Urteil des BVerwG vom 18.01.2006

Unterhaltsbeitrag, Dienstzeugnis, Internet, Firma

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 DB 4.05
VG 7 A 5/03
In dem Verfahren
des früheren Techn. Fernmeldehauptsekretärs … ,
…,
Beteiligte:
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch die Deutsche Telekom AG,
diese vertreten durch den Vorstand,
Friedrich-Ebert-Allee 140, 53113 Bonn,
Prozessbevollmächtigte:
Postoberrätin …,
…,
…,
…,
hat der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18.Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht H e e r e n
beschlossen:
Die Beschwerde der Deutschen Telekom AG gegen den Be-
schluss des Verwaltungsgerichts … vom 10. Oktober 2005 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren
Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden
dem Bund auferlegt.
- 2 -
G r ü n d e :
I.
Durch Urteil des Bundesdisziplinargerichts vom 4. September 2003 wur-
de der frühere Beamte wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt.
Gleichzeitig wurde ihm gemäß § 77 BDO ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H.
des erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von sechs Monaten bewilligt. Die hiergegen
eingelegte Berufung wurde durch Urteil des beschließenden Senats vom 22. Februar
2005 - BVerwG 1 D 30.03 - zurückgewiesen. In diesem Urteil heißt es unter
anderem, dass es mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag sein Bewenden habe. Damit
erhielt der frühere Beamte vom 1. März 2005 bis einschließlich 31. August 2005 den
bewilligten Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 1 184,30 €.
Mit Schreiben vom 10. August 2005 hat der frühere Beamte beim Ver-
waltungsgericht … die Verlängerung der Unterhaltszahlungen um einen angemesse-
nen Zeitraum oder bis zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung beantragt und seine
Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz dargelegt. Die Deutsche Telekom AG ist
dem Antragsbegehren entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 10. Oktober 2005 dem
früheren Beamten ab dem 1. September 2005 auf die Dauer von drei Monaten einen
Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts neu bewilligt.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, trotz nachweislich intensiver Bemü-
hungen habe der frühere Beamte noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden. Am
23. Februar 2005 habe er sich bei der Agentur für Arbeit persönlich als Arbeitsu-
chender gemeldet und mit dem für ihn zuständigen Arbeitsvermittler telefonisch Kon-
takt gehalten, ohne dass er bisher habe vermittelt werden können. Darüber hinaus
habe er sich auch in zwei Jobbörsen als Arbeitsuchender eintragen lassen. Unab-
hängig hiervon sei er selbst aktiv geworden und habe sich sowohl schriftlich als auch
telefonisch bei verschiedenen Firmen beworben. Zudem habe er Gespräche mit Mit-
arbeitern verschiedener Verbände und Behörden geführt. Dass er sich in den Mona-
ten März und April 2005 lediglich im Internet sowie in Stellenanzeigen der Zeitungen
- 3 -
um einen neuen Arbeitsplatz gekümmert und darüber hinaus keine weitere Initiative
ergriffen habe, erkläre sich nachvollziehbar aus dem Umstand, dass er sein Dienst-
zeugnis erst am 26. April 2005 erhalten habe. Dies könne ihm nicht zum Vorwurf
gemacht werden, da eine Bewerbung ohne ein derartiges Dienstzeugnis als wenig
Erfolg versprechend anzusehen sei. Ungeachtet dessen habe er sich nach seinen
glaubhaften Angaben bereits Ende Februar mit ehemaligen Kollegen in Verbindung
gesetzt, um Möglichkeiten etwaiger Vertretungsbeschäftigungen auszuloten. Es liege
in der Natur der Sache, dass der frühere Beamte die von ihm aufgezeigten informel-
len Kontakte nicht durch schriftliche Unterlagen belegen könne.
Hiergegen hat die Deutsche Telekom AG rechtzeitig Beschwerde einge-
legt und diese im Wesentlichen wie folgt begründet: Der frühere Beamte habe sich im
maßgebenden Zeitraum bis 31. August 2005 nicht - entsprechend den Belehrungen
in den disziplinargerichtlichen Entscheidungen - ausreichend um einen neuen
Arbeitsplatz bemüht. Er habe lediglich sieben Aktivitäten nachgewiesen. Alle anderen
dargelegten Bewerbungsversuche beträfen die Zeit ab September 2005. Der
Umstand, dass der frühere Beamte das beantragte Dienstzeugnis erst Ende April
erhalten habe, entlaste ihn nicht. Auch ohne ein solches Zeugnis hätte er sich bis
April 2005 intensiv um anderweitige Erwerbsquellen bemühen können, zumal es zu
den Erfordernissen einer Neubewerbung nicht gehöre, ein Dienstzeugnis des letzten
Arbeitgebers beizufügen. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt ein eigenes Inserat für
ein Stellengesuch aufgegeben, habe seine Arbeitssuche lediglich auf Ortsnähe be-
schränkt und habe sich auch nicht um 400 €-Jobs bemüht. Im Übrigen habe die Vor-
instanz die pauschalen Behauptungen des früheren Beamten ohne nähere Begrün-
dung für glaubhaft und ausreichend angesehen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 110 Abs. 6 i.V.m. § 79 BDO zulässig.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das
Verfahren auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags (§ 110 Abs. 2 BDO) gemäß
§ 85 Abs. 3 Satz 1 BDG nach dem bisherigen Recht der Bundesdisziplinarordnung
- 4 -
"fortzuführen" ist (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - ZBR
2002, 436 = DÖD 2002, 97 = DokBer B 2002, 95).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Die Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags richtet sich nach Inkrafttre-
ten des Bundesdisziplinargesetzes materiellrechtlich ebenfalls nach den Vorschriften
der Bundesdisziplinarordnung, wenn - wie hier - die Erstbewilligung auf § 77 BDO
beruhte (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2002 a.a.O.). Gemäß § 110 Abs. 2 Satz 2
BDO kann ein Unterhaltsbeitrag erneut bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen
des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO vorliegen. Danach muss der frühere Beamte nach sei-
ner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und darf ihrer nicht unwürdig
sein. Diese Voraussetzungen hat die Vorinstanz zutreffend bejaht. Das Verwaltungs-
gericht hat aber auch zu Recht angenommen, dass ein Unterhaltsbeitrag deshalb er-
neut zu bewilligen ist, weil der frühere Beamte seine Bedürftigkeit nicht selbst zu ver-
treten hat (§ 110 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbsatz 2 BDO).
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom
5. Oktober 2000 - BVerwG 1 DB 18.00 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 7 = DÖV 2001,
252 = ZBR 2001, 211 = DÖD 2001, 150) ausgeführt hat, setzt eine erneute
Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags - entsprechend seinem Zweck als Übergangs-
leistung - voraus, dass sich der frühere Beamte in ausreichendem Maß um die Auf-
nahme einer anderen Erwerbstätigkeit bemüht hat. Entscheidend kommt es in die-
sem Zusammenhang auf die persönliche Initiative zur Wiedereingliederung in den
Arbeitsprozess, auf die Bereitschaft sowie auf die Aktivitäten zur Erlangung einer
neuen Tätigkeit an, nicht darauf, ob diese Anstrengungen auch tatsächlich zum Er-
folg geführt haben. Ein uneingeschränkt oder vermindert arbeitsfähiger früherer Be-
amter, der nach Wegfall seiner Dienstleistungspflicht täglich zur Arbeitsplatzsuche
genügend Zeit hat, ist gehalten, alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen
zu unternehmen, um eine unterhaltssichernde neue Arbeit zu finden. Er muss sich
ernsthaft, intensiv und nachhaltig während des gesamten Bewilligungszeitraums um
eine solche Erwerbstätigkeit bemühen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Wieder-
eingliederung des früheren Beamten in den Arbeitsprozess bei den an seinem
Wohnort oder dessen Umgebung bestehenden Verhältnissen aufgrund der Arbeits-
- 5 -
marktlage oder infolge seiner persönlichen Umstände schwierig gestaltet. Dem frü-
heren Beamten ist es auch zuzumuten, einfache Arbeiten, die keine oder nur eine
geringe Qualifikation voraussetzen, anzunehmen. Mit zunehmendem zeitlichen Ab-
stand zur Rechtskraft der Disziplinarentscheidung müssen höhere Anforderungen an
seine Darlegungs- und Nachweispflicht sowie an die Intensität seines Bemühens um
eine sein Auskommen sichernde Beschäftigung gestellt werden.
Zu diesen ernsthaften Bemühungen gehört insbesondere, dass sich der
frühere Beamte unverzüglich nach rechtskräftig festgestellter Entfernung aus dem
Dienst bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender meldet, sich
ständig mehrmals pro Woche auf Stellenangebote hin bewirbt und dass er auch
selbst - soweit sinnvoll und zumutbar - Bewerbungen in entsprechenden Medien (z.B.
Zeitung, Internet) aufgibt. Der frühere Beamte muss seine vergeblichen Bemühungen
um die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes durch Vorlage von nachprüfbaren
schriftlichen Belegen - dazu gehören z.B. Durchschriften von Bewerbungen,
Absagen, Ausdrucke von E-Mails, Angabe von Zeitpunkt und Anschrift der Firmen,
bei denen er sich nur mündlich beworben hat - gegenüber dem Gericht glaubhaft
machen (Beschluss vom 9. November 2000 - BVerwG 1 DB 17.00 - Buchholz 235
§ 110 BDO Nr. 8). Über diese Voraussetzungen ist der frühere Beamte im erst- und
zweitinstanzlichen Disziplinarurteil zutreffend belehrt worden.
Diesen Verhaltenspflichten ist der frühere Beamte im maßgebenden
Zeitraum vom 23. Februar 2005 bis zum 31. August 2005 (noch) im erforderlichen
Umfang nachgekommen. Bereits am 23. Februar 2005 - am Tag nach Erlass des
rechtskräftigen Berufungsurteils - hat er sich bei der Agentur für Arbeit … persönlich
als arbeitsuchend gemeldet. In der Folgezeit fanden weitere Kontakte und Bera-
tungsgespräche mit dem Arbeitsvermittler statt; ein konkreter Vermittlungsvorschlag
wurde ihm jedoch nicht gemacht. Für den Zeitraum Mai bis einschließlich August
2005 hat der frühere Beamte auch überregional insgesamt 10 Bewerbungsversuche
schriftlich nachgewiesen, und zwar bei der Deutschen Telekom AG (Wiedereinstel-
lung als Angestellter oder Arbeiter), bei der K. GmbH, der H. GmbH, der Ka. GmbH,
der Ge. GmbH, der … GmbH P. (Bestätigung von zwei Gesprächen), der S. GmbH,
der …firma S. und der SK… GmbH. Ab September 2005 sind die Bewerbungsbe-
mühungen gesteigert fortgesetzt worden mit dem Ergebnis, dass der frühere Beamte
- 6 -
am 1. Oktober 2005 bei der Firma A… (…) eine Ausbildung zum Fachberater für Fi-
nanzdienstleister begonnen hat.
Wie das Verwaltungsgericht hält auch der Senat für glaubhaft, dass
sich der frühere Beamte daneben von Anfang an sowohl mündlich wie auch fern-
mündlich bei verschiedenen Firmen (unter anderem V., Ka. …), Behörden und Ver-
bänden in seiner Umgebung und überregional um Arbeit bemüht und auch Stellen-
angebote im Internet
und in Tageszeitungen
ausgewertet hat. Unterhaltsbeitragsrechtlich unschädlich ist in diesem Zusammen-
hang der Umstand, dass der frühere Beamte zunächst im Wesentlichen nur Arbeits-
stellen gesucht hat, für die seine Kenntnisse und Fähigkeiten ausreichten, und dass
er erst ab Mai 2005 schriftliche Nachweise seiner Bemühungen vorgelegt hat. Es
handelte sich für ihn um die erstmalige Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags. Zwar
war der frühere Beamte bereits im erstinstanzlichen Urteil über seine Verhaltens-
pflichten im Hinblick auf die Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags belehrt worden.
Er hatte jedoch noch keine Erfahrungen, wie sich die Anforderungen an die Erfüllung
dieser Pflichten in der Praxis konkret auswirken würden. Vor allem aber wurde ihm
das - den Fall rechtskräftig abschließende - Berufungsurteil mit seinen Belehrungs-
hinweisen erst am 13. April 2005 zugestellt. Sein Dienstzeugnis erhielt er am
26. April 2005, so dass er dann - verstärkt und formgerecht nachweisbar - seinen
Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nachkommen konnte und auch nachkam.
Ferner stand einer Neubewilligung des Unterhaltsbeitrags nicht entgegen, dass sich
der frühere Beamte zunächst in seiner Umgebung und unter Mithilfe von ehemaligen
Kollegen und Bekannten vorrangig, entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkei-
ten, um ihm vertraute Berufstätigkeiten bemüht hatte. Eine solche Verhaltensweise
ist nachvollziehbar und ebenso unschädlich wie die Tatsache, dass der frühere Be-
amte keine Stellengesuche in Tageszeitungen aufgegeben hatte. Dieses "Versäum-
nis" ist erkennbar durch andere Aktivitäten aufgewogen worden. Entscheidend ist
allein, dass der frühere Beamte immer wieder - wenn auch letztlich erfolglos - ver-
sucht hat, eine neue Erwerbstätigkeit zu finden.
Sollte die Ausbildung zum Fachberater für Finanzdienstleister dem frü-
heren Beamten letztlich doch keine sein Auskommen sichernde Beschäftigung ver-
schaffen, ist er - entsprechend den ihm wiederholt erteilten Belehrungen - gehalten,
- 7 -
sich rechtzeitig, umfassend und nachweisbar um die Aufnahme einer anderen Er-
werbstätigkeit zu bemühen, wobei er praktisch jeden ihm gesundheitlich zumutbaren
Arbeitsplatz annehmen muss. Ob daneben noch die Möglichkeit einer beruflichen
Umschulung bestünde, müsste gegebenenfalls mit der Agentur für Arbeit geklärt
werden (vgl. dazu z.B. Beschluss vom 15. November 2004 - BVerwG 1 DB 6.04). Auf
jeden Fall dürfte der frühere Beamte in seinen Bemühungen um eine neue Arbeits-
stelle nicht nachlassen, er müsste sie vielmehr mit zunehmender Dauer intensivieren.
Der Nachweis dieser Bemühungen ist bei deren Erfolglosigkeit Voraussetzung einer
etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags nach § 110 Abs. 2 BDO (vgl. Be-
schluss vom 27. Juli 2005 - BVerwG 1 DB 2.05).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2
BDO und § 115 Abs. 9 i.V.m. Abs. 1 BDO.
Albers Müller Heeren
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags
Rechtsquellen:
BDG § 85 Abs. 3 Satz 1
BDO §§ 77, 79, 110 Abs. 2 und 6
Stichworte:
Früherer Beamter; Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags; Verpflichtung zur inten-
siven Suche einer neuen Arbeitsstelle; ausreichende Arbeitssuche im ersten Halb-
jahr.
Beschluss des Disziplinarsenats vom 18. Januar 2006 - BVerwG 1 DB 4.05
I. VG … vom 10.10.2005 - Az.: VG 7 A 5/03 -