Urteil des BVerwG vom 10.03.2010

Aufenthaltserlaubnis, Verfahrensmangel, Prozess, Verwaltungskosten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 PKH 11.09 (1 B 26.09)
VGH 10 B 09.466
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. März 2010
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
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Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe für die
Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 11. August 2009 zu bewilligen und einen
Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Bei-
ordnung eines Rechtsanwalts sind nicht gegeben, weil die Rechtsverfolgung
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121
ZPO).
Nach § 132 Abs. 2 VwGO ist eine Revision nur zuzulassen, wenn die Rechts-
sache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), wenn das angegriffene Urteil von
einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder wenn ein Verfahrens-
mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen
kann (Nr. 3). Keine dieser Voraussetzungen ist in dem für die Beurteilung maß-
geblichen Zeitpunkt gegeben. Auf welchen Zeitpunkt - Bewilligungsreife oder
Entscheidung des Gerichts - abzustellen ist (vgl. Beschluss vom 12. September
2007 - BVerwG 10 PKH 16.07 - Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 42), kann offen
bleiben, da die Klägerin erst jetzt die vollständigen Prozesskostenhilfeunterla-
gen vorgelegt hat.
Dabei kann dahinstehen, ob das von dem gesetzlichen Vertreter der Klägerin,
der die Voraussetzungen des § 67 Abs. 4 VwGO nicht erfüllt, selbst eingereich-
te Gesuch im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens von
Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Beschluss vom 22. August 1990 - BVerwG 5 ER
640.90 - JurBüro 1991, 570 unter Hinweis auf Beschluss vom 12. Februar 1965
- BVerwG 5 ER 224.64 - NJW 1965, 1293), oder ob das Gesuch auch ein
Mindestmaß an Begründung zu enthalten hat, das auf das Vorliegen eines Zu-
lassungsgrundes jedenfalls hindeutet (vgl. Beschluss vom 1. September 1994
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- BVerwG 11 PKH 4.94 - Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr. 16 für ein Prozess-
kostenhilfegesuch eines anwaltlich vertretenen Klägers). Auch wenn man das
Vorbringen des gesetzlichen Vertreters der Klägerin als ausreichend ansieht,
rechtfertigt weder dieses noch die vom beschließenden Senat von Amts wegen
durchgeführte Prüfung des Berufungsurteils die Zulassung der Revision.
1. Das Berufungsgericht hat den auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung
einer Niederlassungserlaubnis gerichteten Hauptantrag als unzulässig angese-
hen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Klägerin die bean-
tragte Niederlassungserlaubnis während des Berufungsverfahrens erteilt wor-
den sei, denn gegen Zahlung der ausstehenden Verwaltungskosten werde ihr
das Dokument ausgehändigt. Im Falle ihres Obsiegens im Prozess hätte ihr ein
Urteil auch nicht mehr geben können als die Verpflichtung der Behörde, den
Bescheid zu erteilen; insbesondere wäre nicht darüber entschieden worden,
dass ihr der Bescheid kostenlos erteilt werden müsse.
Ob sich die seitens des Berufungsgerichts getroffene Entscheidung durch Pro-
zess- anstatt durch Sachurteil als verfahrensfehlerhaft darstellt, kann dahinste-
hen. Denn jedenfalls durch das Schreiben des Landratsamts vom 17. Februar
2010 hat der Beklagte nunmehr bekundet, dass die Herausgabe des Reisepas-
ses der Klägerin mit der darin enthaltenen Niederlassungserlaubnis nicht länger
von der vorherigen Entrichtung der angefallenen Verwaltungskosten abhängig
gemacht wird. Spätestens damit ist das von Amts wegen in jedem Stadium des
Verfahrens zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage ent-
fallen. Demzufolge kommt die Zulassung der Revision hinsichtlich des Haupt-
antrags nicht in Betracht.
2. Den hilfsweise gestellten Antrag, die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbe-
scheids vom 18. Juni 2007 festzustellen, hat das Berufungsgericht sachlich ge-
prüft und für unbegründet erachtet. Gründe für die Zulassung der Revision gem.
§ 132 Abs. 2 VwGO sind insoweit nicht ersichtlich, nachdem der Senat mit
Urteil vom 10. November 2009 - BVerwG 1 C 24.08 - (zur Veröffentlichung in
der Sammlung BVerwGE vorgesehen) geklärt hat, dass § 26 Abs. 4 AufenthG
grundsätzlich einen durchgehenden, sich über sieben Jahre erstreckenden
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ununterbrochenen Titelbesitz voraussetzt und Unterbrechungen nach dem auch
insoweit anwendbaren § 85 AufenthG außer Betracht bleiben können. Ein
weitergehender grundsätzlicher Klärungsbedarf ist ebenso wenig erkennbar wie
eine entscheidungserhebliche Abweichung des Berufungsurteils oder ein Ver-
fahrensmangel.
Aus Gründen der Befriedung erscheint dem Senat der Hinweis angemessen,
dass das Berufungsgericht den Ablehnungsbescheid des Landratsamts vom
18. Juni 2007 im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig beurteilt hat. Denn die
Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzung der Sieben-Jahres-Frist
des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Neben der Zeit des Besitzes einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (hier: vom 6. Juli 2006 bis zum
18. Juni 2007) werden auf die Frist nur die Zeiten des der Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens (hier: vom 29. De-
zember 2004 bis zum 13. Dezember 2005) und die Zeiten einer Duldung vor
dem 1. Januar 2005 (hier: 1. März 2002 bis zum 28. Dezember 2004) ange-
rechnet (§ 26 Abs. 4 Satz 3, § 102 Abs. 2 AufenthG). Zeiten eines Asylverfah-
rens der Eltern der Klägerin oder der Erteilung von Grenzübertrittsbescheini-
gungen sind demgegenüber nicht anrechenbar.
Beck
Prof. Dr. Kraft
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