Urteil des BVerwG vom 25.06.2008

Persönliche Anhörung, Leiter, Begriff, Rechtsberater

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 23.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Schäfer und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Kanert
am 25. Juni 2008 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Art und Weise der Bearbeitung seiner
Beschwerden durch den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und Inspekteur der Streitkräftebasis.
Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels. In der
Zeit vom 1. November 2001 bis 30. April 2005 war er Angehöriger des Militärat-
tachéstabes an der Deutschen Botschaft in B. (T.). Seit Dezember 2002 war er
außerdem als Soldatenvertreter Mitglied des Personalrats der Deutschen Bot-
schaft. Derzeit wird der Antragsteller beim Zentrum für Nachwuchsgewinnung ...
in I. verwendet.
Den Hintergrund der von dem Antragsteller erhobenen Beschwerden bilden sich
über längere Zeit hinweg entwickelnde Spannungen an der Deutschen
Botschaft in B. In diesem Zusammenhang wurden im Jahre 2002 disziplinare
Ermittlungen gegen den damaligen stellvertretenden Verteidigungsattaché
Oberstleutnant H. und anschließend auch gegen den damaligen Verteidigungs-
attaché Oberst i.G. T. geführt. Der Antragsteller war aufgrund des engen Zu-
sammenlebens in dem kleinen - aus dem Verteidigungsattaché, dessen Vertre-
ter und einem Feldwebeldienstgrad (dem Antragsteller) bestehenden - Militärat-
tachéstab weit entfernt von Deutschland bereits kurz nach seinem Dienstantritt
in dieses Geschehen und die sich zwangsläufig bildenden Parteiungen einbe-
zogen. Er wurde auch in beiden Disziplinarverfahren als Zeuge angehört. We-
gen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte wird auf die (teilweise divergieren-
den) Darstellungen in dem Vorlageschreiben des Inspekteurs der Streitkräfte-
basis vom 15. Juni 2007 und in dem Schriftsatz des Bevollmächtigten des An-
tragstellers vom 31. Juli 2007 verwiesen.
In der weiteren Folge dieser Geschehnisse entwickelten sich ab Mitte 2004 die
hier streitgegenständlichen Spannungen zwischen dem Antragsteller und dem
Nachfolger von Oberst i.G. T. als Verteidigungsattaché, Oberst i.G. I. Eine de-
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taillierte Aufstellung einzelner Vorfälle im Zeitraum vom 16. Oktober 2004 bis
10. März 2005 hat der Antragsteller - aus seiner Sicht - in einer „Chronologi-
schen Abfolge der Ereignisse“ vom 10. März 2005 niedergelegt.
Im Zeitraum von Dezember 2004 bis Februar 2005 wandte sich der Antragstel-
ler mit insgesamt fünf Beschwerden gegen seinen damaligen Disziplinarvorge-
setzten, Oberst i.G. I., an den Amtschef des Streitkräfteamts. Mit einer Be-
schwerde vom 7. Dezember 2004 machte der Antragsteller geltend, dass er
sich wegen der Ausübung seines Amts als Vertrauensperson Repressalien und
massiven „Mobbingattacken“ ausgesetzt sehe, und begründete dies mit einer
Schilderung zahlreicher Ereignisse. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 er-
hob der Antragsteller erneut Beschwerde wegen weiterer Repressalien und
„Mobbingattacken“ durch seinen Disziplinarvorgesetzten; insbesondere wandte
er sich gegen zwölf schriftliche Abmahnungen, die Oberst i.G. I. ihm erteilt hat-
te. Mit Schreiben vom 18. Januar 2005 erhob der Antragsteller eine dritte Be-
schwerde, in deren Begründung er weitere „Mobbingattacken“ und böswillige
Diensterschwernisse durch seinen Disziplinarvorgesetzten im Zeitraum vom
4. Januar bis 11. Januar 2005 anführte. Mit einer vierten Beschwerde vom
14. Februar 2005 machte der Antragsteller ein böswilliges Erschweren des
Dienstes, die Schädigung seiner persönlichen Ehre durch Disziplinierung vor
Unbeteiligten, den Versuch der Einschränkung von Rechten und die Vernach-
lässigung der Fürsorgepflichten eines Vorgesetzten durch Oberst i.G. I. geltend;
die einzelnen Vorwürfe unterlegte der Antragsteller jeweils mit Beispielen. Mit
Schreiben vom 28. Februar 2005 beschwerte sich der Antragsteller schließlich
nochmals über Oberst i.G. I. wegen unwahrer Äußerungen gegenüber seiner,
des Antragstellers, Ehefrau und des Versuchs der Einschüchterung seiner
Person, wegen der Förderung einer rechtswidrigen Strafverfolgung durch Wei-
tergabe von Unwahrheiten an Dritte, wegen des Herbeiführens von Vorgängen
mit Beurteilungscharakter ohne vorherige Anhörung, obwohl diese Vorgänge
ungünstige Behauptungen enthielten, sowie wegen des böswilligen Erschwe-
rens des Dienstes und wegen übler Nachrede. Für alle Einzelheiten der fünf
Beschwerden (mit Anlagen) wird auf die Beschwerdeakte des Streitkräfteamts
- Az.: 037/04 -, die mehr als 600 Blatt in zwei Aktenordnern umfasst, verwiesen.
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Der Rechtsberater beim Streitkräfteamt gab dem Betroffenen jeweils Gelegen-
heit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen des Antragstellers. Oberst i.G. I.
äußerte sich hierzu im Zeitraum von Februar bis April 2005 mit mehreren aus-
führlichen Schreiben.
Mit Schreiben vom 21. April 2005 an den Inspekteur der Streitkräftebasis erhob
der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde, weil er auf seine fünf Beschwerden
bis dahin keinen Bescheid erhalten habe. Unter dem 11. November 2005 legte
das Streitkräfteamt daraufhin den Vorgang zusammen mit einer vorläufigen Be-
wertung des Beschwerdevorbringens dem Inspekteur der Streitkräftebasis vor.
Am 11. Januar 2006 fand eine persönliche Anhörung des Antragstellers ge-
meinsam mit seinem Bevollmächtigten beim Rechtsberater des Führungsstabes
der Streitkräfte ... statt. In der Folgezeit wurde der Abschluss eines Straf-
verfahrens abgewartet, von dessen Ergebnissen zugleich Erkenntnisse für die
Beurteilung der Beschwerden des Antragstellers erhofft wurden.
Mit Bescheid vom 29. März 2007 verband der Inspekteur der Streitkräftebasis
die Beschwerden des Antragstellers zur gemeinsamen Entscheidung und wies
die Beschwerden zurück. Die Beschwerden seien jedenfalls nachträglich wegen
Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden. Nach der Verset-
zung des Antragstellers zum Zentrum für Nachwuchsgewinnung ... und der Auf-
hebung der Beurteilerzuständigkeit von Oberst i.G. I. bestünden keinerlei
dienstliche Berührungspunkte des Antragstellers mehr zu seinem früheren Dis-
ziplinarvorgesetzten. Auch wenn seine, des Antragstellers, persönliche tiefste
Betroffenheit durchaus detailreich und nachvollziehbar dargelegt sei, sei nicht
erkennbar, welche juristisch relevanten Folgen er heute noch für eine Verbes-
serung seiner Rechtsposition aus den begehrten Beschwerdeentscheidungen
ableiten könne.
Im dienstaufsichtlichen Teil des Beschwerdebescheids führte der Inspekteur der
Streitkräftebasis aus, dass er ebenso wie der Amtschef des Streitkräfteamts der
Sache im Wege der Dienstaufsicht nachgegangen sei und auch weiterhin ein
besonderes Augenmerk auf die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände
haben werde. Allerdings würden die vom Antragsteller als gezieltes
„Gesamtmobbing“ gewerteten Vorgänge von Oberst i.G. I. gegenteilig darge-
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stellt. Es könne sicherlich festgestellt werden, dass die internen Spannungen im
Militärattachéstab B. sich um die Jahreswende 2004/2005 auf ein unerträgli-
ches Maß gesteigert hätten. Ein solcher Vorgang entwickle dann ein Eigenle-
ben, in dem sich die Spannung hochschaukle. Als ursprünglicher Auslöser
komme abstrakt die ganze Bandbreite von Zufällen und von bestem Willen ge-
tragenen Missverständnissen einerseits bis hin zu menschenverachtendem ge-
zieltem vorsätzlichem Handeln andererseits in Betracht; die Erfahrung lehre,
dass in aller Regel ein irgendwie geartetes Gemisch von Ursachen vorliege. Ein
abschließendes Urteil habe er, der Inspekteur, sich bei der komplexen Sachlage
aus weiter örtlicher Ferne nicht bilden können. Für jeden ihm unterstellten
Soldaten - nicht nur für den Antragsteller, sondern auch zu Gunsten von Oberst
i.G. I. - gelte, dass bis zu dem in einem fairen Verfahren festgestellten Nach-
weis des Gegenteils nicht von schuldhaftem Fehlverhalten ausgegangen wer-
den könne. Bereits seit langem habe die realistische Befürchtung bestanden,
dass sich die Spannungen in B. und ihre Ursachen nie bis ins letzte Detail auf-
klären lassen würden. Die letzte im Raum stehende Möglichkeit, mit objektivier-
baren Beweismitteln zu einem eindeutig nachweisbaren Sachverhalt zu gelan-
gen, sei ein staatsanwaltlich angefordertes Schriftgutachten in dem genannten
Strafverfahren gewesen. Dieses habe jedoch nicht die erhoffte eindeutige Klä-
rung gebracht.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. April 2007 - nach Zustellung
des Beschwerdebescheids an den Antragsteller am 17. April 2007 wiederholt
mit Schriftsatz vom 24. April 2007 - beantragte der Antragsteller die Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Inspekteur der
Streitkräftebasis zusammen mit seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2007 dem
Senat vorgelegt.
Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Er mache geltend, dass die Unterlassung der Bearbeitung seiner Beschwerden
rechtswidrig sei. Das Bundesministerium der Verteidigung verweigere die Bear-
beitung seiner Beschwerden vom 7. Dezember 2004, 23. Dezember 2004,
18. Januar 2005, 14. Februar 2005 und 28. Februar 2005. Ignoriert würden wei-
tere Beschwerden in Form von Untätigkeitsbeschwerden. Die Einmaligkeit des
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Falles liege darin, dass trotz der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwer-
den das Rechtsschutzinteresse entfallen sein solle, ohne dass den Einzelbe-
schwerden nachgegangen worden sei, was mit der Entfernung aus der Bot-
schaft in B. begründet werde. Selbst die Untätigkeitsbeschwerden, die vor einer
verzögerlichen Sachbearbeitung durch den Vorgesetzten schützen sollten, hät-
ten in ihrem Rechtsschutz versagt. Durch die Art und Weise, wie die Be-
schwerdeangelegenheiten betrieben worden seien, sei massiv zu seinen, des
Antragstellers, Lasten gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen worden.
Sein Persönlichkeitsrecht sei mehrfach verletzt. Er müsse die ihm entgehende
Beförderung durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kom-
pensieren. Er sei auch dadurch beschwert, dass die gegen ihn handelnden
Vorgesetzten von den zur Rechtspflege Verpflichteten in unverständlicher und
vorschriftswidriger Weise, wie es dieses Verfahren beweise, unterstützt worden
seien. Die beanstandete Entscheidung über seine Beschwerden belaste ihn er-
heblich, weil seine Rechtsstellung beeinträchtigende Feststellungen getroffen
worden seien und über seine Beschwerden rechtsvernichtend ohne jegliche
Aufklärung entschieden worden sei. Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2007 hat der
Bevollmächtigte des Antragstellers außerdem eine Stellungnahme des An-
tragstellers übermittelt, mit dem sich dieser Punkt für Punkt mit dem Vorlage-
schreiben des Inspekteurs der Streitkräftebasis auseinandersetzt und als Zeu-
gen zu den streitgegenständlichen Vorfällen die folgenden Personen benennt:
Oberstleutnant i.G. K. (ehemaliger stellvertretender Verteidigungsattaché in B.),
Stabsfeldwebel Ku. (derzeitiger Büroleiter beim Verteidigungsattaché in B.),
Herr F. (Leiter selten gelehrter Sprachen am Bundessprachenamt ...), Ober-
stabsarzt Dr. B. und Oberstabsarzt Dr. W. (ehemalige, zur Tropenausbildung
nach B. kommandierte Ärzte), Herr N. (Oberst a.D. und Interimsattaché in der
Übergangszeit Oberst i.G. T. - Oberst i.G. I.), Frau Ö. (Fremdsprachenassisten-
tin des Verteidigungsattachés in B.), Frau Ka. (ehemalige stellvertretende Leite-
rin der Wirtschaftsabteilung der Botschaft in B.), Herr M. (ehemaliger stellvertre-
tender Botschafter und Leiter der Wirtschaftsabteilung der Botschaft in B.), Herr
St. (Kanzler der Botschaft in B.), Herr Kr. (ehemaliger Zahlstellenverwalter der
Botschaft in B.), Herr Ti. (ehemaliger Leiter der Visa-Abteilung der Botschaft in
B.), Herr H. (ehemaliger Kanzler der Botschaft in B.) und Herr Dr. (Firmenver-
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treter von R. in B.). Keine dieser Personen sei befragt oder um eine Aussage
gebeten worden.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei wegen Fehlens eines andauernden Rechtsschutzinteresses un-
zulässig. Soweit der Antragsteller nach dem Wegfall der dienstlichen Unterstel-
lung unter Oberst i.G. I. eine förmliche Beschwerde nunmehr unter dem Ge-
sichtspunkt der Kameradenbeschwerde gewertet haben wolle, sei der Bescheid
schon deshalb nicht weiter anfechtbar, weil die Kameradenbeschwerde ihren
Ursprung nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis habe. Hilfsweise werde
geltend gemacht, dass der Antrag unbegründet sei. Hierzu führt der Inspekteur
der Streitkräftebasis im Wesentlichen diejenigen Feststellungen an, die er im
dienstaufsichtlichen Teil des Beschwerdebescheids getroffen hat. Da der Sach-
verhalt von dem Antragsteller einerseits und Oberst i.G. I. andererseits in allen
Punkten gegenteilig dargestellt werde und ein abschließendes Urteil über die
komplexe Sachlage nicht gefällt werden könne, könne der Beschwerde des An-
tragstellers nicht zu Lasten von Oberst i.G. I. stattgegeben werden.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des
Streitkräfteamts - Az.: 037/04 - und des Führungsstabes der Streitkräfte - Az.:
25-05-11/8.05, 9.05, 10.05, 11.05 und 13.05 -, eine Kopie der Strafakte der
Staatsanwaltschaft Bonn - Az.: 338 Js 58/06 -, die Akte des Führungsstabes
der Streitkräfte - Az.: 25-01-24/AR 85.05 - betreffend eine Strafanzeige gegen
den Antragsteller sowie die den Antrag auf gerichtliche Entscheidung betreffen-
de Verfahrensakte des Führungsstabes der Streitkräfte - Az.: 25-05-11/6.07 -
haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
1. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. April
2007 „gegen den Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspek-
teurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis vom 29.03.2007“ die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt und macht hierzu „gel-
tend, dass die Unterlassung der Bearbeitung (seiner Beschwerden) rechtswid-
rig“ sei. Der Antragsteller rügt vor allem Verzögerungen und mangelnde Sach-
aufklärung bei der Bearbeitung seiner weiteren (Untätigkeits-) Beschwerde vom
21. April 2005 durch den Inspekteur der Streitkräftebasis.
Der Antrag ist unzulässig, weil die Art und Weise der Verfahrensbehandlung
- hier: bei der Bearbeitung einer weiteren Beschwerde im Sinne von § 16 Abs. 2
WBO - nicht zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens vor den Wehr-
dienstgerichten gemacht werden kann.
Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1
WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass
eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme
rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt da-
bei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten (oder
einer Dienststelle der Bundeswehr) voraus, die im Verhältnis der Über- und Un-
terordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie
auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt (stRspr, vgl. Beschlüs-
se vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160 <161> und
vom 12. November 1986 - BVerwG 1 WB 127.83, 97.84 - BVerwGE 83, 242
<246>). Die Art und Weise der Verfahrensbehandlung stellt für sich genommen
keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar; sie ist nicht isoliert bzw. selb-
ständig anfechtbar (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 25. März 1976 a.a.O.
S. 162, vom 27. November 1990 - BVerwG 1 WB 62.90 -, vom 31. Januar 2007
- BVerwG 1 WB 34.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 61 = NZWehrr 2007,
164 , vom 27. November 2007 - BVerwG 1 WB
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58.06, 64.06 - sowie zuletzt vom 26. Februar 2008 - BVerwG 1 WB 47.07 -).
Rechtsschutz wird allein gegen die Maßnahme selbst (oder deren Unterlas-
sung) gewährt; (nur) im Rahmen der Anfechtung einer Maßnahme kann auch
eine Überprüfung auf eventuelle Verfahrensfehler erfolgen.
2. Der - anwaltlich vertretene - Antragsteller hat keinen gegen eine bestimmte
Maßnahme gerichteten (Anfechtungs- oder Feststellungs-) Antrag gestellt.
Die Wehrbeschwerdeordnung sieht beim Übergang des bundeswehrinternen,
innerhalb der Hierarchie der Disziplinarvorgesetzten verlaufenden Beschwerde-
wegs in das Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten verschiedene
Maßgaben vor, die das zunächst weitgefasste Beschwerderecht des Soldaten
enger führen und das Verfahren auf die spezifischen Fragen des subjektiven
Rechtsschutzes im truppendienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis
konzentrieren. So kann der Soldat sich beschweren, wenn er glaubt, von Vor-
gesetzten oder von Dienststellen der Bundeswehr unrichtig behandelt oder
durch pflichtwidriges Verhalten von Kameraden verletzt zu sein (§ 1 Abs. 1
Satz 1 WBO). Zum Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung
kann jedoch nur eine Maßnahme (oder deren Unterlassung) in dem eben be-
schriebenen Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO gemacht werden; dies schließt
sog. Kameradenbeschwerden (außerhalb des Vorgesetztenverhältnisses) von
der gerichtlichen Überprüfung ebenso aus wie eine „unrichtige Behandlung“, die
keine „Maßnahme“ darstellt. Das gerichtliche Verfahren dient ferner aus-
schließlich der - auf die Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts des Ersten
Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 be-
schränkten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO) - Rechtmäßigkeitskontrolle; Gesichts-
punkte der Zweckmäßigkeit, die den zuständigen Disziplinarvorgesetzten ver-
anlassen können, einer Beschwerde stattzugeben, spielen hierbei keine Rolle.
Eine verfristete oder sonst erfolglose Beschwerde kann gleichwohl dienstauf-
sichtliche Überprüfungen und Feststellungen anstoßen (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 2,
§ 14 WBO); auch eine solche über den subjektiven Rechtsschutz hinausfüh-
rende Untersuchung wird im gerichtlichen Verfahren nicht geleistet. Schließlich
zwingt der Begriff der Maßnahme zu einer präzisen Bestimmung des Antrags-
gegenstands; es ist im gerichtlichen Verfahren nicht möglich, wie etwa im Be-
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schwerdebescheid vom 29. März 2007 geschehen auf die Gesamtwirkung ei-
nes einheitlichen Zusammenhangs abzustellen oder die Beschwerden pau-
schalierend unter dem Gesichtspunkt des „Mobbingvorwurfs“ oder eines „Ge-
samtmobbings“ zusammenzufassen.
Einen in diesem Sinne bestimmten Sachantrag, der die auf ihre Rechtmäßigkeit
zu kontrollierenden Maßnahmen konkretisiert, hat der Antragsteller nicht ge-
stellt. Der allgemeine Verweis auf die Beschwerden vom 7. Dezember 2004,
23. Dezember 2004, 18. Januar 2005, 14. Februar 2005 und 28. Februar 2005
und auf die der Antragsschrift beigefügte „Chronologische Abfolge der Ereig-
nisse in Bezug auf Einschränkungen meiner Aufgaben im MilAttStab durch
Oberst i.G. I., erhobene Vorwürfe und Veränderung seiner Arbeitsweise mir ge-
genüber“ vom 10. März 2005 dient zum einen nur der Erläuterung, welche Be-
schwerdeangelegenheiten nicht (hinreichend) bearbeitet worden seien. Zum
anderen setzt sich das dortige Vorbringen des Antragstellers aus einer Vielzahl
von Vorgängen und Wahrnehmungen unterschiedlichster Art zusammen. Sie
reichen von Bagatellen (wie Streitigkeiten um einen Schreibstift) bis zu dienstli-
chen Anweisungen (wie die, keine operativen Tätigkeiten in Thailand, Singapur
oder Vietnam vorzubereiten oder auszuüben) und von atmosphärischen Trü-
bungen über Fragen des Umgangstons und der sachlichen Zweckmäßigkeit in
Angelegenheiten des täglichen Betriebs bis hin zum Vorwurf rechtswidriger Be-
fehle und Straftaten (wie den der entwürdigenden Behandlung). Sie betreffen
teils den privaten Bereich, teils die dienstlichen Aufgaben des Antragstellers
und teils dessen Funktion als Vertrauensperson. Es ist nicht Aufgabe des Ge-
richts, diejenigen einzelnen Maßnahmen „herauszusuchen“, die gemäß dem
mutmaßlichen Willen des Antragstellers zum Gegenstand eines zulässigen An-
trags gemacht werden könnten.
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass das gerichtliche Antragsverfah-
ren nach der Wehrbeschwerdeordnung nur bedingt geeignet ist, Sachverhalte
- wie das hier geltend gemachte Mobbing - angemessen zu würdigen, deren
belastende Wirkung für den Soldaten vor allem in der Gesamtschau auf einen
Zusammenhang von Verhaltensweisen hervortritt, die sich über einen längeren
Zeitraum erstrecken und die für sich genommen nicht notwendigerweise
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rechtswidrig sein müssen. Durch die Aufspaltung in einzelne - isoliert betrachte-
te - Maßnahmen und die Beschränkung auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle be-
steht die Gefahr, dass der mögliche spezifische Unwertgehalt, der sich gerade
aus dem Gesamtzusammenhang dieser Verhaltensweisen ergeben kann, nur
verkürzt erfasst und im ungünstigsten Fall das eigentliche Anliegen des Be-
schwerdeführers verfehlt wird. Schutz gegen Mobbing ist deshalb in erster Linie
durch Maßnahmen der Dienstaufsicht und Personalführung zu leisten. Ein Ver-
fahren vor dem Wehrdienstgericht kann diese nicht ersetzen oder nachholen.
3. Dem Antragsteller waren keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlie-
gen.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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