Urteil des BVerwG vom 02.11.2009

Hauptsache, Verfügung, Billigkeit, Wehr

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 19.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 2. November 2009 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des
militärfachlichen Dienstes.
Unter dem 25. Januar 2008 erstellte der Inspektionschef der ... Inspektion der
Lehrgruppe ... der ...akademie der Bundeswehr eine planmäßige Beurteilung für
den Antragsteller (Vorlagetermin 31. März 2008) nach den neugefassten
„Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr“ (ZDv 20/6) vom 17. Januar 2007. Bei der Bewertung der
Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten erreichte der Antragsteller einen
Durchschnittswert von „7,50“. Unter dem 18. Februar 2008 nahm die
Kommandeurin der Lehrgruppe ... der ...akademie als nächsthöhere
Vorgesetzte zu der Beurteilung Stellung und bestätigte dabei die Bewertung der
Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten. Mit seiner Stellungnahme vom 30.
Juni 2008 setzte der Kommandeur der ...akademie als weiterer höherer
Vorgesetzter die Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten bei
zwei Einzelmerkmalen um jeweils einen Punkt herab, sodass sich ein
Durchschnittswert von „7,30“ ergab; außerdem änderte er die von der
Kommandeurin der Lehrgruppe ... getroffene Entwicklungsprognose „Förderung
bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ in „oberhalb der allgemeinen
Laufbahnperspektive“.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2008 legte der Antragsteller Beschwerde gegen die
Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten ein und wandte sich
insbesondere gegen die Korrektur der Bewertung seines Persönlichkeits- und
Leistungsbilds durch die seiner Auffassung nach unzulässige Verwendung von
namentlichen Beurteilungsspiegeln im Zuge von Abstimmungsgesprächen zur
Durchsetzung von Richtwertvorgaben. Unter dem 3. August 2008 erhob der
Antragsteller weitere Beschwerde wegen Untätigkeit. Mit Bescheid vom 10.
Februar 2009 wies der Inspekteur ... der Bundeswehr die weitere Beschwerde
zurück; die Vorgehensweise bei der Erstellung der Beurteilung des
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Antragstellers und insbesondere die Stellungnahme des Kommandeurs der
...akademie entspreche den Vorgaben der ZDv 20/6 und sei rechtlich nicht zu
beanstanden. Hiergegen beantragte der Antragsteller die gerichtliche
Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07- (zur Veröffentlichung in
BVerwGE und Buchholz vorgesehen) hat der Senat entschieden, dass für das
durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 eingeführte
Richtwertesystem keine hinreichende normative Grundlage besteht. Dienstliche
Beurteilungen und Stellungnahmen nächsthöherer Vorgesetzter, die auf der
Anwendung dieses Richtwertesystems beruhten, seien daher rechtswidrig.
Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung hob der Amtschef des ...amts mit
Verfügung vom 30. Juli 2009 die Beurteilung des Antragstellers und die
dazugehörenden Stellungnahmen von Vorgesetzten auf. Unter dem 13.
Oktober 2009 erklärte der Antragsteller daraufhin seinen Antrag für in der
Hauptsache erledigt. Der Inspekteur ... teilte mit Schreiben vom 26. Oktober
2009 mit, dass er der Erledigungserklärung nicht entgegentrete.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Inspekteurs ... - Az.: WB 14/08 - und die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden
Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender
Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter
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Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20
Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22.
April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).
Der Amtschef des ...amts hat mit Verfügung vom 30. Juli 2009 die Beurteilung
vom 25. Januar 2008 einschließlich der dazugehörenden Stellungnahmen,
insbesondere der hier angefochtenen Stellungnahme des weiteren höheren
Vorgesetzten vom 30. Juni 2008, aufgehoben und den Antragsteller damit
klaglos gestellt. In einem solchen Fall entspricht es nach ständiger
Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 6. November 2007 - BVerwG
1 WB 27.07 - und vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 -) in der Regel der
Billigkeit, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren
erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen.
Darüber hinaus hätte der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei streitiger
Entscheidung voraussichtlich aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom
26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - Erfolg gehabt. Die dort getroffene
Aussage, dass für das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar
2007 eingeführte Richtwertesystem keine hinreichende normative Grundlage
besteht, gilt auch für die Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten
gemäß Nr. 911 ZDv 20/6; diese ist rechtswidrig, soweit sie tragend auf der
Anwendung des Richtwertesystems beruht. Die Herabsetzung der Bewertung
der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten bei zwei Einzelmerkmalen und
damit zugleich des Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung diente - wie sich
aus der Stellungnahme vom 30. Juni 2008 selbst, dem Beschwerdebescheid
und dem Vorlageschreiben des Inspekteurs ... sowie den in der
Beschwerdeakte befindlichen Äußerungen des Amtschefs des ...amts und des
Kommandeurs der ...akademie ergibt - erklärtermaßen der Einhaltung und
Durchsetzung der Richtwertvorgaben (Nr. 911 Buchst. a Satz 3 i.V.m. Nr. 906
Buchst. c und Nr. 610 ZDv 20/6). Die Stellungnahme des Kommandeurs der
...akademie vom 30. Juni 2008 wäre deshalb aufzuheben gewesen.
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Soweit der Amtschef des ...amts außer der Stellungnahme des weiteren
höheren Vorgesetzten auch die Beurteilung vom 25. Januar 2008 und die
Stellungnahme der nächsthöheren Vorgesetzten vom 18. Februar 2008
aufgehoben hat, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der
Antragsteller hat mit seiner Beschwerde vom 1. Juli 2008 nur die
Stellungnahme des weiteren höheren Vorgesetzten angefochten; die - für ihn
günstige - Beurteilung und Stellungnahme der nächsthöheren Vorgesetzten hat
er bestandskräftig werden lassen. Die nachträgliche Aufhebung auch dieser
beiden Maßnahmen stellt für den Antragsteller eine neue selbstständige
Beschwer dar, die er mit einer neuen Beschwerde hätte anfechten müssen,
wenn er sich dagegen hätte zur Wehr setzen wollen.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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