Urteil des BVerwG vom 03.06.2009

Soldat, Beschwerdefrist, Verschulden, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 2.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberfeldarzt ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 3. Juni 2009 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Antrag, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, wird
zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller ist Leitender Oberarzt in der Abteilung ... beim
Bundeswehrkrankenhaus B. Er wandte sich gegen die Besetzung des nach
Besoldungsgruppe A 16 dotierten Dienstpostens des Leiters dieser Abteilung
nicht mit ihm, sondern mit einem anderen Bewerber.
Mit Schreiben vom 11. April 2008 hatte der Antragsteller beim Personalamt der
Bundeswehr um Mitbetrachtung bei der Nachbesetzung des freiwerdenden
Dienstpostens gebeten. Unter dem 10. September 2008 teilte das Personalamt
dem Antragsteller mit, dass diesem Wunsch entsprochen werde.
In einem Telefongespräch am 17. September 2008 informierte das Personalamt
den Antragsteller darüber, dass zu seinen Ungunsten entschieden worden sei;
er werde noch einen schriftlichen Bescheid erhalten. Der genaue Inhalt der
Mitteilung, insbesondere ob es sich um eine nur vorläufige oder aber bereits
endgültige Entscheidung handelte, ist zwischen den Beteiligten strittig.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27. November 2008 legte der
Antragsteller Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung ein. Unter dem
13. Januar 2009 erhob er unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 WBO weitere
Beschwerde. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die
weitere Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen
zusammen mit seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2009 dem Senat vor.
Der für die Besetzung des Dienstpostens vorgesehene Kandidat, M., war von
Dezember 2008 bis März 2009 im Rahmen einer Eignungswehrübung mit der
Wahrnehmung der Aufgaben des Abteilungsleiters beauftragt. Im Anschluss
daran wurde er zum Berufssoldaten ernannt und mit Verfügung vom 2. April
2009 auf den streitigen Dienstposten versetzt. Nach Mitteilung des
Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - hat der Antragsteller gegen diese
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Versetzungsentscheidung wiederum Antrag auf gerichtliche Entscheidung
gestellt, der dem Senat bislang noch nicht vorliegt.
Im Hinblick auf die Verfügung vom 2. April 2009 und deren Anfechtung hat der
Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 4. Mai 2009 das
vorliegende Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
1. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines
Verfahrensbevollmächtigten im vorgerichtlichen Verfahren
und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
notwendig war, sowie
2. die notwendigen Aufwendungen des
Beschwerdeführers einschließlich der notwendigen
Aufwendungen im vorgerichtlichen Verfahren dem Bund
aufzuerlegen.
Der Bundesminister der Verteidigung hat mit Schreiben vom 11. Mai 2009 der
Erledigungserklärung des Antragstellers zugestimmt. Er ist der Auffassung,
dass die Kosten des Verfahrens dem Bund nicht aufzuerlegen sind.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I
7 - Az.: 37/09 und 39/09 - sowie die Akte des abgeschlossenen Verfahrens des
vorläufigen Rechtsschutzes BVerwG 1 WDS-VR 1.09 haben dem Senat bei der
Beratung vorgelegen.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden
Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender
Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 21
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Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO, § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 161 Abs. 2
Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB
4.08 - m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen
notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erfolglos
geblieben wäre. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller in dem
Telefongespräch vom 17. September 2008 eine nur vorläufige oder aber eine
endgültige Entscheidung übermittelt worden ist.
Soweit es sich - wie der Antragsteller annahm - um eine endgültige
Entscheidung zumindest in dem Sinne gehandelt haben sollte, dass der
streitige Dienstposten jedenfalls nicht mit besetzt würde, war der Antrag
unbegründet, weil der Antragsteller die Beschwerde zu spät erhoben hat.
Gemäß § 6 Abs. 1 WBO (in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Januar
2009 geltenden Fassung) darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer
Nacht und muss binnen zwei Wochen eingelegt werden, nachdem der
Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis
von dem Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt
sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (vgl.
Beschluss vom 30. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 18.06 - Buchholz 450.1 § 6 WBO
Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127). Kenntnis vom Beschwerdeanlass ist somit nicht
nur bei förmlicher Bekanntgabe gegeben, sondern schon dann, wenn der
betroffene Soldat den Inhalt einer Maßnahme oder Entscheidung tatsächlich
kennt. Bei Konkurrentenstreitigkeiten, wie hier, bedeutet dies, dass der Soldat
von der endgültig getroffenen Verwendungsentscheidung zugunsten des
Konkurrenten oder davon Kenntnis erhält, dass er selbst nicht auf dem
angestrebten Dienstposten verwendet werden soll (vgl. Beschluss vom 13.
August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 -
vorgesehen>). Soweit das Telefongespräch vom 17. September 2008 als
Übermittlung einer endgültigen Entscheidung zu verstehen sein sollte, hat der
Antragsteller die für den Beginn der Beschwerdefrist maßgebliche Kenntnis
vom Beschwerdeanlass somit durch dieses Telefongespräch erlangt. Die mit
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Schreiben vom 27. November 2008 erhobene Beschwerde ist deshalb erst
deutlich nach dem am 1. Oktober 2008 eingetretenen Ablauf der
Beschwerdefrist eingelegt worden. Dem Ablauf der Beschwerdefrist steht auch
nicht entgegen, dass der Antragsteller in dem Telefongespräch mit dem
Personalamt keine Rechtsmittelbelehrung erhalten hat (§ 7 Abs. 2 WBO). Eine
solche ist bei einer truppendienstlichen Erstmaßnahme nur dann erforderlich,
wenn diese unmittelbar durch den Bundesminister der Verteidigung erlassen
wird (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 8.08 -
Buchholz 450.1 § 5 WBO Nr. 1 m.w.N.).
Soweit es sich - wie der Bundesminister der Verteidigung vertritt - bei der am
17. September 2008 mitgeteilten Entscheidung lediglich um eine vorläufige
Maßnahme gehandelt haben und eine endgültige Entscheidung erst nach
Abschluss der Eignungswehrübung von M. erfolgen sollte, war der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung unzulässig, weil eine Maßnahme im Sinne des § 17
Abs. 3 WBO, die den Antragsteller in seinen Rechten verletzen konnte, (noch)
nicht vorlag.
Eine Kostenpflicht des Bundes kommt schließlich auch unter dem
Gesichtspunkt des § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 155 Abs. 4 VwGO nicht in
Betracht. Die Anwendbarkeit des § 155 Abs. 4 VwGO auf das
Wehrbeschwerdeverfahren unterstellt, können danach zwar Kosten, die durch
das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden;
hat das Verschulden das Verfahren insgesamt verursacht, so erfasst § 155 Abs.
4 VwGO gegebenenfalls auch die gesamten Kosten (vgl. Rennert, in:
Eyermann, VwGO 12. Aufl. 2006, § 155 Rn. 10). Insofern könnte fraglich sein,
ob es ein Verschulden im Sinne dieser Vorschrift darstellt, dass der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - erst mit dem Vorlageschreiben vom
19. Januar 2009 klargestellt hat, er gehe von einer nur vorläufigen und nicht
schon endgültigen Entscheidung über die Nachbesetzung des Dienstpostens
aus. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn die Erfolglosigkeit des vom
Antragsteller in der Annahme einer endgültigen Entscheidung ergriffenen
Rechtsbehelfs beruht insoweit nicht auf dem Verhalten des Bundesministers
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der Verteidigung - PSZ I 7 -, sondern auf dem unabhängig hiervon
eingetretenen Fristablauf.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer