit Verschlusssachen bis zum Geheimhaltungs-
grad GEHEIM mit Wirkung vom 09.02.2007 aufgehoben.
Nach Prüfung der Stellenbesetzungsliste aller vakanten
Offizierdienstposten im ... DEUEinsKtgt EUFOR durch den
S 1, Stab Deutsches Einsatzkontingent EUFOR, ist eine
Umsetzung auf einen anderen freien Dienstposten nicht
möglich, da für diese Dienstposten gemäß Stellenbeset-
zungsliste mindestens eine Ermächtigung zum Zugang
von Verschlusssachen VS-VERTRAULICH erforderlich ist.
Ein Dienstposten, der keine Ermächtigung erfordert, ist
nicht verfügbar.
Nach Überprüfung aller mir vorliegenden Ermittlungsunter-
lagen komme ich trotz der Stellungnahmen Ihrer Vertrau-
ensperson und trotz Ihrer eigenen Stellungnahme zu der
Entscheidung, dass Ihre schnellstmögliche Ablösung aus
diesem Einsatzkontingent unumgänglich ist.
Ich schließe mich bezüglich der unter Nr. 1 bis 6 geschil-
derten Sachverhalte den Begründungen im Ablösungsvor-
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schlag des Chefs des Stabes des Deutschen Einsatzkon-
tingentes EUFOR an.
Durch Ihr in diesem Auslandseinsatz gezeigtes Verhalten
als Offizier und Vorgesetzter haben Sie nicht nur die Ach-
tung und das Vertrauen Ihnen untergebener Soldaten ver-
loren, sondern auch mein persönliches Vertrauen verwirkt.
Aufgrund des unter Nr. 7 dargestellten Sachverhalts ist ei-
ne weitere Verwendung im ... Deutschen Einsatzkontin-
gent ausgeschlossen.
Eine Entscheidung, ob Ihr Verhalten disziplinar zu würdi-
gen ist, erfolgt nicht im Einsatzland.“
Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller mit Schreiben vom
26. Februar 2007 Beschwerde ein, die der Befehlshaber des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr mit Beschwerdebescheid vom 23. April 2007 zu-
rückwies.
Gegen die vorbezeichnete, ihm am 5. Mai 2007 durch Empfangsbekenntnis
zugestellte Entscheidung legte der Antragsteller mit Telefaxschreiben vom
5. Mai 2007, welches keine Unterschrift enthielt, weitere Beschwerde ein. Die-
ser Rechtsbehelf ging am 11. Mai 2007 beim Stellvertreter des Generalinspek-
teurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis ein. Der Original-
schriftsatz des Rechtsbehelfs, welcher ebenfalls nicht unterzeichnet war, ging
auf dem Postweg in einem Briefumschlag mit der handschriftlichen Absender-
angabe des Antragstellers am 14. Mai 2007 beim Stellvertreter des Generalin-
spekteurs ein. Dieser wies die weitere Beschwerde mit Beschwerdebescheid
vom 11. Juli 2007 als unzulässig zurück, weil sie in Ermangelung einer Unter-
schrift des Antragstellers unter den Rechtsbehelfsschriftsatz nicht formgerecht
eingelegt worden sei.
Die dagegen gerichtete „weitere Beschwerde“ des Antragstellers vom 26. Juli
2007 hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr als Antrag
auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet und mit
seiner Stellungnahme vom 20. August 2007 dem Senat vorgelegt.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Seine Beschwerde sei weder rechtmäßig überprüft worden noch seien die rich-
tigen Bezüge des Beschwerdebescheides herangezogen worden. Das Fax sei
mit Unterschrift zugesandt worden und frist- und formgerecht erfolgt. Die auf
falschen Grundlagen basierende Ablösung begründe sich in einer Summe von
konstruierten Vorwürfen. Er sei gemobbt worden. Erst dieses Mobbing und das
Fehlen von Arbeitsergebnissen des Stabsunteroffiziers R. hätten die Spannun-
gen im Dienstbetrieb erzeugt. Die offensichtliche Diskreditierung seiner, des
Antragstellers, Person, sei bereits mit dem Urlaubsantritt des Leiters des Pres-
se- und Informationszentrums spürbar geworden, weil dieser ihm ohne Angabe
von Gründen die Ausübung der Aufgaben als Stellvertreter nicht habe ermögli-
chen wollen.
Der Antragsteller beantragt,
„die Aufhebung und faire Bescheidung meiner Beschwer-
de gegen die Repatriierung, die in Art und Weise men-
schenunwürdig und rechtswidrig war“.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unbegründet, weil entgegen der Annahme des Antragstellers
dessen weitere Beschwerde vom 5. Mai 2007 weder form- noch fristgerecht
eingelegt worden sei. Das Beschwerdeschreiben des Antragstellers sei zwar
innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist per Fax bei ihm, dem Stellvertreter
des Generalinspekteurs der Bundeswehr, eingegangen. Dieses Fax habe je-
doch nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerdeeinlegung
nach § 6 Abs. 2 WBO erfüllt. Danach müsse die Beschwerdeschrift vom Be-
schwerdeführer selbst oder seinem Bevollmächtigten eigenhändig mit Na-
mensunterschrift oder mit notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnet
werden. Daran fehle es hier. Das per Fax übermittelte Beschwerdeschreiben
habe lediglich eine nicht unterschriebene Textversion enthalten; zudem habe
das Fax keinen Absender erkennen lassen, sodass es dem Antragsteller nicht
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mit der erforderlichen Sicherheit habe zugerechnet werden können. Insoweit sei
zweifelhaft, ob das Schriftstück tatsächlich als Beschwerde in den Rechts-
verkehr habe eingebracht werden sollen oder ob es nicht etwa einen irrtümlich
übersandten Entwurf darstelle. Das später eingesandte Originalschreiben der
weiteren Beschwerde habe ebenfalls keine Unterschrift enthalten. Selbst wenn
man es aufgrund der handschriftlichen Absenderangaben auf dem Briefum-
schlag als schriftliche Beschwerdeeinlegung im Sinne des § 6 WBO genügen
ließe, sei dies für die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nicht ausreichend, weil
das Originalschreiben erst am 14. Mai 2007 und damit verfristet eingegangen
sei.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten und der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakten des Stellver-
treters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräf-
tebasis - FüS RB - 25-05-11/8.07 und 22.07 - sowie die Handakten „Reserveof-
fiziere Abschnitte I und II“ haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen. Fer-
ner hat der Senat die ihm vorgelegten Akten des Einsatzführungskommandos
der Bundeswehr J 1/InFü - 25-04-00 Nr. 82/07 - und die Gerichtsakten BVerwG
1 WB 43.03 bei der Beratung berücksichtigt.
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Die Beendigung der Wehrübung des Antragstellers steht der Fortführung des
Verfahrens nicht entgegen (§ 15 WBO in entsprechender Anwendung).
Der Antrag ist unzulässig.
Der vom Antragsteller formulierte Antrag der „Aufhebung und faire(n) Beschei-
dung meiner Beschwerde gegen die Repatriierung, die in Art und Weise men-
schenunwürdig und rechtswidrig war“, bedarf der Auslegung. Der Antragsteller
strebt ersichtlich die Aufhebung der Beschwerdebescheide des Befehlshabers
des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom 23. April 2007 und des
Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 11. Juli 2007 so-
wie die neue Bescheidung seiner Beschwerde vom 26. Februar 2007 und sei-
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ner weiteren Beschwerde vom 5. Mai 2007 an. Dies ergibt sich eindeutig aus
dem Inhalt der weiteren Beschwerde vom 5. Mai 2007, in deren Rahmen der
Antragsteller ausdrücklich „die Aufhebung des Beschwerdebescheids, weil die-
ser rechtswidrig ist und mich in meinen Rechten als Soldat verletzt“, beantragt
hat. Ergänzend führt er dort aus, er beantrage eine „faire Bescheidung meiner
Beschwerde gegen die Ablösung aus dem Einsatzland“. Im gerichtlichen Ver-
fahren hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 21. September 2007 erklärt,
dass er auch hinsichtlich des Beschwerdebescheids vom 11. Juli 2007 eine
Neubescheidung auf der Grundlage einer „kritischen oder zumindest objektiven
Ermittlung des Sachverhaltes“ wünsche.
Dieser Antrag ist unzulässig, weil eine neue Bescheidung der Beschwerde und
der weiteren Beschwerde des Antragstellers mit dem Ziel, dessen unverzügli-
che Ablösung von seinem Auslandseinsatz und die Beendigung dieses Einsat-
zes aufzuheben, nicht mehr in Betracht kommt. Diese Ablösungsentscheidung
des Kommandeurs des Deutschen Einsatzkontingents EUFOR ist durch die
Rückführung des Antragstellers nach Deutschland am 14. Februar 2007 und
durch den Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Einberufungszeitraums am
21. Juni 2007 durch Zeitablauf erledigt. Die Erledigung war bereits vor Rechts-
hängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (27. August 2007) einge-
treten.
Bei einer derartigen Sachlage kann der vom Antragsteller verfolgte Antrag nur
- nach der auch im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren
Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - in Gestalt eines Fortsetzungsfest-
stellungsantrages weitergeführt werden (Beschlüsse vom 22. Januar 2004
- BVerwG 1 WB 43.03 - m.w.N. und vom 8. August 2007 - BVerwG 1 WB
8.07 -).
Einen derartigen Feststellungsantrag hat der Antragsteller indessen nicht ge-
stellt.
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Selbst wenn im Interesse des - nicht anwaltlich vertretenen - Antragstellers sei-
nem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren der Feststellungsantrag zu entneh-
men wäre, dass die Beschwerdebescheide des Befehlshabers des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr vom 23. April 2007 und des Stellvertreters
des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 11. Juli 2007 rechtswidrig sind,
wäre dieser Feststellungsantrag unzulässig.
Zwar hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 21. September 2007 sinn-
gemäß das erforderliche Feststellungsinteresse dargetan. Bei Erledigung einer
truppendienstlichen Maßnahme vor Einlegung des Antrags auf gerichtliche Ent-
scheidung kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse auf ein Rehabilitie-
rungsinteresse oder auf eine Wiederholungsgefahr gestützt werden (Beschluss
vom 8. August 2007 a.a.O.). Zusätzlich kann sich - unter dem Gesichtspunkt
effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - ein berechtigtes Feststellungs-
interesse daraus ergeben, dass die erledigte Maßnahme eine fortdauernde fak-
tische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht. Ein Feststellungsinteresse
in diesem Sinne muss der jeweilige Antragsteller spezifiziert darlegen und gel-
tend machen (Beschluss vom 22. Januar 2004 a.a.O.).
Der Antragsteller hat ein Rehabilitierungsinteresse dadurch hinreichend darge-
tan, dass er in seinem Schriftsatz vom 21. September 2007 auf ein „kurz vor
Kontingentende erfolgreiches Mobbing“ eines Offiziers hingewiesen und die Art
und Weise seiner Repatriierung als „menschenunwürdig“ und rechtswidrig be-
zeichnet hat. Ergänzend hat er sich auf die „offensichtliche Diskreditierung“ sei-
ner Person berufen.
Trotz der damit hinreichenden Darlegung eines Feststellungsinteresses bleibt
der Feststellungsantrag unzulässig.
Eine isolierte Anfechtung von Beschwerdebescheiden - auch in Gestalt eines
Feststellungsantrages - ohne zusätzliche Anfechtung der Ausgangs-Maßnahme
kann nur dann in Betracht kommen, wenn diese Beschwerdebescheide gegen-
über der ursprünglichen truppendienstlichen Maßnahme eine zusätzliche selb-
ständige Beschwer enthalten (vgl. § 79 Abs. 2 VwGO; stRspr, Beschlüsse vom
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31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 16.06 - Buchholz 449.7 § 52 SBG Nr. 3 =
NZWehrr 2007, 162 und vom 8. März 2007
- BVerwG 1 WB 43.06 -). Das damit für die selbständige Anfechtung von Be-
schwerdebescheiden zu fordernde besondere Rechtsschutzinteresse hat der
jeweilige Antragsteller in einer der näheren Prüfung bedürfenden Weise darzu-
legen (stRspr, Beschlüsse vom 31. Januar 2007 a.a.O. und vom 8. März 2007
a.a.O.). Daran fehlt es hier.
Mit dem Beschwerdebescheid vom 23. April 2007 hat der Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr lediglich eine Sachentscheidung
über die Beschwerde des Antragstellers vom 26. Februar 2007 getroffen, ohne
im Hinblick auf die zugrunde liegende Rückführungsentscheidung vom
14. Februar 2007 eine zusätzliche Beschwer darin aufzunehmen. Auch die
Qualifikation der weiteren Beschwerde des Antragstellers als unzulässig im Be-
schwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr
vom 11. Juli 2007 enthält erkennbar keine isolierte zusätzliche Beschwer des
Antragstellers, sondern lediglich eine prozessuale rechtliche Bewertung der
weiteren Beschwerde.
Der Feststellungsantrag ist deshalb unzulässig.
Lediglich mit Rücksicht auf das ausführliche Vorbringen des Antragstellers in
der Sache weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
Zwar dürfte entgegen der im Beschwerdebescheid vom 11. Juli 2007 geäußer-
ten Rechtsauffassung die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 5. Mai
2007 als form- und fristgerecht im Sinne des § 16 Abs. 4 i.V.m. § 6 WBO anzu-
sehen sein. Dabei kann offenbleiben, ob das vom Antragsteller nicht unter-
zeichnete Telefaxschreiben vom 5. Mai 2007 den Erfordernissen der Formge-
rechtigkeit entspricht (zur Formgerechtigkeit eine Rechtsbehelfs in Gestalt eines
Telefaxschreibens ohne Unterschrift vgl. Beschluss vom 19. Dezember 1994
- BVerwG 5 B 79.94 - NJW 1995, 2121 und BSG, Beschluss vom 15. Oktober
1996 - 14 BEg 9/96 - MDR 1997, 374 = NJW 1997, 1254). Denn das - ebenfalls
nicht unterzeichnete - Originalschreiben des Antragstellers vom 5. Mai 2007 ist
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mit einem Briefumschlag versehen, auf dessen Rückseite handschriftlich Name
und Adresse des Antragstellers als Absenderangabe eingefügt sind. Mit Hilfe
dieser Angaben könnte das Original-Rechtsbehelfsschreiben noch als
formgerecht gewertet werden. Da dem Antragsteller der Beschwerdebescheid
vom 23. April 2007 (erst) am 5. Mai 2007 förmlich durch Empfangsbekenntnis
zugestellt worden ist und erst mit dieser Zustellung dem Erfordernis des § 12
Abs. 1 Satz 2 WBO entsprochen worden ist, war am 14. Mai 2007, dem Tag
des Eingangs des Originalschreibens beim Stellvertreter des General-
inspekteurs der Bundeswehr, die Frist für die Einlegung der weiteren Be-
schwerde noch nicht abgelaufen.
Gleichwohl hätte eine Anfechtung der Rückführungsentscheidung des Kom-
mandeurs des Deutschen Einsatzkontingents EUFOR in der Sache wohl des-
halb keinen Erfolg gehabt, weil diese Entscheidung - gesondert - auch darauf
gestützt ist, dass durch den Sicherheitsbeauftragten der Pionierbrigade ... in M.
die Ermächtigung des Antragstellers zum Zugang zu Verschlusssachen bis zum
Geheimhaltungsgrad GEHEIM mit Wirkung vom 9. Februar 2007 aufgehoben
worden und ohne eine solche Ermächtigung eine weitere Verwendung des An-
tragstellers im ... Deutschen Einsatzkontingent ausgeschlossen sei. Der zusätz-
lichen Erklärung, ein Dienstposten, der keine Ermächtigung erfordere, sei nicht
verfügbar, ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Bis zum
Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Einberufungszeitraums am 21. Juni
2007 ist dem Antragsteller die erforderliche Ermächtigung nicht neu erteilt wor-
den. Vor diesem Hintergrund hätte dem Antragsteller für eine Fortsetzung sei-
ner besonderen Auslandsverwendung eine zwingende Voraussetzung gefehlt,
sodass die Ermessensentscheidung über seine Rückführung nach Deutschland
im Ergebnis wohl nicht hätte beanstandet werden können.
Von der Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat
gemäß § 20 Abs. 2 WBO ab.
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