Urteil des BVerwG vom 25.06.2008

Wiederaufnahme des Verfahrens, Amt, Dienstort, Rücknahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 28.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptfeldwebel ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Schäfer und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Kanert
am 25. Juni 2008 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt seine Versetzung vom Amt A. in das Amt M. Mit dem
vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet er sich gegen einen
Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 -, mit dem eine
erneute Sachentscheidung über seinen Versetzungsantrag abgelehnt wurde.
Der Antragsteller ist Berufssoldat und wurde zuletzt am 16. Mai 2007 zum
Hauptfeldwebel befördert. Seit dem 1. April 2000 wird er aufgrund seiner Be-
werbung vom 29. Januar 1999 und nach erfolgreicher Teilnahme am Auswahl-
verfahren beim Militärischen Abschirmdienst verwendet und zwar bis zum
31. Dezember 2007 bei der ...-Stelle ... in G. und seit dem 1. Januar 2008 bei
dem Amt A. in K.
Mit Schreiben vom 27. April 2007 beantragte der Soldat „aus persönlichen
Gründen“ seine Versetzung zum Amt M. am Dienstort B. Der Antrag wurde mit
Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 2 - vom 8. Mai
2007, dem eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, mit
der Begründung abgelehnt, dass Unteroffiziere des Militärischen Abschirm-
dienstes nur dann aus ihrer Verwendung herausgelöst würden, wenn dies aus
sicherheitserheblichen Gründen unumgänglich sei oder gesundheitliche Ein-
schränkungen eine Weiterverwendung im Militärischen Abschirmdienst auf
Dauer verhinderten, ohne dass diese eine Entlassung/ Zurruhesetzung wegen
Dienstunfähigkeit begründen könnten.
Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Mai 2007 „zur Fristwah-
rung Beschwerde“ ein, ohne diese innerhalb der Rechtsbehelfsfrist zu begrün-
den. Den vom Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 7 - dem Senat als
Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorgelegten Rechtsbehelf (BVerwG 1 WB
30.07) nahmen die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom
20. September 2007, bei Gericht eingegangen am 1. Oktober 2007, zurück.
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Mit Schreiben vom 8. Oktober 2007 beantragte der Antragsteller erneut, auf den
Dienstposten beim Amt M. versetzt zu werden. Zur Begründung führte er aus,
er glaube aufgrund seiner geleisteten Auslandseinsätze, dass eine Ver-
wendung im Amt M. für ihn interessant sei. Außerdem habe er inzwischen seine
Versetzung in das Amt A. nach K. erhalten. Da er aufgrund verschiedener
Faktoren (Berufung zum Berufssoldaten im Jahre 2003, der Standortsicherheit
der ...-Stelle ... am Standort P., geplante weitere Verwendung als Regionaler-
mittler, Erwerb eines Grundstücks mit selbst genutztem Eigenheim) seine priva-
te Zukunft im Raum B. geplant habe, sehe er den Dienstort B. ebenfalls „als
positiv“ an.
Das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 2 - teilte ihm daraufhin mit
Schreiben vom 18. Oktober 2007 unter Hinweis auf den bestandskräftig gewor-
denen Bescheid vom 8. Mai 2007 mit, aus dem erneuten Antrag ergäben sich
keine Anhaltspunkte, die auf eine veränderte Sach- und Rechtslage schließen
ließen. Eine neue Entscheidung werde daher nicht getroffen.
Das Schreiben wurde dem Antragsteller am 25. Oktober 2007 ausgehändigt. Es
enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit einem am 9. November 2007 per Telefax beim Bundesministerium der Ver-
teidigung - PSZ I 2 - eingegangenen Schreiben vom selben Tage legten die
Bevollmächtigten des Antragstellers Beschwerde ein und führten zur Begrün-
dung aus, entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung
sei über die Versetzung des Antragstellers in das Amt M. noch nicht bestands-
kräftig entschieden worden. Der Bescheid vom 8. Mai 2007 betreffe den Antrag
vom 27. April 2007, der ohne Angabe persönlicher Gründe gestellt worden sei.
Demgegenüber enthalte der Antrag vom 8. Oktober 2007 eine Reihe von per-
sönlichen Gründen, die bisher bei der Entscheidung noch nicht berücksichtigt
worden seien. Es liege daher eine neue Sachentscheidung in Form eines
Zweitbescheides vor. Die Ablehnung der Versetzung sei im Übrigen rechtswid-
rig. Der Antragsteller sei vor dem 11. Februar 1997 in die Dienste des Bundes
eingetreten. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass eine Herauslösung aus der
Verwendung beim Militärischen Abschirmdienst nur unter spezifischen Ein-
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schränkungen möglich sein solle. Eine entsprechende Verpflichtung habe der
Antragsteller seinerzeit jedenfalls nicht übernommen, sie könne ihm auch nicht
auferlegt werden. Ihn von Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb des Militäri-
schen Abschirmdienstes auszuschließen, verstoße gegen die Fürsorgepflicht
des Dienstherrn.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung
- PSZ I 2 - vom 18. Oktober 2007 aufzuheben und den
Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über den
Versetzungsantrag des Antragstellers unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entschei-
den.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unzulässig. Das angefochtene Schreiben des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung stelle gegenüber dem Antragsteller keine Maß-
nahme dar. Vielmehr sei ihm lediglich eine Rechtsauskunft hinsichtlich der be-
stehenden Rechtslage erteilt worden, da über seinen Antrag auf Versetzung
zum Amt M. bereits bestandskräftig entschieden worden sei. Unabhängig davon
fehle dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis, weil das von ihm verfolgte
Ziel bereits Gegenstand eines früheren Verfahrens vor dem Bundesver-
waltungsgericht gewesen sei. Es fehle daher an einem berechtigten Interesse
des Antragstellers an einer erneuten Entscheidung. Auch die Voraussetzungen
für einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 51 VwVfG
lägen nicht vor. Es komme hinzu, dass der Rechtsbehelf nicht fristgerecht
eingelegt worden sei. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet. Die
Versetzung des Antragstellers sei mit dienstlichen Belangen nicht in Einklang zu
bringen. Die derzeitige Personallage bei Unteroffizieren im Bereich des Mili-
tärischen Abschirmdienstes sei durch Vakanzen aufgrund von Dienstzeitbeen-
digungen und jährlicher Zulassung von Anwärtern für die Laufbahn der Offiziere
des Militärfachlichen Dienstes gekennzeichnet.
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Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 1024/07 -,
die Personalgrundakte des Antragstellers (Hauptteile A bis C) und die Akte des
Wehrbeschwerdeverfahrens BVerwG 1 WB 30.07 haben dem Senat bei der
Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag ist zulässig.
Auch die Ablehnung der erneuten Entscheidung über das Versetzungsgesuch
eines Soldaten stellt eine Maßnahme dar, gegen die Beschwerde eingelegt
oder im Falle des § 21 Abs. 1 WBO der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
gestellt werden kann. Der Antrag ist auch nicht verfristet, weil der Bescheid vom
18. Oktober 2007 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und die Frist deswe-
gen nach § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 WBO erst drei Tage nach Beseitigung des
Hindernisses - hier die (bisher nicht erfolgte) Nachholung der fehlenden
Rechtsbehelfsbelehrung - endet.
Der Antrag ist aber unbegründet, weil über das Begehren des Antragstellers
durch den mit Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Ver-
fahren BVerwG 1 WB 30.07 bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 8. Mai
2007 entschieden wurde und der Antragsteller keinen Anspruch auf erneute
Sachentscheidung hat. Zwar ist die Vorschrift des § 51 VwVfG über das Wie-
deraufgreifen eines bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens im Wehrbe-
schwerdeverfahren grundsätzlich entsprechend anwendbar (vgl. Beschlüsse
vom 16. Mai 2002 - BVerwG 1 WB 7.02 - Buchholz 402.8 § 2 SÜG Nr. 2, vom
23. Juni 2004 - BVerwG 1 WB 12.04 - Buchholz 402.8 § 17 SÜG Nr. 2 =
NZWehrr 2005, 78 und zuletzt vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 -); die
Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere
hat sich die dem ablehnenden Bescheid vom 8. Mai 2007 zugrunde liegende
Sach- oder Rechtslage nicht im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nachträg-
lich geändert. Soweit der Antragsteller in seinem ersten Antrag lediglich pau-
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schal „persönliche Gründe“ für sein Begehren angeführt und diese erst in dem
zweiten Antrag näher konkretisiert hat, lagen die nunmehr geltend gemachten
Gründe sämtlich bereits vor Eintritt der Bestandskraft des Erstbescheides vor.
Der Antragsteller hätte sie daher in dem früheren Verfahren vorbringen können,
so dass der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 2
VwVfG unzulässig ist.
Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Bundesministerium der
Verteidigung das Verfahren nicht unabhängig von den Voraussetzungen des
§ 51 VwVfG im Ermessenswege (sog. Wiederaufgreifen i.w.S., vgl. dazu Sachs
in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 51 Rn. 13 ff. m.w.N.) wie-
deraufgegriffen hat. Vielmehr ist es der Behörde unbenommen, sich im Interes-
se der Rechtssicherheit und zur Vermeidung weiteren Verwaltungsaufwandes
auf die Bestandskraft einer früheren Entscheidung zu berufen, zumal, wenn es
- wie hier - an jedem Anhaltspunkt für die Rechtswidrigkeit der früheren Ent-
scheidung fehlt. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass der An-
tragsteller in seinem Antrag auf Versetzung zum Militärischen Abschirmdienst
vom 29. Januar 1999 ausdrücklich auf ein als Anlage beigefügtes Informations-
blatt „Werbung von Unteroffiziernachwuchs für den Militärischen Abschirm-
dienst (MAD)“ Bezug genommen hat, in dem es u.a. heißt:
„Der Verbleib im MAD ist vom erfolgreichen Abschluss des
MAD-Basislehrgangs abhängig. Danach ist eine Rückver-
setzung in die Teilstreitkraft grundsätzlich nur noch aus
Sicherheitsgründen oder als Folge einer ärztlicherseits
festgestellten MAD-Verwendungsunfähigkeit möglich.“
Dem Antragsteller musste daher entgegen seinem jetzigen Vorbringen bekannt
sein, dass eine Wegversetzung vom Militärischen Abschirmdienst nur unter
sehr eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht kommt.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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