Urteil des BVerwG vom 23.11.2010

Einspruch, Soldat, Heer, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BVerwG 1 WB 3.10
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann …
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Grunewald und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Köllner
am 23. November 2010 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt den Wechsel von der Laufbahn der Offiziere des mili-
tärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes.
Der 1966 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraus-
sichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2021 enden. Er wurde am 23. September
2005 zum Hauptmann ernannt und mit Wirkung vom 1. August 2005 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Seit dem 23. September
2003 wird er als Sachbearbeiteroffizier beim … (Dauerverwender) in der Au-
ßenstelle B. eingesetzt.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2008, ergänzt durch Schreiben vom 12. Februar
2009, beantragte der Antragsteller seine Übernahme in die Laufbahn der Offi-
ziere des Truppendienstes. In der Auswahlkonferenz für den Laufbahnwechsel
von Offizieren des militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des
Truppendienstes, die für den Bereich des Heeres am 2. und 8. April 2009 beim
Personalamt der Bundeswehr stattfand, wurde der Antragsteller nicht ausge-
wählt. Ausweislich des Konferenzprotokolls vom 8. April 2009 wurde er als
„nicht geeignet“ eingestuft; von den fünf Offizieren seines Geburtsjahrgangs, die
teilweise die Einstufung als „besonders geeignet“ erhalten hatten, wurde kein
Offizier übernommen.
Das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 2 - unterrichtete den An-
tragsteller mit Bescheid vom 12. Mai 2009, ausgehändigt am 26. Mai 2009,
über die Ablehnung seines Antrags auf Laufbahnwechsel.
Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Mai 2009 „Einspruch“.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 legte er Untätigkeitsbeschwerde ein.
Den „Einspruch“ hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - als Antrag
auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet und dem Senat mit
seiner Stellungnahme vom 29. Dezember 2009 zur Entscheidung vorgelegt.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die Auswahlentscheidung sei ermessensfehlerhaft, weil bei ihr auch seine auf
der Grundlage der Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6)
erstellte planmäßige Beurteilung vom 15. April 2008 (Vorlagetermin 31. März
2008) berücksichtigt worden sei; das Bundesverwaltungsgericht habe mit Be-
schluss vom 26. Mai 2009 die Rechtswidrigkeit dieses Beurteilungssystems
festgestellt. Die Bestandskraft der Beurteilung berechtige die Bundeswehr nicht
dazu, Auswahlentscheidungen unabhängig von Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen. Im
Übrigen halte er zentrale Teile seiner Beurteilung für nichtig. Das gelte insbe-
sondere für die Bewertung der Einzelmerkmale in Abschnitt 3.1 (Aufgabenerfül-
lung auf dem/den Dienstposten), weil dieser Teil in besonderem Maße auf den
für rechtswidrig erklärten Regelungen der ZDv 20/6 beruhe. Dasselbe gelte für
die Ausführungen in Abschnitt 3.3, weil diese in unmittelbarem Zusammenhang
mit der Leistungsbewertung stünden. Darüber hinaus seien die Ausführungen in
den Abschnitten 4.2 und 8.2 bis 8.5 nicht bzw. nur sehr eingeschränkt ver-
wertbar, weil die Aussagen zum Potenzial und zur Entwicklungsprognose we-
sentlich durch die Bewertungen der Einzelmerkmale und durch die Hinweise zur
Leistungsentwicklung im Abschnitt 3 beeinflusst seien.
Ferner beanstande er die Ablehnung des Laufbahnwechsels aus Bedarfsgrün-
den. Dabei sei die Verwaltungspraxis nicht berücksichtig worden, Unterdeckun-
gen in bestimmten Jahrgängen durch Überdeckungen in anderen Jahrgängen
desselben Uniformträgerbereichs auszugleichen. Auch sei nicht ersichtlich, ob
ein uniformträgerbereichsübergreifend oder laufbahnübergreifend bestehender
Bedarf ausgeglichen worden sei. Es sei nicht überzeugend dargelegt, dass
zwingende strukturelle oder haushalterische Gründe dem Laufbahnwechsel
entgegenstünden. Insbesondere zeige die bisherige Übernahmepraxis, dass in
dem durch das Personalstrukturmodell 2010 vorgegebenen Rahmen die vor-
handenen Strukturen flexibel an das Bewerberaufkommen angepasst würden.
Er gehe daher davon aus, dass in seinem Fall die Bedarfsgründe nur vorge-
schoben seien, um die Ermessensfehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung
zu überdecken.
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Der Antragsteller beantragt
die erneute Prüfung des Laufbahnwechsels unter Berück-
sichtigung seiner planmäßigen Beurteilung vom
21. Februar 2006 und die Aufhebung des Bescheids des
Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 - vom
12. Mai 2009.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Bereits vor der Auswahlkonferenz seien für den Geburtsjahrgang des Antrag-
stellers die nach dem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung
- PSZ I 1 - vom 21. November 2007 (Auswahlverfahren für den Laufbahnwech-
sel von Offizieren des militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere
des Truppendienstes) für den Bereich des Heeres vorgesehenen neun Über-
nahmemöglichkeiten pro Geburtsjahrgang ausgeschöpft gewesen und zusätz-
lich drei weitere, also insgesamt zwölf Übernahmen in die strittige Laufbahn er-
folgt. Die Vorgaben des Erlasses seien damit um 33 % übererfüllt gewesen.
Darüber hinaus sei die Anzahl der Berufsoffiziere des Truppendienstes im Heer
im Geburtsjahrgang des Antragstellers nach dem Personalstrukturmodell 2010
mit 221 Offizieren festgelegt; dem habe im Zeitpunkt der Konferenz ein tatsäch-
licher Bestand von 248 Offizieren gegenübergestanden, so dass ein darüber
hinausgehender struktureller Bedarf nicht gegeben gewesen sei. Aus dem Ge-
burtsjahrgang des Antragstellers seien im Antragsjahr 2008 fünf Anträge auf
Laufbahnwechsel gestellt worden. Von den fünf Kandidaten seien drei Offiziere
trotz festgestellter Eignung mangels Bedarfs nicht ausgewählt worden; der An-
tragsteller und der weitere Kandidat seien wegen fehlender Eignung abgelehnt
worden. Da mangels Bedarfs kein geeigneter Bewerber sein Ziel erreicht habe
und alle Anträge auf Laufbahnwechsel abgelehnt worden seien, komme es auf
die Art und Weise der Auswahl und die dazu herangezogenen Auswahlmittel
nicht mehr an. Der Antragsteller wäre selbst bei Feststellung genereller Eignung
mangels Bedarfs nicht zum Laufbahnwechsel ausgewählt worden. Zum
Auswahlverfahren nach dem Erlass vom 21. November 2007 werde darauf hin-
gewiesen, dass von den dort beschriebenen Übernahmemöglichkeiten und der
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dort eingeräumten Möglichkeit, am Auswahlverfahren teilzunehmen, nicht auf
einen konkreten Bedarf geschlossen werden könne. Bei der Bedarfsermittlung
werde auf die Gesamtaltersstruktur in der Laufbahn der Offiziere des Truppen-
dienstes im jeweiligen Uniformträgerbereich abgestellt. Grund dafür sei, dass
die Auswahl von Soldaten für den Laufbahnwechsel zwischen dem 39. und fast
46. Lebensjahr stattfinde; bis dahin sei der Soldat zwischen 25 und maximal
fast 30 Jahre in seiner Teilstreitkraft uniformträgerbereichsspezifisch ausgebil-
det und geprägt worden. Ein Wechsel in eine andere Teilstreitkraft bzw. einen
anderen Uniformträgerbereich sei daher nicht bzw. nicht mit einem für den
Dienstherrn vertretbaren Aufwand möglich. Zu berücksichtigen sei auch, dass
die Inspekteure der Teilstreitkräfte bzw. Organisationsbereiche die Personal-
verantwortung für ihren jeweiligen Bereich trügen und über detaillierte Struktur-
vorgaben die Funktions- und Einsatzfähigkeit der Streitkräfte sicherstellten.
Dem trage Nr. 1.3 des Erlasses vom 21. November 2007 mit dem Hinweis auf
die bei der Auswahl zu berücksichtigende Gesamtaltersstruktur in der Laufbahn
der Offiziere des Truppendienstes (nur) im jeweiligen Uniformträgerbereich
Rechnung. Festzustellen bleibe schließlich, dass die Verwaltungspraxis, Unter-
deckungen in bestimmten Jahrgängen durch Überdeckungen in anderen Jahr-
gängen auszugleichen, allein der Tatsache geschuldet sei, dass nicht alle
Jahrgänge eine hinreichende Anzahl geeigneter Bewerber bieten würden. Der
Ausgleich erfolge jedoch gemäß Nr. 1.1 des Erlasses vom 21. November 2007
grundsätzlich über die (Erst-)Einstellung und Ausbildung für die Laufbahn und
nicht über den Laufbahnwechsel.
Soweit der Antragsteller die Berücksichtigung seiner letzten Beurteilung bean-
stande, werde auf deren Bestandskraft verwiesen. Bestandskräftige Beurteilun-
gen - auch solche, die auf der Grundlage des Beurteilungssystems vom 17. Ja-
nuar 2007 erstellt seien - könnten bei Auswahlverfahren eingesetzt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - PSZ I 7 - Az.: … - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Haupt-
teile A bis C, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Der Sachantrag des Antragstellers bedarf der Auslegung. Sein „Einspruch“
vom 28. Mai 2009 und seine Untätigkeitsbeschwerde vom 14. Dezember 2009
richten sich formal gegen den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidi-
gung - PSZ I 2 - vom 12. Mai 2009, mit dem der Antragsteller über die Ableh-
nung seines Antrags auf Laufbahnwechsel vom 2. Oktober 2008 unterrichtet
wurde; inhaltlich sieht sich der Antragsteller vor allem in seinem Recht auf eine
ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt. Diese Auswahlentschei-
dung wurde in der Auswahlkonferenz für den Laufbahnwechsel von Offizieren
des militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendiens-
tes des Heeres am 2. und 8. April 2009 beim Personalamt der Bundeswehr
nach Erörterung und Beratung in der Konferenz durch den Abteilungsleiter I
beim Personalamt der Bundeswehr getroffen (siehe Nr. 4 Buchst. f und g des
Konferenzprotokolls vom 8. April 2009); auf diese Auswahlentscheidung vom
2. April 2009 nimmt auch der Bescheid des Bundesministeriums der Verteidi-
gung - PSZ I 2 - vom 12. Mai 2009 Bezug (siehe dort Bezug Nr. 2).
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 39.09 - (Dok-
Ber 2010, 260 )
zu einer Konkurrentenstreitigkeit um die Besetzung eines höherwertigen
Dienstpostens entschieden, dass sich der Rechtsschutz auf die Auswahlent-
scheidung konzentriere, weil dort - und nicht in den Personalmaßnahmen zu
deren Umsetzung - die eigentliche materielle Entscheidung getroffen werde.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist daher sachgerecht dahin
auszulegen, dass er beantragt, nicht nur den Bescheid des Bundesministeriums
der Verteidigung - PSZ I 2 - vom 12. Mai 2009, sondern vor allem auch die in
der Auswahlkonferenz am 2. April 2009 getroffene Auswahlentscheidung des
Abteilungsleiters I beim Personalamt der Bundeswehr aufzuheben und den
Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über den Antrag auf Über-
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nahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
b) Soweit sich der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesministeriums
der Verteidigung - PSZ I 2 - vom 12. Mai 2009 wendet, hat der Bundesminister
der Verteidigung - PSZ I 7 - den „Einspruch“ vom 28. Mai 2009 zu Recht als
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und unmittelbar dem Senat vor-
gelegt, weil insoweit eine Entscheidung angefochten wird, die dem Bundesmi-
nister der Verteidigung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO zuzurechnen ist.
Soweit sich der „Einspruch“ gegen die Auswahlentscheidung des Abteilungslei-
ters I beim Personalamt richtet, sind die Voraussetzungen für eine Vorlage des
Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls erfüllt.
Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers vom 14. Dezember 2009 war
gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO als (Untätig-
keits-)Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine unterbliebene Be-
schwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - zu
qualifizieren. Dieser ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 WBO zuständige Beschwer-
destelle für Beschwerden gegen truppendienstliche Entscheidungen und Maß-
nahmen des Personalamts, dem die angefochtene Auswahlentscheidung des
Abteilungsleiters I zuzurechnen ist.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Entscheidung des Abteilungsleiters I beim Personalamt der Bundeswehr
vom 2. April 2009, den Antragsteller nicht für den Wechsel von der Laufbahn
der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des
Truppendienstes auszuwählen, und die entsprechende Mitteilung des Bundes-
ministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 - vom 12. Mai 2009 sind rechtmäßig
und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Der Antragsteller hat
keinen Anspruch auf Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppen-
dienstes; er kann auch keine neue Entscheidung über seinen Antrag vom
2. Oktober 2008 verlangen.
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Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Ver-
wendung. Das gilt auch für die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn
der Offiziere des Truppendienstes bzw. über einen Laufbahnwechsel im Wege
der Übernahme (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 11. Dezember 2003
- BVerwG 1 WB 24.03 -
SLV 2002 Nr. 1> m.w.N., vom 30. November 2004 - BVerwG 1 WB 13.04 - und
vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 76.08 - Rn. 30). Ein dahingehender An-
spruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwen-
dung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte, sofern hierfür ein
dienstliches Bedürfnis besteht, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (stRspr,
vgl. Beschlüsse vom 25. September 2002 - BVerwG 1 WB 30.02 -
nicht veröffentlicht in Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30> und vom 10. Oktober 2002
- BVerwG 1 WB 40.02 - jeweils m.w.N.). Diese Ermessensentscheidung kann
vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte den
Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in
seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Gren-
zen des ihm insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht hat (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprü-
fung richtet sich dabei auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Vertei-
digung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften (wie z.B. Erlas-
sen oder Richtlinien) festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften ein-
gehalten sind (vgl. Beschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 -
BVerwGE 118, 25 <27> = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2
fentlicht in NZWehrr 2003, 212>). Solche Maßgaben ergeben sich im vorlie-
genden Fall insbesondere aus Kap. 12 der Bestimmungen für die Beförderung
und für die Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Solda-
ten vom 27. März 2002 (ZDv 20/7, Neudruck Januar 2008) sowie aus dem Er-
lass des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 1 - vom 21. November
2007 über das Auswahlverfahren für den Laufbahnwechsel von Offizieren des
militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes.
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Die Ablehnung des Antrags auf Laufbahnwechsel aus Gründen des mangeln-
den Bedarfs in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes des Heeres
weist danach keinen Ermessensfehler auf.
a) Nach sämtlichen hier einschlägigen Vorschriften steht der Laufbahnwechsel
von Offizieren des militärfachlichen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des
Truppendienstes unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Personalbedarfs.
Gemäß Nr. 1201 ZDv 20/7 können Offiziere in der Laufbahn des militärfachli-
chen Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes
übernommen werden. Gemäß Nr. 1.3 des Erlasses vom 21. November 2007 ist
bei der Auswahl für den Laufbahnwechsel die Gesamtaltersstruktur in der
Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im jeweiligen Uniformträgerbereich
zu berücksichtigen; entsprechenden an Offizieren des Truppendienstes
im Geburtsjahrgang vorausgesetzt, bestehen gemäß Personalstrukturmodell
2010 pro Geburtsjahrgang für die Uniformträgerbereiche Heer neun, Luftwaffe
vier und Marine zwei Übernahmemöglichkeiten; höhere Übernahmezahlen sind
möglich.
b) Ein Bedarf im Sinne dieser Vorschriften, den Antragsteller in die Laufbahn
der Offiziere des Truppendienstes zu übernehmen, hat nicht vorgelegen.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat vorgetragen, dass bereits
vor Durchführung der Auswahlkonferenz 2009 für den Geburtsjahrgang des An-
tragstellers (1966) nicht nur die genannten neun Übernahmemöglichkeiten im
Uniformträgerbereich des Heeres ausgeschöpft gewesen, sondern zusätzlich
drei weitere Übernahmen erfolgt seien, sodass die Vorgaben des Erlasses um
33 % übererfüllt gewesen seien. Er hat ferner vorgetragen, dass im Zeitpunkt
der Auswahlkonferenz der nach dem Personalstrukturmodell 2010 für den Ge-
burtsjahrgang des Antragstellers festgelegten Zahl von 221 Berufsoffizieren des
Truppendienstes im Heer ein tatsächlicher Bestand von 248 Offizieren gegenü-
bergestanden habe, so dass ein Bedarf für höhere Übernahmezahlen nicht ge-
geben gewesen sei. Die Richtigkeit dieser Angaben hat der Antragsteller nicht
in Frage gestellt.
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c) Die Nichtauswahl des Antragstellers beruht auf dem fehlenden Bedarf.
Zwar lässt der Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 -
vom 12. Mai 2009 in der Tat, wie der Antragsteller bemängelt, den ausschlag-
gebenden Grund für die Ablehnung des Antrags auf Laufbahnwechsel nicht er-
kennen. Der Bescheid nennt zwar die für die Auswahl maßgeblichen einzelnen
Kriterien, darunter den strukturellen Bedarf und die jahrgangsbezogenen Über-
nahmemöglichkeiten, resümiert dann aber nur allgemein, dass der Antragsteller
„im Zuge der Bestenauslese“ nicht habe ausgewählt werden können. Dass der
fehlende Bedarf, den der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - im Vorla-
geschreiben an den Senat im Einzelnen dargelegt hat, nicht einen bloß nach-
träglich vorgeschobenen Grund darstellt, ergibt sich jedoch eindeutig aus dem
Protokoll vom 8. April 2009 über die Auswahlkonferenz. Danach stellte der Ab-
teilungsleiter I als Konferenzergebnis für den Geburtsjahrgang 1966 fest, dass
von fünf betrachteten Offizieren kein Offizier ausgewählt wurde, davon ein Offi-
zier und der Antragsteller (für diesen festgestellt: Grad der Eignung „ng“
geeignet>, Konferenzergebnis „ne“ )
aus Gründen der Eignung und drei Offiziere trotz festgestellter Eignung auf-
grund fehlenden Bedarfs (Konferenzergebnis „nb“
darfsgründen>).
d) Die vorstehende Regelung der ZDv 20/7 und des Erlasses vom 21. Novem-
ber 2007 ist auch als solche rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung gebilligt, dass die zuständigen mili-
tärischen Stellen die Laufbahnzulassung von Gesichtspunkten des Bedarfs und
der Personalstruktur abhängig machen. Es stellt ein berechtigtes Anliegen der
Personalführung dar, dem Truppendienst nur dann weitere Offiziere anderer
Laufbahnen zuzuführen, wenn hierfür - auch unter dem Blickwinkel der Herstel-
lung einer günstigen Alterstruktur in der jeweiligen Ausbildungs- und Verwen-
dungsreihe - ein Bedarf besteht und ihre Verwendung in der neuen Laufbahn
sichergestellt ist (Beschluss vom 30. November 2004 - BVerwG 1 WB 13.04 -;
vgl. ferner Beschlüsse vom 9. April 1997 - BVerwG 1 WB 116.96 - BVerwGE
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113, 76 <78> = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 15 = NZWehrr 1997, 160, vom
14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 47.05 - Rn. 24 sowie zuletzt vom 21. Juli 2010 -
BVerwG 1 WB 19.10 - Rn. 23). Nicht zu beanstanden ist dabei auch, dass der
Bedarf auf den jeweiligen Uniformträgerbereich bezogen und nicht, wie der An-
tragsteller es für sinnvoll hält, uniformträgerbereichsübergreifend ermittelt wird
(Nr. 1.3 des Erlasses vom 21. November 2007). Jedenfalls solange die Bun-
deswehr in Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche mit je eigener Personal-
verantwortung der Inspekteure gegliedert ist und die Zugehörigkeit zu einem
Uniformträgerbereich eine nicht nur unwesentliche Bedeutung für die Ausbil-
dung, den Werdegang und die Prägung der Soldaten hat, ist die Beschränkung
der Bedarfsermittlung auf den jeweiligen Uniformträgerbereich durch sachliche
Gesichtspunkte gerechtfertigt.
Die von der zuständigen militärischen Stelle ermittelte Bedarfslage selbst ist
dabei wehrdienstgerichtlich nicht überprüfbar. Bei der Frage, welchen Bedarf
die Bundeswehr in den einzelnen Verwendungsbereichen und Geburtsjahrgän-
gen hat, handelt es sich nicht um einen der gerichtlichen Nachprüfung unterlie-
genden unbestimmten Rechtsbegriff. Eine derartige Bedarfsermittlung dient
vielmehr der Verwirklichung planerischer Vorstellungen und ist eine organisato-
rische Maßnahme, mit deren Hilfe das Bundesministerium der Verteidigung die
erforderlichen und verfassungsrechtlich zulässigen Aufgaben der Bundeswehr
realisieren will. Bei solchen planerischen Vorstellungen und organisatorischen
Maßnahmen handelt es sich um Zweckmäßigkeitsfragen, die - wenn sie ein
dienstliches Bedürfnis für eine bestimmte Verwendung eines bestimmten Sol-
daten begründen oder ausschließen - bei der richterlichen Kontrolle einzelner
Personalmaßnahmen, außer bei Rechtsverstößen, als vorgegeben hingenom-
men werden müssen. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Wehrdienstgerichte,
ihre Vorstellungen über die Organisation der Streitkräfte an die Stelle derjeni-
gen der dazu berufenen Organe zu setzen (vgl. Beschlüsse vom 14. Juni 2006
- BVerwG 1 WB 47.05 - Rn. 25 m.w.N. und vom 21. Juli 2010 - BVerwG 1 WB
19.10 - Rn. 24).
e) Nachdem der Laufbahnwechsel bereits aus Bedarfsgründen abgelehnt wer-
den durfte, kommt es auf die Einwände des Antragstellers gegen die Berück-
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sichtigung seiner auf der Grundlage der Beurteilungsbestimmungen vom
17. Januar 2007 (ZDv 20/6) erstellten letzten planmäßigen Beurteilung nicht
mehr an. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass auch die Berücksich-
tigung dieser Beurteilung (vom 15. April 2008) bei der Auswahlentscheidung
nicht zu beanstanden wäre.
Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 -
(zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen) nach erneuter
Überprüfung seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass die dienstliche
Beurteilung eines Soldaten, die nicht fristgerecht mit der Beschwerde angefoch-
ten wurde, in Bestandskraft erwächst, sofern sie nicht ausnahmsweise entspre-
chend den Grundsätzen des § 44 VwVfG nichtig ist. Nach Eintritt der Bestands-
kraft kann der Soldat nur unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG eine
Entscheidung über die Änderung oder Aufhebung der Beurteilung verlangen.
Wirkung der Bestandskraft ist nicht nur die formelle Unanfechtbarkeit der
dienstlichen Beurteilung mit Rechtsbehelfen. Hinzu kommt vielmehr die mate-
rielle (Tatbestands-)Wirkung, dass der von der Bestandskraft erfasste Inhalt der
Beurteilung, wie insbesondere die Wertung der Aufgabenerfüllung auf dem
Dienstposten, zur Grundlage für andere Entscheidungen, insbesondere im
Rahmen von Auswahlverfahren, genommen werden kann. All dies gilt auch für
Beurteilungen, die nach den vom Senat mit Beschluss vom 26. Mai 2009
- BVerwG 1 WB 48.07 - (BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002
Nr. 14) wegen ihrer fehlenden normativen Grundlage beanstandeten Beurtei-
lungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 erstellt wurden (vgl. hierzu außer
dem Beschluss vom 23. Februar 2010 a.a.O. auch Beschluss vom 22. Juni
2010 - BVerwG 1 WB 1.10 und 1 WB 2.10 -).
Danach konnte die Beurteilung des Antragstellers vom 15. April 2008 bei der
Auswahlkonferenz für den Laufbahnwechsel von Offizieren des militärfachlichen
Dienstes in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes des Heeres
berücksichtigt werden. Der Antragsteller hatte die Beurteilung nicht mit der Be-
schwerde angefochten; sie ist daher in Bestandskraft erwachsen. Ein beson-
ders schwerwiegender und zudem offensichtlicher Fehler, der entsprechend
§ 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit der Beurteilung führen könnte, liegt entgegen
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der Auffassung des Antragstellers nicht vor. Auch Gründe für ein Wiederauf-
greifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG sind nicht ersichtlich; insbesondere
stellt der Beschluss des Senats vom 26. Mai 2009 keine nachträgliche Ände-
rung der Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar.
f) Ist somit die (negative) Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters I beim
Personalamt der Bundeswehr vom 2. April 2009 rechtmäßig, so gilt dies auch
für den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 - vom
12. Mai 2009. Denn mit diesem Bescheid hat das Bundesministerium der Ver-
teidigung - PSZ I 2 - keine eigenständige materielle Entscheidung getroffen,
sondern in seiner Funktion als für die Personalführung der im Amt für Militär-
kunde verwendeten Offiziere zuständige Stelle lediglich - ohne zusätzliche Be-
schwer - den Inhalt der beim Personalamt getroffenen Entscheidung übermittelt.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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