Urteil des BVerwG vom 30.09.2008

Subjektives Recht, Hinreichender Tatverdacht, Strafantrag, Beleidigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 24.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Wolf und
den ehrenamtlichen Richter Major Grabemann
am 30. September 2008 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidi-
gung, ihm eine Aussagegenehmigung zum Zweck der Strafantragstellung we-
gen Beleidigung zu erteilen.
Der 1959 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraus-
sichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2018 enden wird. Zum Oberstleutnant wur-
de er mit Wirkung zum 1. Januar 2003 ernannt. Seit dem 1. März 1999 wird er
in Dauerverwendung als ...-Stabsoffizier bei der ...-Stelle ... in K. verwendet.
Am 4. September 2007 führte der Antragsteller in seiner Funktion als ...- Ermitt-
ler gemeinsam mit Stabsfeldwebel Vi. (...-Unteroffizier) im Rahmen einer erwei-
terten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) eine Befragung
der Frau Nathalie V. durch, deren Einsatz beim „Zentrum ...“ in M. geplant war.
Mit Schreiben vom 13. September 2007 erhob Dr. Michael V., der Ehemann der
Frau V., gegen Stabsfeldwebel Vi. Dienstaufsichtsbeschwerde, der sich Frau V.
mit Schreiben vom 6. Oktober 2007 inhaltlich anschloss. Die Dienstauf-
sichtsbeschwerde stützt sich im Wesentlichen auf ein Gesprächsprotokoll der
Frau V.; sie richtet sich nach den Angaben im Betreff sowie nach ihrem Wort-
laut gegen das Verhalten des Stabsfeldwebels Vi. In ihr wird u.a. folgendes
ausgeführt:
„Gegenwärtig unterzieht sich meine Ehefrau, Frau Natha-
lie V[...], einer Ü 3-Überprüfung durch den ... für einen
späteren Einsatz beim 'Zentrum ...' (M.). In einer Befra-
gung durch den ... (Stelle ... K., Oberfeldwebel Timo Vi[...],
Oberstleutnant ...) wurden ihr am 04.09.2007 eine Reihe
von Fragen gestellt, die meine Intim- und Privatsphäre in
unvertretbarer Art und Weise verletzen. (….) Mir ist
durchaus bewusst und einsichtig, dass die Prüfung der
Stabilität von familiären Verhältnissen im Rahmen einer
SÜ ein notwendiges Übel ist. Allerdings ist auch Herr
Stabsfeldwebel Vi[...] an die ‚Spielregeln’ gebunden, die
das Grundgesetz Amtsträgern wie ihm nun einmal aufer-
legt. Deswegen muss er dem Grundsatz der Verhältnis-
mäßigkeit strikt Folge leisten, der es ihm untersagt, derart
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anzügliche Fragen - und dann noch als Mann gegenüber
einer Frau - zu stellen. Wo hat Herr Vi[...] sich denn he-
rumgetrieben, dass er nicht über das erforderliche Taktge-
fühl und vor allem über die Professionalität verfügt, um zu
wissen, wann er die Grenzen des Anstandes bei der Be-
fragung von Frauen überschreitet?
Während ich die Ermittlung zu den familiären Verhältnis-
sen dem Grunde nach akzeptiere, fehlt mir jedes Ver-
ständnis für die Fragen, die sich Herr Vi[...] im Fall meiner
Mitgliedschaft im Bund der Freimaurer herausnimmt. Mir
erschließt sich noch nicht einmal im Ansatz, warum die
Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge für einen Vertreter
des ... Anlass gibt, irgendwelche Rückfragen der Art, wie
sie Herrn Vi[...] in den Kopf gekommen sind, zu stellen.
Seine Aufgabe ist die Sammlung von Erkenntnissen über
verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Bun-
deswehr und von Bestrebungen gegen die Bundeswehr
von außen. Was geht es den ... an, ob mein Vorgesetzter
davon Kenntnis hat, dass ich Freimaurer bin oder ob er
dies gar selbst ist? Was verraten derartige Fragen über
die Motivation und Gesinnung des Fragenden? Zu Herrn
Vi[...] Gunsten will ich einmal unterstellen, dass er einfach
nicht über die Bildung verfügt, um zu wissen, dass der
letzte deutsche Geheimdienst, der die Freimaurerei im
Rahmen der weltanschaulichen Gegnererforschung zu
seinen Beobachtungsobjekten zählte, das Reichssicher-
heitshauptamt war.
Insgesamt muss ich unter größtem Befremden leider fest-
stellen, dass Herr Vi[...] sich offenbar nicht der außeror-
dentlichen Verantwortung bewusst ist, die ihm als Ange-
hörigen eines Nachrichtendienstes zukommt, wenn ihm
erlaubt wird, in das Privat- und Intimleben anderer
einzudringen. Wenn er damit nicht umgehen kann, ihm
dies zu Kopfe steigt und er sich noch bemüßigt fühlt, sich
als ‚James Bond’ zu gerieren, er dabei aber nicht willens
oder in der Lage ist, die Grenzen einzuhalten, unter denen
ihm dies ausnahmsweise gestattet wird, sollte er sich lie-
ber einer Tätigkeit widmen, bei der er weniger Schaden
anrichten kann - Versicherungen verkaufen etwa.
In Anbetracht all dieser Umstände lege ich Dienstauf-
sichtsbeschwerde wegen des Verhaltens von Herrn Vi[...]
ein und erwarte, dass alle Daten, die Herr Vi[...] unrecht-
mäßig über meine Frau und mich erhoben hat, endgültig
gelöscht werden. (…)“
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Mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom 7. November 2007 be-
schied das Amt für den ... die Dienstaufsichtsbeschwerden des Dr. V. und sei-
ner Ehefrau. Das Amt teilte den Beschwerdeführern mit, dass Stabsfeldwebel
Vi. keine zu beanstandenden Äußerungen getätigt habe. Soweit einzelne Fra-
gen nicht für die Sicherheitsüberprüfung der Stufe Ü 3 notwendig gewesen sei-
en, habe man die jeweiligen Antworten geschwärzt, sodass den Beschwerde-
führern keine Nachteile erwachsen könnten. Die weitere Durchführung der Si-
cherheitsüberprüfung sei auf die nunmehr örtlich zuständige ...-Stelle ... über-
tragen worden.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2007 beantragte der Antragsteller die Erteilung
einer umfassenden Aussagegenehmigung und bezog sich dazu auf den Inhalt
der Dienstaufsichtsbeschwerde des Herrn Dr. V. vom 13. September 2007. Er
beabsichtige, gegen Dr. V. und Frau V. Strafantrag gemäß § 186 und § 187
StGB zu stellen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 2007, dem Antragsteller
am 2. Januar 2008 eröffnet, lehnte das Bundesministerium der Verteidigung -
PSZ I 7 - diesen Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, nach § 14 Abs. 2 SG
i.V.m. § 62 Abs. 4 BBG habe es als oberste Dienstaufsichtsbehörde über eine
Aussagegenehmigung zu entscheiden. Nach der hier in Betracht kommenden
Bestimmung in § 62 Abs. 3 BBG könne die Aussagegenehmigung versagt
werden, wenn dies die dienstlichen Rücksichten unabweisbar erforderten. Das
sei der Fall. Rechtsgrundlage sei § 21 SÜG. Danach dürften die im Rahmen
des § 21 Abs. 1 Nr. 2 SÜG gespeicherten personenbezogenen Daten von der
zuständigen Stelle oder mitwirkenden Behörde nur für die Zwecke der Ver-
folgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung genutzt und übermittelt wer-
den. In der ZDv 2/30 Anlage C 14/1 seien die Straftaten von erheblicher Bedeu-
tung gemäß § 138 StGB und Art. 1 § 2 des Gesetzes zu Art. 10 GG aufgeführt.
Die Straftaten „Üble Nachrede/Verleumdung“ (§§ 186, 187 StGB) seien in die-
ser Liste nicht enthalten. Damit sei die beabsichtigte Interessenwahrnehmung
mit einem Verstoß gegen § 21 SÜG verbunden; deshalb stünden der Erteilung
einer umfassenden Aussagegenehmigung unabweisbare dienstliche Rücksich-
ten entgegen.
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Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag auf Entscheidung des Bundes-
verwaltungsgerichts vom 8. Januar 2008, den der Bundesminister der Verteidi-
gung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 14. März 2008 dem Senat vor-
gelegt hat.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die Versagung der Aussagegenehmigung sei rechtswidrig, weil sich die Be-
gründung des angefochtenen Bescheids ausschließlich auf die erweiterte Si-
cherheitsüberprüfung der Frau V. und damit auf § 21 SÜG beziehe. Die bean-
tragte Aussagegenehmigung betreffe aber nur die Dienstaufsichtsbeschwerde
des Herrn Dr. V. Dies sei ein eigenständiges Verfahren außerhalb des Sicher-
heitsüberprüfungsgesetzes. Herr Dr. V. habe sich vorsätzlich in beleidigender,
ehrverletzender und diskriminierender Weise geäußert, die dazu geeignet ge-
wesen sei, seine, des Antragstellers dienstliche Reputation zu schädigen. Ob
die Beweislage für die Erhebung einer Klage ausreiche oder in seinem Fall kein
hinreichender Tatverdacht bestehe, sei durch die zuständigen Strafverfol-
gungsbehörden zu prüfen. Da er sich nicht strafbar machen und keinem dienst-
rechtlichen Verfahren ausgesetzt werden wolle, sei er - auch schon für die Be-
stellung eines Rechtsbeistandes - zur Wahrnehmung seiner rechtlichen Inte-
ressen an eine Aussagegenehmigung gebunden. Er habe deshalb bisher kei-
nen Strafantrag stellen können. Es sei nicht hinnehmbar, dass eine Gesamtsi-
tuation - nicht zuletzt durch die zeitliche Abwicklung des Genehmigungsverfah-
rens - eingetreten sei, die es ihm unmöglich mache, die grundgesetzlich ver-
brieften Persönlichkeitsrechte zu wahren und hierzu den Rechtsweg zu be-
schreiten. Er erhoffe sich von der Senatsentscheidung eine höhere Rechtssi-
cherheit, insbesondere eine Weisungslage für eine zeitgerechte und angemes-
sene Handhabung der Genehmigungspraxis für Aussagegenehmigungen, um
zukünftig solche Verfahren zu vermeiden. Sofern seitens des Bundesministers
der Verteidigung festgestellt worden sei, er habe kein berechtigtes Interesse an
einer Strafverfolgung, ergebe sich sein Rechtsschutzbedürfnis aus § 194 Abs. 3
StGB.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die vom Antragsteller begehrte straf-
rechtliche Ahndung nicht mehr erreicht werden könne. Gemäß § 194 Abs. 1
Satz 1 StGB werde die Beleidigung nur auf Antrag verfolgt, wobei der Antrag
der Drei-Monats-Frist des § 77b StGB unterliege. Ein Strafantrag sei aber nicht
gestellt worden; die Antragsfrist sei verstrichen. Sie beginne mit Ablauf des Ta-
ges, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis
erlangt habe. Diese Kenntnis habe der Antragsteller bereits Anfang Oktober
2007 gehabt. Zudem könne der Antragsteller kein Rechtschutzbedürfnis geltend
machen, weil er nicht Adressat der Dienstaufsichtsbeschwerde sei; er werde
darin ausschließlich als Teilnehmer der Anhörung erwähnt, ohne mit der ei-
gentlichen Befragung bzw. mit den Vorwürfen in Zusammenhang gebracht zu
werden. Der Antrag sei außerdem aus den in dem angefochtenen Bescheid
genannten Gründen unbegründet.
Das Amt für den ... hat dem Antragsteller mit Bescheid vom 20. März 2008 ges-
tattet, zur Interessenwahrnehmung im vorliegenden Verfahren einen Rechts-
beistand hinzuzuziehen. Davon hat der Antragsteller keinen Gebrauch ge-
macht.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Ver-
fahrensakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
II
Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt.
Sein Rechtsschutzbegehren ist sinngemäß dahin auszulegen, dass er die Auf-
hebung des Bescheids des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 -
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vom 20. Dezember 2007 sowie dessen Verpflichtung beantragt, ihm, dem An-
tragsteller, eine Aussagegenehmigung - bezogen auf den Inhalt der Dienstauf-
sichtsbeschwerde des Herrn Dr. V. vom 13. September 2007 - zum Zweck der
Strafantragstellung gegen Herrn Dr. V. wegen Beleidigung (§§ 185, 186, 187
StGB) zu erteilen. Dabei geht der Senat angesichts der Äußerungen des An-
tragstellers in den Schriftsätzen vom 8. Januar 2008 und vom 21. April 2008
davon aus, dass dieser die mit dem Strafantrag angestrebte Strafverfolgung -
den ursprünglichen Antrag vom 5. Oktober 2007 insoweit einschränkend - nur
noch gegen Herrn Dr. V. gerichtet wissen will.
Für dieses Rechtsschutzbegehren ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerich-
ten eröffnet (vgl. Beschluss vom 3. Oktober 1974 - BVerwG 1 WB 1.74 -
BVerwGE 46, 303 <305> = NZWehrr 1975, 104). Gemäß § 21 Abs. 1 WBO ist
das Bundesverwaltungsgericht sachlich zuständig, weil die Aussagegenehmi-
gung durch den - hierzu allein befugten (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG, § 62 Abs. 4
BBG) - Bundesminister der Verteidigung versagt worden ist.
Der Streit um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen Soldaten be-
trifft eine anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO.
Der Antragsteller hat insoweit eine Verletzung seiner Rechte bzw. eine Verlet-
zung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber geltend gemacht, die im
Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes (mit Aus-
nahme der §§ 24, 25, 30 und 31) geregelt sind (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i.V.m.
§ 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), nämlich eine Verletzung seines Anspruchs darauf,
dass ihm die Genehmigung zur Aussage in eigener Sache vor Strafverfol-
gungsbehörden und Gerichten nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen
versagt werden darf (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SG i.V.m. § 62 Abs. 1, Abs. 3 BBG; vgl.
hierzu auch Beschluss vom 3. Oktober 1974 a.a.O.; Walz/Eichen/Sohm, SG,
2006, § 14 Rn. 19).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch form- und fristgerecht einge-
legt worden. Unschädlich ist, dass der Antragsteller erklärt hat, die Begründung
des Antrags erfolge lediglich vorläufig. Sein Antragsvorbringen wird den Anfor-
derungen des § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO gerecht. Die
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Antragsschrift lässt ausreichend deutlich erkennen, dass und warum der An-
tragsteller den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom
20. Dezember 2007 aus seiner Sicht für fehlerhaft hält (vgl. zu den diesbezügli-
chen Anforderungen u.a. Beschlüsse vom 23. Februar 1972 - BVerwG 1 WB
1.70 - BVerwGE 43, 308 und vom 14. Juli 2004 - BVerwG 1 WB 9.04 - mit zahl-
reichen weiteren Nachweisen).
Der Antrag ist aber unzulässig, weil dem Antragsteller das erforderliche Rechts-
schutzbedürfnis fehlt.
Für die gerichtlich angestrebte Verpflichtung zur Erteilung einer Aussagege-
nehmigung nach § 62 BBG ist ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (Zängl, in:
GKÖD, Bd. I, Stand: August 2008, K § 62 Rn. 39; Urteil vom 2. Dezember 1969
- BVerwG 6 C 138.67 - BVerwGE 34, 252 <255>, vgl. ferner VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 29. Mai 1989 - 4 S 2862/88 - juris Rn. 27). Es kann
offenbleiben, ob das Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen des - hier allein in Be-
tracht kommenden - § 62 Abs. 3 BBG schon dann abzulehnen ist, wenn die
vom jeweiligen Antragsteller beabsichtigte Rechts- oder Strafverfolgung, für die
die Aussagegenehmigung rechtliche Bedeutung als Mittel zum Zweck hat, von
vornherein und offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (so ausdrücklich für
ein Privatklageverfahren VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Mai 1989
a.a.O.). Jedenfalls fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, wenn der je-
weilige Antragsteller nicht darlegt, dass und inwiefern er ein - für ihn persön-
lich - rechtlich geschütztes Interesse an der Erteilung einer Aussagegenehmi-
gung hat. Dazu gehören in einem Verfahren, das - wie im vorliegenden Fall -
nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BBG der Wahrnehmung der „berechtigten Inte-
ressen“ des Antragstellers dienen soll, nähere Ausführungen zum Inhalt dieser
berechtigten Interessen. Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorbringen des An-
tragstellers nicht.
Der Antragsteller trägt zwar - unter Hinweis auf den Inhalt der Dienstaufsichts-
beschwerde vom 13. September 2007 - vor, gegen Herrn Dr. V. Strafantrag
wegen Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) stellen zu wollen, macht aber seine dafür
notwendige persönliche Betroffenheit nicht geltend. Der Strafantrag ist für alle
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Beleidigungstatbestände des 14. Abschnitts (§§ 185 bis 189 StGB) eine erfor-
derliche Prozessvoraussetzung (Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 194 Rn. 2).
Strafantragsberechtigt ist gemäß § 77 StGB zunächst nur der von der Tat Ver-
letzte (vgl. dazu Fischer,
a.a.O. § 77 Rn. 2). Dabei kommt es für die Wirksam-
keit der Strafantragstellung zwar weder darauf an, ob tatsächlich eine Straftat
vorliegt, noch darauf, dass der Antragsteller die Tat rechtlich richtig bewertet
oder sie konkret beschreibt. Der Verfolgungswille muss sich aber auf eine be-
stimmte Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO beziehen, also auf einen ge-
schichtlichen Vorgang, in dem die Erfüllung eines gegen den Verletzten gerich-
teten, bestimmten Tatbestandes zu erblicken ist. Entscheidend ist aus diesem
Grund der äußere Befund, der ohne Rücksicht auf die Willensrichtung des Tä-
ters den Verdacht einer rechtsgutverletzenden Handlung, mithin eines Eingriffs
in die Rechtssphäre des Antragstellers begründet (vgl. Jähnke, in: Leipziger
Kommentar, StGB, Bd. 3, 12. Aufl. 2008, § 77 Rn.
18).
Die - zumindest in Grundzügen zu leistende - Darlegung eines möglichen Ein-
griffs in seine individuelle Rechtssphäre und damit die Erläuterung seiner be-
rechtigten Interessen hat der Antragsteller unterlassen. Dazu ergibt sich auch
nichts aus dem Inhalt der vorgelegten Akten. Nach dem Wortlaut der Dienst-
aufsichtsbeschwerde richten sich alle Vorwürfe des Herrn Dr. V. ausdrücklich
und ausschließlich gegen Stabsfeldwebel Vi. und nicht gegen den Antragsteller.
Der Antragsteller wird lediglich beiläufig als Gesprächsteilnehmer erwähnt, da-
bei aber weder direkt noch indirekt für die Äußerungen des Stabsfeldwebels Vi.
verantwortlich gemacht. Das Schreiben der Frau V. vom 6. Oktober 2007 und
ihre „Schilderung der Zwischenfälle“ beim Gespräch am 4. September 2007
betreffen ebenfalls ausnahmslos Stabsfeldwebel Vi. Auch im Zuge ihres An-
trags, eine andere Dienststelle des Militärischen Abschirmdienstes mit der Be-
arbeitung ihrer Sicherheitsüberprüfung zu beauftragen, macht Frau V. in erster
Linie Stabsfeldwebel Vi. für eine eingetretene Störung des Vertrauensverhält-
nisses verantwortlich. Soweit sie in diesem Zusammenhang äußert, auch zwi-
schen ihr und dem Antragsteller bestehe kein angemessenes Vertrauensver-
hältnis mehr, ist darin ein beleidigendes, also ein strafrechtlich relevantes Ver-
halten im Sinne der §§ 155, 264 StPO nicht zu erkennen. Das macht der An-
tragsteller auch nicht geltend. Sollte er wegen möglicher anderer, in den Akten
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nicht dokumentierter Vorfälle Strafantrag stellen wollen, hätte er dazu substanti-
iert Näheres vortragen müssen.
Ein rechtlich geschütztes Interesse des Antragstellers folgt auch nicht aus der
von ihm angedeuteten Möglichkeit, für einen Dritten (hier für Stabsfeldwebel Vi.)
tätig werden zu müssen. Soweit der Antragsteller ausführt, sein Rechts-
schutzbedürfnis ergebe sich aus § 194 Abs. 3 StGB, verkennt er, dass das
Strafantragsrecht des Disziplinarvorgesetzten eines von einer Beleidigung be-
troffenen Soldaten (§ 194 Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m § 77a Abs. 2 Satz 2 StGB)
maßgeblich auf dem Verfolgungsinteresse der Behörde beruht. Dieses Interes-
se der Behörde tritt zusätzlich ein Verfolgungsinteresse des verletzten
Amtsträgers oder Soldaten (vgl. die gesetzliche Formulierung „auch“; ebenso:
Fischer, a.a.O. § 194 Rn. 5 m.w.N.). Die Wahrnehmung des Strafantragsrechts
durch den Disziplinarvorgesetzten knüpft damit ausschließlich an dessen Funk-
tion als Interessensachwalter im Auftrag der Behörde an, verleiht ihm aber kein
subjektives Recht. § 194 Abs. 3 Satz 1 StGB begründet daher für den An-
tragsteller kein individuell geschütztes rechtliches Interesse.
Der Senat hat dem Antragsteller keine Verfahrenskosten auferlegt, weil die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlie-
gen.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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