Urteil des BVerwG vom 15.11.2004

Unterhaltsbeitrag, Zumutbare Arbeit, Freier Mitarbeiter, Bedürftigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 DB 6.04
VG ...
In dem Beschwerdeverfahren
des früheren Postobersekretärs ... ,
...,
Beteiligte:
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch die Deutsche Post AG,
- ... -,
...,
...,
hat der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht H e e r e n und den Richter
am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r
beschlossen:
Auf die Beschwerde des früheren Beamten wird der Beschluss
des ... Verwaltungsgerichts A. vom 30. Juli 2004 aufgehoben.
Dem früheren Beamten wird ab dem 1. Juni 2004 für weitere
drei Monate ein Unterhaltsbeitrag i.H.v. 75 v.H. seines erdien-
ten Ruhegehalts bewilligt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem früheren Beamten
hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund
auferlegt.
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G r ü n d e :
I.
Durch Urteil des Bundesdisziplinargerichts vom 8. Januar 2002 wurde der frühere
Beamte wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt. Gleichzeitig wurde
ihm gemäß § 77 BDO ein Unterhaltsbeitrag i.H.v. 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts
auf die Dauer von 12 Monaten bewilligt. Die von dem früheren Beamten hiergegen
eingelegte Berufung wurde durch Urteil des beschließenden Senats vom 27. Novem-
ber 2002 - BVerwG 1 D 10.02 - zurückgewiesen. In diesem Urteil heißt es unter an-
derem, dass es mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag sein Bewenden habe. Damit er-
hielt der frühere Beamte zunächst vom 1. Dezember 2002 bis einschließlich
30. November 2003 den vom Bundesdisziplinargericht bewilligten Unterhaltsbeitrag
i.H.v. ca. 950 € monatlich.
Antragsgemäß bewilligte das ... Verwaltungsgericht A. mit Beschluss vom 15. März
2004 dem früheren Beamten für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis einschließlich
Mai 2004 einen Unterhaltsbeitrag i.H.v. 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts. In den
Gründen des Beschlusses heißt es unter anderem, der frühere Beamte sei eines
Unterhaltsbeitrags nicht unwürdig und sei bedürftig. Hinsichtlich seines Einkommens
hätten sich nach seinen glaubhaften Bekundungen keine maßgeblich relevanten Un-
terschiede zu seiner bisherigen Unterhaltsbeitrags-Bewilligungssituation ergeben;
trotz einer festen Anstellung erziele er dort gegenwärtig keine positiven Einkünfte.
Der frühere Beamte habe seine Bedürftigkeit auch nicht im Sinn eines Handelns ge-
gen seine eigenen Interessen zu vertreten. Mit seinen zahlreichen Bewerbungs-
schreiben sowie den zusätzlichen glaubhaften Bewerbungstelefonaten und den Un-
terlagen über das Nichterzielen positiver Einkünfte an den beiden letzten Beschäfti-
gungsorten habe er seine im Bereich des Unterhaltsbeitragsrechts bestehende Ei-
genpflicht, sich nahezu täglich um eine zumutbare Arbeit zur selbstständigen Le-
bensunterhaltssicherung zu bemühen, erfüllt. Allerdings handele es sich hier um ei-
nen Grenzfall. Denn der Unterhaltsbeitrag solle nur die Zeit bis zur Übernahme einer
neuen Tätigkeit überbrücken. Eine solche habe der frühere Beamte inzwischen in L.
gefunden. Die Besonderheit, dass er dort nur auf Provisionsbasis tätig sei und vorü-
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bergehend noch keine Einkünfte erziele, rechtfertige es aber ausnahmsweise, einen
Unterhaltsbeitrag weiter zu gewähren.
Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2004 hat der frühere Beamte unter Bezugnahme auf sein
bisheriges Verfahren ("Antrag auf Verlängerung meines Übergangsentgeltes um ein
halbes Jahr") erneut die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags beantragt, und zwar
"bis September"; anschließend werde das Überbrückungsgeld vom Arbeitsamt über-
nommen werden. Zur Begründung ist im Wesentlichen angegeben, er habe seine
bisherige Tätigkeit als freier Mitarbeiter auf Provisionsbasis bei der Firma C. in L.
inzwischen aufgegeben, da die Kosten-Nutzen-Rechnung deutlich negativ gewesen
sei. Seit März 2004 sei er beim Arbeitsamt P. als arbeitsuchend gemeldet und werde
voraussichtlich im September eine Umschulung als Physiotherapeut beginnen. In der
Zwischenzeit habe er sich schon auf mindestens 60 Stellenanzeigen aus der Zeitung
erfolglos gemeldet. Entsprechende Unterlagen sende er auf Wunsch gerne zu.
Nachdem die Deutsche Post AG dem Verwaltungsgericht unter anderem mitgeteilt
hatte, für den Fall, dass der frühere Beamte seine Angaben dem Gericht gegenüber
durch geeignete Unterlagen glaubhaft mache, bestünden gegenüber einer Weiter-
bewilligung des Unterhaltsbeitrags keine Bedenken, übersandte das Gericht dem
früheren Beamten am 23. Juni 2004 einen Abdruck dieses Schreibens mit folgendem
Zusatz:
"um präzise Beantwortung der angesprochenen Aspekte und um Beireichung
von Belegen zu allen relevanten Kriterien (fehlende Gewinnerzielung, Umschu-
lung u.ä.) wird im Eigeninteresse als Antragsteller gebeten".
Durch Beschluss vom 30. Juli 2004 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf
erneute Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags ab und führte zur Begründung unter
anderem aus, der frühere Beamte habe trotz gerichtlicher Aufforderung eine Bedürf-
tigkeit nicht nachgewiesen. Obwohl ihm bereits in seinem Erstverfahren verdeutlicht
worden sei, dass er seine finanzielle Bedürftigkeit und seine vorgeblich zahlreichen
Bewerbungen belegen müsse, sei er dem auch nach erneutem gerichtlichen Hinweis
nicht nachgekommen. Es könne deshalb mit dem Verwaltungsgericht M. - Beschluss
vom 30. Juni 2004 - offen bleiben, ob die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags über
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die vom Gesetzgeber in § 10 Abs. 3 BDG gesetzte Grenze von einem Jahr hinaus
zulässig sei.
Hiergegen hat der frühere Beamte rechtzeitig Beschwerde eingelegt und diese im
Wesentlichen wie folgt begründet: In der gerichtlichen Verfügung vom 23. Juni 2004
sei ihm keine Frist zur Einreichung der Belege gesetzt worden. Den Bildungsgut-
schein der Agentur für Arbeit P. habe er selbst erst Ende Juli erhalten. Mit Schreiben
vom 30. Juli 2004 habe er dann alle Belege mit der Gewinnbilanz seiner selbststän-
digen Tätigkeit dem Verwaltungsgericht übersandt. Sie müssten im vorliegenden
Verfahren berücksichtigt werden. Bis auf weitere Schulden aus seiner Tätigkeit für
die Firma C. in L. seien seit Januar 2004 keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich
seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten. Beim Arbeitsamt in
P. habe ihm die Arbeitsberaterin am 8. März 2004 eine Umschulung zum Physio-
therapeuten vorgeschlagen. Hierfür habe er Anfang Juli einen psychologischen Eig-
nungstest abgelegt. In der Zwischenzeit habe er telefonisch noch etwa fünf erfolglose
Versuche der Arbeitsvermittlung unternommen. Aufgrund der bevorstehenden
Umschulungsmaßnahme habe er sich nicht mehr so intensiv um Arbeit bemüht. Sei-
ne durch die Agentur für Arbeit P. mit Bildungsgutschein (§ 77 Abs. 3 SGB III) geför-
derte Weiterbildungsmaßnahme habe gemäß Ausbildungsvertrag vom 23. August
2004 am selben Tag begonnen und sei auf drei Jahre angelegt.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 17. September
2004 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 110 Abs. 6 i.V.m. § 79 BDO zulässig.
Das Verfahren auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2
BDO fällt nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 als
Annex-Verfahren zum abgeschlossenen förmlichen Disziplinarverfahren, welches
hinsichtlich des Ausspruchs zum Unterhaltsbeitrag der Sache nach fortgesetzt wird,
unter die Fortführungsklausel des § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG (Beschluss vom 15. Ja-
nuar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - DokBerB 2002, 95 = DÖD 2002, 97 = IÖD 2002,
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152). Dies hat zur Folge, dass das Neubewilligungsverfahren - als ein zunächst nach
§ 85 Abs. 7 Satz 2 BDG an das Verwaltungsgericht übergegangenes Verfahren - im
Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht der Bundesdisziplinarordnung
"fortzuführen" ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Danach ist für die
vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsge-
richts M. vom 30. Juni 2004 - ... - hilfsweise in Betracht gezogene Befristung eines
Unterhaltsbeitrags auf insgesamt ein Jahr in vermeintlicher Anlehnung an § 10 Abs. 3
BDG kein Raum. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2004 - BVerwG 1 DB 5.04 -, mit
dem die erwähnte Entscheidung des Verwaltungsgerichts M. aufgehoben worden ist,
hat der Senat unter anderem ausgeführt:
"Aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht dem § 10 Abs. 3 BDG eine
Grenze von insgesamt einem Jahr entnehmen will, ist überdies nicht ersichtlich.
Der Wortlaut der Sätze 1 und 4 des § 10 Abs. 3 BDG gibt dafür nichts her.
Satz 4 ermöglicht eine Verlängerung der Gewährung 'über sechs Monate hin-
aus' und nicht eine solche 'um sechs Monate' und schon gar nicht eine solche
'um höchstens sechs Monate', wie das Verwaltungsgericht anzunehmen
scheint. Ob Neuregelungen in anderen Rechtsbereichen unter dem Blickwinkel
der Rechtseinheit der Gewährung von Unterhaltsbeiträgen nach altem oder
neuem Recht Grenzen setzen, mag hier offen bleiben. Die Zwei-Jahres-Frist
des § 24 SGB II in der Fassung vom 24. Dezember 2003, BGBl I Seite 2954,
2955, an die möglicherweise gedacht werden könnte, ist hier noch nicht abge-
laufen."
Die Beschwerde ist auch begründet. Dem früheren Beamten ist ab dem 1. Juni 2004
bis einschließlich August 2004, das heißt entsprechend seinem Antragsbegehren
"bis" September, ein Unterhaltsbeitrag i.H.v. 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts zu
bewilligen. Für den Zeitraum danach steht ihm gemäß § 77 Abs. 1 SGB III in der bis
zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ein ermessensfehlerfreier Anspruch
nicht nur auf Übernahme der Weiterbildungskosten, sondern auch auf Leistung von
Unterhaltsgeld gemäß §§ 153 ff. SGB III zu.
Die Neubewilligung eines disziplinarrechtlichen Unterhaltsbeitrags richtet sich nach
In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes (materiell-rechtlich) ebenfalls nach
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den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (§§ 110, 77), wenn - wie hier - die
Erstbewilligung auf § 77 BDO beruhte (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2002
a.a.O.).
Nach § 110 Abs. 2 Satz 2 BDO kann ein Unterhaltsbeitrag erneut bewilligt werden,
wenn die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO vorliegen, wenn also der
frühere Beamte nach seiner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und
ihrer nicht unwürdig ist. So liegt es hier. Das Bundesdisziplinargericht hat in seinem
vom Senat bestätigten Urteil dargelegt, dass der frühere Beamte eines Unterhalts-
beitrags nicht unwürdig ist. An dieser Beurteilung hat sich inzwischen nichts geän-
dert.
Der frühere Beamte ist für den oben genannten Übergangszeitraum von drei Mona-
ten auch einer Unterstützung i.H.v. 75 v.H. des erdienten Ruhegehalts noch bedürf-
tig; die Vorinstanz durfte den Antrag nicht bereits deshalb ablehnen - und diese Ent-
scheidung durch den Nichtabhilfebeschluss bestätigen -, weil der frühere Beamte
"trotz gerichtlicher Aufforderung eine Bedürftigkeit nicht nachgewiesen hat". Im ers-
ten Verfahren auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags lagen dem Verwaltungs-
gericht ausführliche Übersichten über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhält-
nisse des früheren Beamten vom 3. Januar 2004 vor, die der Kammer ausgereicht
hatten, um eine Bedürftigkeit des früheren Beamten anzunehmen. Bei diesen Über-
sichten handelte es sich um vom früheren Beamten ausgefüllte Fragebögen, die die-
sem vom Bundesdisziplinargericht und von der Post zur Verfügung gestellt worden
waren. Im vorliegenden Neubewilligungsverfahren hielt es das Verwaltungsgericht
offensichtlich nicht für erforderlich, dem früheren Beamten erneut einen Fragebogen
zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu übersenden. Dies
musste den früheren Beamten in seiner Auffassung bestärken, dass seine wirt-
schaftliche Lage - einschließlich der von ihm mitgeteilten wesentlichen Änderungen
seit seinen Angaben vom 3. Januar 2004, insbesondere erneute Arbeitslosigkeit -
dem Verwaltungsgericht bekannt war, zumal er auch angeboten hatte, entsprechen-
de Unterlagen auf Wunsch zu übersenden. Zwar hatte das Verwaltungsgericht mit
Verfügung vom 23. Juni 2004 den früheren Beamten ohne Fristsetzung um Äuße-
rung und Übersendung entsprechender Belege "zu allen relevanten Kriterien (feh-
lende Gewinnerzielung, Umschulung u.ä.)" gebeten. Dem ist der frühere Beamte
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jedoch mit seinem Schreiben vom 30. Juli 2004, bei Gericht eingegangen am 6. Au-
gust 2004 nachgekommen, wobei er eine Kopie seines Bildungsgutscheines, eine
Aufstellung seiner Arbeitsbemühungen, eine Bilanz seiner Einnahmen und Ausgaben
nebst weiteren Belegen betreffend seine Tätigkeit für die Firma C. beigefügt hat. Für
die Mitteilung weiterer Daten seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
bestand - auch wegen der relativ unbestimmten gerichtlichen Verfügung - für den
früheren Beamten ohne ausdrückliche gerichtliche Aufforderung keine Veranlassung.
Der frühere Beamte ist im zugebilligten Umfang des Höchstsatzes gemäß § 77
Abs. 1 Satz 2 BDO einer Unterstützung bedürftig. Diese errechnet sich nach den im
Wesentlichen unverändert gebliebenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnis-
sen des früheren Beamten von Januar 2004. Maßgebend für den Bedarf des von
seiner Ehefrau getrennt lebenden früheren Beamten sind die jeweils geltenden Sozi-
alhilfesätze für den Freistaat Sachsen (282 €), die berücksichtigungsfähigen Kosten
für die Wohnung (675 €), für die Kranken- und Pflegeversicherung (128 €) sowie für
Telefon, Auto und Sachversicherung (300 €). Schuldverpflichtungen bleiben unbe-
rücksichtigt, da ein Unterhaltsbeitrag nach Disziplinarrecht grundsätzlich nicht der
Finanzierung und Tilgung von Schulden dient (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom
14. Februar 2002 - BVerwG 1 DB 3.02 - m.w.N.). Danach ist ein monatlicher Ge-
samtbedarf von 1 385 € anzusetzen, der um die Netto-Einkünfte i.H.v. 120 € auf
letztlich 1 265 € zu reduzieren ist. Dieser Bedarf entspricht ungefähr dem erdienten
Ruhegehalt des früheren Beamten und rechtfertigt deshalb die Bewilligung eines
Unterhaltsbeitrags zum Höchstsatz.
Der frühere Beamte hat seine Bedürftigkeit auch nicht selbst zu vertreten (§ 110
Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 2. Halbsatz BDO). Er ist seinen unterhaltsbeitragsrecht-
lich gebotenen Verhaltenspflichten im erforderlichen Umfang nachgekommen.
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 30. Juni 2004
- BVerwG 1 DB 4.04 - m.w.N.) ausgeführt hat, setzt eine erneute Bewilligung eines
Unterhaltsbeitrags - entsprechend seinem Zweck als Übergangsleistung - voraus,
dass sich der frühere Beamte in ausreichendem Maß um die Aufnahme einer ande-
ren Erwerbstätigkeit bemüht hat. Entscheidend kommt es in diesem Zusammenhang
auf die persönliche Initiative zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess, auf die
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Bereitschaft sowie auf die Aktivitäten zur Erlangung einer neuen Tätigkeit an, nicht
darauf, ob diese Anstrengungen auch tatsächlich zum Erfolg geführt haben. Der un-
eingeschränkt arbeitsfähige frühere Beamte, der nach Wegfall seiner Dienstleis-
tungspflicht täglich zur Arbeitsplatzsuche genügend Zeit hat, ist gehalten, alle ihm
möglichen und zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um eine unterhaltssi-
chernde neue Arbeit zu finden. Er muss sich ernsthaft, intensiv und nachhaltig wäh-
rend des gesamten Bewilligungszeitraums um eine solche Erwerbstätigkeit bemü-
hen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Wiedereingliederung des früheren Beamten
in den Arbeitsprozess bei den an seinem Wohnort oder dessen Umgebung beste-
henden Verhältnissen aufgrund der Arbeitsmarktlage oder infolge seiner persönli-
chen Umstände schwierig gestaltet. Dem früheren Beamten ist es auch zuzumuten,
einfache Arbeiten, die keine oder nur eine geringe Qualifikation voraussetzen, anzu-
nehmen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Verurteilung des früheren Be-
amten müssen höhere Anforderungen an seine Darlegungs- und Nachweispflicht
sowie an die Intensität seines Bemühens um eine sein Auskommen sichernde Be-
schäftigung gestellt werden.
Trotz nachweislich intensiven Bemühens hat der frühere Beamte bisher eine solche,
sein Auskommen sichernde Beschäftigung noch nicht gefunden. Zwar hatte er zuletzt
von September 2003 bis Februar 2004 einen Mitarbeitervertrag auf Provisionsbasis
mit der Firma C. (...) in L. Auch wenn sich der frühere Beamte ständig um Ver-
tragsabschlüsse bemüht hatte - allein in der Zeit vom 12. Januar 2004 bis
21. Februar 2004 mit 32 potenziellen Vertragspartnern -, blieb seine Gesamtbilanz
bis Februar 2004, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem stattgebenden Be-
schluss vom 15. März 2004 festgestellt hat, jedoch negativ. Gesamteinnahmen von
190 € standen Gesamtausgaben i.H.v. über 1 900 € gegenüber. Da der frühere Be-
amte unter diesen Umständen keine Aussicht auf Besserung seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse sah, gab er seine Tätigkeit für die Firma C. Ende Februar 2004 freiwillig
auf und meldete sich beim Arbeitsamt P. erneut als arbeitsuchend. Dieses wirtschaft-
lich vernünftige Verhalten ist unterhaltsbeitragsrechtlich unschädlich. Auch in der
Folgezeit hat sich der frühere Beamte ausreichend um die Aufnahme einer anderen
Erwerbstätigkeit bemüht. Er hat nicht nur am 8. März 2004 den Vorschlag des Ar-
beitsamtes P. angenommen, sich zum Physiotherapeuten umschulen zu lassen, und
sich dazu im Juli 2004 erfolgreich einem Eignungstest unterzogen - die entspre-
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chende dreijährige Ausbildung hat am 23. August 2004 begonnen -, sondern hatte
zwischenzeitlich auch glaubhaft noch fünf erfolglose Bewerbungsversuche unter-
nommen, um anderweitig eine Beschäftigung zu finden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 ff. BDO.
Albers Heeren Müller
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags
Rechtsquellen:
BDG
§ 10 Abs. 3, § 85 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 7 Satz 2
BDO
§§ 77, 79, 110 Abs. 2
SGB III § 77 Abs. 1 und Abs. 3, §§ 153 ff.
Stichworte:
Früherer Beamter; zweite Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags; Bedürftigkeit
nachgewiesen und nicht zu vertreten (freiwillige Aufgabe einer kurzfristigen Tätigkeit
auf Provisionsbasis, die nur neue Schulden brachte, unterhaltsbeitragsrechtlich un-
schädlich).
Beschluss des Disziplinarsenats vom 15. November 2004 - BVerwG 1 DB 6.04
I. VG A. vom 30.07.2004 - Az.: VG ... -