Urteil des BVerwG vom 28.05.2008

Erlass, Rauchverbot, Infrastruktur, Unterordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 25.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstabsfeldwebel …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
am 28. Mai 2008 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzuläs-
sig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht A. ver-
wiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen den Nichtraucherschutzerlass des Bun-
desministeriums der Verteidigung.
Am 1. September 2007 trat das als Art. 1 des Gesetzes zum Schutz vor den
Gefahren des Passivrauchens vom 20. Juli 2007 (BGBl I S. 1595) be-
schlossene Gesetz zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des
Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz
- BNichtrSchG) in Kraft. Zur Ausführung dieses Gesetzes verfügte das Bun-
desministerium der Verteidigung - WV IV 1 - einen Erlass zum Schutz der nicht-
rauchenden Personen vor Passivrauchen im Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung (Nichtraucherschutzerlass) vom 15. August 2007
(Az.: 47-04-15/01-01), der ebenfalls zum 1. September 2007 in Kraft trat. Der
Erlass enthält in Abschnitt A Bestimmungen zum Rauchverbot und regelt in Ab-
schnitt B die Hinweispflicht auf das gesetzliche Rauchverbot sowie die Verant-
wortung für die Durchsetzung der in Abschnitt A aufgeführten Vorschriften. Mit
Fernschreiben vom 3. März 2008 verfügte das Bundesministerium der Verteidi-
gung - WV IV 1 - außerdem, dass der Nichtraucherschutzerlass bis zum Ab-
schluss des Beteiligungsverfahrens mit dem Gesamtvertrauenspersonenaus-
schuss gemäß § 38 Abs. 2 SBG vorläufig gilt.
Der 1957 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraus-
sichtlich am 31. Juli 2010 endet. Zuletzt wurde er am 1. Juli 2004 zum Ober-
stabsfeldwebel befördert. Derzeit wird der Antragsteller bei der … in R. verwen-
det.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 erhob der Antragsteller Beschwerde ge-
gen den Nichtraucherschutzerlass. Der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - wertete die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung
und legte diesen dem Senat zusammen mit seiner Stellungnahme vom
20. März 2008 vor.
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Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Er fühle sich als rauchender Soldat persönlich durch die Art und Weise be-
schwert, wie das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in
der Bundeswehr angewendet werde. Der Nichtraucherschutzerlass gehe über
das Ziel des zugrundeliegenden Bundesgesetzes hinaus und beeinträchtige
seinen Anspruch auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Aus dem Nichtraucher-
schutzgesetz werde für den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung ein „Rauchverbotsgesetz“ gemacht. Insbesondere sei das in
Abschnitt A Nr. 5 des Nichtraucherschutzerlasses angeordnete Schließen be-
reits bestehender Raucherräume nicht nachvollziehbar. Durch diese Räume
habe keine Gefahr für Nichtraucher bestanden. Die ersatzlose Abschaffung der
Raucherräume finde keine Rechtsgrundlage im Bundesnichtraucherschutzge-
setz und stelle einen Verstoß des Dienstherrn gegen seine Fürsorgepflicht ge-
genüber den Soldaten dar.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es stehe im Ermessen des Erlassgebers, grundsätzlich keine Raucherräume
mehr vorzusehen, d.h. sowohl bestehende Räume zu schließen wie auch bis
zum Vorliegen einer Rechtsverordnung der Bundesregierung, die nähere tech-
nische Spezifikationen für die Ausstattung von Raucherräumen enthalte, keine
neuen mehr einzurichten. Sachliche Gründe, die zu einer Beibehaltung von be-
stehenden Raucherräumen zwingen und jede andere Entscheidung als ermes-
sensfehlerhaft kennzeichnen würden, seien nicht ersichtlich. Durch das Bun-
desnichtraucherschutzgesetz habe der Gesetzgeber seinen eindeutigen Willen
zum Ausdruck gebracht, dass künftig dem Gesundheitsschutz der nichtrau-
chenden Menschen der Vorrang vor dem Interesse der Raucher und Rauche-
rinnen an der Entfaltung ihrer Persönlichkeit gebühren solle. Der Schutzzweck
dieses Gesetzes lege nahe, dass auch bestehende Raucherräume vom grund-
sätzlichen Rauchverbot erfasst seien, weil auch von diesen Räumen Gefahren
für Passivraucher ausgehen könnten.
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Das Gericht hat die Beteiligten zu der Frage angehört, ob es sich bei dem an-
gefochtenen Nichtraucherschutzerlass um eine truppendienstliche Maßnahme
handelt, für die der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet ist. Der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat für den Fall, dass der Senat zu
der Überzeugung gelange, dass der Erlass keine truppendienstliche Maßnahme
darstelle, um Verweisung des Rechtsbehelfs an das zuständige Verwal-
tungsgericht gebeten (Schreiben vom 9. April 2008) bzw. es letztlich für sach-
näher gehalten, eine Verweisung an die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit
vorzunehmen (Schreiben vom 21. Mai 2008). Der Antragsteller hat mit Schrift-
satz seines Bevollmächtigten vom 15. Mai 2008 die Auffassung vertreten, dass
die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenat - gegeben
sei.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 968/07 -
hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Für das gegen den Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung - WV IV 1-
zum Schutz der nichtrauchenden Personen vor Passivrauchen im
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (Nichtraucher-
schutzerlass) vom 15. August 2007 (Az.: 47-04-15/01-01) gerichtete Rechts-
schutzbegehren des Antragstellers ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienst-
gerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffent-
lich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit
die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich
zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für
Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein
anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1
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Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde
des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder von Pflichten eines Vorge-
setzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts
des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.
Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und
Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und
Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr,
vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - NZWehrr 2005, 212
m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es sich um eine
truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit
handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, muss
auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs und auf die daraus
abzuleitende Rechtsfolge abgestellt werden (Beschlüsse vom 15. Mai 2003
- BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Die gegen den Nichtraucherschutzerlass gerichtete Beschwerde betrifft eine
Verwaltungsangelegenheit. Die Vorschrift ist vom Referat „Grundsatz Umwelt-
und Arbeitsschutz; Umwelt- und Arbeitsschutzrecht“ (WV IV 1) der Abteilung
Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz (WV) des Bundesministeriums
der Verteidigung erlassen worden. Die Abteilung Wehrverwaltung, Infrastruktur
und Umweltschutz gehört nicht zum militärischen Bereich, der sich ins-
besondere in die fünf militärischen Führungsstäbe gliedert, sondern zum zivilen
Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Erlass richtet sich auch
nicht nur an Soldaten, sondern gleichermaßen an zivile Beschäftigte und Besu-
cher der von ihm erfassten Einrichtungen des Bundes im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung. Auch der Antragsteller ist nicht anders
als jeder sonstige nichtsoldatische Nutzer dieser Einrichtungen von dem
Rauchverbot betroffen. Der Nichtraucherschutzerlass beruht daher nicht auf
dem besonderen Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung bzw.
dem militärischen Vorgesetztenverhältnis, wie es für truppendienstliche Angele-
genheiten kennzeichnend ist.
Nachdem der Antragsteller, der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
und der Bundeswehrdisziplinaranwalt gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu
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angehört worden sind, ist der Rechtsstreit gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18
Abs. 3 WBO an das nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich und sachlich zu-
ständige Verwaltungsgericht A. (Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 Gesetz zur
Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. der Bek. vom 20. Juni 1992
, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juni 2007
S. 390>) zu verweisen. Der für Klagen im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeb-
liche dienstliche Wohnsitz ist entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG bei ei-
nem Soldaten sein Standort, hier die Stadt R. im bayerischen Regierungsbezirk
M.. Die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im
Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (Beschlüsse vom 15. Mai 2003
a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Über die Verweisung kann der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche
Richter entscheiden (Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 -
Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3 ).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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