Urteil des BVerwG vom 25.03.2010

Dokumentation, Veröffentlichung, Vergleich, Einverständnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 28.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
der Frau Oberfeldarzt ...
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wienbreier und
den ehrenamtlichen Richter Major Dressel
am 25. März 2010 beschlossen:
Die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal-, Sozial-
und Zentralangelegenheiten im Bundesministerium der
Verteidigung vom 6. November 2008, den Dienstposten
des Abteilungsleiters Laborabteilung ... im ... Institut ... der
Bundeswehr ... mit Frau Oberfeldarzt Dr. B. zu besetzen,
und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der
Verteidigung vom 16. März 2009 werden aufgehoben.
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Der Bundesminister der Verteidigung wird verpflichtet,
über die Besetzung dieses Dienstpostens unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
entscheiden.
Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig verworfen.
Die der Antragstellerin im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen werden zu drei Vierteln dem Bund
auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um
die Besetzung des nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstpostens
eines Abteilungsleiters beim ... Institut ... der Bundeswehr.
Die 1956 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2018. Zum Oberfeldarzt wurde sie
am 8. April 1999 ernannt. Am 25. April 1989 hatte sie die Anerkennung als
Fachärztin für Transfusionsmedizin
erhalten. Sie wird als
Sanitätsstabsoffizier/Ärztin für Transfusionsmedizin im ... Institut ... der
Bundeswehr ... verwendet.
Am 29. Oktober 2008 beriet der Personalberaterausschuss beim Inspekteur des
Sanitätsdienstes der Bundeswehr (unter anderem) über die Nachbesetzung des
nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstpostens des Leiters der
Abteilung ... beim ... Institut ... der Bundeswehr ... (Teileinheit/Zeile .../...) zum 1.
Juni 2009. In der Beratung wurden drei Kandidatinnen, nämlich die
Oberfeldärzte Dr. B., Dipl.-Med. Br. und die Antragstellerin, betrachtet. Der
Beratung lagen eine tabellarische Übersicht über die Personalien,
Qualifikationen und Werdegänge der drei Bewerberinnen sowie ein
Sprechzettel des Referatsleiters PSZ ... vom 14. Oktober 2008 zugrunde. Nach
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dem Sitzungsprotokoll vom 29.
Oktober 2008 empfahl der
Personalberaterausschuss (mit 11 Ja-Stimmen, ohne Nein-Stimme und
Enthaltung) für die Nachbesetzung des Dienstpostens die Bewerberin
Oberfeldarzt Dr. B. Mit Schreiben an den Abteilungsleiter PSZ im
Bundesministerium der Verteidigung vom 29. Oktober 2008 erklärte sich der
Inspekteur des Sanitätsdienstes mit den
Empfehlungen
des
Personalberaterausschusses einverstanden und bat den Abteilungsleiter PSZ,
diesen zu entsprechen. Mit Schreiben vom 6. November 2008 erklärte sich der
Abteilungsleiter PSZ seinerseits
mit den
Empfehlungen
des
Personalberaterausschusses einverstanden.
In einem Telefongespräch vom 11. November 2008 informierte das
Personalamt der Bundeswehr die Antragstellerin, dass sie für den Dienstposten
nicht ausgewählt worden sei.
Mit Schreiben vom 19. November 2008 legte die Antragstellerin hiergegen
Beschwerde ein und machte geltend, ihr sei am 7. November 2008 ein
Aktenvermerk des Personalamts vorgelegt worden, mit dem sie um ihr
Einverständnis gebeten worden sei, für die Besetzung des strittigen
Dienstpostens zur Verfügung zu stehen. Da dieser Vermerk einige nicht
korrekte Angaben enthalten habe, habe sie ihn erst am 10. November 2008
unterzeichnet. Anschließend sei das Schriftstück nachmittags auf dem Postweg
an das Personalamt gegangen. Angesichts der am 11. November 2008
erfolgten Benachrichtigung über ihre Nichtberücksichtigung gehe sie davon aus,
dass der Personalberaterausschuss sie nicht betrachtet habe oder dass
aufgrund falscher Angaben eine umfassende Betrachtung ihrer Person nicht
möglich gewesen sei.
Mit Schreiben vom 28. November 2008 berichtete das Personalamt dem
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -, dass die Antragstellerin in
Vorbereitung der Nachbesetzungsentscheidung telefonisch zu ihrem
Einverständnis zur Mitbetrachtung befragt worden sei. Sie habe ihr
Einverständnis erklärt. Die schriftliche Bestätigung dieses Sachverhaltes in
Form eines Vermerks vom 7. Oktober 2008 sei der Antragstellerin am 7.
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November 2008 zugegangen. Aufgrund eines Büroirrtums sei im Vermerk ein
falsches Dienstzeitende angegeben worden; diesen Fehler habe man nach
telefonischer Rücksprache umgehend korrigiert. Die Antragstellerin sei in die
Betrachtung für den strittigen Dienstposten einbezogen
und im
Personalberaterausschuss als eine von drei Kandidatinnen für die
Nachbesetzung des Dienstpostens vorgestellt worden.
Mit Bescheid vom 16. März 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung -
PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Für die Wahrnehmung der Aufgaben des
Leiters der Abteilung ... des ... Instituts ..., die im Beschwerdebescheid im
Einzelnen aufgeführt werden, sei bei einer Gesamtbetrachtung nach Eignung,
Leistung und Befähigung die ausgewählte Bewerberin Dr. B. am besten
geeignet. Maßgeblich für die Feststellung der Leistung sei eine Betrachtung der
letzten drei planmäßigen Beurteilungen, nach der Dr. B. gegenüber der
Antragstellerin einen Leistungsvorsprung aufweise. Zwar sei Dr. B. 2007 mit
einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 4,6, die Antragstellerin
dagegen zum selben Termin mit einem Durchschnittswert von 5,7 bewertet
worden. Dr. B. habe jedoch in der vorletzten und vorvorletzten Beurteilung
jeweils deutlich bessere Durchschnittswerte erzielt als die Antragstellerin. Der
zunächst bestehende Leistungsvorsprung der Antragstellerin werde deshalb
unter Zugrundelegung der vorletzten und vorvorletzten Beurteilung, die zur
Abrundung des Leistungsbildes herangezogen werden könnten und müssten,
deutlich relativiert. Den sich danach bei einer Gesamtbetrachtung ergebenden
Leistungsvorsprung von Dr. B. könne die Antragstellerin nicht durch eine
bessere fachliche oder persönliche Eignung für den Dienstposten wettmachen.
Die Antragstellerin und Dr. B. seien für den Dienstposten gleichermaßen gut
befähigt, da sie beide Fachärztinnen für Transfusionsmedizin seien. Dr. B.
verfüge darüber hinaus über die Zusatzbezeichnung Chirotherapie sowie die
Fachkunden Rettungsdienst und Neuraltherapie. Hinsichtlich der persönlichen
Eignung für den Dienstposten seien Dr. B. und die Antragstellerin ebenfalls
gleich gut geeignet. Sie hätten auch beide die Eignung für den Dienstposten
dadurch nachgewiesen, dass sie jeweils bereits einen nach Besoldungsgruppe
A 16 bewerteten Dienstposten eines Abteilungsleiters erfolgreich vertreten
hätten.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 16. April 2009 beantragte die
Antragstellerin hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen
mit seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2009 dem Senat vor.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin insbesondere vor:
Bei der Auswahlentscheidung sei sie offensichtlich nicht mitbetrachtet worden.
Das von ihr erteilte Einverständnis zur Mitbetrachtung habe dem
Personalberaterausschuss am 10. November 2008 nicht vorliegen können. In
der Sache sei ihr nicht verständlich, warum der Ausschuss nicht ihren
Eignungsvorsprung vor der ausgewählten Kandidatin festgestellt habe. Sie, die
Antragstellerin, sei seit 1989 Facharzt für Transfusionsmedizin und habe als
Abteilungsleiterin von 2001 bis 2004 die Laborabteilung ... des ... Instituts ... der
Bundeswehr ... geleitet. Diese Leitungsfunktion habe sie seit 2004 aufgrund
einer Änderung der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung auch für einen Teil
der Laborabteilung ... wahrgenommen. Am 1. April 2003 habe sie für anhaltend
sehr gute Leistungen eine Leistungsprämie und am 30. Mai 2007 das
Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber erhalten. Demgegenüber sei die
ausgewählte Kandidatin erst seit 2004 im Dienstgrad Oberfeldarzt und erst seit
2001 Fachärztin für Transfusionsmedizin. Die ausgewählte Kandidatin habe
zuvor auch keine Abteilung geleitet. Das Leistungsbild aus den Beurteilungen
sei ebenfalls unzutreffend gewürdigt worden. Die vorletzte und vorvorletzte
Beurteilung von Frau Dr. B. sei deshalb so „hoch“ ausgefallen, weil deren
Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten habe erreicht werden
sollen und später ihre Beförderung angestanden habe. Ein objektiver Vergleich
der letzten Beurteilungen vor den Beurteilungen 2007 sei offensichtlich nicht
möglich gewesen. Nur die aktuelle Beurteilung dürfe als Vergleichsmaßstab
herangezogen werden.
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Die Antragstellerin beantragt
1. festzustellen,
-
dass die Entscheidung des Bundesministers der
Verteidigung vom 16. März 2009 rechtswidrig und
aufzuheben sei,
-
dass sie, die Antragstellerin, bei der Nachbesetzung
des strittigen Dienstpostens nicht korrekt betrachtet
worden sei und ihre Nichtberücksichtigung bei der
Besetzung dieses Dienstpostens rechtswidrig sei,
-
dass aufgrund falscher Angaben ihre umfassende
Betrachtung nicht möglich gewesen sei,
-
dass die Anerkennung ihrer besonderen Leistungen
keine Beachtung gefunden habe und
-
dass ihre Betrachtung bei der Nachbesetzung des
strittigen Dienstpostens rechtswidrig gewesen sei,
2. den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten,
über die Besetzung des strittigen Dienstpostens unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
entscheiden.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Bei der Auswahlentscheidung seien die jeweils bestandskräftigen letzten drei
planmäßigen Beurteilungen der Kandidatinnen in rechtmäßiger Weise
berücksichtigt und untereinander gewichtet worden. Die Antragstellerin und
Oberfeldarzt Dipl.-Med. Br. seien nach der damals gültigen ZDv 20/6 nicht alle
zwei, sondern nur alle vier Jahre planmäßig zu beurteilen gewesen und hätten
deshalb beide im Jahre 2005 keine planmäßige Beurteilung erhalten.
Ungeachtet dessen hätten die jeweils vorletzten und vorvorletzten
Beurteilungen miteinander verglichen werden können, auch wenn sie zu
unterschiedlichen Terminen erstellt worden seien. Hinsichtlich der Gewichtung
der Beurteilungen sei die letzte planmäßige Beurteilung mit dem Faktor 3, die
vorletzte mit dem Faktor 2 und die vorvorletzte mit dem Faktor 1 gewichtet
worden. Zu berücksichtigen sei ferner gewesen, dass die Beurteilungen aus
früheren Jahren nicht ohne Weiteres mit denjenigen aus dem seit 2007
geltenden System verglichen werden könnten; Differenzen in der
Leistungsbewertung aus dem alten System seien daher zur Herstellung der
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Vergleichbarkeit mit dem neuen System mit dem Faktor 9/7 multipliziert worden.
Zugunsten der Antragstellerin sei schließlich wegen ihres teilweise höheren
Statusamts im Zeitpunkt der Beurteilung ein Leistungszuschlag von 0,25
eingesetzt worden. In der Leistungsdifferenz ergebe sich bei der
Gesamtbetrachtung aller drei Beurteilungen auf diese Weise ein Plus von 2,71
zugunsten von Oberfeldarzt Dr. B. gegenüber der Antragstellerin.
Die ausgewählte Bewerberin Dr. B. wurde inzwischen auf den hier strittigen
Dienstposten versetzt und mit Wirkung vom 1. März 2010 zum Oberstarzt
befördert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... -, die Personalgrundakte der Antragstellerin, die
Personalgrundakte der ausgewählten Bewerberin Dr. B. und die Akten des
Parallelverfahrens der Mitbewerberin Dipl.-Med. Br. - BVerwG 1 WB 27.09 -
haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
A. Der Feststellungsantrag ist unzulässig.
1. Soweit er sich auf die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten
der Frau Oberfeldarzt Dr. B. und des Beschwerdebescheids des
Bundesministers der Verteidigung bezieht, steht seiner Zulässigkeit die
Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO entgegen, der gemäß § 23a Abs. 2
WBO im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechende Anwendung findet. Nach §
43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht
begehrt werden, soweit der jeweilige Antragsteller seine Rechte durch
Gestaltungs- oder Leistungsklage - hier insbesondere durch einen Anfechtungs-
oder Verpflichtungsantrag - verfolgen kann oder hätte verfolgen können (stRspr,
z.B. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 36.07 - m.w.N.).
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Die Antragstellerin kann die behauptete Rechtswidrigkeit der getroffenen
Auswahlentscheidung mit einem entsprechenden Verpflichtungs- oder
Neubescheidungsantrag geltend machen. Sie hat mit ihrem Antrag zu 2. einen
Neubescheidungsantrag gestellt.
Ein derartiger Antrag konnte sich rechtlich nicht dadurch erledigen, dass der
strittige Dienstposten inzwischen mit der ausgewählten Bewerberin Frau Dr. B.
besetzt und diese zum Oberstarzt befördert worden ist. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische
Verwendungsentscheidung - auch nach einer der Bewertung des Dienstpostens
entsprechenden Beförderung - nicht dahin, dass die durch sie begünstigte
Soldatin eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihr zugewiesenen
Dienstposten verbleiben zu können; sie müsste es vielmehr hinnehmen, von
dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn die Antragstellerin bei der
Stellenbesetzung ihr gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (vgl.
Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 m.w.N.
50>, vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 -
BVerwGE und Buchholz vorgesehen> und vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1
WB 36.09 - ).
2. Soweit der Feststellungsantrag die nicht korrekte bzw. unzureichende
Betrachtung der Antragstellerin und die unterlassene Berücksichtigung ihrer
besonderen Leistungen betrifft, ist er unzulässig, weil er sich nicht auf eine im
Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 und 3 WBO anfechtbare
truppendienstliche Maßnahme bezieht.
Die „Betrachtung“ der Kandidaten bzw. Bewerber in einer Auswahlkonferenz
oder einem Auswahlausschuss unter Einbeziehung einzelner Leistungsaspekte
ist der abschließenden Auswahlentscheidung vorgeschaltet. Die endgültige
Entscheidung über die Besetzung von Dienstposten, die nach
Besoldungsgruppe A 16 oder B 3 bewertet sind, obliegt nach Nr. 3.5 der
„Bestimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ (BMVg - PSZ I 1 (40) -
16-30-00/8) vom 7. August 2003 dem Leiter der Abteilung Personal-, Sozial-
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und Zentralangelegenheiten (PSZ) im Bundesministerium der Verteidigung;
dieser entscheidet aufgrund der Empfehlung des Personalberaterausschusses.
Bei der Betrachtung der Bewerber und der Würdigung ihres Eignungs- und
Leistungsbildes im Rahmen der Beratung des Personalberaterausschusses
handelt es sich um eine Vorbereitungshandlung für die abschließende
truppendienstliche Maßnahme der Auswahlentscheidung. Überlegungen,
Bewertungen, Stellungnahmen, Zwischen- oder Vorentscheidungen, die
lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder
Personalmaßnahmen dienen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats
als Elemente innerdienstlicher Meinungsbildung noch keine die Rechte eines
Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind deshalb einer
selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (vgl. z.B.
Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 -
veröffentlicht in BVerwGE 128, 329 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41> und vom
29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 10.07 -
Buchholz 449 § 3 SG Nr. 42>).
B. Der Antrag zu 2. ist als Neubescheidungsantrag zulässig. Seiner Zulässigkeit
steht - wie dargelegt - nicht der Umstand der zwischenzeitlich erfolgten
Besetzung des strittigen Dienstpostens mit der ausgewählten Bewerberin
entgegen.
Der Antrag zu 2. ist auch begründet.
Die Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ im Bundesministerium der
Verteidigung vom 6. November 2008, den nach Besoldungsgruppe A 16
bewerteten Dienstposten des Leiters der Abteilung ... beim ... Institut ... der
Bundeswehr ... (Teileinheit/Zeile .../...) zum 1. Juni 2009 mit dem damaligen
Oberfeldarzt Dr. B. zu besetzen, und der Beschwerdebescheid des
Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 16. März 2009 sind
rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1
Satz 1 WBO). Da die Sache nicht spruchreif ist, kann eine Verpflichtung des
Bundesministers der Verteidigung, den Dienstposten mit der Antragstellerin zu
besetzen, nicht ausgesprochen werden; der Bundesminister der Verteidigung
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ist jedoch verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung
der nachfolgenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Auswahlentscheidung über die Besetzung des
Dienstpostens von der zuständigen Stelle hinreichend dokumentiert ist (dazu
1.). Jedenfalls ist die Entscheidung materiell rechtswidrig, weil sie gegen die für
einen Leistungsvergleich auf der Basis dienstlicher Beurteilungen geltenden
Grundsätze verstößt (dazu 2.).
1. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus
Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die
seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen
schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den
unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl.
BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007,
1178 = ZBR 2008, 169). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33
Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über
Ernennungen hinaus ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat
hat deshalb eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der
wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die
- wie im vorliegenden Fall - ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige
militärische Verwendung betreffen (vgl. Beschlüsse vom 25. April 2007 -
BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <335 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr.
41, vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 <14 f.>
= Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50 sowie zuletzt vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1
WB 36.09 - ).
Zur Dokumentation verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die zu
treffende Auswahlentscheidung zuständig ist. Im Hinblick auf die in § 13 Abs. 1
Satz
1 und 2 WBO verankerte umfassende Kontroll-
und
Abänderungskompetenz kann die Dokumentationspflicht aber auch von der
gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständigen Beschwerdestelle erfüllt werden, wenn
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und soweit sie eine eigene Sachentscheidung trifft; bestätigt die
Beschwerdestelle die Ausgangsentscheidung und weist sie die Beschwerde
zurück (§ 13 Abs. 3 WBO), kann sie, falls eine Dokumentation bis dahin fehlt, in
dem Beschwerdebescheid die wesentlichen Auswahlerwägungen niederlegen
oder eine vorhandene Dokumentation der Ausgangsentscheidung ergänzen
oder inhaltlich fortschreiben (vgl. zum Ganzen Beschluss vom 27. Januar 2010
- BVerwG 1 WB 52.08 -
vorgesehen>).
b) Nach diesen Maßstäben ist zweifelhaft, ob die zu der Auswahlentscheidung
vorliegenden Unterlagen eine hinreichende Dokumentation durch die
zuständige Stelle darstellen.
aa) Zur Dokumentation verpflichtet war primär der Abteilungsleiter PSZ, weil
dieser für die abschließende Auswahlentscheidung über den nach
Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten zuständig ist (Nr. 3.5 der
„Bestimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ vom 7. August 2003; Nr.
4.2 Abs.
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Spiegelstrich der „Richtlinie für die langfristige
Verwendungsplanung der Berufsoffiziere des Truppendienstes, des
Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des Geoinformationsdienstes
der Bundeswehr“ vom 7. August 2003). Dessen Schreiben vom 6. November
2008 lassen sich jedoch keine eigenständigen Auswahlerwägungen, sondern
lediglich die pauschale Erklärung des Einverständnisses mit allen
Empfehlungen des Personalberaterausschusses beim Inspekteur des
Sanitätsdienstes entnehmen. Es fehlt aber auch an einer Dokumentation der
Erwägungen des Personalberaterausschusses, die sich der Abteilungsleiter
PSZ mit seiner Einverständniserklärung ggf. hätte zu Eigen machen können.
Das Protokoll der Sitzung des Personalberaterausschusses benennt lediglich
das Ergebnis der Abstimmung (ausgewählte Kandidaten und
Stimmenverhältnis), nicht aber die für die jeweilige Entscheidung maßgeblichen
Gründe. Die für die Besetzung des hier strittigen Dienstpostens erstellte
tabellarische Übersicht über die drei Kandidatinnen Dipl.-Med. Br., die
Antragstellerin und Dr.
B.
enthält in neutraler Form wesentliche
Entscheidungsgrundlagen, lässt aber nicht erkennen, welche Gesichtspunkte
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letztlich den Ausschlag zugunsten von Dr. B. gegeben haben. Der Sprechzettel
des Referatsleiters PSZ ... vom 14. Oktober 2008 wiederum schließt zwar mit
einer zusammenfassenden Würdigung der drei Kandidatinnen und einer
begründeten Empfehlung zugunsten von Dr. B.; es ist jedoch nicht ersichtlich,
ob und in welcher Hinsicht der Personalberaterausschuss dieser Empfehlung
gefolgt ist und sie in seine, dem Abteilungsleiter PSZ unterbreitete Empfehlung
aufgenommen hat.
bb) Eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen ist
dagegen in dem Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung -
PSZ I 7 - vom 16. März 2009 enthalten. Danach wurden alle drei
Bewerberinnen als grundsätzlich geeignet für den Dienstposten angesehen;
ebenso wurde allen drei Bewerberinnen die erforderliche Befähigung
zugesprochen. Ausschlaggebend für die Entscheidung, den Dienstposten des
Leiters der Abteilung ... mit dem damaligen Oberfeldarzt Dr. B. zu besetzen,
war ein Leistungsvergleich, der in einer - im Einzelnen aufgeschlüsselten -
quantifizierenden „Gesamtbetrachtung der letzten drei planmäßigen
Beurteilungen“ in Verbindung mit einer Gewichtung der Bewertungen und einer
„Transformation“ zwischen verschiedenen Beurteilungssystemen vorgenommen
wurde. Die Darlegungen des Beschwerdebescheids sind hinreichend bestimmt
und substantiiert, um die Auswahlentscheidung für die unterlegenen
Mitbewerberinnen und für das Gericht nachvollziehbar und kontrollierbar zu
machen.
Ob mit ihnen die Dokumentationspflicht erfüllt ist, ist jedoch aus einem anderen
Grund zweifelhaft. Zwar ist nach dem oben Gesagten im Rahmen eines
Beschwerdeverfahrens auch die für die Beschwerdeentscheidung zuständige
Stelle im Rahmen der auf sie übergegangenen Sachentscheidungskompetenz
befugt, die wesentlichen Auswahlerwägungen niederzulegen oder zu ergänzen.
Der Beschwerdebescheid vom 16. März 2009 hätte jedoch nicht ergehen
dürfen, weil die Auswahlentscheidung durch den Abteilungsleiter PSZ im Sinne
des § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO dem Bundesminister der Verteidigung
zuzurechnen ist; die Beschwerde der Antragstellerin wäre deshalb unmittelbar
als Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig und zu
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behandeln gewesen (vgl. Beschluss vom 15. Februar 1990 - BVerwG 1 WB
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252>). Der Grund, warum gleichwohl ein Beschwerdebescheid ergangen ist,
dürfte wohl darin liegen, dass die Antragstellerin über die für sie negative
Entscheidung nicht durch das Bundesministerium, sondern durch das
Personalamt der Bundeswehr informiert worden ist; für die Anfechtung im
Wehrbeschwerdeverfahren kommt es jedoch nicht darauf an, wer die
Entscheidung übermittelt oder eröffnet, sondern wer sie materiell getroffen hat.
Es bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung, ob
Auswahlerwägungen, die in einem irrtümlich ergangenen Beschwerdebescheid
niedergelegt sind, die Dokumentationspflicht erfüllen können oder ob es sich
dabei um einen verspäteten „nachgeschobenen“ Sachvortrag handelt, der nicht
mehr zu berücksichtigen ist, sodass die Auswahlentscheidung bereits aus
diesem Grund aufzuheben wäre (vgl. hierzu Beschluss vom 16. Dezember
2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - a.a.O. S. 18 f.). Denn auch unter
Berücksichtigung der Darlegungen in dem Beschwerdebescheid ist die
Auswahlentscheidung aufzuheben, weil sie auf der Grundlage dieser
Auswahlerwägungen materiell rechtswidrig ist.
2. Die auf eine „Gesamtbetrachtung der letzten drei planmäßigen
Beurteilungen“ gestützte Auswahlentscheidung zugunsten von Dr. B. ist
rechtswidrig, weil der Vergleich zwischen den Bewerberinnen - in der
durchgeführten Form - gegen den aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG
folgenden Leistungsgrundsatz bzw. Grundsatz der Bestenauslese verstößt.
Wenn, wie im vorliegenden Fall, mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien
gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen
ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (Beschluss vom 25.
April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <338> = Buchholz 449 §
3 SG Nr. 41; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A
3.00 - BVerwGE 115, 58 <61> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54). Zur Ermittlung
des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die
zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen,
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weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine
ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des
Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es
darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere
Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der
aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007
- BVerwG 1 WB 6.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 9 m.w.N. und vom 16.
Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 <7> = Buchholz 449
§ 3 SG Nr. 49).
Nach diesen Maßstäben ist der im vorliegenden Fall vorgenommene
Leistungsvergleich rechtswidrig. Der Leistungsstand nach den jeweils letzten
Beurteilungen rechtfertigt nicht die Auswahl von Dr. B. Auch die Art und Weise,
in der frühere Beurteilungen in den Vergleich einbezogen wurden, ist fehlerhaft
und nicht geeignet, einen Leistungsvorsprung von Dr. B. gegenüber der
Antragstellerin zu begründen.
a) In den zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellen planmäßigen
Beurteilungen, die für alle drei Bewerberinnen zum Termin 30. September 2007
erstellt wurden, wurde die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten (auf einer
neunstufigen Skala mit dem höchsten Wert 9) bei der Antragstellerin mit einem
Durchschnittswert von 5,7, bei der Mitbewerberin Dipl.-Med. Br. mit 5,3 und bei
der ausgewählten Bewerberin Dr. B. mit 4,6 bewertet. Die ausgewählte
Bewerberin erzielte damit in der aktuellen Beurteilung, der regelmäßig eine
ausschlaggebende Bedeutung zukommt, einen eindeutig geringeren
Durchschnittswert als die Mitbewerberinnen und weist keinen
Leistungsvorsprung, sondern einen erheblichen Rückstand insbesondere
gegenüber der Antragstellerin auf. Das Leistungsbild der aktuellen
Beurteilungen rechtfertigt deshalb nicht die Auswahl von Dr. B.
Deren Rückstand lässt sich auch nicht mit der vom Bundesminister der
Verteidigung angeführten Erwägung relativieren, Dr. B. sei 2007 vom
Erstbeurteiler besonders streng beurteilt worden. Zum einen ist die dienstliche
Beurteilung von Dr. B. - wie auch die der Mitbewerberinnen - unanfechtbar
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geworden und deshalb mit dem Inhalt, mit dem sie in Bestandskraft erwachsen
ist, der Auswahlentscheidung zugrunde zu legen (vgl. hierzu zuletzt ausführlich
Beschluss vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 -
in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>). Unabhängig davon ist dem Aspekt
der „besonders strengen“ Beurteilung bereits der Beurteilung 2007
dadurch Rechnung getragen worden, dass der nächsthöhere Vorgesetzte für
Dr.
B.
im Abschnitt „Verwendung“ die Bewertung im
Punkt
„Führungsverwendungen“ auf „gut geeignet“ und die Bewertung im Punkt
„Fachverwendungen“ auf „besonders gut geeignet“ angehoben hat; im Übrigen
hat der nächsthöhere Vorgesetzte der Beurteilung von Dr. B. im Abschnitt
„Aufgabenerfüllung“ ausdrücklich zugestimmt sowie die im Abschnitt
„Persönlichkeitsprofil“ getroffene Darstellung in allen Punkten uneingeschränkt
mitgetragen und als maßgeblich bei einer Betrachtung für weitere
Verwendungsentscheidungen bezeichnet.
b) Die Auswahlentscheidung zugunsten von Dr. B. ist auch nicht durch die
Berücksichtigung früherer Beurteilungen gerechtfertigt.
aa) Nach dem oben Gesagten können zur abgerundeten Bewertung des
Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität auch die
jeweils vorletzten und vorvorletzten planmäßigen Beurteilungen der
betrachteten Bewerberinnen einbezogen werden. Dabei darf allerdings nicht
aus dem Blick geraten, dass für die Auswahlentscheidung der aktuelle und nicht
ein in der Vergangenheit liegender Leistungsstand maßgeblich ist. Die
vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen sind deshalb nicht isoliert, sondern in
Bezug auf das durch die letzte Beurteilung dokumentierte aktuelle Leistungsbild
zu sehen. Dementsprechend hat der Senat hinsichtlich der früheren
Beurteilungen stets betont, dass es sich hierbei um Erkenntnisse handelt, die
bei einem Bewerbervergleich bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über
die Bewährung ermöglichen; das kommt namentlich dann in Betracht,
wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über
Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und
Leistungen sowie deren enthalten (vgl.
insbesondere Beschluss vom 18. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 23 m.w.N.).
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Mit dieser Funktion und Legitimation des Einbezugs früherer Beurteilungen,
nämlich aus diesen ggf. ergänzende Rückschlüsse für den aktuellen
Leistungsstand der Bewerber und dessen künftige Entwicklung zu ziehen, steht
das vom Bundesminister der Verteidigung angewandte „Rechenmodell“ nicht in
Einklang. Der Bundesminister der Verteidigung hat für die letzte, vorletzte und
vorvorletzte Bewertung jeweils die „Leistungsdifferenz“ zwischen der
Antragstellerin und Dr. B. (Differenz der jeweiligen Durchschnittswerte) ermittelt
und diese miteinander verrechnet, wobei sich trotz besserer aktueller
Beurteilung der Antragstellerin wegen der besseren früheren Beurteilungen von
Dr. B. in der rechnerischen Gesamtbilanz ein Leistungsvorsprung von Dr. B.
ergab (zu Problemen der Vergleichbarkeit der Beurteilungen noch nachfolgend
bb und cc). Ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesminister der
Verteidigung in seinem Schriftsatz vom 9. Juli 2009 eine degressive
Gewichtung vorgenommen hat (Multiplikation des Durchschnittswerts in der
letzten Beurteilung mit dem Faktor 3, in der vorletzten Beurteilung mit dem
Faktor 2 und in der vorvorletzten Beurteilung mit dem Faktor 1), wird auf diese
Weise mit einer rein rechnerischen Operation das aktuelle Leistungsverhältnis
zwischen den Bewerberinnen überspielt und in sein Gegenteil verkehrt. Dabei
wird in keiner Weise begründet oder erkennbar, warum der in der
Vergangenheit bestehende Leistungsvorsprung von Dr. B. den - maßgeblichen
- aktuellen Leistungsvorsprung der Antragstellerin in Frage stellen sollte bzw.
worin die aus den früheren Beurteilungen entnommenen Erkenntnisse
bestehen, die - entgegen dem Leistungsbild der aktuellen Beurteilung -
erwarten lassen, dass sich Dr. B. auf dem strittigen Dienstposten besser
bewähren und entwickeln wird als die Antragstellerin. Die früheren
Beurteilungen werden also nicht etwa hinsichtlich ihrer Aussagekraft für den
aktuellen Leistungsstand oder für das Potenzial und die Entwicklungsprognose
ausgewertet; vielmehr wird dem relativ größeren Leistungsvorsprung der
ausgewählten Bewerberin die entscheidende Bedeutung
im aktuellen Leistungsvergleich zugemessen. Dies widerspricht dem Grundsatz,
dass der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende
Bedeutung für die Auswahlentscheidung zukommt.
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bb) Der Leistungsvergleich ist ferner auch deshalb fehlerhaft, weil zum Teil
Beurteilungen aus unterschiedlichen Beurteilungszeiträumen zueinander in
Beziehung gesetzt wurden.
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Die Funktion einer planmäßigen Beurteilung in einer Auswahlentscheidung als
Instrument der „Klärung einer Wettbewerbssituation“ erfordert die
Gewährleistung einer Vergleichbarkeit der Beurteilungen. Deshalb muss schon
im Beurteilungsverfahren soweit wie möglich gleichmäßig verfahren werden; die
Beurteilungsmaßstäbe müssen gleich sein und gleich angewendet werden.
Insbesondere der gemeinsame Beurteilungsstichtag und der jeweils gleiche
Beurteilungszeitraum garantieren eine höchstmögliche Vergleichbarkeit (vgl.
Beschluss vom 18. Oktober 2007 a.a.O., Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG
2 C 16.02 - Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 10). Für das Auswahlverfahren
folgt hieraus, dass zur Wahrung der Chancengleichheit der Bewerber ein
inhaltlicher Vergleich von planmäßigen Beurteilungen nur zulässig ist, wenn er
sich im Wesentlichen auf die gleichen Beurteilungszeiträume und die gleichen
Beurteilungsstichtage erstreckt.
Ausweislich der tabellarischen Übersicht über die drei Bewerberinnen wurden
für die ausgewählte Bewerberin Dr. B. planmäßige Beurteilungen aus den
Jahren 2007, 2005, 2003 und 2001 berücksichtigt, für die Antragstellerin und
die Mitbewerberin Dipl.-Med. Br. dagegen nur Beurteilungen aus den Jahren
2007, 2003 und 2001, nicht aber aus 2005. Anders als Dr. B. waren die
Antragstellerin und Dipl.-Med. Br. gemäß Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 in der
damals gültigen Fassung nur alle vier Jahre zu beurteilen und haben deshalb im
Jahre 2005 keine planmäßige Beurteilung erhalten. Der Bundesminister der
Verteidigung hat in dem Leistungsvergleich als vorletzte Beurteilung für Dr. B.
diejenige aus dem Jahre 2005, für die Antragstellerin dagegen diejenige aus
dem Jahre 2003 eingestellt; entsprechend wurde als vorvorletzte Beurteilung für
Dr. B. diejenige aus dem Jahre 2003, für die Antragstellerin dagegen diejenige
aus dem Jahre 2001 herangezogen. Ein solcher „Quervergleich“ über
unterschiedliche Beurteilungszeiträume ist nicht zulässig. Er verstößt gegen
den Grundsatz, dass ein Vergleich eine gemeinsame - hier zeitliche -
Vergleichsgrundlage voraussetzt, und führt zu einer Verzerrung des
Leistungsbildes der Bewerberinnen.
cc) Nicht statthaft ist schließlich die von dem Bundesminister der Verteidigung
vorgenommene „Transformation“, indem die Bewertungen aus den vorletzten
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und vorvorletzten Beurteilungen bzw. die entsprechenden
„Leistungsdifferenzen“ zwischen den Bewerberinnen mit dem Faktor 9/7
multipliziert wurden. Zwar erfolgte vor den zum Termin 30. September 2007
erstellten Beurteilungen die Umstellung des Bewertungsmaßstabs von einer
zuvor sieben- auf eine dann neunstufige Skala (Nr. 609 Buchst. b mit Anlage 4
der ZDv 20/6 i.d.F. vom 17. Januar 2007). Eine „Umrechnung“ der
Durchschnittswerte bzw. „Leistungsdifferenzen“ setzt jedoch voraus, dass
außer der Streckung des Bewertungsmaßstabs von sieben auf neun Stufen das
Beurteilungssystem im Übrigen unverändert geblieben ist. Die
Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 haben indes insbesondere
durch die Einführung von Richtwertvorgaben sowie durch Regelungen zur
Vergleichsgruppenbildung und zu Abstimmungsgesprächen zu einer gegenüber
der vorherigen Konzeption grundlegenden Umgestaltung des
Beurteilungssystems geführt (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 26. Mai 2009 -
BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr.
14). Die vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen einerseits und die aktuellen
Beurteilungen zum Termin 30. September 2007 andererseits wurden deshalb
unter völlig unterschiedlichen Bedingungen erstellt, sodass eine einfache, allein
an der Skalenerweiterung (von sieben auf neun Stufen) orientierte
„Umrechnung“ der Leistungsbewertungen nicht in Betracht kommt.
3. Da die Auswahl für die Besetzung des Dienstpostens des Leiters der
Abteilung ... beim ... Institut ... der Bundeswehr rechtswidrig ist, sind die
entsprechende Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ vom 6. November 2008
und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -
vom 16. März 2009 aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1
WBO). Der Bundesminister der Verteidigung ist gemäß dem Antrag zu 2.
verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der
vorstehenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2
Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1
WBO.
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Golze Dr. Frentz Dr. Langer