Urteil des BVerwG vom 31.01.2007

Anhörung, Vertrauensperson, Disziplinarverfahren, Heilende Wirkung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 16.06
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des stellvertretend die Befugnisse der Vertrauensperson der Offiziere in
Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerde-
ordnung wahrnehmenden Soldatenvertreters im Personalrat der H..., Haupt-
mann ...,
..., ...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
..., ... -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberst i.G. Uchtmann und
Hauptmann Ackermann
als ehrenamtliche Richter
am 31. Januar 2007 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller rügt die Verletzung seiner Beteiligungsrechte als Vertrauens-
person. Er ist Berufssoldat und wird derzeit an der H... in R. verwendet.
Am 12. Mai 2004 wurde er als Soldatenvertreter in den örtlichen Personalrat
(ÖPR) der H... gewählt. Bei der Wahl der Gruppe der Soldaten erhielt er nach
Oberstleutnant (OTL) F. die zweithöchste Stimmenzahl als Offizier. Dieser
nimmt in der Gruppe der Soldaten die Befugnisse der Vertrauensperson der
Offiziere in Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinar- und Wehrbeschwerde-
ordnung gemäß § 52 Abs. 2 SBG wahr; der Antragsteller ist sein Stellvertreter.
Im Rahmen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen einen Offizier der
H... - den bereits erwähnten OTL F. - bat dieser in seiner Vernehmung vom
29. September 2004 um die Beteiligung der Vertrauensperson, nachdem er
dem in den vorangegangenen Vernehmungen vom 10. Juni 2004 und vom
30. Juli 2004 noch widersprochen hatte.
In der am 4. Oktober 2004 vom Kommandeur (Kdr) H... durchgeführten Anhö-
rung des „Soldatensprechers“ des ÖPR stellte der Antragsteller eine schriftliche
Äußerung in Aussicht. Mit Schreiben vom selben Tag äußerte er sich zu Person
und Sachverhalt und bat den Kdr H... gleichzeitig darum, ihn vor einer abschlie-
ßenden Äußerung darüber zu informieren,
- welches besonders schwere Dienstvergehen dem Soldaten (gemeint OTL F.)
vorgeworfen werde,
- worin der „disziplinare Überhang“ liege, der neben der zivilrechtlichen (ge-
meint strafrechtlichen) eine disziplinargerichtliche Verfolgung erforderlich ma-
che,
- warum - für den Fall des Vorliegens eines Dienstvergehens - die Würdigung
im Wege einer einfachen Disziplinarmaßnahme als nicht ausreichend erachtet
werde,
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- ob gegen OTL F. eventuell weitere, dem Antragsteller unbekannte disziplinare
Ermittlungen geführt worden seien, und wenn ja, mit welchem Ergebnis.
Außerdem bat er um Auskunft, wie das Votum des Kdr H... in diesem Fall laute.
Schließlich äußerte er die Bitte, ihm diejenigen Akten zugänglich zu machen,
aus denen der strafrechtliche Vorwurf gegen OTL F. hervorgehe.
Im Rahmen der am 7. Oktober 2004 durch den Kdr H... erfolgten Anhörung
wurde dem Antragsteller Einsicht in die „Ermittlungsakte“ gewährt.
Auf die vom Antragsteller gestellten Fragen antwortete der für das zugrunde
liegende gerichtliche Disziplinarverfahren zuständige Wehrdisziplinaranwalt
(WDA) mit Schreiben vom 15. Oktober 2004, auf dessen Inhalt Bezug genom-
men wird. Die als Einsicht in die Strafakten interpretierte Bitte des Antragstellers
lehnte er mit der Begründung ab, dass die Einsichtsgewährung allein den Straf-
gerichten bzw. den Staatsanwaltschaften obliege.
In dem an den Kdr H... gerichteten Schreiben vom 4. November 2004 nahm der
Antragsteller zu den Äußerungen des WDA Stellung und machte geltend, we-
gen der ihm verweigerten Informationen sei keine ordnungsgemäße Beteiligung
erfolgt; für den Fall einer beabsichtigten Verfahrenseinleitung beanspruche er
diese weiterhin.
Mit Verfügung vom 22. November 2004, die am 30. November 2004 ausgehän-
digt wurde, leitete der Amtschef Heeresamt (AChef HA) daraufhin ein gerichtli-
ches Disziplinarverfahren gegen OTL F. ein.
Mit - am darauf folgenden Tag eingegangenem - Schreiben vom 4. Januar 2005
legte der Antragsteller beim Kdr der H... Beschwerde mit der Begründung ein,
seine Rechte als Vertrauensperson seien missachtet worden. Die Einleitungs-
verfügung gegen OTL F. sei wegen seiner - des Antragstellers - fehlenden An-
hörung zudem „illegal“.
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Mit Bescheid vom 8. Februar 2005, der dem Antragsteller am 14. Februar 2005
ausgehändigt wurde, wies der Inspekteur des Heeres (InspH) die Beschwerde
des Antragstellers zurück.
Dagegen legte der Antragsteller mit am 23. Februar 2005 beim Kdr der H... ein-
gegangenem Schreiben vom 22. Februar 2005 weitere Beschwerde ein.
Auf Weisung des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - an den
AChef HA wurde dem Antragsteller am 16. August 2005 Einsicht in die durch
den WDA beigezogene Strafakte der Staatsanwaltschaft K. gewährt. In seiner
Stellungnahme vom selben Tag äußerte der Antragsteller, dass er zur Zeit kei-
ne Aussage treffen könne, da ihm nicht die Möglichkeit gegeben werde, die
(Straf-)Akte zu kopieren bzw. „aufgrund der Aktenlage“ mit seinem Rechtsan-
walt zu besprechen. Er übergab dabei das an den Kdr H... gerichtete Schreiben
seiner Bevollmächtigten vom 11. Juli 2005, in dem jene beantragt hatten, sie
von dem Zeitpunkt der Gewährung der Akteneinsicht zu informieren und ihnen
ebenfalls Akteneinsicht zu gewähren, gegebenenfalls durch Übersendung von
Kopien. Der AChef HA informierte am 9. September 2005 die Bevollmächtigten
über den Zeitpunkt der gewährten Akteneinsicht, verweigerte ihnen aber Akten-
einsicht in die Strafakte, weil diese weder Bestandteil der Beschwerdeakte noch
im Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers beigezogen worden sei.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005, der am 21. Dezember 2005 zugestellt
wurde, wies der BMVg - PSZ I 7 - die weitere Beschwerde des Antragstellers
zurück.
Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 3. Januar 2006 hat der BMVg
- PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 19. April 2006 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die Verweigerung einer ordnungsgemäßen Anhörung als Vertrauensperson der
Offiziere im Rahmen des Disziplinarverfahrens (gegen OTL F.) sei rechtswidrig.
Seine Rechte auf Bekanntgabe des Sachverhalts vor Anhörung (§ 27 Abs. 3
Satz 1 SBG) sowie auf Einsicht in Unterlagen und Akten (§ 27 Abs. 3 Satz 2
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SBG) seien verletzt worden. Außerdem sei die Verfahrensvorschrift des § 20
SBG missachtet worden.
Die Reichweite der zu erörternden Gegenstände werde durch den konkreten
Beteiligungstatbestand konkretisiert. Nach § 27 Abs. 2 SBG erstrecke sich die
Anhörung der Vertrauensperson auf die Person des betroffenen Soldaten und
den Sachverhalt. Dabei sei klar, dass diese Anhörung nicht der Sachver-
haltsaufklärung diene und damit nicht zu den Sachermittlungen gehöre. Obwohl
die Anhörung nach § 27 Abs. 2 SBG sich im Unterschied zu der Anhörung nach
§ 27 Abs. 1 SBG nicht auf das Disziplinarmaß erstrecken solle, müsse sich vor
dem Hintergrund des Zwecks der Anhörung der Schutzzweck des § 27 Abs. 2
SBG auch auf die Opportunität der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarver-
fahren erstrecken, weil hier nicht die Frage der Qualifizierung der vorgeworfe-
nen Handlung als Dienstvergehen oder des konkret zu findenden Disziplinar-
maßes zur Diskussion stehe, sondern die Frage nach der Notwendigkeit einer
neben der strafgerichtlichen Ahndung zusätzlichen gerichtlichen Disziplinar-
maßnahme. Denn auch die Frage nach einem „disziplinaren Überhang“ und
damit nach der Notwendigkeit einer weiteren, über die strafgerichtliche Ahn-
dung hinausgehenden erzieherischen Einwirkung auf den Soldaten sei Teil der
vor der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens insgesamt zu betrach-
tenden Umstände des Einzelfalles. Indem die Einleitungsbehörde jegliche Aus-
künfte zu diesem Thema verweigert habe, habe sie in unzulässiger Weise die
Anhörungsrechte des Antragstellers beschnitten.
Da die Anhörung nach § 27 Abs. 2 SBG notwendiger Teil des Verfahrens sei,
der noch vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu erfolgen ha-
be, könne sie auch nicht nachgeholt und der Verfahrensmangel dadurch geheilt
werden. Daher sei auch eine Nachholung der Einsicht in die Strafakte nach Ein-
leitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht mehr möglich gewesen.
Er, der Antragsteller, habe auch ein berechtigtes Interesse an der beantragten
gerichtlichen Feststellung, weil aufgrund der in den angegriffenen Bescheiden
vertretenen Rechtsauffassung sowohl des InspH als auch des BMVg eine hin-
reichend konkrete Wiederholungsgefahr hinsichtlich ähnlich gelagerter Fälle
bestehe.
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Der Antragsteller beantragt,
1. die Beschwerdebescheide des InspH vom 8. Februar
2005 und des BMVg vom 15. Dezember 2005 aufzuheben
und
2. festzustellen, dass der AChef HA sein - des Antragstel-
lers - Beteiligungsrecht in seiner Eigenschaft als Vertrau-
ensperson dadurch verletzt hat, dass er ihn vor der Ent-
scheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Diszipli-
narverfahrens gegen einen Offizier der H... in seiner Ei-
genschaft als Vertrauensperson dieses Offiziers nicht
rechtzeitig und umfassend unterrichtet und nicht zur Not-
wendigkeit der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarver-
fahrens angehört hat.
Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der fristgerechte Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei nur teilweise zuläs-
sig. Hinsichtlich des Anspruchs auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung
liege mangels Beschwer kein berechtigtes Feststellungsinteresse vor. Was die
zunächst vorenthaltene Einsichtnahme in die Strafakte des OTL F. betreffe, sei
abgeholfen worden. Dem Antragsteller als zuständiger Vertrauensperson sei
auch die Möglichkeit zur erneuten Stellungnahme eingeräumt worden. Dass der
Antragsteller schließlich keine sachliche Stellungnahme mehr abgegeben habe,
sei demgegenüber unschädlich und gebe lediglich einen Hinweis darauf, dass
die zusätzlichen Informationen offenbar keinen Anlass gegeben hätten, weitere
Ausführungen zum Sachverhalt, aus dem sich das Dienstvergehen ergebe, in
das Verfahren einzuführen.
Ein Feststellungsinteresse alleine daran, dass diese Unterrichtung nicht „recht-
zeitig“ - d.h. nicht vor der Einleitungsverfügung des AChef HA - erfolgt sei, be-
stehe nicht, weil diese Feststellung nicht geeignet sei, dem Antragsteller einen
rechtlichen Vorteil zu verschaffen.
Der anfängliche Verfahrensfehler hinsichtlich der Einsichtnahme in die Strafak-
ten sei im Anhörungsverfahren durch eine spätere Einsichtnahme nach Einlei-
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tung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens mit der Möglichkeit der Stellung-
nahme beseitigt worden.
Der Verfahrensbevollmächtigte verkenne in seiner Argumentation zur Verlet-
zung der § 4 Satz 1 und 2 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO, § 27 Abs. 3 SBG,
dass die Einleitungsverfügung des AChef HA als Einleitungsbehörde keinen ein
bestimmtes Verfahren förmlich abschließenden Rechtsakt enthalte, sondern
lediglich eine nicht anfechtbare Prozesshandlung darstelle, die keineswegs
zwingend zur Durchführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens führen müs-
se. Daher könnten auch nach der Einleitungsverfügung etwa im Wege einer
nachgeholten Anhörung der Vertrauensperson bekannt werdende Gesichts-
punkte noch Eingang in das Verfahren finden, dem Soldaten zur Kenntnis ge-
bracht werden und etwa zur Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens
führen oder in der Anschuldigungsschrift berücksichtigt werden. Ein Ausschluss
der Heilungsmöglichkeit würde weder der Vertrauensperson noch dem vom
gerichtlichen Disziplinarverfahren betroffenen Soldaten eine verfahrensrechtli-
che oder materiellrechtliche Besserstellung verschaffen, so dass diese Auffas-
sung lediglich auf einen Rechtsformalismus hinausliefe. Sie führe zu Verzöge-
rungen des Verfahrensablaufs und sei zudem wegen des laufenden Förde-
rungs- und Beförderungsverbots nach Nr. 135 ZDv 20/7 für den Soldaten
nachteilig. Es gebe auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dahingehend,
dass jeder Verfahrensfehler zwingend zur unheilbaren Rechtswidrigkeit des
gesamten Verfahrens führen müsse.
Der Antrag sei im Übrigen aber auch offensichtlich unbegründet. Der Bescheid
des BMVg - PSZ I 7 - über die weitere Beschwerde sei rechtmäßig und verletze
den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Die formellen Voraussetzungen an eine Anhörung seien beachtet worden. Der
Antragsteller habe alle notwendigen Informationen und ausreichend Gelegen-
heit zu einer Stellungnahme gehabt. Das Schreiben des WDA vom 29. Juli
2004 habe bereits inhaltsgleich den gegen OTL F. erhobenen Vorwurf enthal-
ten, so dass eine Eröffnung des Entwurfs der Einleitungsbehörde weder sach-
lich notwendig noch rechtlich geboten gewesen sei. Soweit der Antragsteller
selbst auf die Mündlichkeit des Anhörungsverfahrens verzichtet und ein schrift-
liches Verfahren gewählt habe, sei dem im Rahmen der Anhörung entsprochen
worden. Mit Schreiben des WDA vom 15. Oktober 2004 habe er eine Antwort
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zu seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2004 erhalten, so dass seine Einwen-
dungen erörtert worden seien. Daraufhin sei ihm eine weitere Möglichkeit zur
Stellungnahme eingeräumt worden, die er mit seinem Schreiben vom
4. November 2004 auch wahrgenommen habe.
Auch die Wiederaufnahme des Anhörungsverfahrens im Rahmen der Abhilfe-
gewährung habe den Verfahrensvorgaben des § 20 SBG entsprochen. Die
Möglichkeit zur Stellungnahme habe der Antragsteller nicht genutzt. Die ge-
nannten Gründe für eine Weigerung könnten nicht der anhörenden Stelle zuge-
rechnet werden. Dass seine Verfahrensbevollmächtigten an dem Termin nicht
teilgenommen haben, habe der Antragsteller zu vertreten, weil der Termin mit
ihm abgestimmt gewesen sei. Darüber hinaus habe den Verfahrensbevollmäch-
tigten aber auch kein eigenes Akteneinsichtsrecht in die Strafakte des OTL F.
zugestanden. Dieser habe lediglich ein Mandat zur Durchsetzung des verfah-
rensrechtlichen Anspruchs auf Durchsetzung des Unterrichtungsanspruchs im
Rahmen der Anhörung des Antragstellers. Die Stellungnahme im Anhörungs-
verfahren stelle aber eine höchstpersönliche Handlung des Antragstellers dar,
die unmittelbar seinem Mandat als Vertrauensperson entspringe.
Die Rechtsansicht der Verfahrensbevollmächtigten, es habe keine Anhörung
stattgefunden, weil die Maßnahme wegen des Betreibens von bloßen Vorermitt-
lungen nicht im Sinne des Gesetzes „beabsichtigt“ gewesen sei, sei irrig. Be-
reits mit Schreiben des WDA an den Kdr H... vom 29. Juli 2004 sei mitgeteilt
worden, dass die Absicht der Einleitungsbehörde bestehe, gegen OTL F. ein
gerichtliches Disziplinarverfahren wegen einer strafrechtlichen Verurteilung
durch das Amtsgericht Rendsburg einzuleiten und den Antragsteller gegebe-
nenfalls unter Einblick in die entsprechenden Unterlagen gemäß § 27 Abs. 2
SBG anzuhören. Der Antragsteller selbst habe seine Stellungnahme vom
4. Oktober 2004 damit eingeleitet, dass ihm dies bekannt gegeben worden sei.
Außerdem habe er darin konzediert, dass seine Anhörung zur beabsichtigten
Einleitung erfolgt sei, und demzufolge seinen Standpunkt zur Einleitung vertre-
ten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers habe zu den in dessen Stel-
lungnahme vom 4. November 2004 geäußerten Ansichten keine Erörterungs-
pflicht mehr bestanden, weil die Äußerungen der Vertrauensperson lediglich
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eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts und Ausführungen zur Notwendig-
keit der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens beinhalteten. Das
gelte auch für die rechtlichen Hinweise auf die Bindungswirkung des Strafbe-
fehls, auf einen notwendigen Vollbeweis hinsichtlich der OTL F. vorgeworfenen
Handlungsweise sowie für die aufgeworfenen Fragen, warum gegen diesen
Soldaten entgegen dem Votum des Kdr H... ein gerichtliches Disziplinarverfah-
ren eingeleitet worden sei und worin der disziplinare Überhang bestehe. Die
rechtlichen Bewertungen des Sachverhalts unterlägen keiner Erörterungspflicht,
weil diese nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 SBG und damit nach dem aus-
drücklichen Willen des Gesetzgebers sowie der Gesetzessystematik nicht Teil
der Anhörung zum Sachverhalt und zur Person seien. Im Hinblick auf die Not-
wendigkeit der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens sehe Nr. 238
Abs. 4 ZDv 10/2 lediglich ein Äußerungsrecht vor, das ebenfalls keine Erörte-
rungspflicht im Rahmen der Anhörung auslöse. Die Verfahrensvorschrift des
§ 20 SBG sei zum materiellen Anhörungstatbestand des § 27 Abs. 2 SBG ak-
zessorisch, so dass ein Anknüpfungspunkt für eine Erweiterung des Anhö-
rungstatbestandes daher auch nicht in Nr. 238 Abs. 4 ZDv 10/2 begründet sei.
Die Zentrale Dienstvorschrift könne nur außerhalb des förmlichen Anhörungs-
rechts eine Äußerungsmöglichkeit gewähren. Die Anhörungstatbestände seien
abschließend im Gesetz geregelt.
Aus den vorgenannten Gründen sei auch die Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 20. Juni 2004 - 1 WB 60.04 - nicht einschlägig. Das Informa-
tionsrecht setze den dazugehörigen Beteiligungstatbestand voraus; die vorge-
tragenen Fragestellungen bewegten sich aber außerhalb des § 27 Abs. 2 SBG.
Mit Urteil vom 26. April 2006 verhängte das Truppendienstgericht Nord
- 9. Kammer - gegen OTL F. ein Beförderungsverbot für die Dauer von
zwölf Monaten, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwan-
zigstel für acht Monate. Dagegen hat der Soldat Berufung eingelegt. Das Beru-
fungsverfahren ist derzeit beim 2. Wehrdienstsenat (BVerwG 2 WD 11.06)
an-
hängig.
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Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie auf die Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des
BMVg - PSZ I 7 - 4/06 - lag dem Senat bei der Beratung vor.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
Der Antragsteller hat allerdings den richtigen Rechtsweg beschritten. Beruft sich
der bei einer Dienststelle der Bundeswehr gebildete Personalrat auf eine Be-
hinderung in seinen Beteiligungsrechten in Angelegenheiten, die nur die Solda-
ten betreffen (§ 52 Abs. 1 Satz 1 SBG), so ist der Rechtsweg zu den Wehr-
dienstgerichten gegeben (Beschlüsse vom 1. November 2001 - BVerwG 6 P
10.01 - BVerwGE 115, 223 <230> = Buchholz 252 § 52 SBG Nr. 2 und vom
24. März 2004 - BVerwG 1 WB 33.03 - PersV 2005, 273). Diese Vorausset-
zung, die wegen der ebenfalls nur Soldaten betreffenden Fragen der Wehrdis-
ziplinar- und Wehrbeschwerdeordnung entsprechend für die Fälle des § 52
Abs. 2 SBG gilt, liegt hier vor. Denn der Antragsteller, der hinter OTL F. als
nächster Soldatenvertreter der Offiziere im ÖPR H... die Befugnisse der Ver-
trauensperson der Offiziere in Vertretung wahrgenommen hat, macht geltend, in
eigenen Beteiligungsrechten in einer Angelegenheit verletzt worden zu sein, die
- wie die Anhörung vor Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ge-
gen einen Soldaten gemäß § 27 Abs. 2 SBG - nur Soldaten betrifft.
Der Antrag, (isoliert) die Beschwerdebescheide des InspH vom 8. Februar 2005
und des BMVg vom 15. Dezember 2005 aufzuheben (Antrag zu 1), ist jedoch
unzulässig. Eine isolierte Anfechtung von Beschwerdebescheiden kann nur
dann in Betracht kommen, wenn diese Bescheide gegenüber der ursprüngli-
chen Maßnahme eine zusätzliche selbständige Beschwer enthalten (vgl. § 79
Abs. 2 VwGO). Das damit für die selbständige Anfechtung von Beschwerdebe-
scheiden zu fordernde besondere Rechtsschutzinteresse hat der Antragsteller
in einer näherer Prüfung bedürfenden Weise darzulegen (stRspr, vgl. u.a. Be-
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schluss vom 11. April 1989 - BVerwG 1 WB 180.88 -). Daran fehlt es hier. Es ist
nicht ersichtlich, aus welchem Grund der anwaltlich vertretene Antragsteller
durch die Beschwerdebescheide - über die mit der Beschwerde angegriffene
ursprüngliche (belastende) Maßnahme/Unterlassung des AChef HA hinaus, die
er mit dem Anfechtungsantrag hätte angreifen können, solange eine Erledigung
nicht eingetreten war - selbständig beschwert sein sollte.
Abgesehen davon könnte er mit seinem gestellten Antrag auf Aufhebung der
Beschwerdebescheide sein Begehren, Verstöße gegen Beteiligungsrechte nach
dem Soldatenbeteiligungsgesetz im Zusammenhang mit der Einleitung eines
gerichtlichen Disziplinarverfahrens geltend zu machen, ohnehin nicht erreichen,
so dass es ihm insoweit auch an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Hinsicht-
lich der von ihm angeführten Mängel der Anhörung ist einschlägige Antragsart,
wenn die Nachholung einzelner Maßnahmen begehrt wird und diese noch mög-
lich ist, vielmehr ein Verpflichtungsantrag oder - wie vorliegend - der Feststel-
lungsantrag, wenn sich die betreffende Maßnahme bereits erledigt hat, aber ein
Feststellungsinteresse gegeben ist.
Der Feststellungsantrag (Antrag zu 2) ist nur teilweise zulässig, im Übrigen je-
doch unbegründet.
Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen OTL F., zu dessen Einleitung der
Antragsteller - als der stellvertretend die Befugnisse der Vertrauensperson der
Offiziere in Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinar- und Wehrbeschwerde-
ordnung wahrnehmende Soldatenvertreter im ÖPR H... - gemäß § 4 WDO
i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG anzuhören war, ist bereits in erster Instanz abgeschlos-
sen, so dass die Ermessensentscheidung des AChef HA zur Verfahrenseinlei-
tung im Nachhinein nicht mehr durch eine ergänzte oder neu vorgenommene
Anhörung beeinflusst werden könnte. Die (grundsätzlich) beteiligungspflichtige
Maßnahme hat sich damit durch Zeitablauf erledigt. Diesem Umstand hat der
Antragsteller dadurch Rechnung getragen, dass er einen Feststellungsantrag
formuliert hat.
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Erledigt sich eine beteiligungsfähige oder -pflichtige Maßnahme, kann die Ver-
trauensperson - bzw. der gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Absatz 2 SBG die
Befugnisse der Vertrauensperson wahrnehmende Soldatenvertreter im Perso-
nalrat - zur nachträglichen Klärung der möglichen Verletzung ihres Beteiligungs-
rechts ihr Fortsetzungsfeststellungsinteresse auf eine mögliche Wiederholungs-
gefahr stützen. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen den Verfahrensbeteilig-
ten mit einiger Wahrscheinlichkeit auch künftig Streit über das geltend gemach-
te Beteiligungsrecht auftreten wird und der Feststellungsantrag deshalb unter
Berücksichtigung der Wiederholungsgefahr als richtungsweisend für die Zukunft
verstanden werden kann (vgl. Beschluss vom 24. März 2004 a.a.O.). Erforder-
lich ist insoweit, dass der Antragsteller über einen bestimmten Beteiligungsein-
zelfall hinaus die Klärung der dahinter stehenden personalvertretungsrechtli-
chen Frage anstrebt. Dieses Rechtsschutzbegehren kann sich unmittelbar aus
dem Feststellungsantrag oder - im Wege der Auslegung - aus seinem sonstigen
Antragsvorbringen ergeben. Dem Antragsteller obliegt insoweit eine Darle-
gungslast (zuletzt Beschluss vom 9. März 2006 - BVerwG 1 WB 14.05 -
m.w.N.).
Soweit der Antragsteller allerdings hier geltend macht, ihm sei als Vertrauens-
person nicht oder nicht rechtzeitig Einsicht in die Strafakten gewährt worden,
fehlt ihm insoweit das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Diese Einsichtnah-
me ist ihm zwischenzeitlich auf Weisung des BMVg - PSZ I 7 - gewährt worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann im Falle einer Erledigung des
ursprünglichen Rechtschutzbegehrens ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse
auf ein Rehabilitierungsinteresse, auf eine Wiederholungsgefahr oder auf die
Absicht gestützt werden, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen,
sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; zusätzlich kann
sich - unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) -
ein berechtigtes Feststellungsinteresse jedenfalls daraus ergeben, dass die er-
ledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung
nach sich zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 -
BVerwGE 119, 341 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 und vom 14. Juli 2005
- BVerwG 1 WB 66.04 - NZWehrr 2006, 157 je-
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weils m.w.N.). Ein solches Feststellungsinteresse muss der jeweilige An-
tragsteller spezifiziert darlegen.
Die vom Antragsteller insoweit allein geltend gemachte Wiederholungsgefahr ist
nicht dargetan und nicht ersichtlich. Sie setzt voraus, dass die konkret absehba-
re Möglichkeit besteht, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige
Entscheidung (oder Unterlassung) zu Lasten des Antragstellers zu erwarten ist
(Beschlüsse vom 22. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 1.05 - Buchholz 236.1 § 28 SG
Nr. 6 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 1 WB 17.06 -). Diese Bedingung ist
hier nicht erfüllt. Die zunächst vorenthaltene Einsichtnahme in die Strafakte ist
auf Weisung des BMVg - PSZ I 7 - nachträglich gewährt worden. Zugleich ist
eine erneute Anhörung der Vertrauensperson durchgeführt worden. Da der
BMVg auch im Beschwerdebescheid vom 15. Dezember 2005 klargestellt hat,
dass die Akteneinsicht hätte gewährt werden müssen, ist davon auszugehen,
dass sich die gleiche Situation nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit er-
neut stellen wird. Gegenteiliges lässt auch das Vorbringen des Antragstellers
nicht erkennen.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur nachträglichen Klärung der mögli-
chen Verletzung seines Beteiligungsrechts hat der Antragsteller auch hinsicht-
lich der Frage nicht dargetan, ob die nach Einleitung des gerichtlichen Diszipli-
narverfahrens gegen OTL F., aber vor Einreichung der Anschuldigungsschrift
beim Truppendienstgericht erfolgte nachträgliche Anhörung noch heilende Wir-
kung hatte oder ob das gerichtliche Disziplinarverfahren mit einem unheilbaren
Verfahrensmangel behaftet ist. Diese Frage betrifft nur die Rechtsstellung des
von dem gerichtlichen Disziplinarverfahren betroffenen Soldaten OTL F. Sie
begründet aber für die Vertrauensperson bzw. den deren Funktion wahrneh-
menden Soldatenvertreter im Personalrat kein Feststellungsinteresse.
Soweit es dem Antragsteller ursprünglich auch um die Klärung der Frage ging,
ob auch seinen Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht hätte gewährt wer-
den müssen, hat er diese Frage in der Begründung des Antrags auf gerichtliche
Entscheidung nicht mehr aufgegriffen und insoweit auf die substantiierte Darle-
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gung eines Feststellungsinteresses verzichtet. Sie ist damit nicht Gegenstand
des gerichtlichen Verfahrens.
Der Antragsteller hat jedoch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargetan,
soweit es ihm um eine über den vorliegenden Fall hinausreichende Klärung des
Umfangs des Anhörungsrechts der Vertrauensperson bzw. des Soldatenvertre-
ters im Personalrat im Bereich der (gerichtlichen) Ahndung von Dienstvergehen
geht. Neben der Klärung der Reichweite des Anspruchs auf rechtzeitige und
umfassende Unterrichtung i.S.d. § 18 Abs. 3 Satz 2, § 20 Satz 1 SBG begehrt
er eine Entscheidung über die vom Senat in seinem Beschluss vom
25. November 2004 - BVerwG 1 WB 3.04 - als nicht geklärt bezeichnete
Rechtsfrage, ob die Opportunität der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinar-
verfahrens in den Gegenstand der Anhörung i.S.d. § 27 Abs. 2 SBG einzube-
ziehen sei. Wegen der Grundsätzlichkeit dieser Fragen ist es wahrscheinlich,
dass sie in Zukunft bei beabsichtigten Disziplinarmaßnahmen gegen Offiziere
der H... wieder eine Rolle spielen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Frage
der Reichweite des Unterrichtungsanspruchs auch das - häufiger auftretende -
einfache Disziplinarverfahren betrifft und damit gleichzeitig für die Anhörung
nach § 27 Abs. 1 SBG relevant werden kann.
Der Antragsteller hat auch die Antragsfrist des § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 21
Abs. 2 Satz 1 WBO eingehalten.
Der insoweit zulässige Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.
Eine Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers durch den AChef HA
liegt nicht vor. Sie ist schon deshalb zu verneinen, weil der AChef HA für die
Anhörung im vorliegenden Fall nicht zuständig war und infolgedessen von ihm
diesbezüglich keine Rechtsverletzung ausgehen konnte. Anhörungspflichtige
Stelle war hier vielmehr - in eigener Zuständigkeit, nicht im Wege einer Delegie-
rung von Seiten der Einleitungsbehörde oder des WDA - der Kdr H... als
Dienststellenleiter gegenüber dem ÖPR H...
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Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 52 Abs. 1 SBG, die die Beteiligungs-
rechte der Soldaten für Dienststellen regelt, in denen Soldaten Personalvertre-
tungen gewählt haben. Während Satz 1 der Vorschrift regelt, dass in „Angele-
genheiten, die nur Soldaten betreffen“, die Soldatenvertreter die Befugnisse der
Vertrauensperson haben, wird durch die in Satz 2 erfolgte Verweisung auf § 7
BPersVG bestimmt, dass für die Dienststelle ihr Leiter oder nach Maßgabe der
näheren Regelung dessen Vertreter handelt.
Der Gesetzgeber hat mit § 52 Abs. 1 Satz 2 SBG eine abschließende Zustän-
digkeitsregelung für die Anwendung des Soldatenbeteiligungsgestzes in den
Dienststellen getroffen, in denen - wie im vorliegenden Fall bei der H... - Solda-
tenvertreter in die Personalräte gewählt werden. Durch die Vorgabe des § 52
Abs. 1 Satz 2 SBG sind im Anwendungsbereich der Vorschrift nach Maßgabe
des § 7 BPersVG die im Soldatenbeteiligungsgesetz sonst vorgesehenen Zu-
ständigkeitsregelungen spezialgesetzlich derogiert.
Die Absicht des AChef HA, gegen OTL F. ein gerichtliches Disziplinarverfahren
einzuleiten, stellte eine Angelegenheit dar, die nur die Soldaten betrifft (§ 52
Abs. 1 Satz 1 SBG). Dazu zählen (u.a. auch) die in § 52 Abs. 2 SBG erwähnten
Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinar- und Wehrbeschwerdeordnung.
Denn dabei handelt es sich lediglich um einen Unterfall des Absatzes 1 (vgl.
Beschluss vom 1. November 2001 a.a.O.). Während in allen anderen Fällen,
die nur Angelegenheiten der Soldaten betreffen, gemäß § 52 Abs. 1 SBG die
Beteiligungsrechte der Vertrauensperson durch die Soldatenvertreter im Perso-
nalrat insgesamt als Gruppenangelegenheit wahrzunehmen sind, sieht § 52
Abs. 2 SBG für Verfahren nach der Wehrdisziplinar- und der Wehrbeschwerde-
ordnung eine besondere Zuständigkeit einzelner Mitglieder der Soldatengruppe
vor.
Der Gesetzgeber ging bei dieser Sonderregelung des § 52 Abs. 2 SBG von der
Annahme aus, dass (Wehr-)Disziplinar- und -beschwerdesachen einer beson-
deren Vertraulichkeit bedürfen und daher nicht im Plenum des Personalrats er-
örtert werden sollen (BTDrucks 13/5740 S. 22 zu § 52 Abs. 2 SBG; vgl. dazu
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u.a. Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundes-
wehr, 5. Aufl. 2005, § 52 Rn. 19).
Die Absicht des Gesetzgebers, eine Beratung der in § 52 Abs. 2 SBG genann-
ten Angelegenheiten im Personalratsplenum aus Gründen eines wirksamen
Persönlichkeits- und Datenschutzes durch ausschließliche Übertragung der Be-
fugnisse der Vertrauensperson an den zuständigen Laufbahnvertreter auszu-
schließen, berührt nicht die Frage, wer anhörungspflichtige Stelle ist. Die in § 52
Abs. 2 SBG getroffene Sonderregelung hinsichtlich der Bestimmung der anzu-
hörenden Stelle („derjenige Vertreter der Soldaten im Personalrat …, der der
entsprechenden Laufbahngruppe angehört und der bei der Verhältniswahl in
der Reihenfolge der Sitze die höchste Teilzahl, bei der Personenwahl die
höchste Stimmenzahl erreicht hat. …“) ändert nichts an den in § 52 Abs. 1 SBG
getroffenen Regelungen hinsichtlich der Befugnisse der anhörungsberechtigten
Stelle (Satz 1) sowie hinsichtlich der anhörungspflichtigen Stelle (Satz 2 i.V.m
§ 7 BPersVG). Denn § 52 Abs. 2 SBG trifft, wie sich schon aus dem Wortlaut
ergibt, keine Sonderregelung dazu, welche Stelle zur Anhörung des Soldaten-
vertreters in Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinar- und der Wehrbe-
schwerdeordnung verpflichtet ist. Es bleibt damit bei der in § 52 Abs. 1 Satz 2
SBG i.V.m. § 7 BPersVG normierten Verantwortlichkeit des Dienststellenleiters.
Einer Anwendung des § 52 Abs. 1 Satz 2 SBG auch auf die von Abs. 2 erfass-
ten „Angelegenheiten eines Soldaten nach der Wehrdisziplinarordnung oder der
Wehrbeschwerdeordnung“ kann nicht entgegengehalten werden, der Gesetz-
geber habe das Auseinanderfallen von anhörungspflichtiger Stelle - hier also:
Dienststellenleiter oder dessen Vertreter - und entscheidender Stelle - hier also:
Einleitungsbehörde - vermeiden wollen. Dies ergibt sich schon daraus, dass
auch in allgemeinen Personalangelegenheiten die Zuständigkeit für die Anhö-
rung einerseits und für die Personalentscheidung andererseits auseinanderfal-
len können (vgl. dazu u.a. Beschluss vom 20. Juni 2005 - BVerwG 1 WB
60.04 - Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1). Zudem werden in der Praxis die Anhö-
rungen nach § 27 Abs. 2 SBG ohnehin üblicherweise delegiert (vgl. dazu u.a.
Beschluss vom 31. August 1998 - BVerwG 2 WDB 1.98 - BVerwGE 113, 259
<262> = Buchholz 235.0 § 86 WDO Nr. 2 = NZWehrr 1998, 250).
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Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Wehrdisziplinarordnung. Die Vor-
schrift des § 4 WDO, die sich mit der Beteiligung der Vertrauensperson befasst,
ordnet in Satz 1 (u.a.) die Geltung des Anhörungstatbestandes des § 27 SBG
an. In dessen Absatz 2 ist aber nicht bestimmt, wer die Anhörung der Vertrau-
ensperson - bzw. hier des zuständigen Soldatenvertreters im Personalrat, der
deren Befugnisse ausübt - vorzunehmen hat.
Auch Nr. 238 ZDv 10/2, wonach die Anhörung im gerichtlichen Disziplinarver-
fahren durch die Einleitungsbehörde zu erfolgen hat, steht dieser Auslegung
nicht entgegen. Nr. 238 ZDv 10/2 stellt lediglich auf den Normalfall der Anhö-
rung einer Vertrauensperson ab, ohne auf den Sonderfall der Anhörung im Fall
des Bestehens einer Personalvertretung mit Soldatenvertretern einzugehen, für
den nach § 52 SBG besondere Regeln gelten. Unabhängig davon könnte eine
Verwaltungsvorschrift den Inhalt einer auslegungsbedürftigen Rechtsnorm oh-
nehin nicht verbindlich bestimmen.
Aus den letztgenannten Erwägungen stellt die vorliegende Entscheidung auch
keinen Widerspruch zu den Ausführungen des 2. Wehrdienstsenats in seinem
Beschluss vom 31. August (a.a.O.) dar, wonach die Anhörung nach § 27 Abs. 2
SBG grundsätzlich durch die Einleitungsbehörde erfolgt, aber auf den WDA und
von diesem auf den nächsten Disziplinarvorgesetzten des Soldaten delegiert
werden darf. Dieser Entscheidung lag nicht ein von § 52 Abs. 1 SBG erfasster
Sonderfall zugrunde, über den hier zu entscheiden ist.
Danach wäre im vorliegenden Falle der beabsichtigten Einleitung eines gericht-
lichen Disziplinarverfahrens gegen OTL F. für die von diesem beantragte Anhö-
rung des Soldatenvertreters - und damit des Antragstellers - der Kdr H... zu-
ständig gewesen, und zwar kraft eigener Zuständigkeit, nicht kraft Delegation
(vgl. aber Vorbem. Nr. 3 ZDv 10/2 und dem folgend Stauf, Wehrrecht I, 2002,
§ 52 SBG Rn. 4). Eine Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers
durch eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung hätte damit nur durch den Kdr
H... als anhörungspflichtige Stelle erfolgen können. Schon deswegen ist der
Antrag festzustellen, dass der (unzuständige) AChef HA die Beteiligungsrechte
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des Antragstellers verletzt habe, unbegründet. Die Feststellung einer Verlet-
zung der Beteiligungsrechte des Antragstellers durch den Kdr H... ist nicht Ge-
genstand des vorliegenden Verfahrens.
Eine Umdeutung des Antrags in dem Sinne, dass auch oder ausschließlich die
Frage der Verletzung von Beteiligungsrechten durch den Kdr H... Verfahrens-
gegenstand sein soll, kommt nicht in Betracht, da der - anwaltlich vertretene -
Antragsteller sein Antragsbegehren eindeutig in der vorliegenden Weise formu-
liert hat und damit kein Raum für eine Auslegung ist.
Der Feststellungsantrag ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Von einer Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten wird abgesehen,
weil der Senat die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2
Satz 1 WBO nicht für gegeben erachtet.
Golze Dr. Frentz Dr. Deiseroth
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