Urteil des BVerwG vom 17.02.2009

Ausbildung, Einzelnes Mitglied, Wiederholungsgefahr, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 17.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Kling und
den ehrenamtlichen Richter Stabsfeldwebel Jäger
am 17. Februar 2009 beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Entscheidung des Bundes-
ministeriums der Verteidigung - Fü S I 3 - vom 4. März
2008 und die diese ausführende Mitteilung des Sprechers
des Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom 5. März
2008 rechtswidrig waren.
Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig verworfen.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht erwachsenen notwendigen Auslagen wer-
den zur Hälfte dem Bund auferlegt.
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G r ü n d e :
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Das Wehrbeschwerdeverfahren betrifft Fragen der Ausbildung der Mitglieder
des Gesamtvertrauenspersonenausschusses gemäß § 45 Abs. 3 SBG.
Der Antragsteller ist Berufssoldat. Nachdem er bereits dem 4. Gesamtvertrau-
enspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung angehört
hatte, wurde er im Februar 2008 erneut zum Mitglied des 5. Gesamtvertrauens-
personenausschusses gewählt. Mit Bescheid des Bundesministeriums der Ver-
teidigung - PSZ I 2 - vom 28. April 2008 wurde er zur Wahrnehmung der Tätig-
keit des stellvertretenden Bereichssprechers ...
im 5. Gesamtver-
trauenspersonenausschuss von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 lud das Bundesministerium der Verteidi-
gung - Zentraler Wahlvorstand zur Wahl des 5. Gesamtvertrauenspersonen-
ausschusses - die gewählten Mitglieder, darunter den Antragsteller, zu einer
Einweisung in ihre Aufgaben, zur konstituierenden Sitzung sowie zur ersten Sit-
zung des 5. Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom 10. bis 14. März
2008 in das Zentrum ... in K. ein. Mit Schreiben vom 15. Februar 2008 teilte der
Antragsteller mit, dass er an der gesamten Veranstaltung (Einweisung, konstitu-
ierende Sitzung, erste Sitzung) teilnehmen werde.
Mit E-Mail vom 4. März 2008 an den Gesamtvertrauenspersonenausschuss
wies das Bundesministerium der Verteidigung - Fü S I 3 - darauf hin, dass an
der Ausbildung (Einweisung) nur diejenigen Soldaten teilnähmen, die erstmals
in ihr Amt gewählt worden seien. Soldaten, die bereits ein Amt im Gesamtver-
trauenspersonenausschuss inne gehabt hätten, sowie die Soldatenvertreter im
Hauptpersonalrat würden erst am 12. März 2008 bis 13.00 Uhr anreisen und ab
diesem Zeitpunkt an dem weiteren Verlauf gemäß dem Ausbildungsdienstplan
vom 20. Februar 2008 teilnehmen. Der Gesamtvertrauenspersonenausschuss
werde gebeten, dies bei der Einladung zu berücksichtigen. Soweit bereits an-
derslautende Einladungen verschickt worden seien, seien diese zu berichtigen.
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Mit E-Mail vom 5. März 2008 unterrichtete der Sprecher des Gesamtvertrauens-
personenausschusses den Antragsteller von der Entscheidung des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung - Fü S I 3 - und bat ihn, erst zum 12. März 2008 bis
13.00 Uhr anzureisen.
Mit Telefax-Schreiben vom 7. März 2008 legte der Antragsteller Beschwerde
ein. Er fühle sich dadurch, dass er an der vom 10. bis 12. März 2008 stattfin-
denden Ausbildung nicht teilnehmen dürfe, in der Ausübung seines Mandats als
Mitglied des Gesamtvertrauenspersonenausschusses behindert. Es gehöre zu
seinen Rechten und Pflichten, an dieser Ausbildung teilzunehmen. Er erwarte,
dass die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü S I 3 -
vom 4. März 2008 ausgesetzt werde, bis in der Hauptsache entschieden sei.
Sollte eine Aussetzung nicht erfolgen, beantrage er, eine Entscheidung des zu-
ständigen Gerichts herbeizuführen, um ihm eine Teilnahme an der Ausbildung
vom 10. bis 12. März 2008 zu ermöglichen.
Mit E-Mail vom 7. März 2008 teilte das Bundesministerium der Verteidigung
- Fü S I 3 - dem Antragsteller mit, dass an der Ausbildung am Zentrum ... zwar
grundsätzlich nur diejenigen Soldaten teilnähmen, die erstmals in ihr Amt ge-
wählt worden seien. Sofern der Antragsteller ebenfalls teilnehmen wolle, weil er
Ausbildungs-, Nachschulungs- oder Wiederholungsbedarf in einzelnen Ausbil-
dungsabschnitten sehe, werde das Referat Fü S I 3 jedoch keine Einwände ge-
gen seine Teilnahme geltend machen. Aus Sicht des Referats Fü S I 3 sei da-
mit der Beschwer des Antragstellers abgeholfen.
Am 10. März 2008 reiste der Antragsteller zum Zentrum ... an. Dort wurde ihm
telefonisch durch den Leiter des Referats Fü S I 3 mitgeteilt, dass er an der
Ausbildung vom 10. bis 12. März 2008 nicht teilnehmen dürfe; die gegenteilige
Aussage vom 7. März 2008 werde widerrufen. Der Antragsteller reiste daraufhin
am selben Tage an seinen Wohnort zurück.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die Beschwerde vom
7. März 2008 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung verbunden mit einem An-
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trag auf vorläufigen Rechtsschutz und legte diese mit seinen Stellungnahmen
vom 12. und 13. März 2008 dem Senat vor.
Mit Beschluss vom 1. April 2008 (BVerwG 1 WDS-VR 7.08) lehnte der Senat
den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab, weil die Ausbildung vom 10. bis
12. März 2008 im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Senat bereits be-
endet und eine Teilnahme des Antragstellers daran nicht mehr möglich war.
Mit Beschluss vom 28. Mai 2008 (BVerwG 1 WDS-VR 8.08) lehnte der Senat
einen weiteren Antrag, den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einst-
weiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller an einer für die im Mai
2008 neu gewählten Soldatenvertreter im Hauptpersonalrat geplanten Ausbil-
dung gemäß § 45 Abs. 3 SBG teilnehmen zu lassen, als derzeit unzulässig ab,
weil eine Auswahl der Teilnehmer für diese Ausbildung noch nicht getroffen und
es dem Antragsteller zumutbar sei, diese Entscheidung abzuwarten und sich
gegebenenfalls anschließend an das Gericht zu wenden.
Unter Hinweis auf das anhängige Wehrbeschwerdeverfahren beantragte der
Antragsteller unter dem 10. September 2008, ihn an der Ausbildung des
5. Gesamtvertrauenspersonenausschusses (Nachrücker) vom 22. bis 26. Sep-
tember 2008 beim Zentrum ... in K. teilnehmen zu lassen. Mit E-Mail vom
16. September 2008 gab das Bundesministerium der Verteidigung - Fü S I 3 -
diesem Antrag aus Kulanzgründen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht statt.
Der Antragsteller nahm daraufhin vom 24. bis 26. September 2008 an dem ihn
betreffenden Ausbildungsabschnitt teil.
Zur Begründung seines vor dem Senat weiter verfolgten Rechtsschutzbegeh-
rens trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung habe sich nicht erledigt, weil ihm die
Teilnahme an der Ausbildung im September 2008 ausdrücklich ohne Anerken-
nung einer Rechtspflicht gestattet worden sei. Durch die Entscheidung des Re-
feratsleiters Fü S I 3, den Abhilfebescheid vom 7. März 2008 zu widerrufen, sei
sein Rechtsschutz verkürzt und seine Teilnahme an der Ausbildung im März
2008 durch Verzögerung verhindert worden. Eine Fortsetzung des Verfahrens
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sei auch deshalb geboten, weil ihm die Teilnahme an der nächsten Ausbildung
wieder verweigert werde.
§ 45 Abs. 3 SBG enthalte für die Ausbildung der Mitglieder des Gesamtvertrau-
enspersonenausschusses - anders als § 19 Abs. 4 SBG für die Ausbildung der
Vertrauenspersonen - keine Beschränkung auf erstmalig gewählte Amtsinha-
ber. Es sei Wille des Gesetzgebers, alle Mitglieder des Gesamtvertrauensper-
sonenausschusses gleich auszubilden, um zu Beginn der Amtszeit einen ein-
heitlichen Ausbildungs- und Wissensstand herzustellen. Ein Antrag auf Teil-
nahme und eine Feststellung von Schulungsbedarf sei hierzu nicht erforderlich.
Auch entstünden keine Kosten für externe Bildungsträger, da die Ausbildung an
einer bundeswehreigenen Einrichtung stattfinde. Haushaltsmittel für Reisekos-
ten seien ebenfalls vorhanden. Die Auswahl der Teilnehmer für die Ausbildung
der Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses sei ferner eine be-
teiligungspflichtige Maßnahme, die nach § 38 Abs. 1 SBG dem Gesamtvertrau-
enspersonenausschuss rechtzeitig mitzuteilen sei; das hierdurch ausgelöste
förmliche Beteiligungsverfahren sei durch das Bundesministerium der Verteidi-
gung nicht eingeleitet worden.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Fortsetzung des Verfahrens wegen Wiederholungs-
gefahr, da sein Anspruch auf Teilnahme an der nächs-
ten Ausbildung nach § 45 Abs. 3 SBG weiterhin be-
steht,
3. festzustellen, dass die Ausbildung nach § 45 Abs. 3
SBG von Amts wegen nach jeder Wahl durchzuführen
ist und ein Antrag auf Teilnahme an der Ausbildung
durch die gewählten Mitglieder des Gesamtvertrau-
enspersonenausschusses nicht erforderlich ist;
4. festzustellen, dass die Regelung des Bundesministeri-
ums der Verteidigung - Fü S I 3 - vom 4. März 2008
unter Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Ge-
samtvertrauenspersonenausschusses entstanden und
somit rechtswidrig ist sowie
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5. festzustellen, dass der Widerruf der Entscheidung vom
7. März 2008, ihn zur Ausbildung zuzulassen, auf einer
rechtswidrigen Regelung beruht und somit ebenfalls
rechtswidrig ist.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag habe sich mit der Teilnahme des Antragstellers an der Schulung
vom 24. bis 26. September 2008 erledigt.
In der Sache bestehe kein Bedürfnis, den Antragsteller als erfahrenes Mitglied
des Gesamtvertrauenspersonenausschusses in den Grundzügen der Mandats-
tätigkeit in diesem Gremium zu schulen. Der hinter der Vorschrift des § 19
Abs. 4 SBG stehende Rechtsgedanke, dass ein Schulungsanspruch ein ent-
sprechendes persönliches Schulungsbedürfnis voraussetze, gelte auch für die
Auslegung des § 45 Abs. 3 SBG. Der Antragsteller habe nicht vorgetragen, wor-
in seine Defizite bestünden, die ihn an einer ordnungsgemäßen Ausübung sei-
nes Amts hinderten. Sein Beharren auf dem Wortlaut entspreche nicht dem
Sinn und Zweck des Gesetzes, den Mitgliedern des Gesamtvertrauensperso-
nenausschusses Kenntnisse zu vermitteln, die ihnen fehlten. Im Übrigen wirke
sich der Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung auch auf die Feststel-
lung des Schulungsanspruchs aus und lasse eine Einladung zur Schulung nur
unter dem Gesichtspunkt des individuellen Bedürfnisses und der subjektiven Er-
forderlichkeit als rechtmäßig erscheinen.
Für den unter Nr. 3 gestellten Antrag fehle es an einem Rechtsschutzinteresse,
weil im Zusammenhang mit dem anhängigen Wehrbeschwerdeverfahren eine
von Amts wegen bestehende Verpflichtung des Bundesministeriums der Vertei-
digung, eine Schulungsmaßnahme nach § 45 Abs. 3 SBG anzubieten und
durchzuführen, nicht bestritten und dem Antragsteller auch kein Antragserfor-
dernis mitgeteilt worden sei. Abgesehen hiervon könne durch das Bundesminis-
terium der Verteidigung nicht ständig überprüft werden, ob sich durch das
Nachrücken von Mitgliedern in den Gesamtvertrauenspersonenausschuss ein
Schulungsbedarf im Einzelfall ergebe; insoweit müsse vorausgesetzt werden,
dass über das Gremium eine entsprechende Mitteilung erfolge, um einen Be-
darf zu identifizieren.
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Soweit der Antragsteller unter Nr. 4 seinen Antrag dahingehend erweitert habe,
dass die Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü S I 3 - vom
4. März 2008 unter Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Gesamtvertrau-
enspersonenausschusses entstanden sei, sei dieser Antrag unbegründet. Dem
Gesamtvertrauenspersonenausschuss stehe insoweit kein Beteiligungsrecht zu,
weil es sich nicht um eine die Soldaten betreffende grundsätzliche Regelung in
personeller, sozialer oder organisatorischer Hinsicht handele.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 226/08, 227/08 und 397/08 - und
die Gerichtsakten der abgeschlossenen Verfahren des vorläufigen Rechts-
schutzes BVerwG 1 WDS-VR 7.08 und BVerwG 1 WDS-VR 8.08 haben dem
Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg, soweit er die Aufhebung
der ursprünglichen Zulassung des Antragstellers zu der Ausbildung der Mitglie-
der des Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom 10. bis 12. März 2008
betrifft. Die übrigen Sachanträge sind unzulässig.
1. Der Antragsteller hat den richtigen Rechtsweg beschritten.
Für den gerichtlichen Rechtsschutz der Vertrauensperson ist nach erfolglos
durchgeführtem Beschwerdeverfahren gemäß § 16 SBG, § 17 Abs. 1 Satz 1
WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet, wenn die Vertrau-
ensperson geltend macht, sie sei in der Ausübung der ihr nach dem Soldaten-
beteiligungsgesetz eingeräumten Befugnisse behindert oder wegen ihrer Tätig-
keit benachteiligt worden (Beschlüsse vom 10. November 1993 - BVerwG 1 WB
85.92 - BVerwGE 103, 43 <45> = NZWehrr 1994, 70, vom 18. Januar 1994
- BVerwG 1 WB 14.93 - BVerwGE 103, 65 <66 f.> = NZWehrr 1994, 117, vom
24. März 2004 - BVerwG 1 WB 46.03 - Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 3 =
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NZWehrr 2005, 29 sowie zuletzt vom 27. November 2008 - BVerwG 1 WB
7.08 - ; ebenso
Beschluss vom 1. November 2001 - BVerwG 6 P 10.01 - BVerwGE 115, 223
<225 ff.> = Buchholz 252 § 52 SBG Nr. 2). Dasselbe gilt gemäß § 36 Abs. 5
SBG für die Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, wie hier
den Antragsteller (vgl. zur Vorläuferregelung in § 20 Abs. 4 der Verordnung
über Wahl, Organisation und Aufgabengebiete des Gesamtvertrauensperso-
nenausschusses beim Bundesminister der Verteidigung sowie über die Rechts-
stellung seiner Mitglieder vom 28. November 1991
Beschlüsse vom 2. März 1994 - BVerwG 1 WB 4.93 - NZWehrr 1994, 118 und
vom 27. August 1996 - BVerwG 1 WB 27.96 -). Mit dem - allen Sachanträgen
zugrunde liegenden - Vortrag, das Bundesministerium der Verteidigung habe
seinen, des Antragstellers, Ausbildungsanspruch gemäß § 45 Abs. 3 SBG ver-
letzt, macht der Antragsteller eine in diesem Sinne beschwerdefähige Behinde-
rung in der Ausübung seiner Befugnisse als Mitglied des Gesamtvertrauensper-
sonenausschusses geltend.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unmittelbar durch das Bundesverwal-
tungsgericht ist der statthafte Rechtbehelf. Eine Maßnahme des Bundesminis-
ters der Verteidigung im Sinne von § 21 Abs. 1 WBO liegt auch dann vor, wenn
er unter der Bezeichnung „Bundesministerium der Verteidigung“ - hier:
Fü S I 3 - als oberste Dienstbehörde handelt (vgl. Beschlüsse vom
11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 <342> =
Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 = NZWehrr 2004, 163 und vom 30. April 2008
- BVerwG 1 WB 12.08 - m.w.N.).
2. Soweit der Antragsteller „die Fortsetzung des Verfahrens wegen Wiederho-
lungsgefahr“ beantragt (Antrag Nr. 1 in dem Schreiben vom 16. April 2008),
handelt es sich nicht um einen eigenständigen Sachantrag, sondern um die
Umstellung seines Rechtsschutzbegehrens von dem ursprünglichen Anfech-
tungs- auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag (Antrag Nr. 5 in dem Schrei-
ben vom 16. April 2008; dazu unten unter 5.). Dementsprechend stellt auch das
Schreiben vom 18. Oktober 2008, in dem der Antragsteller nur noch die Anträge
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Nr. 3 bis 5 zur Entscheidung stellt, keine teilweise Rücknahme oder Erledigt-
erklärung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung dar.
3. Soweit der Antragsteller beantragt, „festzustellen, dass die Ausbildung nach
§ 45 Abs. 3 SBG von Amts wegen nach jeder Wahl durchzuführen ist und ein
Antrag auf Teilnahme an der Ausbildung durch die gewählten Mitglieder des
Gesamtvertrauenspersonenausschusses nicht erforderlich ist“ (Antrag Nr. 3 in
dem Schreiben vom 16. April 2008), handelt es sich, soweit es den konkreten
Beschwerdeanlass betrifft, um einen Teilaspekt des genannten Fortsetzungs-
feststellungsantrags (Antrag Nr. 5 in dem Schreiben vom 16. April 2008); inso-
weit hat der Bundesminister der Verteidigung im Übrigen zu Recht darauf hin-
gewiesen, dass er eine von Amts wegen bestehende Verpflichtung aus § 45
Abs. 3 SBG zu keinem Zeitpunkt bestritten und dem Antragsteller auch kein An-
tragserfordernis entgegengehalten habe.
Soweit der Antragsteller - darüber hinausgehend - eine allgemeine bzw. ab-
strakte Feststellung begehrt, ist der Antrag unzulässig, weil Gegenstand des
Wehrbeschwerdeverfahrens nur eine konkrete eigene Verletzung des Antrag-
stellers in seinen in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO genannten Rechten (hier: § 16
SBG) sein kann. Eine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung von
Anordnungen, Erlassen oder Verwaltungsvorschriften auf ihre Rechtmäßigkeit
im Sinne eines Normenkontrollverfahrens ist der Wehrbeschwerdeordnung
fremd (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 84.00 - BVerwGE
112, 133 <134> = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 41 sowie zuletzt Beschluss vom
15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 25.07 - m.w.N.). Dasselbe gilt für eine abstrakte
Feststellung oder Auslegung des Inhalts von Gesetzesbestimmungen.
4. Der Antrag, „festzustellen, dass die Regelung des Bundesministeriums der
Verteidigung - Fü S I 3 - vom 4. März 2008 unter Nichtbeachtung der Beteili-
gungsrechte des Gesamtvertrauenspersonenausschusses entstanden und so-
mit rechtswidrig ist“ (Antrag Nr. 4 in dem Schreiben vom 16. April 2008), ist
mangels Antragsbefugnis des Antragstellers unzulässig.
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Eine Verletzung von Beteiligungsrechten des Gesamtvertrauenspersonenaus-
schusses kann nur durch den Gesamtvertrauenspersonenausschuss, vertreten
durch seinen Sprecher, gegebenenfalls gemeinsam mit dem jeweiligen Be-
reichssprecher (§ 40 Abs. 2 Satz 2 und 3 SBG), im Werdebeschwerdeverfahren
geltend gemacht werden; § 1 Abs. 4 WBO steht dem nicht entgegen, weil der
Gesamtvertrauenspersonenausschuss nicht als Mehrheit von Soldaten, son-
dern als Gremium im eigenen Namen auftritt (Beschlüsse vom 27. August 1996
- BVerwG 1 WB 28.96 - BVerwGE 103, 383 <385> = Buchholz 252.1 § 19
GVPAV Nr. 1 = NZWehrr 1997, 39 und vom 19. Mai 1998 - BVerwG 1 WB
82.97 -). Dagegen ist eine Geltendmachung von Beteiligungsrechten des Ge-
samtvertrauenspersonenausschusses durch einzelne Mitglieder des Gesamt-
vertrauenspersonenausschusses ausgeschlossen (noch offengelassen in dem
Beschluss vom 27. August 1996 - BVerwG 1 WB 27.96 -). Anders als etwa der
Ausbildungsanspruch nach § 45 Abs. 3 SBG ist das Beteiligungsrecht nach
§ 37 Abs. 1 SBG nicht dem einzelnen Mitglied, sondern dem Vertretungsorgan
als solchem zugeordnet. Nur dieses ist deshalb befugt, eine (behauptete)
Rechtsverletzung geltend zu machen. Ein einzelnes Mitglied, das den Gesamt-
vertrauenspersonenausschuss in seinen Beteiligungsrechten verletzt sieht, ist
darauf verwiesen, einen Beschluss des Gesamtvertrauenspersonenausschus-
ses über die Einlegung einer Wehrbeschwerde durch das Gremium herbeizu-
führen (§ 43 SBG).
Im Übrigen stellt die Durchführung der Ausbildung für die Mitglieder des Ge-
samtvertrauenspersonenausschusses nach § 45 Abs. 3 SBG keine die Solda-
ten betreffende Grundsatzregelung im personellen, sozialen und organisatori-
schen Bereich dar, die einer Beteiligungspflicht nach § 37 Abs. 1 SBG unter-
liegt.
5. Soweit es dem Antragsteller der Sache nach um die Feststellung geht, dass
es rechtswidrig war, ihn nicht zu der Ausbildung der Mitglieder des Gesamtver-
trauenspersonenausschusses vom 10. bis 12. März 2008 zuzulassen, hat sein
Antrag Erfolg.
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a) Allerdings ist der Antrag nicht, wie in Nr. 5 des Schreibens vom 16. April
2008 formuliert, auf den „Widerruf der Entscheidung vom 7. März 2008“ zu rich-
ten. Mit der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung an den Senat
kommt es nicht mehr auf die zunächst (durch die E-Mail-Mitteilung vom 7. März
2008) gewährte und kurz darauf (durch das Telefonat vom 10. März 2008) wie-
der entzogene Abhilfe, sondern allein auf die strittige Ausgangsentscheidung
an. Der Antragsteller hatte mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Ver-
teidigung - Zentraler Wahlvorstand zur Wahl des 5. Gesamtvertrauensperso-
nenausschusses - vom 14. Februar 2008 eine Einladung erhalten, die als Zu-
lassung zu der Ausbildung vom 10. bis 12. März 2008 zu verstehen war. Die
Zulassung wurde anschließend durch die Entscheidung des Bundesministeri-
ums der Verteidigung - Fü S I 3 - vom 4. März 2008 sowie die diese ausführen-
de Mitteilung des Sprechers des Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom
5. März 2008 wieder aufgehoben; diese die ursprüngliche Zulassung aufheben-
den Entscheidungen bilden daher den Gegenstand des vorliegenden Wehrbe-
schwerdeverfahrens. Bei sach- und interessengerechter Auslegung seines
Rechtsschutzbegehrens beantragt der Antragsteller deshalb, festzustellen, dass
die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü S I 3 - vom
4. März 2008 und die diese ausführende Mitteilung des Sprechers des Gesamt-
vertrauenspersonenausschusses vom 5. März 2008 rechtswidrig waren.
b) Dieser Antrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag zulässig.
aa) Die hier strittigen Maßnahmen haben sich spätestens am 12. März 2008 er-
ledigt, weil an diesem Tag die Ausbildung für die Mitglieder des 5. Gesamtver-
trauenspersonenausschusses endete und eine Teilnahme des Antragstellers
daran nicht mehr möglich war. Der Antragsteller hat dem durch die Umstellung
seines Rechtsschutzbegehrens Rechnung getragen (siehe oben unter 2.).
Hat sich eine Maßnahme, die - wie hier - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2
WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt (für den Fall eines
ausgeführten oder anders erledigten Befehls siehe § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO),
so entscheidet das Gericht, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn
der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die
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Statthaftigkeit eines solchen Fortsetzungsfeststellungsantrags ergibt sich für die
Zeit bis einschließlich 31. Januar 2009 aus der im Wehrbeschwerdeverfahren
entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (stRspr,
vgl. z.B. Beschluss vom 29. April 2008 - BVerwG 1 WB 11.07 - juris Rn. 18 f.
, m.w.N.). Ab dem 1. Februar
2009 findet das Fortsetzungsfeststellungsverfahren für „sonstige Maßnahmen
oder Unterlassungen“ - also solche, die keinen Befehl betreffen - seine Rechts-
grundlage in der durch Art. 5 Nr. 15 des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher
und anderer Vorschriften vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) eingefügten Vor-
schrift des § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO n.F. (Fassung der Bekanntmachung vom
22. Januar 2009, BGBl I S. 81).
In gerichtlichen Verfahren, in denen die Entscheidung - wie in der Regel im
Wehrbeschwerdeverfahren (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO) - ohne mündliche
Verhandlung ergeht, müssen die Zulässigkeitsvoraussetzungen (noch) im Zeit-
punkt gegeben sein, in dem letztmöglich Anträge gestellt werden können. Da
dies grundsätzlich bis zur Entscheidung des Gerichts möglich ist, bemisst sich
die Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags im vorliegenden Fall be-
reits nach der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO n.F. Insbesondere für die
Frage des Feststellungsinteresses ergeben sich hieraus jedoch keine sachli-
chen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage und der hierzu ergangenen
Rechtsprechung, weil sich § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO n.F. nach Wortlaut und
Zweck an § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO orientiert und die Vorbildregelung des all-
gemeinen Verwaltungsprozessrechts in die Wehrbeschwerdeordnung über-
nimmt (vgl. auch BTDrucks 16/7955 S. 35 i.V.m. S. 34
Buchst. b>).
bb) Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststel-
lung.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich das besondere Feststellungs-
interesse in den Fällen des § 16 SBG aus einer Wiederholungsgefahr ergeben,
wenn zwischen den Verfahrensbeteiligten mit einiger Wahrscheinlichkeit auch
künftig Streit über das geltend gemachte Beteiligungsrecht bzw. hier: den gel-
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tend gemachten Ausbildungsanspruch auftreten wird und der Feststellungsan-
trag deshalb unter Berücksichtigung der Wiederholungsgefahr als richtungswei-
send für die Zukunft verstanden werden kann; erforderlich ist insoweit, dass der
Antragsteller über einen bestimmten Einzelfall hinaus die Klärung der dahinter
stehenden personalvertretungs- oder soldatenbeteiligungsrechtlichen Frage an-
strebt (vgl. Beschlüsse vom 2. März 1994 - BVerwG 1 WB 4.93 - NZWehrr
1994, 118, vom 26. September 2000 - BVerwG 1 WB 58.00 - Buchholz 252
§ 16 SBG Nr. 1 = NZWehrr 2001, 29, vom 24. März 2004 - BVerwG 1 WB
46.03 - Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2005, 29 sowie zuletzt vom
13. August 2008 - BVerwG 1 WB 39.08 u.a. -
vorgesehen>).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Bundesministerium der Verteidi-
gung hat eindeutig zu erkennen gegeben, dass es an seiner Rechtsauffassung
auch für die Zukunft festhalten wird, und ist deshalb der vom Antragsteller gel-
tend gemachten Wiederholungsgefahr ausdrücklich nicht entgegengetreten
(Schreiben vom 21. Mai 2008). Auch die Zulassung des Antragstellers zu der
Ausbildung für Nachrücker im 5. Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom
24. bis 26. September 2008 ist ausdrücklich nur „aus Kulanzgründen und ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht“ (E-Mail des Bundesministeriums der Verteidi-
gung - Fü S I 3 - vom 16. September 2008) erfolgt; das Rechtsschutzinteresse
des Antragstellers ist deshalb durch die Teilnahme an dieser Veranstaltung
nicht entfallen. Der Fall des Antragstellers ermöglicht auch eine in dem be-
schriebenen Sinne „richtungsweisende“ Klärung der Pflicht zur Ausbildung der
Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses nach § 45 Abs. 3 SBG.
Was die Gefahr eines erneuten Streits „mit einiger Wahrscheinlichkeit“ gerade
„zwischen den Verfahrensbeteiligten“ betrifft, so muss im vorliegenden Fall die
Tatsache genügen, dass ein solcher künftiger Streit zumindest möglich er-
scheint. Denn andernfalls wäre die Chance, in Streitigkeiten um die Teilnahme
an der Ausbildung gemäß § 45 Abs. 3 SBG eine gerichtliche Entscheidung in
der Hauptsache zu erlangen, praktisch ausgeschlossen. Da die Ausbildung der
Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses „unverzüglich nach ih-
rer Wahl“ stattzufinden hat, ist die effektive Durchsetzung der Teilnahme daran
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nur im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, nicht aber in einem Hauptsache-
verfahren zu erreichen; bis zur Durchführung eines Hauptsacheverfahrens wird
sich die Streitigkeit in aller Regel dadurch erledigt haben, dass die Veranstal-
tung stattgefunden hat und eine Teilnahme daran nicht mehr möglich ist. Verla-
gert sich der Rechtsstreit in der Hauptsache damit von vorneherein in das Fort-
setzungsfeststellungsverfahren, so wäre eine Überprüfung in der Hauptsache
praktisch ausgeschlossen, wenn der Annahme einer Wiederholungsgefahr ent-
gegenstünde, dass der Streit um eine Teilnahme an der Ausbildung frühestens
nach der nächsten Wahl, also nach vier Jahren (§ 36 Abs. 1 Satz 1 SBG), er-
neut akut werden kann und eine Wiederwahl des Antragstellers zum Mitglied
des Gesamtvertrauenspersonenausschusses weder mit Wahrscheinlichkeit ab-
sehbar ist noch ohne weiteres - im Sinne einer Vorwegnahme des Wahlergeb-
nisses - unterstellt werden darf. Damit das Wehrbeschwerderecht des § 16
SBG in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich eine Maßnahme oder Ent-
scheidung typischerweise kurzfristig erledigt, nicht leerläuft, sind deshalb die
oben dargelegten Gesichtspunkte als ausreichende Begründung des Feststel-
lungsinteresses anzusehen (vgl. zu der ähnlich gelagerten Fallgruppe des sich
„typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakts“ im allgemeinen Ver-
waltungsprozessrecht Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 113 Rn. 145;
Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 113 Rn. 282 f., jeweils m.w.N.).
c) Der Antrag ist auch begründet.
Die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü S I 3 - vom
4. März 2008 und die diese ausführende Mitteilung des Sprechers des Gesamt-
vertrauenspersonenausschusses vom 5. März 2008 waren rechtswidrig, weil
der Antragsteller einen Anspruch auf Teilnahme an der Ausbildung der Mitglie-
der des 5. Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom 10. bis 12. März 2008
hatte.
aa) Gemäß § 45 Abs. 3 SBG sind die Mitglieder des Gesamtvertrauensperso-
nenausschusses vom Bundesministerium der Verteidigung unverzüglich nach
ihrer Wahl für ihre Aufgaben auszubilden. Dieser Ausbildungspflicht des Bun-
desministeriums der Verteidigung korrespondiert ein Anspruch des einzelnen
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Mitglieds des Gesamtvertrauenspersonenausschusses. Der Antragsteller erfüllt
die - einzige - Tatbestandsvoraussetzung des Ausbildungsanspruchs; er wurde
im Februar 2009 zum Mitglied des 5. Gesamtvertrauenspersonenausschusses
gewählt.
bb) Der Anspruch unterliegt - entgegen der Auffassung des Bundesministers
der Verteidigung - keinen weiteren Voraussetzungen oder Einschränkungen.
(1) Der Ausbildungsanspruch nach § 45 Abs. 3 SBG steht Mitgliedern des
Gesamtvertrauenspersonenausschusses zu, unabhängig davon, ob sie ihr Amt
erstmalig innehaben oder - wie der Antragsteller - bereits Mitglieder eines frühe-
ren Gesamtvertrauenspersonenausschusses waren und nunmehr wieder ge-
wählt worden sind. Anders als § 19 Abs. 4 Satz 1 SBG, wonach Vertrauensper-
sonen und ihre Stellvertreter, die erstmalig in ihr Amt gewählt sind, alsbald nach
ihrer Wahl für ihre Aufgaben auszubilden sind, enthält § 45 Abs. 3 SBG hin-
sichtlich der Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses sol-
che Einschränkung des Kreises der Ausbildungsberechtigten.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der unterschiedlichen
Textfassung in § 45 Abs. 3 SBG einerseits und § 19 Abs. 4 Satz 1 SBG ande-
rerseits lediglich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelt.
Der Ausbildungsanspruch der Vertrauenspersonen und ihrer Stellvertreter war
von Beginn an im Soldatenbeteiligungsgesetz selbst verankert (ursprünglich:
§ 19 Abs. 3 SBG vom 16. Januar 1991 , seit dem Ersten
Gesetz zur Änderung des Soldatenbeteiligungsgesetzes vom 20. Februar 1997
: § 19 Abs. 4 Satz 1 SBG); er war von Beginn an auf „erstmalig
in ihr Amt gewählte“ Soldaten beschränkt. Die Rechtsstellung der Mitglieder des
Gesamtvertrauenspersonenausschusses war dagegen zunächst (nur) in § 31
GVPAV geregelt. Während § 31 Abs. 4 GVPAV etwa hinsichtlich der Freistel-
lung vom Dienst auf die entsprechende Vorschrift für die Vertrauenspersonen
(§ 19 Abs. 5 SBG a.F.) verwies, enthielt bereits § 31 Abs. 5 GVPAV eine eigen-
ständige Regelung für die Ausbildung der Mitglieder des Gesamtvertrauensper-
sonenausschusses, die - im Unterschied zu § 19 Abs. 3 SBG a.F. - keine Ein-
schränkung auf erstmalig gewählte Soldaten enthielt. Bei der Übernahme we-
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sentlicher Teile der Gesamtvertrauenspersonenausschuss-Verordnung in das
Soldatenbeteiligungsgesetz durch das Erste Gesetz zur Änderung des Solda-
tenbeteiligungsgesetzes, darunter die Übernahme von § 31 Abs. 5 GVPA in die
hier strittige Bestimmung des § 45 Abs. 3 SBG, hätte es deshalb nahegelegen,
eine Angleichung des Wortlauts von § 19 Abs. 4 Satz 1 SBG und § 45 Abs. 3
SBG vorzunehmen, wenn beabsichtigt gewesen wäre, in beiden Fällen einheit-
lich eine Ausbildung nur für erstmalig gewählte Amtsinhaber vorzusehen. Eine
solche Angleichung ist jedoch nicht erfolgt. Eine dahingehende Absicht lässt
sich auch nicht der Gesetzesbegründung entnehmen; diese enthält zu § 45
SBG keine Aussage (vgl. BTDrucks 13/5740 S. 21).
(2) Der Ausbildungsanspruch nach § 45 Abs. 3 SBG setzt ferner nicht den
Nachweis eines persönlichen Schulungsbedürfnisses voraus. Ein solches Er-
fordernis lässt sich auch nicht mit einer Übertragung des Rechtsgedankens von
§ 46 Abs. 6 BPersVG begründen. Nach dieser Bestimmung sind die Mitglieder
des Personalrats für die Teilnahme an Schulungs- (und Bildungs-)veranstal-
tungen freizustellen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Tätigkeit im
Personalrat erforderlich sind; über die Entsendung eines Personalratsmitglieds
zu einer Schulung entscheidet der Personalrat, die Kosten der Schulung trägt
die Dienststelle (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Das Merkmal der Erforderlich-
keit in § 46 Abs. 6 BPersVG verlangt dabei nach ständiger Rechtsprechung,
dass die Schulung objektiv für die Personalratstätigkeit und subjektiv im Hin-
blick auf das Schulungsbedürfnis des Personalratsmitglieds geboten ist (vgl.
Beschlüsse vom 27. April 1979 - BVerwG 6 P 45.78 - BVerwGE 58, 54 <64 f.>,
vom 25. Juni 1992 - BVerwG 6 P 29.90 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 27,
vom 14. Juni 2006 - BVerwG 6 P 13.05 - BVerwGE 126, 122 <125> = Buchholz
250 § 44 BPersVG Nr. 35 und vom 9. Juli 2007 - BVerwG 6 P 9.06 - Buchholz
250 § 46 BPersVG Nr. 30). Auf § 45 Abs. 3 SBG sind diese Kriterien - insbe-
sondere das des subjektiven Schulungsbedürfnisses - schon deshalb nicht
übertragbar, weil es dort an einem vergleichbaren einschränkenden Tatbe-
standsmerkmal wie dem der Erforderlichkeit in § 46 Abs. 6 BPersVG als An-
knüpfungspunkt fehlt. § 45 Abs. 3 SBG und § 46 Abs. 6 BPersVG unterschei-
den sich zudem grundsätzlich in ihrer Struktur. § 46 Abs. 6 BPersVG stellt eine
Generalklausel dar, unter die Schulungs- und Bildungsveranstaltungen unter-
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schiedlichster Art und Inhalte, Grund- ebenso wie Spezialschulungen, Schulun-
gen im dienstlichen Rahmen ebenso wie Veranstaltungen durch externe Aus-
bildungsträger fallen. Wegen der Weite des Tatbestands bedarf es, auch im
Hinblick auf die Bindung des Personalrats an das Gebot der sparsamen Ver-
wendung öffentlicher Mittel, einschränkender Kriterien, die die Rechtsprechung
in Konkretisierung des Merkmals der Erforderlichkeit entwickelt hat. Dies ist bei
§ 45 Abs. 3 SBG nicht geboten. Der dort geregelte Ausbildungsanspruch ist
nach Berechtigten (Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses),
Verpflichtetem (Bundesministerium der Verteidigung) und Inhalt (Ausbildung für
die Aufgaben unverzüglich nach der Wahl) gesetzlich vollständig bestimmt; die
Kosten der im dienstlichen Rahmen durchzuführenden Schulung halten sich in
überschaubaren Grenzen.
(3) Eine einschränkende Auslegung ist schließlich auch nicht durch Sinn und
Zweck der Vorschrift des § 45 Abs. 3 SBG gefordert.
Bei einem Kollegialorgan wie dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss wird
es stets mehr oder weniger große Unterschiede in den Kenntnissen und Erfah-
rungen der gewählten Mitglieder geben. Insofern ist die Funktion einer gemein-
samen Ausbildung „unverzüglich nach ihrer Wahl“ gerade auch darin zu sehen,
einen Ausbildungsstand unabhängig von dem jeweiligen konkreten
Schulungsbedürfnis herzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei
der Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bei Grundsatzre-
gelungen des Bundesministeriums der Verteidigung im personellen, sozialen
und organisatorischen Bereich (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SBG) um die Vertretung der
Soldaten auf höchster, zentraler Ebene der Bundeswehr handelt; auch bei un-
veränderten rechtlichen oder formalen Rahmenbedingungen unterliegen die
(materiellen) Aufgaben auf dieser Ebene einem ständigen Wandel. Auch dies
spricht dafür und keinesfalls dagegen, alle Mitglieder des Gesamtvertrauens-
personenausschusses in eine einheitliche Ausbildung „für ihre Aufgaben“ ein-
zubeziehen. Ein legitimer Nebenzweck kann schließlich in dem gegenseitigen
Kennenlernen der Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses - im
Vorfeld der konstituierenden Sitzung und der dabei anstehenden internen Or-
ganisationsentscheidungen - bestehen; auch diesem Zweck würden Differen-
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zierungen zwischen den Mitgliedern, etwa nach erstmalig oder wieder Gewähl-
ten, zuwiderlaufen.
Soweit sich Unstimmigkeiten daraus ergeben, dass die Termine für die Wahl
der 35 (originären) Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses
(§ 35 Abs. 1 Satz 1 SBG) und für die Wahl zum Hauptpersonalrat, dessen Sol-
datenvertreter als weitere Mitglieder hinzutreten (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SBG), zeit-
lich auseinanderfallen, können diese Schwierigkeiten jedenfalls nicht durch ge-
setzlich nicht vorgesehene Differenzierungen bei der Erfüllung der Ausbil-
dungspflicht nach § 45 Abs. 3 SBG gelöst werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2
Satz 1 WBO. Im Hinblick auf das etwa gleichgewichtige teilweise Obsiegen und
Unterliegen des Antragstellers werden die notwendigen Auslagen, die ihm im
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsen sind, zur Hälfte dem
Bund auferlegt.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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