Urteil des BVerwG vom 30.09.2009

Amt, Zugang, Garantie, Soldat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 29.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Rogasch und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Breer
am 30. September 2009 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Zuerkennung der individuellen
Förderperspektive A 11.
Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 31. Dezember 2023. Zum Hauptmann wurde er
am 27. September 2007 ernannt und mit Wirkung vom 1. August 2007 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Derzeit wird er als
Sanitätsdienstoffizier beim ...kommando ... in B. verwendet.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2009, ausgehändigt am 16. Februar 2009, teilte
das Personalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass ihm in der
Perspektivkonferenz der Offiziere des militärfachlichen Dienstes im Jahre 2008
die individuelle Förderperspektive A 11 zuerkannt worden sei.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 27. Februar 2009
Beschwerde ein. Die „perspektivische Eingrenzung“ seiner Laufbahn durch die
Zuerkennung (nur) der Förderperspektive A 11 entbehre jeder Grundlage, weil
für ihn noch keine rechtskräftige Beurteilung als Hauptmann vorliege.
Mit Bescheid vom 30. April 2009, ausgehändigt am 5. Mai 2009, wies der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde als unzulässig
zurück. Die Ergebnisse der Beratungen von Personalkonferenzen berührten als
Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung im Rahmen der
Vorbereitung von Personalentscheidungen nicht unmittelbar die Rechte des
Soldaten und stellten daher keine anfechtbaren Maßnahmen dar. Im
dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids stellte der Bundesminister der
Verteidigung fest, dass die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive A
11 nicht zu beanstanden sei. Im Rahmen der vergleichenden Betrachtung sei
von 22 Offizieren 17 die individuelle Förderperspektive A 11 und lediglich fünf
Offizieren eine individuelle Förderperspektive oberhalb von A 11 zuerkannt
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worden. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei auch dessen zum
Vorlagetermin 31. März 2008 erstellte planmäßige Beurteilung in der
Perspektivkonferenz Anfang Dezember 2008 verwertbar gewesen, weil sie zu
diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig geworden sei. Der Antragsteller habe
weder die Beurteilung vom 27. Mai 2008 noch die Stellungnahme des
nächsthöheren Vorgesetzten vom 20.
August 2008, mit der der
Durchschnittswert der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten
von „6,90“ auf „5,00“ herabgesetzt worden sei, angefochten.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 2. Juni 2009 beantragte der
Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag
wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - zusammen mit seiner
Stellungnahme vom 8. Juni 2009 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2009 -
BVerwG 1 WB 48.07 - seien Beurteilungen rechtswidrig, die auf der Anwendung
der Richtwertvorgaben der neuen
ZDv
20/6 und den damit
zusammenhängenden Vorschriften über die Abstimmungsgespräche beruhten.
Folglich verletzten ihn auch die Mitteilung des Personalamts vom 19. Januar
2009 und der Beschwerdebescheid vom 30. April 2009 in seinen Rechten, weil
die individuelle Förderperspektive A 11 auf einer nicht normativen Grundlage
festgestellt worden sei.
Der Antragsteller beantragt,
die Mitteilung des Personalamts der Bundeswehr vom 19.
Januar 2009, dass ihm, dem Antragsteller, in der
Perspektivkonferenz 2008 die individuelle
Förderperspektive A 11 zuerkannt worden ist, in der
Gestalt des Beschwerdebescheids vom 30. April 2009
aufzuheben.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Der Antrag sei aus den Gründen des Beschwerdebescheids unzulässig. Er sei
zudem unbegründet. Das Personalamt habe den der Vergabe der individuellen
Förderperspektive zugrunde gelegten Sachverhalt richtig festgestellt. Zwar sei
die letzte planmäßige Beurteilung des Antragstellers wegen fehlender
normativer Grundlage rechtswidrig, jedoch inzwischen bestandskräftig und
könne somit Grundlage für Personalentscheidungen sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 551/09 - und die Personalgrundakte des
Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
Der Antrag ist unzulässig, weil er keine anfechtbare Maßnahme betrifft.
Die Ergebnisse der Beratungen von Perspektivkonferenzen und die
Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive sind nach ständiger
Rechtsprechung des Senats keine gerichtlich isoliert angreifbaren Maßnahmen
im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO, weil sie als Elemente innerdienstlicher Willens-
und Meinungsbildung im Rahmen der Vorbereitung von
Personalentscheidungen noch nicht unmittelbar die Rechte eines Soldaten
berühren (vgl. Beschlüsse vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 34.05 -
Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 59 = NZWehrr 2006, 209, vom 30. April 2008 -
BVerwG 1 WB 44.07 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 71 sowie zuletzt vom 28.
April 2009 - BVerwG 1 WB 20.09 -; die gegen den letztgenannten Beschluss
erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit
Kammerbeschluss vom 24. Juli 2009 - 2 BvR 1317/09 - nicht zur Entscheidung
angenommen).
Nach der Richtlinie für die Perspektivbestimmung und die langfristige
Verwendungsplanung der Offiziere des militärfachlichen Dienstes (R 5/05) des
Bundesministeriums der Verteidigung (PSZ I 1 <40> - Az.: 16-30-01/5) vom 21.
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Juli 2005 ist die Entscheidung über die individuelle Förderperspektive eines
Offiziers des militärfachlichen Dienstes das Ergebnis einer Bestenauslese auf
der Grundlage eines Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleiches im
Rahmen regelmäßig stattfindender Perspektivkonferenzen; aus den
Konferenzentscheidungen ergibt sich jedoch kein Rechtsanspruch, die jeweils
festgelegte Förderperspektive zu erreichen (Nr. 4.1.1 der Richtlinie). Die in der
Perspektivkonferenz festgestellte individuelle Förderperspektive bildet nach Nr.
4.2 der Richtlinie die Basis für die Verwendungsentscheidungen, begründet
jedoch weder einen Anspruch auf noch die Einbeziehung in Entscheidungen
über bestimmte Verwendungen. Bei den Ergebnissen einer
Perspektivkonferenz handelt es sich somit lediglich um
Vorbereitungshandlungen, die noch keine Entscheidungen über die konkrete
Verwendung oder über die Besetzung eines konkreten Dienstpostens
beinhalten und auch sonst keine unmittelbaren Wirkungen für die Rechtssphäre
eines Soldaten haben.
Gleiches ergibt sich aus der Teilkonzeption Personalmanagement der
Bundeswehr (TK PersMgmtBw) des Bundesministeriums der Verteidigung (PSZ
I 1 - Az.: 09-10-10/8) vom 2. April 2004 (Nr. 2.4.4.3, Seite 25 f.). Danach ist die
individuelle Förderperspektive, die bei Berufssoldatinnen und Berufssoldaten in
regelmäßig stattfindenden Perspektivkonferenzen festgelegt wird und das
Ergebnis eines umfassenden ganzheitlichen Eignungs- und Leistungsvergleichs
darstellt, so frühzeitig und differenziert zu bestimmen, dass „zeitgerecht die
Planung und Einsteuerung in die verschiedenen Dotierungshöhen und
entsprechende Verwendungen erfolgen kann“. Die „so festgestellte individuelle
Förderperspektive ist die Grundlage für die individuelle Verwendungsplanung“.
Sie bildet damit „regelmäßig die Basis, ist jedoch kein Präjudiz für
Verwendungsentscheidungen“. Sie begründet überdies „weder einen Anspruch
auf entsprechende Verwendungen noch ergibt sich daraus ein genereller
Ausschluss von zukünftigen entsprechenden Verwendungen“.
Aus der Tatsache, dass sie als Element innerdienstlicher Willens- und
Meinungsbildung noch nicht unmittelbar die Rechte des Soldaten berührt, folgt
zugleich, dass die Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive keiner
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normativen Grundlage im Sinne des verfassungsrechtlichen Vorbehalts des
Gesetzes bedarf (vgl. zu dessen Geltung und Reichweite Beschluss vom 26.
Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - Rn. 33 ff.
und Buchholz vorgesehen>). Es bestehen deshalb keine rechtlichen Bedenken
dagegen, dass die Tätigkeit der Perspektivkonferenzen allein durch die
genannten Verwaltungsvorschriften gesteuert wird. Art. 33 Abs. 2 GG, der
jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und Leistung gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet, und der daraus abgeleitete
Leistungsgrundsatz bzw. Grundsatz der Bestenauslese verlangen nicht, das
Erfordernis einer gesetzlichen oder sonstigen normativen Regelung in das
Stadium der Vorbereitung von Personalentscheidungen hinein vorzuverlagern.
Es genügt - auch unter dem Blickwinkel der Garantie eines effektiven
Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) -, dass der Soldat gegen eine ihn
belastende Verwendungsentscheidung zugunsten eines Konkurrenten oder
gegen die Ablehnung eines eigenen Antrags auf eine bestimmte förderliche
Verwendung im Wehrbeschwerdeverfahren vorgehen kann und in diesem
Rahmen ggf. inzident überprüft wird, ob die Zuerkennung der individuellen
Förderperspektive, sofern sie für die Verwendungsentscheidung erheblich
gewesen sein sollte, rechtmäßig war (vgl. Beschluss vom 28. April 2009 -
BVerwG 1 WB 20.09 -).
Auf den Einwand, die planmäßige Beurteilung des Antragstellers zum
Vorlagetermin 31. März 2008 habe bei der Perspektivkonferenz nicht
berücksichtigt werden dürfen, kommt es schon deshalb nicht an, weil dieser die
vorrangige - und zu verneinende - Frage nicht berührt, ob die Zuerkennung
einer individuellen Förderperspektive eine anfechtbare Maßnahme darstellt. Im
Übrigen hätte der Antragsteller, wenn er mit der Bewertung seiner
Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten nicht einverstanden ist, sich mit einer
Beschwerde gegen die Beurteilung vom 27. Mai 2008 und - oder ggf. auch nur -
gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 20. August
2008 wenden können und müssen.
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Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht
vorliegen.
Golze
RiBVerwG Dr. Deiseroth Dr. Langer
ist wegen Krankheit
gehindert zu unterschreiben.
Golze