Urteil des BVerwG vom 20.03.2012

Auskunftsperson, Verlängerung der Frist, Fremder, Usbekistan

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 23.11
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel a.D. …,
…,
zuletzt: …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Ahrens und
die ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Borovskaya
am 20. März 2012 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in
seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) durch den Geheimschutzbeauf-
tragten im Bundesministerium der Verteidigung.
Der 1954 geborene Antragsteller war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand
am 31. Mai 2007 Berufssoldat, zuletzt als Stabsfeldwebel beim …. Bei seinen
beiden letzten Auslandsverwendungen während seines aktiven Dienstes war er
jeweils von Juli bis Oktober 2005 und 2006 beim Einsatzgeschwader in
…/Usbekistan als Sicherheitsfeldwebel eingesetzt. In einem Beurteilungsbeitrag
über den Einsatz im Jahr 2005 wurde ausgeführt, der Antragsteller sei beispiel-
haft zuverlässig. Am 26. September 2003 und 8. Juni 2006 erhielt der Antrag-
steller förmliche Anerkennungen; am 20. Dezember 2000 und am 13. Juli 2005
wurden dem Antragsteller Leistungsprämien gewährt.
Zuletzt am 18. Juli 2007 wurde für den Antragsteller eine erweiterte Sicher-
heitsüberprüfung (Ü 2) ohne Einschränkungen abgeschlossen. Nach Hinweisen
auf sicherheitserhebliche Erkenntnisse und im Zusammenhang mit dem Nach-
bericht des Sicherheitsbeauftragten des … vom 7. Juli 2008 wurde mit Blick auf
die Beorderung des Antragstellers auf einen Dienstposten der Personalreserve
und die damit verbundene Einplanung für die Heranziehung zu Dienstleistungen
in sicherheitsempfindlicher Verwendung eine erneute Sicherheitsüberprüfung
eingeleitet, zu der der Antragsteller am 1. Juli 2008 eine Sicherheitserklärung
abgegeben hat.
In der Zeit vom 7. Januar 2009 bis 9. Mai 2009 und vom 29. Dezember 2009 bis
8. Mai 2010 war der Antragsteller als Reservist zu Wehrübungen einberufen
und zum Stab des Einsatzgeschwaders … kommandiert, wo er als Sicherheits-
feldwebel eingesetzt war. In den über diese besonderen Auslandsverwendun-
gen erteilten Beurteilungen als Reservist wird der Antragsteller als absolut zu-
verlässig und gewissenhaft beschrieben; seine Aufgaben erfülle er mit großer
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Zuverlässigkeit. Der Antragsteller empfehle sich nachdrücklich für weitere Ein-
sätze im Bereich der militärischen Sicherheit.
Unter dem Datum des 5. Juni 2009 gab der Antragsteller in einem Formular
„Befragung nach Auslandseinsatz in einem Staat mit besonderen Sicherheitsri-
siken“ (auch) bezogen auf seine Auslandseinsätze in … an, Kontakte zu Ein-
heimischen oder zu Personen fremder Streitkräfte habe er nicht geknüpft.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2009, das dem Antragsteller am 5. August 2009 zu-
gestellt wurde, teilte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der
Verteidigung dem Antragsteller mit, dass er auf der Grundlage der vom Militäri-
schen Abschirmdienst vorgelegten Ergebnisse prüfe, ob ein Sicherheitsrisiko
vorliege. Er gab dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu folgenden
sicherheitserheblichen Erkenntnissen:
Eine Auskunftsperson habe angegeben, sie, die Auskunftsperson und der An-
tragsteller, hätten während des Einsatzes im Jahr 2005 anknüpfend an ein ge-
meinsames Abendessen mit zwei Usbekinnen eine nicht freigegebene Disko-
thek besucht. Gegen 1.00 Uhr hätten sie die Diskothek mit den Usbekinnen ver-
lassen und seien in die private Wohnung einer der Usbekinnen gefahren. Dort
sei der Antragsteller mit einer der Usbekinnen in einen anderen Raum gegan-
gen und nicht wieder zurückgekommen. Am nächsten Tag habe er die Ge-
schehnisse der Nacht detailliert beschrieben und betont, dass es auch „total
günstig“ gewesen sei. Auf die Frage, was seine Ehefrau wohl dazu sagen wür-
de, habe der Antragsteller erklärt „was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß“.
Eine weitere Auskunftsperson habe ausgesagt, der Antragsteller habe während
der besonderen Auslandseinsätze eine Beziehung mit einer Usbekin gepflegt.
Dies sei aus den eigenen Ausführungen des Antragstellers zu schließen gewe-
sen. Regelmäßig habe er auch SMS in russischer Sprache erhalten. Zumindest
Passagen habe er durch einen russischstämmigen Soldaten der Einheit über-
setzen lassen. Auf dem dienstlichen Rechner seien 10 bis 15 Bilder aus seinen
Einsätzen beim Einsatzgeschwader … zu sehen gewesen, die ihn mit Usbekin-
nen gezeigt hätten.
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Eine weitere Auskunftsperson habe angegeben, sie habe beginnend ab circa
2006 bis zum Dienstzeitende des Antragstellers für diesen Passagen und ein-
zelne Wörter von SMS aus dem Russischen übersetzt. Diese SMS auf dem
privaten Mobiltelefon hätten klar erkennen lassen, dass sie von einer weiblichen
Person verfasst worden seien.
Darüber hinaus hätten Auskunftspersonen angegeben, der Antragsteller habe
eigenmächtig Konferenzbescheinigungen verlängert. Bei der Übergabe der
Dienstgeschäfte hätten Sicherheitsakten gefehlt. Sie seien nach einigen Tagen
vom Antragsteller vorgelegt worden. Ferner habe der Antragsteller ein privates
Bildbearbeitungsprogramm auf einem dienstlichen Rechner installiert und eine
private externe Festplatte an seinen dienstlichen Rechner angeschlossen.
Der Antragsteller sei am 22. Januar 2008 vom Militärischen Abschirmdienst be-
fragt und dabei mehrfach auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen worden. Zu
seinem Auslandseinsatz beim Einsatzgeschwader … im Jahr 2005 habe der
Antragsteller erklärt, er habe für neue Kontingentangehörige die Sicherheitsbe-
lehrung durchgeführt und sich selbstverständlich auch an diese Befehle gehal-
ten. Bei dem Einsatz im Jahr 2006 habe es sich um einen klassischen Routine-
einsatz gehandelt. Im Rahmen dienstlicher Notwendigkeit habe er Kontakt zu
usbekischen Behörden, unter anderem zur Polizei, gehabt. Weitergehende
Kontakte oder Beziehungen seien auch diesmal nicht entstanden. Der Antrag-
steller habe erklärt, er habe keine Kontakte, Beziehungen oder gar sexuelle
Kontakte zu Usbekinnen gehabt. Er habe sich auch bei seiner Freizeitges-
taltung stets an die gültigen Befehle gehalten. Während seiner Einsätze habe er
keine Fotos gemacht. Er könne jedoch nicht ausschließen, dass es Fotos gebe,
die ihn mit usbekischen Frauen zeigen würden.
Mit Schreiben vom 26. August 2009 und 3. September 2009 bat der Antragstel-
ler um Verlängerung der Frist für eine Stellungnahme, zuletzt bis 10. September
2009. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 gab der Geheimschutzbeauftragte dem
Antragsteller letztmalig Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25. Mai 2010.
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Mit Bescheid vom 7. Juli 2010 stellte der Geheimschutzbeauftragte im Bun-
desministerium der Verteidigung ein Sicherheitsrisiko fest, weil tatsächliche An-
haltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrneh-
mung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und eine besondere Gefährdung
durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste be-
gründen würden (Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZDv 2/30). Nachdem der Antrag-
steller sich nicht geäußert habe, werde aufgrund der mitgeteilten sicherheitsre-
levanten Erkenntnisse entschieden. Bei Usbekistan handele es sich um einen
Staat, in dem nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern besondere
Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Per-
sonen zu besorgen seien (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG). Der Beachtung der
Geschwaderbefehle komme daher besondere Bedeutung zu. Die vorliegenden
Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass der Antragsteller gegen diese Befeh-
le verstoßen habe. Hinzu komme, dass der Antragsteller auch im Sicherheits-
überprüfungsverfahren seiner Pflicht, Beziehungen zu usbekischen Staatsan-
gehörigen zu berichten, nicht nachgekommen sei und er im Rahmen der Si-
cherheitserklärung unwahre bzw. unvollständige Angaben gemacht habe. Be-
sondere Bedeutung habe, dass der Antragsteller lange Zeit die Funktion des
Sicherheitsfeldwebels ausgeübt habe. Zur Methodik fremder Nachrichtendiens-
te gehöre, Personen, die fortgesetzt gegen Befehle verstoßen, nachrichten-
dienstlich anzusprechen. Auch aus dem Umstand, dass der Ehefrau des An-
tragstellers sein Verhalten nicht bekannt sei, ergebe sich die Möglichkeit der
Ansprechbarkeit. Damit unterliege der Antragsteller der gesteigerten Gefahr, in
den Fokus eines fremden Nachrichtendienstes geraten zu sein. Aufgrund sei-
nes Verhaltens sei für die Zukunft nicht auszuschließen, dass der Antragsteller
im Rahmen einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit wahrheitswidrige Angaben
mache. Mit den wahrheitswidrigen Angaben habe er im Kernbereich der Zuver-
lässigkeit versagt. Ausgehend vom Sinn und Zweck des Gesetzes, dass nur
derjenige sicherheitsempfindlich eingesetzt werden dürfe, bei dem keinerlei
Zweifel an der Ehrlichkeit sowie Vertrauenswürdigkeit und damit an der Zuver-
lässigkeit bestünden, habe er abzuwägen und aufgrund der vorliegenden Zwei-
fel ein Sicherheitsrisiko gemäß Nr. 2414 Abs. 1 und 2 ZDv 2/30 festzustellen.
Auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Auflagen und Einschränkun-
gen oder personenbezogenen Sicherheitshinweisen (Nr. 2709 ZDv 2/30) könne
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hiervon nicht abgesehen werden. Dies gelte ebenso für den Einsatz in einer
sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach Ü 1. Die Entscheidung des Geheim-
schutzbeauftragten wurde dem Antragsteller am 15. Juli 2010 eröffnet. Zugleich
wurde der Bescheid gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Telefax vom 29. Juli 2010, das an das Bundesministerium der Verteidigung
- PSZ I 7 - zur Weiterleitung an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet war,
teilte der Antragsteller unter dem Betreff „Sicherheitsüberprüfung, hier: Antrag
auf Unterlassen einer dienstlichen Maßnahme“ mit, dass die Eröffnung des Er-
gebnisses durch den Sicherheitsfeldwebel der Dienststelle vorgenommen wor-
den sei. Dadurch sei seines Erachtens nicht gemäß dem Sicherheitsüberprü-
fungsgesetz verfahren worden und sein Antrag gerechtfertigt. Außerdem habe
er die Möglichkeit genutzt, dem Geheimschutzbeauftragten eine ausführliche
Stellungnahme vorzulegen.
In der an den Geheimschutzbeauftragten gerichteten Stellungnahme vom
29. Juli 2010 teilte der Antragsteller mit, er habe bereits im Dezember 2009 eine
schriftliche Stellungnahme übersandt. Aufgrund einer schweren Erkrankung
seiner Mutter sei es ihm in den letzten Wochen nicht möglich gewesen, eine
ausführliche Stellungnahme vorzulegen. In den vielen Jahren seiner Tätigkeit
als Sicherheitsbearbeiter und Sicherheitsmeister habe es keine Beanstandun-
gen gegeben. Seine herausragenden Leistungen und seine absolute Zuverläs-
sigkeit seien dokumentiert. Er wolle klarstellen, dass er in den beiden Einsätzen
in … weder Kontakte, Beziehungen oder gar sexuelle Kontakte zu Usbekinnen
gehabt habe. Natürlich sei er im Rahmen dienstlicher Notwendigkeit bei um-
fangreichen offiziellen gegenseitigen Einladungen wie Verabschiedungen oder
Einladungen zu Hochzeiten oder bei Geschwaderfesten, bei Ausflügen und Be-
sichtigungen in Gesprächssituationen gekommen. Über seine Erfahrungen bei
seinen Auslandseinsätzen habe er dienstlich Vorträge gehalten, auch im Unter-
richt an zwei Schulen. Er habe dafür auf Bilder aus dem Internet, von Kamera-
den und des Pressefotografen zurückgegriffen. Diese Bilder hätten auch Frauen
aus der Liegenschaft und somit unweigerlich auch Bilder mit ihm gezeigt. Es
treffe zu, dass ihm ein Kamerad gelegentlich geholfen habe, SMS zu überset-
zen. Er habe an der Volkshochschule im Jahr 2006 und 2007 an zwei Sprach-
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kursen in Russisch für Anfänger teilgenommen. Leider habe er an mehreren
Ausbildungsabenden nicht teilnehmen können. Außerdem sei er wohl nicht ge-
nug sprachgewandt gewesen und habe somit um Unterstützung gebeten. Ge-
genseitiges SMS-Versenden der fast ausschließlich weiblichen Teilnehmer sei
somit an der Tagesordnung gewesen. Gegen die bestehende Befehlslage habe
er nicht verstoßen. Alle seine Angaben seien wahrheitsgemäß und vollständig.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat den Antrag mit seiner Stel-
lungnahme vom 10. Mai 2011 dem Senat vorgelegt. Er beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und führt weiter aus: Der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der
Verteidigung habe die Sicherheitsüberprüfungen, bei denen sich sicherheitser-
hebliche Erkenntnisse während der Verwendung beim Einsatzgeschwader …
ergeben hätten, wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Wahrung eines ein-
heitlichen Entscheidungsmaßstabes im Rahmen seiner Fachaufsicht an sich
gezogen. Er sei rechts- und ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen,
dass das Verhalten des Antragstellers sicherheitserhebliche Zweifel an seiner
Zuverlässigkeit offenbart habe, die es erforderlich machten, ein Sicherheitsrisi-
ko festzustellen. Neben einem Sicherheitsrisiko gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SÜG
i.V.m. der Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 sei auch ein Sicherheitsrisiko gemäß
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1 Nr. 2 ZDv 2/30 festzustel-
len.
Anknüpfend an die Stellungnahme des Antragstellers vom 29. Juli 2010 habe
der Militärische Abschirmdienst eine Auskunftsperson erneut befragt. Die Aus-
kunftsperson habe bestätigt, dass der Antragsteller gegen die Ausgangsrege-
lung verstoßen habe, indem er nach einem abendlichen Ausgang erst am Fol-
getag zurückgekehrt sei. Der Antragsteller habe den Umgang mit usbekischen
Frauen gesucht und genossen. Hinsichtlich aktiver sexueller Kontakte könne
sie, die Auskunftsperson, keine eindeutigen Aussagen treffen. Fakt sei aber,
dass sich der Antragsteller in der Privatwohnung einer usbekischen Frau für
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mehrere Stunden mit einer Frau in einen separaten Raum zurückgezogen ha-
be.
Nach erneuter Bewertung durch den Militärischen Abschirmdienst halte der Ge-
heimschutzbeauftragte an der Feststellung eines Sicherheitsrisikos fest. Aus
den Aussagen der Auskunftspersonen ergebe sich, dass der Antragsteller ins-
besondere während seines Einsatzes im Jahre 2005 sexuelle Kontakte zu einer
usbekischen Staatsangehörigen gehabt habe. Auch wenn der Antragsteller dies
bestreite, seien die Aussagen glaubhaft. Die Auskunftsperson habe den in Re-
de stehenden Abend mit dem Antragsteller detailliert geschildert und sich damit
letztlich auch selbst belastet. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu
Unrecht belastet werde, seien nicht ersichtlich. Damit habe der Antragsteller im
Kernbereich soldatischer Pflichten versagt und gegen den seinerzeit gültigen
Geschwaderbefehl sowie gegen die Ausgangsregelung verstoßen. Entspre-
chend habe er auch gegen seine Pflicht zur Meldung einer Beziehung zu einer
Staatsangehörigen aus einem Staat nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG ver-
stoßen. Die Verstöße seien umso schwerwiegender, als der Antragsteller als
Sicherheitsfeldwebel eingesetzt gewesen sei. Von einem Geheimnisträger wer-
de die Einhaltung von Regeln und Vorschriften zwingend erwartet. Zudem habe
der Antragsteller im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens 2008 und
2010 unwahre oder unvollständige Angaben gemacht, indem er über die dienst-
liche Notwendigkeit hinausgehende Kontakte zu Usbekinnen verneint habe. Ein
Soldat, der hier wahrheitswidrige Angaben mache, könne nicht erwarten, dass
der Dienstherr ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringe. Wahrheits-
widrige Angaben begründeten daher die Feststellung eines Sicherheitsrisikos.
Der Umstand, dass der Antragsteller nach Bekanntwerden der sicherheitser-
heblichen Umstände noch an Auslandseinsätzen teilgenommen habe, gut be-
urteilt und ausgezeichnet wurde, rechtfertige keine positive Prognose. Im Übri-
gen würden die dem Antragsteller vorgeworfene eigenmächtige Verlängerung
von Konferenzbescheinigungen, der Umgang mit Sicherheitsakten und das In-
stallieren eines privaten Bildbearbeitungsprogramms auf einem dienstlichen
Rechner nicht weiter zur Begründung des Sicherheitsrisikos herangezogen.
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Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Ver-
fahrensakte des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 … - und die
übersandten Personalunterlagen haben dem Senat bei der Beratung vorgele-
gen.
II
Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt. Bei sach- und inter-
essengerechter Auslegung seines Vorbringens beantragt er sinngemäß, den
Bescheid des Geheimschutzbeauftragen im Bundesministerium der Verteidi-
gung vom 7. Juli 2010 über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufzuhe-
ben. Der so verstandene Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Er-
folg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann nach
ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des ent-
sprechenden Bescheids angefochten werden (vgl. Beschlüsse vom 8. Novem-
ber 1994 - BVerwG 1 WB 64.94 - BVerwGE 103, 182 <183>, vom 24. Mai 2000
- BVerwG 1 WB 25.00 -
in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9>, vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB
22.08 - Rn. 18 m.w.N., vom 21. Juli 2010 - BVerwG 1 WB 68.09 - Rn. 17
soweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23> und vom 21. Ok-
tober 2010 - BVerwG 1 WB 16.10 - Rn. 25). Das gilt auch für die Feststellung
eines Sicherheitsrisikos gegenüber einem aus dem aktiven Dienst ausgeschie-
denen Soldaten, der auf einen Dienstposten der Personalreserve beordert wur-
de und entsprechend zur Heranziehung zu Dienstleistungen eingeplant ist.
Auch für den hiergegen gerichteten Antrag ist gemäß § 17 Abs. 1 WBO der
Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten - hier nach § 21 Abs. 1 WBO zum
Bundesverwaltungsgericht - eröffnet.
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Abweichend von der generellen Rechtswegzuweisung an die allgemeinen Ver-
waltungsgerichte in § 82 Abs. 1 SG haben die Wehrdienstgerichte nach Maß-
gabe des § 17 Abs. 1 WBO über Streitigkeiten zu entscheiden, die auf dem
Verhältnis der besonderen militärischen Über- und Unterordnung beruhen, d.h.
in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. April
2005 - BVerwG 1 WB 61.04 -
212> und vom 21. Juli 2010 - BVerwG 1 WB 56.09 - Buchholz 449 § 82 SG
Nr. 6 Rn. 19 m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstli-
che Angelegenheit handelt, ist auf die wahre Natur des streitigen Rechtsver-
hältnisses, des geltend gemachten Rechts und auf die daraus abzuleitende
Rechtsfolge abzustellen (Beschlüsse vom 27. März 1981 - BVerwG 1 WB
92.80 - NZWehrr 1981, 229, vom 7. Juli 1981 - BVerwG 1 WB 25.81 - BVerwGE
73, 208 <209>, vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 -, vom 6. April 2005
- BVerwG 1 WB 61.04 -, vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 46.07 - Buchholz
449 § 82 SG Nr. 3 = NZWehrr 2009, 31 und vom 9. August 2005 - BVerwG 2 B
15.05 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 58 Rn. 4 f. m.w.N.). Truppendienstlicher
Natur sind insbesondere Verwendungsentscheidungen, durch die der militäri-
sche Dienstbetrieb gestaltet wird. Dazu zählt die Festlegung des zuständigen
militärischen Vorgesetzten oder der zuständigen Dienststelle der Bundeswehr,
wann, wo und wie - d.h. zu welchen Zeiten, an welchem Ort, mit welchem Inhalt
und unter welchen fachlichen und/oder persönlichen Voraussetzungen - der
Soldat seinen Dienst zu verrichten hat (Beschluss vom 27. Januar 2010
- BVerwG 1 WB 38.09 - Rn. 20 m.w.N.). Nichts anderes gilt für Entscheidungen,
die Voraussetzung für eine bestimmte Verwendung sind und damit in einem
untrennbaren Zusammenhang mit der Verwendung stehen (für die Entziehung
der Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen z.B.: Beschluss vom 18. Oktober
2007 - BVerwG 1 WB 46.06 - BVerwGE 129, 355). Um eine solche Entschei-
dung geht es auch hier, denn eine ohne die Feststellung eines Sicherheitsrisi-
kos abgeschlossene Sicherheitsüberprüfung ist Voraussetzung für die Verwen-
dung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit in der Bundeswehr. Vor diesem
Hintergrund ist es für den Rechtsweg ausnahmsweise unerheblich, dass der
Antragsteller aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und damit ein Wehrdienst-
verhältnis erst wieder mit der Heranziehung zu einer Dienstleistung im Zeitpunkt
des hierfür vorgesehenen Dienstantritts besteht (§ 2 Abs. 1 und 2 SG). Die Si-
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cherheitsüberprüfung bezieht sich auf seine konkrete weitere Verwendung im
Rahmen von Dienstleistungen nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengeset-
zes (§ 59 ff. SG), womit sich der Antragsteller einverstanden erklärt hat und wo-
zu er mit Wirkung vom 1. August 2007 auf einen nicht strukturgebundenen
Dienstposten der Personalreserve beordert wurde. Angesichts dieses Zusam-
menhangs ist die hier streitgegenständliche Sicherheitsüberprüfung eines aus
dem aktiven Dienst ausgeschiedenen, zur Personalreserve beorderten Sol-
daten eine truppendienstliche Angelegenheit, für die der Rechtsweg zu den
Wehrdienstgerichten, hier zum Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenat -
gegeben ist.
Der Antragsteller hat mit seinem Telefax vom 29. Juli 2010 auch innerhalb der
Rechtsmittelfrist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO) die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Zwar hat er im Betreff
dieses Schreibens lediglich einen „Antrag auf Unterlassung einer dienstlichen
Maßnahme“ formuliert und nicht ausdrücklich die Entscheidung des Gerichts
beantragt. Im Zusammenhang mit der ausdrücklich in Bezug genommenen
(veralteten) Rechtsbehelfsbelehrung und der Adressierung „zur Weiterleitung
an das Bundesverwaltungsgericht“ kann das Schreiben aber nach seinem ob-
jektiven Erklärungsinhalt nur als Antrag auf Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts verstanden werden, was der Antragsteller im Übrigen nachfol-
gend auch bestätigt hat.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Geheimschutzbeauf-
tragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 7. Juli 2010 ist rechtmäßig
und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle des angefochtenen Bescheids ist die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Verfahrens durch den Bun-
desminister der Verteidigung an den Senat (stRspr, Beschlüsse vom 11. März
2008 - BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 <297>, vom 21. Juli 2010
a.a.O. und vom 21. Juli 2011 - BVerwG 1 WB 12.11 - Rn. 21
Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>, DokBer 2012, 7-12).
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a) Der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung hat in
formell nicht zu beanstandender Weise eine Sicherheitsüberprüfung durchge-
führt und das Bestehen eines Sicherheitsrisikos festgestellt.
Nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz ist eine Person, die mit einer sicher-
heitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll, einer Sicherheitsüberprüfung
zu unterziehen (§ 2 Abs. 1 SÜG). Werden nach einer abgeschlossenen Sicher-
heitsüberprüfung sicherheitserhebliche Erkenntnisse bekannt, so ist erneut in
eine Sicherheitsüberprüfung einzutreten (§ 16 SÜG). Dabei prüft und bewertet
zunächst die mitwirkende Behörde - im Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung der Militärische Abschirmdienst - die sicherheitserhebli-
chen Erkenntnisse (§ 16 Abs. 2 SÜG). Im Anschluss hieran trifft die zuständige
Stelle nach Anhörung des Betroffenen abschließend die Entscheidung, ob ein
Sicherheitsrisiko vorliegt (§ 16 Abs. 2, 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG).
Zuständig für die Sicherheitsüberprüfung ist die Behörde oder sonstige Stelle,
die einer Person eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen möchte (§ 3
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG). Bei nachgeordneten Stellen kann die oberste Bun-
desbehörde Aufgaben der zuständigen Stelle übernehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 2
SÜG). Die zuständige Stelle bestimmt sich im Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung nach den gemäß § 35 Abs. 3 SÜG in der ZDv 2/30
Teil C erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Der Geheimschutzbe-
auftragte im Bundesministerium der Verteidigung ist danach grundsätzlich nur
im Falle einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit im Bundesministerium der Ver-
teidigung und für alle Fälle einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicher-
heitsermittlungen (Ü 3) zuständig (Nr. 2416 ZDv 2/30). In den übrigen Fällen ist
der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesamt für Wehrverwaltung bezie-
hungsweise der Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt zuständig. Dem
Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung ist jedoch
eingeräumt, Ausnahmeregelungen zu treffen (Nr. 2421 ZDv 2/30). Die Geheim-
schutzbeauftragten beim Bundesamt für Wehrverwaltung beziehungsweise
beim Streitkräfteamt sind ihm fachlich nachgeordnet (Nr. 2422 ZDv 2/30). Der
Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung war in die-
sem Rahmen befugt, das Verfahren an sich zu ziehen und in die Zuständigkeit
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einzutreten. Die von ihm hierzu einzelfallbezogen gegebene Begründung recht-
fertigt das Abweichen von der in der ZDv 2/30 vorgesehenen allgemeinen Zu-
ständigkeitsverteilung und der mit ihr verbundenen Verwaltungspraxis (vgl. Be-
schluss vom 14. Dezember 2010 - BVerwG 1 WB 13.10 - Rn. 17 f.).
Soweit der Antragsteller beanstandet, das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung
sei ihm vorschriftswidrig durch den Sicherheitsfeldwebel seiner Dienststelle er-
öffnet worden, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Be-
scheides. Zwar trifft es zu, dass nach Nr. 2712 ZDv 2/30 der Betroffene durch
die zu unterrichten ist, die zugleich die Entschei-
dung in eine dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahme umzusetzen hat. Auch
wurde dem Antragsteller nach Aktenlage die Entscheidung des Geheimschutz-
beauftragten im Bundesministerium der Verteidigung durch den stellvertreten-
den Kommandeur und S-2 Offizier seines Regiments eröffnet, wobei die
Stammdienststelle der Bundeswehr das Regiment damit beauftragt hatte. Das
Sicherheitsüberprüfungsgesetz selbst bestimmt hierzu allerdings nur, dass die
zuständige Stelle dem Betroffenen seine Entscheidung mitzuteilen hat (§ 14
Abs. 4 SÜG). Dies ist neben der Eröffnung zugleich durch die Zustellung des
Bescheides gegen Empfangsbekenntnis geschehen. Im Übrigen ist die Frage
der vorschriftsgemäßen Bekanntgabe der Entscheidung für die Rechtmäßigkeit
der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten selbst ohne Bedeutung.
Darüber hinaus sind formelle Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des ange-
fochtenen Bescheides weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere
hatte der Antragsteller Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erhebli-
chen Tatsachen zu äußern (§ 6 Abs. 1 SÜG).
b) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SÜG
ist auch materiell nicht zu beanstanden. Die Überprüfung von Angehörigen der
Bundeswehr und ihrer Personalreserve auf Sicherheitsbedenken ist eine vor-
beugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen
soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 a.a.O. <293> m.w.N.). Dabei
obliegt der zuständigen Stelle, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicher-
heitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermit-
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telten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (vgl.
§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG). Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei dieser Be-
wertung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbe-
auftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwen-
denden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen
kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde
Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat
(stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 15. Februar 1989 - BVerwG 6 A 2.87 - BVerwGE
81, 258 <264> = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2 und vom 15. Juli 2004 -
BVerwG 3 C 33.03 - BVerwGE 121, 257 <262> = Buchholz 442.40 § 29d
LuftVG Nr. 1; Beschlüsse vom 11. März 2008 a.a.O. <294>, vom 1. Oktober
2009 - BVerwG 2 VR 6.09 - juris Rn. 15, vom 21. Oktober 2010 a.a.O.
und - ausführlich - vom 21. Juli 2011 a.a.O. m.w.N.).
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des
hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits
dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des
Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit oder
eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche frem-
der Nachrichtendienste begründen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SÜG). Dabei hat im
Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3
Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Pro-
gnose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt,
darf sich nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis
stützen. Dabei gibt es keine „Beweislast“, weder für den Soldaten dahingehend,
dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr gewahrt hat und künftig wah-
ren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen
nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr,
vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8
§ 5 SÜG Nr. 11 S. 17, vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 - Rn. 22 und
vom 22. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 53.08 - Rn. 24; vgl. auch BVerfG, Beschluss
vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
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Danach hat der Geheimschutzbeauftragte fehlerfrei ein Sicherheitsrisiko festge-
stellt.
aa) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte
auf der Grundlage der vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse im Rahmen
seines Beurteilungsspielraums davon ausgegangen ist, dass der Antragsteller
im Zusammenhang mit seinen Auslandsverwendungen in …/Usbekistan sexuel-
le Kontakte mit einer Usbekin gehabt hat, gegen Geschwaderbefehle verstoßen
und - hieraus abgeleitet - gegen seine Berichtspflicht verstoßen und unwahre
beziehungsweise unvollständige Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren
gemacht hat.
Im Mittelpunkt der tatsächlichen Erkenntnisse steht die Aussage einer Aus-
kunftsperson, die ihren Angaben zufolge gemeinsam mit dem Antragsteller
während des Auslandseinsatzes in …/Usbekistan im Jahr 2005 einen Abend
verbracht haben will. Die Schilderung enthält lebensnahe Details und ist in sich
widerspruchsfrei. Auf erneute Befragung durch den Militärischen Abschirm-
dienst soll die Auskunftsperson zwar erklärt haben, sie könne hinsichtlich se-
xueller Kontakte keine eindeutigen Aussagen machen. Sie hat nach dem Be-
richt des Militärischen Abschirmdienstes aber zugleich bekräftigt, dass der An-
tragsteller sich in der damaligen Nacht in einer Privatwohnung für mehrere
Stunden mit einer Usbekin zurückgezogen habe, und erneut erklärt, dass der
Antragsteller den Umgang mit usbekischen Frauen gesucht habe. Die Aussage
ist damit in ihrem Kern konsistent. Sie lässt auch keinen Anhaltspunkt dafür er-
kennen, dass es sich um - wie der Antragsteller in anderem Zusammenhang
vermutet - eine „Retourkutsche“ eines verärgerten Kameraden handeln könnte,
zumal sich die Auskunftsperson - wie in der Stellungnahme des Bundesminis-
ters der Verteidigung zutreffend ausgeführt ist - damit zugleich selbst belastet.
Hinzu kommt, dass die die Feststellung des Sicherheitsrisikos im Kern tragen-
den tatsächlichen Anhaltspunkte durch Auskünfte weiterer Personen ergänzt
werden und sich damit ein insgesamt schlüssiges Bild ergibt, das weit von ei-
nem nur vagen Verdacht entfernt ist. Dies gilt zunächst für die Aussage einer
Person, der Antragsteller habe nach seinen eigenen Aussagen eine Beziehung
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zu einer Usbekin gepflegt, regelmäßig SMS in russischer Sprache erhalten, und
zehn bis 15 Bilder, die den Antragsteller mit Usbekinnen gezeigt hätten, seien
auf seinem dienstlichen Rechner zu sehen gewesen. Soweit der Antragsteller
zu den Bildern erklärt, er habe für seine Vorträge auf Bilder Dritter zurückgegrif-
fen, die auch Frauen aus der Liegenschaft und „somit unweigerlich auch Bilder
mit ihm gezeigt“ hätten, entkräftet dies die Aussage der Auskunftsperson nicht.
Die Aussage, der Antragsteller habe regelmäßig SMS in russischer Sprache
erhalten, findet ihre Bestätigung in der Auskunft einer weiteren Auskunftsper-
son, wonach der Antragsteller über längere Zeit per SMS in russischer Sprache
Kontakt zu einer weiblichen Person gehabt habe. Der Antragsteller bestätigt
insoweit, gelegentlich SMS in russischer Sprache erhalten zu haben. Seine Er-
klärung, es handele sich um SMS, die er aus dem Kreis der fast ausschließlich
weiblichen Teilnehmerinnen eines Volkshochschulkurses erhalten habe, ist
zwar nicht denklogisch ausgeschlossen. Eine überzeugende Erklärung, die An-
lass dazu geben müsste, den Aussagen der Auskunftspersonen eine andere
Deutung zu geben, ist damit aber nicht gegeben. So ist schon nicht klar, wes-
halb Teilnehmerinnen des Anfängersprachkurses auf diesem Wege in russi-
scher Sprache mit dem Antragsteller Kontakt gehalten haben sollten, zumal der
Antragsteller an mehreren Kursabenden nicht teilgenommen haben und selbst
für SMS aus diesem Kreis Übersetzungshilfe benötigt haben will.
Vor diesem Hintergrund hat der Geheimschutzbeauftragte in rechtlich nicht zu
beanstandender Würdigung der ihm vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse
folgerichtig geschlossen, dass der Antragsteller gegen Geschwaderbefehle ver-
stoßen hat. Mit Geschwaderbefehl Nr. 06/05 vom 19. Februar 2005 hatte der
Kommodore für den Ausgang ins Stadtgebiet angeordnet, dass die eigene Un-
terkunft bis spätestens 23.30 Uhr zu erreichen sei (Nr. 3.f. des Befehls). Unter
Nr. 3.h. des Befehls wird sexueller Kontakt mit der Zivilbevölkerung untersagt.
Zugleich ergibt sich daraus ein Verstoß gegen die Pflicht, Beziehungen in Staa-
ten wie Usbekistan, in denen nach Feststellung des Bundesministeriums des
Innern besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätig-
keit befassten Personen zu besorgen sind, anzugeben (§ 13 Abs. 1 Nr. 17
SÜG), womit der Antragsteller unwahre beziehungsweise unvollständige Anga-
ben gemacht hat.
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bb) Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutz-
beauftragte den Fall dahin gewürdigt hat, dass hinreichende tatsächliche An-
haltspunkte sowohl Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der
Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SÜG,
Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30) als auch eine besondere Gefährdung durch An-
bahnungs- und Werbeversuche fremder Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Nr. 2
SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 2 ZDv 2/30) mit Blick auf eine weitere Verwendung
als Sicherheitsfeldwebel begründen. Mit dieser Einschätzung hat der Geheim-
schutzbeauftragte weder den anzuwendenden Begriff noch den gesetzlichen
Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt; er hat insoweit auch nicht
allgemeingültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen an-
gestellt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhalts-
punkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30
Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer si-
cherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen,
unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene ein Dienstvergehen be-
gangen hat, auch wenn dieses keinen speziellen Bezug zu Geheimhaltungsbe-
stimmungen hat (vgl. Beschlüsse vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB
19.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 19 vom 24. Januar 2006 - BVerwG 1 WB
17.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 20 = NZWehrr 2006, 153 und vom 14. De-
zember 2010 a.a.O. Rn. 29). In Übereinstimmung hiermit nennt Hinweis Nr. 9
zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 (Anlage C 18) als Beispiel für Zuverlässig-
keitszweifel begründende Anhaltspunkte Verstöße des Betroffenen gegen
Dienstpflichten. Dabei kommt unter anderem der Gehorsamspflicht (§ 11 SG)
ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. Be-
schluss vom 22. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 53.08 - Rn. 30 m.w.N.). Nicht nur,
aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Ge-
genständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die
strikte Einhaltung bestehender Befehle verlassen können. Nichts anderes gilt
für die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie
für die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten. Es begegnet deshalb kei-
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nen rechtlichen Bedenken, dass der Geheimschutzbeauftragte die Zweifel an
der Zuverlässigkeit des Antragstellers mit dem beschriebenen Verstoß gegen
die Befehlslage, insbesondere gegen das Verbot sexueller Kontakte mit Ein-
heimischen und gegen die Ausgangsregelung, und mit der unterlassenen Mel-
dung neuer Beziehungen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken (§ 13
Abs. 1 Nr. 17 SÜG) beziehungsweise wahrheitswidrigen Angaben begründet
hat.
Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte eine be-
sondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder
Nachrichtendienste für gegeben erachtet (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG,
Nr. 2414 Satz 1 Nr. 2 ZDv 2/30). Er hat diese Gefährdung daraus hergeleitet,
dass es zur Methodik fremder Nachrichtendienste gehöre, Personen nachrich-
tendienstlich anzusprechen, die fortgesetzt gegen Befehle und Weisungen ver-
stoßen (vgl. ZDv 2/30 Anlage C 18/4 Nr. 10), und hat dabei auch darauf verwie-
sen, dass der Ehefrau das Verhalten des Antragstellers nicht bekannt sei. Vor
dem Hintergrund der gegebenen tatsächlichen Anhaltspunkte und der Einlas-
sung des Antragstellers ist diese Bewertung rechtlich nicht zu beanstanden.
cc) Nicht zu beanstanden ist ferner die vom Geheimschutzbeauftragen getrof-
fene Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers
und seiner Verhältnisse (zu den Voraussetzungen der Prognose im Einzelnen:
Beschlüsse vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -, vom 27. September
2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 und vom
11. März 2008 a.a.O. <296 ff.>). Der Geheimschutzbeauftragte hat dargelegt,
der Antragsteller habe - zumal vor dem Hintergrund seiner langjährigen Funk-
tion als Sicherheitsfeldwebel - durch wahrheitswidrige Angaben im Kernbereich
der Zuverlässigkeit versagt. Nach seinem Verhalten seien auch künftig wahr-
heitswidrige Angaben nicht auszuschließen. Vor dem Hintergrund der tatsächli-
chen Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass der Antragsteller hinsichtlich sei-
nes Verhaltens im Zusammenhang mit seinen Auslandseinsätzen in Termez
unverändert unwahre Angaben macht, ist diese Prognose auch im Licht der
zeitlich nachfolgenden weiteren Auslandseinsätze und der Beurteilungen recht-
lich nicht zu beanstanden.
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dd) Keine rechtlichen Bedenken bestehen im Übrigen dagegen, dass der Ge-
heimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch auf die
Verwendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der
einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) erstreckt hat. Für die Beurteilung der
Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Risikoeinschätzung ergeben sich im
vorliegenden Fall insoweit keine von der erweiterten Sicherheitsüberprüfung
abweichenden Gesichtspunkte.
Golze Dr. Frentz Rothfuß
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