Urteil des BVerwG vom 23.11.2010

Leiter, Chef, Stellvertreter, Anfechtung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 12.10
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Czullay und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Striebosch
am 23. November 2010 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen Benachteiligungen wegen der Wahrneh-
mung seines Beschwerderechts gegen ein „gewillkürtes Verwaltungshandeln“.
Er rügt in diesem Zusammenhang unter anderem eine fehlende rechtmäßige
Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2008 sowie die verzögerte und aus
seiner Sicht zersplitterte Bearbeitung mehrerer Beschwerdeverfahren.
Der 1960 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf
des 31. Oktober 2015 enden. Er wurde am 15. August 2002 zum Hauptmann
ernannt und mit Wirkung vom 1. Juli 2006 in eine Planstelle der Besoldungs-
gruppe A 12 eingewiesen. Seit dem 1. Oktober 2006 wird er als Personaloffizier
Streitkräfte bei der …dienststelle … in K… verwendet.
Der Antragsteller wurde am 8. Januar 2004 zum Vorlagetermin 31. März 2004
planmäßig beurteilt. Aus Anlass seines Antrags auf Wechsel in die Laufbahn
der Offiziere des Truppendienstes wurde für ihn auf Anforderung der personal-
bearbeitenden Stelle am 17. Oktober 2006 eine Sonderbeurteilung erstellt.
Am 7. März 2008 wurde der Antragsteller zum Vorlagetermin 31. März 2008
planmäßig beurteilt. Gegen diese Beurteilung beantragte er nach erfolglosem
Beschwerdeverfahren am 27. Oktober 2008 die Entscheidung des Truppen-
dienstgerichts (Az.: N 1 BLa 3/09). Während des gerichtlichen Verfahrens hob
der Leiter der …dienststelle die angefochtene Beurteilung mit Verfügung vom
10. März 2009 gemäß Nr. 901 ZDv 20/6 mit der Begründung auf, sie umfasse
nicht den vollständigen Beurteilungszeitraum; sie dürfe sich nicht nur auf den
Zeitraum ab der Sonderbeurteilung, sondern müsse sich auf den Zeitraum seit
der letzten planmäßigen Beurteilung (8. Januar 2004) erstrecken. Das gerichtli-
che Antragsverfahren wurde daraufhin nach Mitteilung des Stellvertreters des
Generalinspekteurs und Inspekteurs der Streitkräftebasis durch Beschluss des
Truppendienstgerichts Nord vom 8. Juli 2009 eingestellt.
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Mit Schreiben vom 10. April 2009 beantragte der Antragsteller die Anerkennung
seiner Sonderbeurteilung vom 17. Oktober 2006 als Ersatz für eine planmäßige
Beurteilung. Diesen Antrag lehnte das Personalamt der Bundeswehr mit Be-
scheid vom 15. Mai 2009 ab. Dagegen hat der Antragsteller ausweislich der
vorgelegten Akten keine Beschwerde eingelegt.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 hatte der Antragsteller beim Stellvertreten-
den Leiter und Chef des Stabes der …dienststelle Beschwerde eingelegt und
beanstandet, er werde wegen der Wahrnehmung seines Beschwerderechts
gegen ein „gewillkürtes Verwaltungshandeln“ benachteiligt. Zur Begründung
führte er aus, er habe seine letzte bestandskräftige planmäßige Beurteilung am
8. Januar 2004 erhalten. Für den Zeitraum ab 17. Oktober 2006 sei die plan-
mäßige Beurteilung vom 7. März 2008 erstellt worden. Gegen diese - nach dem
neuen Beurteilungssystem abgefasste - Beurteilung habe er im Beschwerde-
verfahren erhebliche rechtliche Bedenken geäußert. Das Beschwerdeverfahren
und das anschließende truppendienstgerichtliche Verfahren seien durch wie-
derholte Verzögerungen gekennzeichnet gewesen. Auf sein Auskunftsbegeh-
ren, welche Beurteilung für die Perspektivkonferenz sowie für das Verwen-
dungs- und Beförderungsauswahlverfahren 2008 herangezogen und wie der
Zeitraum vom 8. Januar 2004 bis zum 17. Oktober 2006 berücksichtigt werde,
habe er lediglich eine Eingangsbestätigung des Personalamtes erhalten. Ange-
sichts der Länge des Beurteilungszeitraums, der der Sonderbeurteilung vom
17. Oktober 2006 zugrunde liege, sei ihm die im Bescheid des Personalamts
vom 4. Dezember 2008 getroffene Aussage unverständlich, dass über seine
individuelle Förderperspektive nicht zweifelsfrei entschieden werden könne.
Das Personalamt hatte dem Antragsteller mit Bescheid vom 4. Dezember 2008
mitgeteilt, dass ihm in der Perspektivkonferenz der Offiziere des militärfachli-
chen Dienstes im Jahr 2008 die individuelle Förderperspektive „Z“ (Zurückstel-
lung) zuerkannt worden sei.
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Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete den Rechtsbehelf vom
29. Januar 2009 als Beschwerde gegen die Mitteilung vom 4. Dezember 2008
und wies die Beschwerde mit Beschwerdebescheid vom 2. Juni 2009 als unzu-
lässig zurück.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2009 beantragte der Antragsteller eine Änderung
dieses Beschwerdebescheides und führte aus, seine Beschwerde sei nicht ge-
gen die Mitteilung über seine individuelle Förderperspektive gerichtet gewesen,
sondern gegen seine Benachteiligung wegen Wahrnehmung seines Beschwer-
derechts gegen ein „gewillkürtes Verwaltungshandeln“. Seine Eignung, Befähi-
gung und Leistung würden nicht rechtmäßig beurteilt; die Erstellung einer neu-
en Beurteilung werde offensichtlich verzögert. Aufgrund seiner Beschwerdever-
fahren könne er benachteiligt und in seinem beruflichen Fortkommen behindert
werden.
Auf Aufforderung des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü S/RB - vom
10. Juli 2009 konkretisierte der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Juli 2009
die Vorgesetzten bzw. Dienststellen und die Maßnahmen bzw. Unterlassungen,
durch die er sich in seinen Rechten beeinträchtigt sehe, wie folgt:
„1. Fehlende rechtmäßige Beurteilung zum Vorlagetermin
31.03.2008.
a) Mein nächster Beurteilender (ggf. Verantwortlicher für
aktuelle Weisungslage).
b) Aktuell ist mir die Neuerstellung meiner planmäßigen
Beurteilung zum Vorlagetermin 31.03.2008 noch nicht
einmal im Entwurf ausgehändigt worden. Diese Beur-
teilung hätte unmittelbar nach Bestandskraft für Aus-
wahlverfahren herangezogen und seit dem
01.10.2008 für Beförderungsverfahren wirksam wer-
den müssen. Ich verweise auf den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts - 1. Wehrdienstsenat -
1 WB 48.07 vom 26.05.2009, wonach ,auch nicht für
eine Übergangszeit das Fehlen der erforderlichen
normativen Grundlage (hier Zentrale Dienstvorschrift
20/6) hinzunehmen ist’ und ,insbesondere kein Zu-
stand (Anm.: durch diesen Beschluss) entsteht, in
dem dienstliche Beurteilungen von Soldaten entgegen
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Soldatenlaufbahnverordnung unter-
bleiben müssten’.
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2. Verzögerte und unvollständige Bearbeitung meiner
Beschwer(de) gegen die planmäßige Beurteilung vom
07.03.2008.
a) Leiter der …dienststelle … (…).
b) Nichtaufhebung der planmäßigen Beurteilung vom
07.03.2008 als Maßnahme auf meine weitere Be-
schwerde vom 14.07.2008, obwohl der spätere Auf-
hebungsgrund bereits ausdrücklich im Beschwerde-
bescheid vom 15.10.2008 festgestellt wird.
Bearbeitungszeit für die weitere Beschwerde vom
14.07.2008 bis zur Aushändigung des Bescheides am
16.10.2008.
Verspätete Weiterleitung meines Antrages auf Ent-
scheidung des Truppendienstgerichts Nord vom
27.10.2008, der dort erst am 06.04.2009 vorgelegt
wurde.
a) Chef des Stabes ….
b) Nichtaufhebung der planmäßigen Beurteilung vom
07.03.2008 als Maßnahme auf meine Beschwerde
vom 11.03.2008, obwohl auf den Beurteilungszeit-
raum, als dem späteren Aufhebungsgrund, eingehend
eingegangen wird.
Bearbeitungszeit für die Beschwerde vom 11.03.2008
bis zur Aushändigung des Bescheides am 11.07.2008.
Nichtabgabe meiner Beschwerde vom 11.03.2008 an
die Stelle, die für die Bearbeitung der im Rahmen der
Beschwerde gestellten Anträge (siehe Anträge 1. und
2.) zuständig gewesen wäre.
a) Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) PSZ I 1.
b) Mit Beschwerde vom 11.03.2008 gestellte Anträge,
zuständigkeitshalber an BMVg PSZ I 1 weitergeleitet,
wurden lediglich als Anregungen ohne Handlungsbe-
darf zur Kenntnis genommen (vgl. BMVg PSZ I 1 (40)
Az 16-26-05/7 vom 10.10.2008). Hier hätte m.E. eine
Bescheidung erfolgen müssen.
3. Verzögerte Bearbeitung einer Anfrage auf Sachaufklä-
rung.
a) Personalamt der Bundeswehr (PersABw).
b) Verzögerte Beantwortung meiner Anfrage vom
23.10.2008 zum Beurteilungszeitraum. Das an mich
gerichtete Antwortschreiben wurde mir erst am
25.05.2009 ausgehändigt (Vorabübermittlung des
Antwortschreibens vom 15.05.2009 per LoNo), nach-
dem ich mich am 29.01.2009 beschwert und am
10.04.2009 erneut beim PersABw angefragt hatte.“
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Soweit sich die Beschwerde gegen den nächsten Beurteilenden richtet (oben
1 a/b), wies der Stellvertretende Leiter und Chef des Stabes der …dienststelle
den Rechtsbehelf mit Beschwerdebescheid vom 23. September 2009 zurück.
Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 3. November 2009 wies der
Leiter der …dienststelle mit Beschwerdebescheid vom 17. Dezember 2009 zu-
rück. Dagegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 18. Januar 2010 die
Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragt. Dieses gerichtliche An-
tragsverfahren (Az.: N 2 BLa 1/10) ist noch nicht abgeschlossen.
Soweit sich die Beschwerde gegen den Leiter der …dienststelle … richtet (oben
2 a/b, 1. Abschnitt), wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis den Rechtsbehelf mit Be-
schwerdebescheid vom 2. September 2009 zurück. Die dagegen eingelegte
weitere Beschwerde des Antragstellers vom 5. Oktober 2009 wies der Bun-
desminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Beschwerdebescheid vom
30. Oktober 2009 zurück. Diese Entscheidung ist bestandskräftig.
Soweit sich die Beschwerde gegen das Verhalten eines Angehörigen des Refe-
rates PSZ I 1 im Bundesministerium der Verteidigung richtet (oben 2 a/b,
3. Abschnitt), hat der Unterabteilungsleiter PSZ I den Rechtsbehelf als Dienst-
aufsichtsbeschwerde behandelt und mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 zu-
rückgewiesen.
Der gegen das Personalamt der Bundeswehr gerichtete Teil der Beschwerde
(oben 3 a/b) ist bisher noch nicht beschieden worden.
Mit Beschwerdebescheid vom 22. September 2009 wies der Leiter der
…dienststelle den Rechtsbehelf des Antragstellers, soweit er den Chef des Sta-
bes der …dienststelle betrifft (oben 2 a/b, 2. Abschnitt), zurück. Die weitere Be-
schwerde des Antragstellers vom 3. November 2009 hat der Stellvertreter des
Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit
dem angefochtenen Beschwerdebescheid vom 11. Januar 2010 zurückgewie-
sen.
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Gegen diese dem Antragsteller am 18. Januar 2010 eröffnete Entscheidung
richtet sich sein Antrag vom 24. Januar 2010 auf Entscheidung des Bundes-
verwaltungsgerichts. Den Antrag hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs
der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme
vom 23. Februar 2010 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbe-
sondere vor:
Schon in seinem Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts vom
18. Januar 2010 (Az.: N 2 BLa 1/10) habe er ausgeführt, dass seine wesentli-
che Beschwerdegrundlage die fehlende planmäßige Beurteilung zum 31. März
2006 sei. Seine Beschwerde vom 29. Januar 2009 richte sich daher insbeson-
dere gegen den langen Beurteilungszeitraum zwischen seinen Beurteilungen
vom 8. Januar 2004 und vom 7. März 2008. In Folge der im Jahr 2006 unter-
bliebenen planmäßigen Beurteilung sehe er sich nicht mehr historisch ver-
gleichbar zu seinen Konkurrenten beurteilt. Am 29. Januar 2009 sei er davon
ausgegangen, dass außer der planmäßigen Beurteilung vom 7. März 2008 kei-
ne weitere planmäßige Beurteilung innerhalb des Zeitraums zwischen 2004 und
2008 für ihn erstellt werden würde. Die im Bescheid des Personalamtes vom
4. Dezember 2008 zu seiner individuellen Förderperspektive getroffenen Aus-
sagen hätten ihn aber darauf schließen lassen, dass ihm in Folge der fehlenden
historischen Beurteilung Nachteile entstehen könnten. Deshalb habe er mit
seinem Antrag vom 10. April 2009 versucht, die Sonderbeurteilung vom
17. Oktober 2006 nachträglich in eine Sonderbeurteilung ändern zu lassen, die
eine planmäßige Beurteilung ersetze. Durch die zögerliche Art und Weise der
Bearbeitung seiner Beschwerdeverfahren fehle ihm nach wie vor eine rechtmä-
ßige Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2008 sowie eine planmäßige Be-
urteilung für das Jahr 2006. Falls seit dem 1. April 2006 andere Soldaten mit
einer planmäßigen Beurteilung zum 31. März 2006 auf einen Stabshaupt-
mann-Dienstposten verfügt worden seien, auf den auch er selbst hätte versetzt
werden können, fühle er sich benachteiligt. Darüber hinaus rüge er auch eine
verzögerte Bearbeitung seiner Anfrage auf Sachaufklärung. Er beanstande au-
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ßerdem, dass seine Beschwerde zunächst falsch bearbeitet und dann auf fünf
Zuständigkeiten verteilt worden sei, ohne letztlich in der Sache zu entscheiden.
Der Antragsteller beantragt,
dass er nach Eignung, Befähigung und Leistung konkur-
rentenfeldgerecht, historisch vergleichbar und rechtmäßig
auf der Grundlage des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz und § 3
Abs. 1 Soldatengesetz dienstlich beurteilt werde und sein
Beurteilungsbild für alle ihn betreffenden Auswahlver-
fahren, auch rückwirkend seit dem 1. April 2006 herange-
zogen werde.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unzulässig, soweit der Antragsteller die Bearbeitung sei-
ner Beschwerde beanstandet, weil die Art und Weise der Verfahrensbehand-
lung für sich genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand im Sinne
des § 17 Abs. 3 WBO darstelle. Hinsichtlich der behaupteten Benachteiligungen
sei der Antrag unbegründet. Die Rechtsbehelfe des Antragstellers im Zu-
sammenhang mit der planmäßigen Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März
2008 seien durch die zuständigen Stellen bearbeitet und beschieden worden.
Dass unterschiedliche Vorgesetzte und Dienststellen mit der Sache befasst
worden seien, liege daran, dass sich der Antragsteller mit seinem Schreiben
vom 25. Juli 2009 gegen verschiedene Vorgesetzte und Dienststellen be-
schwert habe und in der Folge gegen jede Entscheidung der jeweils zuständi-
gen Vorgesetzten mit Rechtsbehelfen vorgegangen sei. Diese Zuständigkeits-
vielfalt sei durch die Bestimmungen der Wehrbeschwerdeordnung vorgegeben.
Am 25. November 2009 ist für den Antragsteller die Neufassung der planmäßi-
gen Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2008 erstellt worden. Gegen diese
ihm am 7. Dezember 2009 eröffnete Beurteilung hat der Antragsteller am
3. Januar 2010 Beschwerde eingelegt, die der Stellvertretende Leiter und Chef
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des Stabes der …dienststelle mit Beschwerdebescheid vom 3. Februar 2010
zurückgewiesen hat. Die weitere Beschwerde des Antragstellers hat der Leiter
der …dienststelle mit Beschwerdebescheid vom 5. März 2010 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Antragsteller die Entscheidung des Truppendienstgerichts
beantragt, die zur Zeit noch aussteht (Verfahren N 2 BLa 2/10).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte der …dienststelle … - Az 25-05-
20/09, die Beschwerdeakten des Stellvertreters des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis - Fü S/RB 25-05-11/25.09
und 3.10 sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, ha-
ben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Senat hat keine Veranlassung, das Verfahren - wie von den Beteiligten an-
geregt - gemäß § 23a Abs. 2 WBO in Verbindung mit § 94 VwGO auszusetzen,
bis das Truppendienstgericht Nord im Verfahren N 2 BLa 2/10 über die Frage
der Rechtmäßigkeit der am 25. November 2009 erstellten Neufassung der
planmäßigen Beurteilung (zum Vorlagetermin 31. März 2008) entschieden hat.
Im vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahren wendet sich der Antragsteller bei
sachgerechter Auslegung seines Vorbringens nicht gegen den Inhalt dieser
Beurteilung und gegen die dazu ergangenen Beschwerdebescheide, sondern
(unter anderem) gegen behauptete Verzögerungen bei ihrer Erstellung durch
die zuständigen Vorgesetzten sowie gegen das Unterbleiben einer planmäßigen
Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2006. Sein Rechtsschutzbegehren im
truppendienstgerichtlichen Verfahren N 2 BLa 2/10 betrifft daher einen anderen
Streitgegenstand, dessen Klärung für das vorliegende Verfahren nicht
vorgreiflich ist. Das hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 3. November
2010 in der Sache auch eingeräumt und der Entscheidung des Truppen-
dienstgerichts keine vorgreifliche Bedeutung mehr beigemessen.
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Die Sachanträge des Antragstellers sind unzulässig.
1. Mit seinem Antrag, „nach Eignung, Befähigung und Leistung konkurrenten-
feldgerecht, historisch vergleichbar (…) auf der Grundlage des Art. 33 Abs. 2
Grundgesetz und § 3 Abs. 1 Soldatengesetz dienstlich beurteilt zu werden“, hat
der Antragsteller nicht seinen generellen, nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 SLV in
Verbindung mit der ZDv 20/6 bestehenden Rechtsanspruch auf Beurteilung
(vgl. dazu Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 1 WB 4.05 - Buchholz
236.110 § 2 SLV Nr. 6) geltend gemacht, sondern - abstrakt und losgelöst von
einer konkreten Beurteilung - eine von ihm näher spezifizierte bestimmte Art
und Weise der Durchführung der Beurteilung verlangt.
Ein Antrag mit diesem Inhalt ist unzulässig, weil die Art und Weise der Verfah-
rensbehandlung - hier im Verfahren der Erstellung einer planmäßigen Beurtei-
lung - nicht zum Gegenstand eines selbstständigen Verfahrens vor den Wehr-
dienstgerichten geltend gemacht werden kann.
Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1
WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass
eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme
rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt
dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten
(oder einer Dienststelle der Bundeswehr) voraus, die im Verhältnis der Über-
und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an,
ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt (stRspr, vgl.
Beschlüsse vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160
<161> und vom 12. November 1986 - BVerwG 1 WB 127.83, 97.84 - BVerwGE
83, 242 <246>). Die Art und Weise der Verfahrensbehandlung stellt für sich
genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar; sie ist nicht isoliert
bzw. selbstständig anfechtbar (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 25. März 1976
a.a.O. S. 162, vom 27. November 1990 - BVerwG 1 WB 62.90 -, vom
31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 34.06 -
holz 450.1 § 17 WBO Nr. 61 und in NZWehrr 2007, 164>, vom 27. November
2007 - BVerwG 1 WB 58.06, 64.06 - , vom 26. Februar 2008 - BVerwG 1 WB
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47.07 - und vom 25. Juni 2008 - BVerwG 1 WB 23.07 -). Rechtsschutz wird al-
lein gegen die Maßnahme selbst (oder deren Unterlassung) gewährt; (nur) im
Rahmen der Anfechtung einer Maßnahme kann auch eine Überprüfung auf
eventuelle Verfahrensfehler erfolgen.
Soweit der Antragsteller außerdem beantragt, „rechtmäßig“ beurteilt zu werden,
ist der Antrag ebenfalls unzulässig. Eine abstrakt-generelle, gleichsam prophy-
laktische gerichtliche Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung zu
rechtmäßigem Handeln - losgelöst von einer bestimmten Maßnahme oder von
einer bestimmten Unterlassung - lässt die Wehrbeschwerdeordnung nicht zu.
Vielmehr ist Gegenstand der Rechtsschutzgewährung eine konkrete truppen-
dienstliche Maßnahme oder Entscheidung bzw. deren Unterlassung (§ 21
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 17 Abs. 3 WBO). Ein abstrakter gerichtlicher Feststel-
lungsausspruch über die Frage der Rechtmäßigkeit des Handelns oder Unter-
lassens des Bundesministers der Verteidigung kommt nach der Subsidiaritäts-
klausel des § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 43 Abs. 2 VwGO ebenfalls nicht in Be-
tracht, wenn und soweit ein Antragsteller seine Rechte durch Gestaltungs- oder
Leistungsklage, d.h. hier durch einen Anfechtungsantrag gegen eine von ihm
als rechtswidrig eingeschätzte konkrete Beurteilung verfolgen kann.
Deshalb kann der Antragsteller die Frage, ob eine Beurteilung „konkurrenten-
feldgerecht, historisch vergleichbar und rechtmäßig“ unter Berücksichtigung der
Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG erfolgt ist, nur im
Rahmen der Anfechtung der einzelnen konkreten Beurteilung klären lassen
oder einen darauf bezogenen Verpflichtungsantrag stellen. Diese Klärung er-
folgt hinsichtlich der strittigen Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2008 in
dem anhängigen truppendienstgerichtlichen Verfahren N 2 BLa 2/10.
2. Der Antrag, das „Beurteilungsbild für alle mich betreffenden Auswahlverfah-
ren, auch rückwirkend seit dem 1. April 2006, heranzuziehen“, ist ebenfalls un-
zulässig, weil sich dieser Antrag nicht auf eine im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1
in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und 3 WBO anfechtbare truppendienstliche
Maßnahme bezieht.
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Die „Einbeziehung des Beurteilungsbildes“, also der maßgeblichen Beurteilun-
gen, in ein Auswahlverfahren ist jeweils der Auswahlentscheidung vorgeschal-
tet, die das Auswahlverfahren abschließt. Die Heranziehung von Beurteilungen
im Auswahlverfahren stellt eine Vorbereitungshandlung für die abschließende
truppendienstliche Maßnahme der Auswahlentscheidung dar. Derartige Vorbe-
reitungshandlungen - seien sie Überlegungen, (vorläufige) Bewertungen, Stel-
lungnahmen, Zwischen- oder Vorentscheidungen - sind nach ständiger Recht-
sprechung des Senats als Elemente innerdienstlicher Meinungsbildung noch
keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen und
deshalb einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (vgl.
z.B. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 -
veröffentlicht in BVerwGE 128, 329 und in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41>, vom
29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 10.07 -
holz 449 § 3 SG Nr. 42> und vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 28.09 -). Erst
mit einer Anfechtung der abschließenden Auswahlentscheidung können inhalt-
liche oder verfahrensbezogene Fehler bei der Berücksichtigung der heranzu-
ziehenden Beurteilungen geltend gemacht werden. Konkrete Auswahlentschei-
dungen für bestimmte Dienstposten der Ebene Stabshauptmann hat der An-
tragsteller im Rahmen des vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahrens allerdings
nicht angefochten.
3. Soweit der Antragsteller in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung aus-
führt, „namentlich fehlt mir eine planmäßige Beurteilung zum 31. März 2006“,
hat er diese Unterlassung nicht ausdrücklich zum Gegenstand eines Sachan-
trages gemacht.
Selbst wenn er insoweit einen Untätigkeitsantrag gestellt hätte, stünde dessen
Zulässigkeit entgegen, dass es hinsichtlich dieses Streitgegenstandes an einer
Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung im Sinne des § 21 Abs. 1
WBO oder eines Inspekteurs oder eines Vorgesetzten im Sinne des § 22 WBO
fehlt. Nach Ablauf des Vorlagetermins 31. März 2006 hat der Antragsteller ge-
gen das Unterbleiben einer planmäßigen Beurteilung zu diesem Termin kein
Beschwerdeverfahren eingeleitet. Im Übrigen hat er den Bescheid des Perso-
nalamts vom 15. Mai 2009, mit dem sein Antrag auf Anerkennung der Sonder-
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beurteilung vom 17. Oktober 2006 als Ersatz einer planmäßigen Beurteilung
abgelehnt worden ist, ausweislich der vorgelegten Akten nicht mit der Be-
schwerde angefochten. Die Aufhebungsverfügung des Leiters der …dienststelle
vom 10. März 2009 mit der Aussage, die Sonderbeurteilung vom 17. Oktober
2006 bilde keine an die Stelle einer fehlenden planmäßigen Beurteilung
tretende Beurteilung, ist bestandskräftig geworden, nachdem der Antragsteller
mit Schreiben vom 25. Mai 2009 seine ursprünglich dagegen eingelegte
Beschwerde zurückgenommen hat. Das Fehlen einer planmäßigen Beurteilung
zum Vorlagetermin 31. März 2006 hat der Antragsteller lediglich im trup-
pendienstgerichtlichen Verfahren gegen die Beschwerdebescheide des Stell-
vertretenden Leiters der …dienststelle vom 23. September 2009 und des Lei-
ters der …dienststelle vom 17. Dezember 2009 thematisiert und ist darauf in
seinem Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts vom 18. Januar
2010 im Einzelnen eingegangen. Dieses Vorbringen ist im dortigen Verfahren
rechtlich zu würdigen.
4. Hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Feststellungsinteres-
ses zu seinen Beschwerdeverfahren (Mehrzahl) weist der Senat darauf hin,
dass nicht sämtliche Beschwerdeverfahren Gegenstand des vorliegenden ge-
richtlichen Antragsverfahrens sind, sondern ausschließlich das Beschwerdever-
fahren gegen den Beschwerdebescheid des Leiters der …dienststelle vom
22. September 2009 und gegen den Beschwerdebescheid des Stellvertreters
des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis
vom 11. Januar 2010. Insoweit geht die Bezugnahme des Antragstellers auf ein
Feststellungsinteresse ins Leere, weil kein Raum für eine gerichtliche Feststel-
lungsentscheidung im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2
und 3 WBO besteht. Dafür wäre Voraussetzung, dass sich eine truppendienst-
liche Maßnahme oder Entscheidung durch Zeitablauf oder in anderer Weise
erledigt hätte. Dafür ist hier nichts ersichtlich und vom Antragsteller auch nichts
dargelegt.
5. Soweit der Antragsteller außerdem seinen Antrag formell als „gegen meinen
nächsten Disziplinarvorgesetzten“ gerichtet ansieht, weist der Senat darauf hin,
dass sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 21
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Abs. 1 und des § 22 WBO formell nur gegen einen Bescheid des Bundesminis-
ters der Verteidigung oder gegen einen Bescheid eines Inspekteurs oder eines
Vorgesetzten in vergleichbaren Dienststellungen richten kann. Das ist hier allein
der Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bun-
deswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 11. Januar 2010.
6. Der weitere Antrag des Antragstellers, die Zuständigkeit für das weitere Ver-
fahren festzustellen, damit nicht zeitgleich durch mehrere Stellen in derselben
Sache zu entscheiden ist, ist ebenfalls unzulässig, weil dieses Rechtsschutzziel
keine anfechtbare Maßnahme oder Unterlassung im Sinne des § 17 Abs. 3
WBO betrifft.
Wer für eine Sachentscheidung oder Beschwerdeentscheidung zuständig ist,
ergibt sich aus der Wehrbeschwerdeordnung, hier im Einzelnen aus § 9 Abs. 1
und § 16 Abs. 3 WBO in Verbindung mit den einschlägigen Organisationserlas-
sen des Bundesministeriums der Verteidigung. Ob diese Zuständigkeit beachtet
worden ist, kann nur nachträglich bei der (gerichtlichen) Überprüfung der getrof-
fenen Entscheidung festgestellt werden.
Eine Rechtsgrundlage für die vorgezogene, isolierte gerichtliche Bestimmung
der entscheidungszuständigen Stelle enthält die Wehrbeschwerdeordnung für
das vorgerichtliche Wehrbeschwerdeverfahren nicht. Die analoge Anwendung
der Vorschriften in § 70 Abs. 3 WDO und § 53 VwGO kommt insoweit nicht in
Betracht, weil diese speziellen Ermächtigungsnormen nur für die Bestimmung
des zuständigen Truppendienst- oder Verwaltungsgerichts gelten.
7. Soweit der Antragsteller im Übrigen in der Sache rügt, zum 31. März 2008
fehle ihm eine Beurteilung, liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht
vor.
Die (neugefasste) Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2008 ist für den An-
tragsteller am 25. November 2009 - und damit vor dem hier strittigen Antrag auf
gerichtliche Entscheidung vom 24. Januar 2010 - gefertigt worden. Damit lag
schon bei Stellung und sodann bei Rechtshängigkeit des Antrags auf Entschei-
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dung des Bundesverwaltungsgerichts die vom Antragsteller vermisste planmä-
ßige Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2008 vor. Die Frage ihrer Recht-
mäßigkeit ist nicht im vorliegenden Verfahren, sondern in dem beim Truppen-
dienstgericht Nord anhängigen Verfahren N 2 BLa 2/10 zu klären. Soweit der
Antragsteller außerdem zahlreiche Verzögerungen in der Bearbeitung seiner
Beschwerdeverfahren und seiner Anfrage auf Sachaufklärung rügt, handelt es
sich ebenfalls nicht um anfechtbare Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3
WBO.
Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil der Se-
nat die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1
WBO nicht als gegeben erachtet.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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