Urteil des BVerwG vom 24.10.2002

Vorläufige Dienstenthebung, Firma, Deutsche Bundespost, Pflicht des Beamten

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BESCHLUSS
BVerwG 1 DB 10.02
BDiG XVI BK 6/01
In dem Beschwerdeverfahren
des Postdirektors ... ,
...,
...,
Antragstellers
und Beschwerdeführers,
- Verfahrensbevollmächtigte:
... -
g e g e n
die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch die Deutsche Post AG,
...,
...,
Antragsgegnerin
und Beschwerdegegnerin,
Beteiligter:
Der Bundesdisziplinaranwalt,
wegen vorläufiger Dienstenthebung,
- 2 -
hat der 1. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Bundesdisziplinargerichts, Kam-
mer XVI - ... -, vom 22. Februar 2002 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
1. Der Antragsteller, der am 1. Januar 1996 vom Bundesministe-
rium für Wirtschaft zur Generaldirektion der Deutschen Post AG
versetzt worden war, wurde ab dem 1. April 1997 nach Beurlau-
bung unter Wegfall der Dienstbezüge gemäß § 13 SUrlV i.V.m. § 4
Abs. 3 PostPersRG als leitender Angestellter mit der Aufgabe
des Abteilungsleiters "Regulierungs- und europäische Wettbe-
werbsstrategie" - zunächst für drei Jahre - bei der Deutschen
Post AG angestellt. Der außertarifliche Anstellungsvertrag wur-
de bis zum 31. März 2003 verlängert. Wegen der hier streitigen
Vorwürfe gegen den Antragsteller wurde dieser mit Wirkung vom
4. September 2000 zur Deutschen Post Immobilien Service GmbH
versetzt.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 und 12. Februar 2001 kün-
digten sowohl die Deutsche Post AG als auch die Deutsche Post
Immobilien Service GmbH die Arbeitsverhältnisse zum Antragstel-
ler fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die Verdachts- bzw. Tat-
kündigungen wurden letztlich darauf gestützt, dass der An-
tragsteller unter grobem Verstoß gegen die ihm obliegenden
- 3 -
Verschwiegenheits- und Treuepflichten den einzelkaufmännischen
Geschäftsbetrieb M. aktiv unterstützt und dadurch der Deutschen
Post AG erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe.
Nachdem die hiergegen erhobene Klage des Antragstellers vor dem
Arbeitsgericht ... nur teilweise Erfolg hatte (Urteil vom
2. August 2001), hat das Landesarbeitsgericht ... durch Urteil
vom 9. Juli 2002 festgestellt, dass die oben genannten Kündi-
gungen unwirksam und rechtsunwirksam sind.
Durch Schreiben vom 5. Oktober 2001 war dem Antragsteller noch-
mals fristlos gekündigt worden wegen des - inzwischen auch dis-
ziplinaren - Vorwurfs, den Inhaber der Firma M. mit unterneh-
mensinternen Informationen aus dem Postbereich versorgt zu ha-
ben, um diese im Rahmen des gegen die Deutsche Post AG geführ-
ten Schiedsverfahrens verwenden zu können. Der Antragsteller
hat hiergegen vor dem Arbeitsgericht ... Klage erhoben.
Mit Verfügung vom 14. Dezember 2000 widerrief die Deutsche Post
AG die Beurlaubung des Antragstellers ohne Begründung "mit so-
fortiger Wirkung". Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde
durch Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2001 unter Anordnung der
sofortigen Vollziehung zurückgewiesen. Dagegen ist kein Rechts-
behelf eingelegt worden.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2000 stellte die Deutsche Post
AG bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht ... gegen den
Antragsteller Strafanzeige wegen des Verdachts der Vorteilsan-
nahme, der Bestechlichkeit, der Verletzung von Dienstgeheimnis-
sen, der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, des Betru-
ges sowie des Verrats von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen.
Das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wurde wieder-
holt gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen die letzte Ein-
stellung gemäß Einstellungsnachricht vom 17. Juni 2002 hat die
Deutsche Post AG erneut Beschwerde eingelegt.
- 4 -
2. Der Vorstand der Deutschen Post AG hat mit berichtigter Ver-
fügung vom 16. Februar 2001 gegen den Antragsteller das förmli-
che Disziplinarverfahren eingeleitet, zugleich die Durchführung
einer Untersuchung angeordnet und den Antragsteller vorläufig
des Dienstes enthoben. Der Einleitungsverfügung liegt wie den
arbeitsrechtlichen Kündigungen vom 14. Dezember 2000 und
12. Februar 2001 der Vorwurf zugrunde, der Antragsteller sei
dringend verdächtig, in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter
"Internationale und nationale Regulierungspolitik/Regulie-
rungsstrategien" bei der Zentrale der Deutschen Post AG in wi-
derrechtlicher Art und Weise den einzelkaufmännischen Ge-
schäftsbetrieb M. bei dessen Antrag vom 31. Dezember 1999 auf
Teilleistungszugang (§ 28 PostG) unterstützt zu haben. Es hät-
ten sich darüber hinaus Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der
Antragsteller spezifisches Insiderwissen an den Inhaber von M.
weitergeleitet habe. Außerdem habe er es versäumt, anlässlich
seines umfangreichen Tätigwerdens bei den Verhandlungen der
Deutschen Post AG mit der Firma M. über den Abschluss eines
Vertrages auf Teilleistungszugang darauf hinzuweisen, dass er,
der Antragsteller, mit dem Inhaber von M. in einer familiären
Beziehung stehe. Auf Anraten des Antragstellers sei der Weg der
Kooperation mit der Firma M. gesucht worden, um die wirtschaft-
lichen Nachteile für die Deutsche Post AG durch diesen angeb-
lich ernst zu nehmenden Konkurrenten gering zu halten. Der mit
dem Inhaber der Firma M. geschlossene Beratervertrag beinhalte
monatliche Zahlungen über 100 000 DM. Der Vorvertrag über den
Geschäftsübergang der Firma M. sehe eine Zahlung von
13,6 Millionen DM vor.
Der Antragsteller sei deshalb verdächtig, durch sein Verhalten
seine Pflichten zur uneigennützigen Amtsführung, zur Amts-
verschwiegenheit sowie zur Beratung und Unterstützung schuld-
haft in erheblicher Weise verletzt und damit ein schwerwiegen-
des Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen zu ha-
ben.
- 5 -
Da der Antragsteller im Rahmen der Vorermittlungen erklärt ha-
be, er sehe derzeit keine Veranlassung, an dem angesetzten An-
hörungstermin teilzunehmen, erscheine in diesem Verfahrensab-
schnitt eine weitere Sachaufklärung nicht mehr möglich. Von der
Fortführung des Vorermittlungsverfahrens werde daher abgesehen.
Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung ist damit begrün-
det worden, das Vertrauensverhältnis zum Antragsteller sei auf-
grund der ihm zur Last gelegten Vorwürfe so nachhaltig gestört,
dass bis zur endgültigen Sachaufklärung eine weitere Beschäfti-
gung bei der Deutschen Post AG nicht hingenommen werden könne.
Diese Maßnahme sei auch zur Sicherung des Dienstbetriebs und
zur Wahrung des Ansehens der Deutschen Post AG erforderlich.
3. Der Antragsteller hat gegen die Anordnung der vorläufigen
Dienstenthebung am 30. März 2001 die Entscheidung des Bundes-
disziplinargerichts beantragt und zur Begründung im Wesentli-
chen geltend gemacht: Die angegriffene Verfügung sei bereits
verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen. Denn sie sei nicht von
einem Beamten unterschrieben worden; die Deutsche Post AG sei
wegen Befangenheit nicht entscheidungsbefugt und die Einleitung
eines förmlichen Verfahrens sei ohne hinreichende Vorermittlun-
gen und unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
erfolgt. Die ihm vorgeworfenen beamtenrechtlichen Pflichtver-
letzungen könne er schon deshalb nicht begangen haben, da er
als Beamter beurlaubt gewesen sei. Schließlich sei die vorläu-
fige Dienstenthebung ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig.
4. Das Bundesdisziplinargericht hat mit Beschluss vom
22. Februar 2002 die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung
des Antragstellers aufrechterhalten. Zur Begründung ist im We-
sentlichen ausgeführt: Das förmliche Disziplinarverfahren sei
wirksam eingeleitet worden. Es sei nicht zu beanstanden, dass
die Einleitungsverfügung von dem gemäß § 1 Abs. 8 PostPersRG
- 6 -
für die personellen Angelegenheiten der Beamten zuständigen
- nichtbeamteten - Arbeitsdirektor unterschrieben worden sei.
Nach dem Gesetz komme es nicht auf den dienstlichen Status des
Arbeitsdirektors an. Es sei auch zulässig und sachgerecht gewe-
sen, die angeordneten Vorermittlungen abzukürzen, nachdem der
Antragsteller der Ladung zur ersten Anhörung nicht Folge ge-
leistet habe. Dieser habe von der ihm eingeräumten Möglichkeit
der Äußerung zu den Vorwürfen keinen Gebrauch gemacht. Ein Ver-
stoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs liege
damit nicht vor.
Die disziplinaren Vorwürfe rechtfertigten auch mindestens die
Verhängung einer den Disziplinargerichten vorbehaltenen Maßnah-
me. Dem Antragsteller werde vorgeworfen, in schwerwiegender
Weise seine Loyalitätspflichten gegenüber seinem Arbeitgeber
und seinem Dienstherrn verletzt und diesen schweren finanziel-
len Schaden zugefügt zu haben. Darin sei zumindest ein Verstoß
gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten
(§ 54 Satz 3 BBG) zu sehen. Diese Dienstpflicht gelte für den
Antragsteller als Beamten trotz der so genannten In-sich-Be-
urlaubung und der Beschäftigung aufgrund privatrechtlichen Ar-
beitsvertrags fort. Eine vorwerfbare schwerwiegende Beeinträch-
tigung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn/Arbeitgeber
berechtige nicht nur zur fristlosen Kündigung des Arbeitsver-
hältnisses, sondern auch zu disziplinaren Maßnahmen im Beamten-
verhältnis. Dies sei hier der Fall, wobei die Entscheidung über
die Anordnung einer vorläufigen Dienstenthebung im pflichtgemä-
ßen Ermessen der Einleitungsbehörde stehe.
Diese Ermessensentscheidung sei hier nicht zu beanstanden. Sie
sei ordnungsgemäß begründet worden. Zwar könne es sein, dass
die Deutsche Post AG bei der von ihr getroffenen Entscheidung
als Geschädigte in verfahrensrechtlicher Hinsicht "befangen"
gewesen sei. Dies sei aber bei Dienstvergehen von Beamten zu
Lasten ihres Dienstherrn regelmäßig der Fall, ohne dass deshalb
- 7 -
die gesetzliche Befugnis zur Einleitung eines förmlichen Dis-
ziplinarverfahrens entfalle. Eine Ablehnung wegen Befangenheit
scheide deshalb aus.
Die vorläufige Dienstenthebung sei auch nicht unverhältnismä-
ßig. Der Anspruch des Antragstellers auf Alimentation bleibe in
voller Höhe erhalten. Angesichts der schweren - noch aufzuklä-
renden - Vorwürfe sei es der Deutschen Post AG nicht mehr zuzu-
muten, den Antragsteller vorläufig weiter zu beschäftigen. Des-
halb sei auch das Arbeitsverhältnis gekündigt worden.
Schließlich greife auch der Einwand des Antragstellers, die ge-
gen ihn erhobenen Vorwürfe seien insgesamt nicht hinreichend
aufgeklärt oder schon widerlegt, nicht durch. Das dem An-
tragsteller zur Last gelegte Fehlverhalten sei nach wie vor Ge-
genstand von Rechtsstreitigkeiten und strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren. Das Arbeitsgericht ... habe immerhin das Vor-
liegen eines Grundes für die fristlose Kündigung und Verstöße
des Antragstellers gegen seine Loyalitätspflicht bejaht. Im Üb-
rigen sei es nicht Aufgabe des vorliegenden Verfahrens, die Be-
rechtigung der erhobenen Vorwürfe abschließend zu klären. Bei
der Anordnung nach § 91 BDO handele es sich um eine vorläufige
Maßnahme, die in der Regel am Anfang der Sachaufklärung stehe
und deren Berechtigung sich unter Umständen erst im nachfolgen-
den förmlichen disziplinargerichtlichen Verfahren herausstellen
werde.
5. Gegen die Aufrechterhaltung der vorläufigen Dienstenthebung
hat der Antragsteller rechtzeitig Beschwerde eingelegt und im
Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ver-
tieft. So macht er weiter geltend, die Deutsche Post AG sei bei
der von ihr getroffenen Entscheidung "befangen" gewesen. An-
stelle der gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung eines
objektiven und unparteiischen Verfahrens habe die Post einsei-
tig mit dem Ziel ermittelt, ihn, den Antragsteller, letztlich
- 8 -
um jeden Preis aus dem Dienst entfernen zu können. Ferner sei
willkürlich - und damit verfahrensfehlerhaft - von der Durch-
führung von Vorermittlungen abgesehen worden, um das Diszipli-
narverfahren als Druckmittel gegen seinen "Verwandten", den In-
haber der Firma M., im schiedsgerichtlichen Verfahren wegen des
Vertrages mit der Deutschen Post AG zu missbrauchen. Die Auf-
rechterhaltung der vorläufigen Dienstenthebung sei auch deshalb
ermessensfehlerhaft, weil das Untersuchungsverfahren seit Au-
gust 2001 nicht mehr betrieben worden sei; dies widerspreche
dem Charakter des Disziplinarverfahrens als Eilverfahren. Al-
lein durch den Zeitablauf führe die vorläufige Dienstenthebung
faktisch - in rechtswidriger Weise - zu einer endgültigen Sus-
pendierung vom Dienst. Die Vorinstanz habe sich auch nicht hin-
reichend damit auseinander gesetzt, ob im Zeitpunkt ihrer Ent-
scheidung überhaupt noch ein hinreichender Verdacht eines
schweren Dienstvergehens und die hinreichende Aussicht auf sei-
ne, des Antragstellers, Überführung bestehe. Dabei komme es al-
lein auf die Sach- und Beweislage im Disziplinarverfahren - und
nicht auf die sonstiger anhängiger Verfahren - an. Ungeachtet
dessen sei das Urteil des Arbeitsgerichts nicht rechtskräftig
geworden. Das Landesarbeitsgericht ... habe durch Urteil vom
9. Juli 2002 festgestellt, dass die Kündigungen vom
14. Dezember 2000 und 12. Februar 2001 unwirksam und rechtsun-
wirksam seien. Zudem seien die vorhandenen Beweismittel (Zeu-
genaussagen, sprachwissenschaftliches Sachverständigengutachten
zur Klärung der strittigen Autorenschaft von Schreiben an die
Deutsche Post AG) erschöpft und belegten, dass gegen ihn, den
Antragsteller, derzeit kein hinreichender Tatverdacht bestehe.
Deshalb sei auch das Ermittlungsverfahren gegen ihn erneut ein-
gestellt worden. Schließlich werde die vorläufige Dienstenthe-
bung als unverhältnismäßig angesehen.
- 9 -
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 85 Abs. 5 BDG i.V.m. § 79 BDO zuläs-
sig; die Rechtmäßigkeit der Anordnung der vorläufigen Dienst-
enthebung vom 16. Februar 2001 beurteilt sich auch nach dem Au-
ßerkrafttreten der Bundesdisziplinarordnung zum 1. Januar 2002
nach §§ 91 ff. BDO (vgl. dazu Beschluss vom 31. Januar 2002
- BVerwG 1 DB 1.02 - m.w.N.).
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 91 BDO kann die Einleitungsbehörde einen Beamten vorläu-
fig des Dienstes entheben, wenn das förmliche Disziplinarver-
fahren gegen ihn ordnungsgemäß eingeleitet wird oder eingelei-
tet worden ist. Darüber hinaus muss der begründete Verdacht ei-
nes Dienstvergehens bestehen, das geeignet ist, das förmliche
Disziplinarverfahren zu rechtfertigen. Die Entscheidung liegt
dann im Ermessen der Behörde (stRspr, z.B. Beschluss vom
21. September 2000 - BVerwG 1 DB 7.00 - ZBR 2001, 213, m.w.N.).
1. Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung ist in formel-
ler Hinsicht nicht zu beanstanden.
Das förmliche Disziplinarverfahren ist durch die berichtigte
Verfügung vom 16. Februar 2001, die der zuständige Arbeitsdi-
rektor (§ 1 Abs. 8 PostPersRG) für den Vorstand der Deutschen
Post AG als Einleitungsbehörde (§ 1 Abs. 3 PostPersRG) unter-
zeichnet hat, wirksam eingeleitet worden. Die Vorinstanz hat
zutreffend darauf hingewiesen, dass es angesichts des Schwei-
gens des Gesetzgebers nicht darauf ankommt, ob der Unterzeich-
ner der Verfügung Beamter ist. Für diese Auslegung spricht auch
die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 PostPersRG, wonach
- entgegen § 56 Abs. 2 BDO - sogar ein der Aktiengesellschaft
angehörender Angestellter, der die Befähigung zum Richteramt
- 10 -
besitzt, mit den Befugnissen eines Untersuchungsführers beauf-
tragt werden darf.
Die Beschwerde macht auch ohne Erfolg geltend, die Deutsche
Post AG sei als Betroffene "befangen" und deshalb nicht ent-
scheidungsbefugt gewesen. Wäre dieser Einwand zutreffend, müss-
te es der Aktiengesellschaft regelmäßig untersagt sein, im Fal-
le von Dienstvergehen eines bei ihr beschäftigten Beamten förm-
liche Disziplinarverfahren einzuleiten und eine Anordnung nach
§ 91 BDO zu erlassen. Denn die Aktiengesellschaft wäre zumin-
dest immer dann durch das Dienstvergehen betroffen, wenn hier-
durch bei ihr ein Schaden eingetreten ist, wie auch vorliegend
geltend gemacht wird. Im Postpersonalrechtsgesetz ist generell
aber anderes bestimmt. Nach dessen § 1 werden die Aktiengesell-
schaften ermächtigt, die dem Dienstherrn Bund obliegenden Rech-
te und Pflichten gegenüber den bei ihnen beschäftigten Beamten,
Ruhestandsbeamten und früheren Beamten wahrzunehmen. Dabei wer-
den dem jeweiligen Vorstand bzw. Dienstvorgesetzten auch dis-
ziplinarrechtliche Befugnisse, z.B. zur Einleitung förmlicher
Disziplinarverfahren und zur Verhängung einer Geldbuße, einge-
räumt (§ 1 Abs. 3 und Abs. 6 PostPersRG). In diesen Fällen ist
allerdings die beabsichtigte Maßnahme unter Vorlage der Akten
vorab von der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation
Deutsche Bundespost auf Rechtmäßigkeit und sachgerechte Aus-
übung des Ermessens prüfen zu lassen; dem Prüfungsergebnis hat
die zuständige Stelle der Aktiengesellschaft Rechnung zu tragen
(§ 1 Abs. 6 PostPersRG, § 15 BAPostG). Durch die Vorkontrolle
seitens einer unabhängigen Behörde soll das Vertrauen der bei
der Aktiengesellschaft beschäftigten Beamten in die Rechtmäßig-
keit solcher schwerwiegender Eingriffe und in die ordnungsgemä-
ße Ausübung des Ermessens gemäß § 3 BDO gestärkt werden
(BTDrucks 12/8060 S. 184 zu § 12 a Entwurf - BAPostG). Im vor-
liegenden Fall hat die Bundesanstalt für Post und Telekommuni-
kation Deutsche Bundespost nach Prüfung der ihr vorgelegten Un-
terlagen am 30. Januar 2001 die Voraussetzungen für die Einlei-
- 11 -
tung eines förmlichen Disziplinarverfahrens für gegeben erach-
tet.
Ferner hat das Bundesdisziplinargericht auch zutreffend darge-
legt, dass es zulässig und sachgerecht war, die mit Verfügung
vom 20. Dezember 2000 angeordneten Vorermittlungen abzukürzen,
nachdem der Antragsteller einer Ladung zur ersten Anhörung
nicht gefolgt war, weil die ihm mitgeteilten Vorwürfe nicht
konkret genug seien und auf falschen Rechtsansichten beruhten.
Insoweit wird auf die Ausführungen in dem erstinstanzlichen
Beschlussumdruck (S. 4) verwiesen. Im Übrigen setzt die Recht-
mäßigkeit der Einleitung des förmlichen Verfahrens nicht vo-
raus, dass Vorermittlungen stattgefunden haben, die in jeder
Hinsicht den Vorschriften des § 26 BDO entsprechen; eventuelle
Verfahrensfehler können durch das nachfolgende Verfahren ge-
heilt werden (stRspr, z.B. Beschluss vom 11. Juni 1976 - BVerwG
1 DB 8.76 - BVerwGE 53, 176; Urteil vom 22. April 1997 - BVerwG
1 D 9.96 - m.w.N). Hier hat der Antragsteller im laufenden Un-
tersuchungsverfahren und auch im vorliegenden disziplinarge-
richtlichen Verfahren von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ak-
teneinsicht zu nehmen und sich zu den gegen ihn erhobenen Vor-
würfen zu äußern. Lediglich dann, wenn auf die Durchführung von
Vorermittlungen willkürlich verzichtet worden wäre, könnte die
Möglichkeit, Verfahrensfehler zu heilen, anders beurteilt wer-
den (vgl. z.B. Beschluss vom 15. Dezember 1982 - BVerwG 1 DB
29.82 - BVerwGE 76, 48; Urteil vom 8. September 1988 - BVerwG
1 D 70.87 - m.w.N.). Dafür gibt es hier jedoch – entgegen dem
Beschwerdevorbringen – keine Anhaltspunkte.
Der vorläufigen Dienstenthebung steht schließlich auch nicht
entgegen, dass im Zeitpunkt der Zustellung und damit des Wirk-
samwerdens der Anordnung (§ 94 Satz 2 i.V.m. § 23 a Abs. 1 BDO)
- 19. Februar 2001 - die Beurlaubung des Antragstellers unter
Wegfall der Dienstbezüge gemäß § 13 SUrlV i.V.m. § 4 Abs. 3
PostPersRG, die ihn von seiner beamtenrechtlichen Pflicht zur
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Dienstleistung entbunden hatte (vgl. Urteil vom 7. Juni 2000
- BVerwG 1 D 4.99 - BVerwGE 111, 231; Urteil vom 12. Dezember
2001 - BVerwG 1 D 4.01 -), noch nicht wirksam widerrufen war.
Ob es in einem solchen Beurlaubungsfall überhaupt noch recht-
lich möglich und geboten ist, den ohnehin nach Beamtenrecht
nicht dienstleistungspflichtigen Beamten gemäß § 91 BDO von
seiner Dienstleistungspflicht zu entbinden (vgl. dazu allgemein
z.B. Behnke, BDO, 2. Auflage 1970, § 91 Rn. 3; Lindgen, RiA
1968, 121 <122>, Köhler/Ratz, BDO, 2. Auflage 1994, § 91 Rn. 1;
Schütz, Disziplinarordnung NRW, Stand 2000, § 91/93 Rn. 7; Weiß
in: GKÖD, Bd. II, Stand 2002, BDO § 91 Rn. 20; Zängl, Bayeri-
sche Disziplinarordnung, Stand 2001, Art. 80 Rn. 2), kann hier
offen bleiben. Denn jedenfalls im für die Sach- und Rechtslage
maßgebenden Zeitpunkt der Senatsentscheidung (vgl. z.B. Be-
schluss vom 1. Dezember 1993 - BVerwG 1 DB 28.93 - m.w.N.)
liegt mit dem bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom
15. Mai 2001 ein wirksamer Widerruf der Beurlaubung vor. Die
beamtenrechtliche Verpflichtung des Antragstellers zur Dienst-
leistung ist damit wieder aufgelebt, sodass für eine vorläufige
Dienstenthebung Raum ist.
2. Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung ist auch in
materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
a) Die Suspendierung des Antragstellers, der im dringenden Ver-
dacht steht, ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen zu ha-
ben, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Bei der Ausübung
seines Ermessens hat der Vorstand der Deutschen Post AG als
Einleitungsbehörde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rech-
nung zu tragen, der auch für die Anordnung vorläufiger Maßnah-
men im förmlichen Verfahren zu beachten ist (stRspr, z.B. Be-
schluss vom 21. September 2000, a.a.O.). Der aus dem Rechts-
staatsprinzip herzuleitende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gebietet in seiner hier maßgeblichen Ausprägung, dass die Be-
lange des Beamten, insbesondere sein Interesse, seine Tätigkeit
- 13 -
einstweilen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Disziplinar-
verfahrens fortzusetzen, mit den dienstlichen Interessen, die
seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen können, abzuwägen
sind. Kommt im Hinblick auf Art und Schwere des Dienstvergehens
voraussichtlich, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die
Entfernung aus dem Dienst in Betracht, so rechtfertigen es die
zu befürchtende Störung der dienstlichen Interessen und die
Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes regelmäßig, die
Suspendierung anzuordnen und auf diesem Wege den Zeitpunkt der
Unterbindung der Dienstausübung gleichsam vorzuverlegen (vgl.
hierzu insbesondere BVerfGE 46, 17 <26>). Denn die Weiterbe-
schäftigung eines Beamten, dem nach dem Stand der gegen ihn
eingeleiteten Ermittlungen das berufserforderliche Vertrauen
nicht mehr länger entgegengebracht werden kann, ist dem Dienst-
herrn in der Regel bereits vor rechtskräftigem Abschluss des
Disziplinarverfahrens nicht mehr zuzumuten (Beschluss vom
3. Juli 2001 - BVerwG 1 DB 17.01 -). Ein solcher Fall ist hier
gegeben.
b) Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist nach der im Antrags-
verfahren im Sinne von § 95 Abs. 3 BDO gebotenen, ihrer Natur
nach nur summarischen Prüfung des Sachverhalts angesichts der
gegenwärtigen Beweislage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
zu erwarten.
aa) Der Senat geht nach dem Stand der bisher durchgeführten
disziplinaren Ermittlungen davon aus, dass der gemäß § 13 SUrlV
i.V.m. § 4 Abs. 3 PostPersRG vom Dienst beurlaubte Antragstel-
ler in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter "Regulierungs-
und europäische Wettbewerbsstrategie" bei der Zentrale der
Deutschen Post AG in der Zeit von etwa Januar bis Ende März
2000 wiederholt mit dem Antrag des einzelkaufmännischen Ge-
schäftsbetriebs M., Inhaber: Dipl.-Ing. N., auf Teilleistungs-
zugang (§ 28 PostG) vom 31. Dezember 1999 befasst war. Der An-
tragsteller war insbesondere auch an der Vorbereitung der kon-
- 14 -
zerninternen Entscheidung über den Abschluss des Beratervertra-
ges mit Herrn N. und des Vorvertrages für die Geschäftsübernah-
me beteiligt; zum Vorvertragsschluss kam es am 23. März 2000.
Der endgültige Geschäftsübernahmevertrag kam nicht zustande.
Die Ehefrau des Antragstellers und die Ehefrau des Herrn N.
sind Schwestern. Dieser Umstand war den an der konzerninternen
Bearbeitung und Entscheidung des Antrags auf Teilleistungszu-
gang beteiligten Personen - mit Ausnahme des Antragstellers -
bis Mitte August 2000 nicht bekannt. Dass Herr N. Inhaber der
Firma M. war, ist dem Antragsteller jedenfalls schon vor seiner
gutachterlichen Befassung mit der Angelegenheit bekannt gewe-
sen. Gleichwohl hat er die familiäre Beziehung bis zu deren
Aufdeckung im August 2000 seinen Vorgesetzten und Mitarbeitern
nicht offenbart. Der Antragsteller hatte zuvor die Frage, ob er
Herrn N. schon einmal begegnet sei, sogar verneint.
bb) Die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens und die
Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung beruhen im Wesentli-
chen auf folgenden Vorwürfen:
1) Unterstützung der Firma M. bei deren Antrag auf Teilleis-
tungszugang vom 31. Dezember 1999;
2) Weitergabe von spezifischem Insiderwissen an Herrn N.;
3) Unterlassung der Offenbarung der familiären Beziehungen zu
Herrn N. anlässlich des Tätigwerdens des Antragstellers im Zu-
sammenhang mit der Bearbeitung des Antrags auf Teilleistungszu-
gang;
4) Empfehlung an die konzerninternen Entscheidungsträger, aus
unternehmensstrategischer Sicht mit der Firma M. zu kooperie-
ren, d.h., die Firma zu kaufen (Vorvertrag) und Herrn N. durch
einen Beratervertrag zur Aufgabe der Geschäftsidee zu bewegen.
- 15 -
Die Berechtigung des Vorwurfs zu 1) ist - für sich gesehen -
nach gegenwärtiger Beweislage nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die Deutsche Post AG stützt sich vor allem auf den ungewöhnlich
professionellen Inhalt der Schriftsätze der Firma M.. Aufgrund
der hohen Fachkenntnis des Antragstellers geht man davon aus,
dass dieser bei der Abfassung der Schreiben maßgeblich mitge-
wirkt hat. Prof. Dr. K. kommt in seinem von der Deutschen Post
AG in Auftrag gegebenen sprachwissenschaftlichen Gutachten vom
28. Januar 2001 zum Ergebnis, dass der Antragsteller - unter
der Voraussetzung, dass er Autor der vorgelegten Vergleichs-
schreiben ist - "mit Wahrscheinlichkeit" auch partiell Autor
oder Mitautor der strittigen Schreiben von Herrn N. ist.
Der Senat ist derzeit nicht davon überzeugt, dass dem An-
tragsteller allein auf dieser Grundlage nachgewiesen werden
kann, Autor oder Mitautor der Schriftsätze des Herrn N. an die
Deutsche Post AG gewesen zu sein. Beide Personen bestreiten,
dass es bei der Antragstellung gemäß § 28 PostG zu Unterstüt-
zungshandlungen seitens des Antragstellers gekommen ist. Auf-
grund der beruflichen Ausbildung und Tätigkeit des Dipl.-Ing.
N., der den Vertretern der Deutschen Post AG als durchaus kom-
petenter und sehr beeindruckender Gesprächspartner erschienen
ist, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die-
ser sich in die postrechtliche und -fachliche Materie eingear-
beitet und die Schriftsätze selbst verfasst hat. Das vorgelegte
sprachwissenschaftliche (Partei-) Gutachten vom 28. Januar
2001, dessen Überzeugungskraft durch zwei vom Antragsteller
vorgelegte sprachwissenschaftliche gutachterliche Stellungnah-
men vom 6. und 10. September 2001 - mit Gegenstellungnahme von
Prof. Dr. K. vom 29. Mai 2002 - in Zweifel gezogen wird, ist
jedenfalls nicht geeignet, den Nachweis der (Mit-)Autorenschaft
des Antragstellers zu führen. Nach glaubhafter Aussage des Zeu-
gen C. von der Zentrale der Deutschen Post AG und Vorgesetzten
des Antragstellers ist bereits nicht gesichert, dass alle im
Gutachten verwerteten Vergleichsschreiben mit der Unterschrift
- 16 -
des Antragstellers textlich von diesem stammen; in der Abtei-
lung des Antragstellers arbeiteten damals ca. fünf bis sechs
Mitarbeiter mit Hochschulabschluss und zwei Sachbearbeiter.
Nicht übersehen werden darf auch die eigene Aussage des Sach-
verständigen, dass es sich bei seiner forensisch-linguistischen
Textanalyse nicht um "Beweise", sondern um "Wahrscheinlich-
keitsaussagen" handelt; die Einstufung "mit Wahrscheinlichkeit"
entspricht der dritten Stufe auf der fünfstufigen Skala von
"nicht entscheidbar" bis "mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit". Eine so "unsichere" gutachterliche Bewertung
reicht für sich allein nicht aus, eine - gegebenenfalls zu dis-
ziplinaren Konsequenzen führende - (Mit-)Autorenschaft des
Antragstellers annehmen zu können. Zwar ist nicht ausgeschlos-
sen - nach der Lebenserfahrung vielleicht sogar "wahrschein-
lich" -, dass der Antragsteller den Schwager seiner Frau bezüg-
lich des Antrags nach § 28 PostG "beraten" hat und dies auch in
entsprechende Schreiben der Firma M. an die Deutsche Post AG
eingeflossen ist. Über eine derartige Mutmaßung hinausgehend
lässt sich dies aber derzeit nicht anhand konkreter Beweismit-
tel nachweisen. Allenfalls der gesicherte Nachweis weiterer
Vorwürfe könnte - im Zusammenhang gesehen - die Beweislage zu
diesem Vorwurf aufwerten.
Hinsichtlich des Vorwurfs zu 2) ist der Antragsteller aller-
dings dringend verdächtig, zumindest in einem Fall ein Ge-
schäftsgeheimnis an Herrn N. weitergegeben zu haben.
Nach § 3 Abs. 3 des Anstellungsvertrages vom 30. April 1997
- gültig bis einschließlich 31. März 2000 (vgl. § 2 Abs. 1 des
Vertrages) - und nach § 3 Abs. 5 des anschließend wirksam ge-
wordenen Anstellungsvertrages vom 28. Dezember 1999 war der An-
tragsteller arbeitsvertraglich verpflichtet, über alle ihm im
Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden betrieblichen
Angelegenheiten, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnis-
sen, Stillschweigen zu bewahren.
- 17 -
Es ist zumindest überwiegend wahrscheinlich, dass der An-
tragsteller Einzelheiten der am 14. März 2000 konzernintern ab-
gesprochenen Taktik für das Verhandlungsgespräch mit Herrn N.
an diesen anschließend weitergegeben hat. Der Zeuge C. hat wie-
derholt glaubhaft ausgesagt, am Vormittag des 14. März 2000 ha-
be man in einem Vorbereitungsgespräch in Anwesenheit des An-
tragstellers über einen möglichen Kauf der Firma M. diskutiert
und dabei auch die Frage behandelt, wie ein solches Unternehmen
zu bewerten sei. Er, der Zeuge, habe eingangs eine Bandbreite
von 0 bis 100 Millionen DM als denkbar bezeichnet, letztlich
aber erklärt, nicht mehr als 6 Millionen DM bieten zu wollen.
Am Nachmittag habe man sich dann mit Herrn N. getroffen; der
Antragsteller sei bei diesen und weiteren Vertragsverhandlungen
allerdings nie dabei gewesen. Im Verlaufe des Verhandlungsge-
sprächs habe man auch über einen möglichen Kaufpreis für das
Unternehmen gesprochen. Herr N. habe geäußert, man könne ja bei
100 Millionen DM anfangen. Er, der Zeuge, habe entgegnet, man
könne genauso gut bei einem niedrigeren Betrag als 1 Million DM
beginnen. Das Gespräch zum Kaufpreis sei dann - sich zwischen
1 und 2 Millionen bewegend - hin und her gegangen. Im weiteren
Gesprächsverlauf habe Herr N. dann unvermittelt erklärt: Wenn
sie meinten, sie könnten ihn mit 6 Millionen DM abfinden, hät-
ten sie sich "geschnitten". Für ihn, den Zeugen, sei diese Be-
merkung sehr überraschend gekommen, da ein solcher Betrag im
bisherigen Verlauf des Gesprächs nicht erwähnt worden sei.
Es muss als sehr unwahrscheinlich angesehen werden, dass Herr
N. in dieser Weise, d.h. ohne Annäherung in Verhandlungsschrit-
ten, "zufällig" einen noch nicht zur Diskussion stehenden Be-
trag als Verkaufspreis angesprochen hat, der dem intern erör-
terten Maximum entsprach, nicht mehr und nicht weniger. Viel-
mehr war Herr N. nach der objektiv nachvollziehbaren Aussage
des Zeugen offensichtlich darauf aus, das nicht aufgedeckte
Verhandlungsziel der Deutschen Post AG als von vornherein inak-
- 18 -
zeptabel zu kennzeichnen, um es auf einen Schlag und ohne jede
- nach Lage der Dinge auch nicht mögliche - Begründung durch-
brechen zu können. Das lässt, zumal es an jeglichen Vergleichs-
maßstäben für die Preisbildung mangelte, auf ein erstaunliches
Maß an Gewissheit über die gegnerische Verhandlungsposition
schließen, für das es nur eine Erklärung gibt: Es besteht der
dringende Verdacht, dass Herr N. von Informationen profitiert
hat, die er von einem Teilnehmer des Vorbereitungsgesprächs er-
halten hatte. Nach Lage der Dinge - wegen der familiären Bezie-
hung, auch weil diese nicht aufgedeckt worden war, und weil
sich der Antragsteller gleichwohl in Kenntnis all dieser Um-
stände von sich aus angeboten hatte, seine aktuelle "zufällige"
Befassung mit der Thematik zum Anlass zu nehmen, den Antrag und
seine Behandlung durch ihn begutachten zu lassen - kommt dafür
nur der Antragsteller in Betracht. Nur so macht sein Streben
nach einer pflichtwidrigen Befassung mit der Angelegenheit
überhaupt einen Sinn. Bei den Informationen handelt es sich
auch um ein Geschäftsgeheimnis. Als ein solches werden alle
Tatsachen angesehen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbe-
trieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt
und nicht offenkundig sind und nach dem Willen des Arbeitgebers
im Rahmen eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim
gehalten werden sollen (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch,
10. Aufl. 2002, § 54 Rn. 2 m.w.N.). Diese Voraussetzungen lie-
gen hier vor. Dass es sich sogar um ein ausgesprochen bedeutsa-
mes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handelt, wird nicht zu-
letzt am Ausmaß deutlich, in dem die ursprüngliche Verhand-
lungsmarge von 6 Millionen DM, bis zum letztlich ausgehandelten
Betrag von 13,6 Millionen DM noch überboten werden musste.
Ansonsten gibt es bisher weder Beweise noch ausreichende An-
haltspunkte dafür, dass der Antragsteller weiteres Insiderwis-
sen an den Schwager seiner Ehefrau weitergeleitet hat.
Den Vorwurf zu 3), seine familiären Beziehungen zu Herrn N.
- 19 -
konzernintern nicht rechtzeitig offen gelegt zu haben, hat der
Antragsteller selbst eingeräumt. Erläuternd hat er angegeben,
er habe geschwiegen aus Sorge, arbeits- und dienstrechtliche
Probleme zu bekommen. Das ist insofern nicht nachvollziehbar,
als es das Nichtoffenbaren vor den ersten eigenen Aktivitäten
in der Angelegenheit betrifft. Die Identität des Inhabers von
M. war ihm nach den Aussagen der Zeugen C. und M., einem wei-
teren Vorgesetzten des Antragstellers, schon vorher (seit Ende
Januar, unstreitig zumindest seit Anfang März 2000) bekannt.
Wie die beiden Zeugen weiterhin ausgesagt haben, wäre der An-
tragsteller dann, wenn er sich rechtzeitig offenbart hätte,
sofort von der weiteren Bearbeitung der Angelegenheit entbun-
den worden; es wäre dann auch nicht zu einem Vertragsschluss
mit dem Schwager seiner Ehefrau gekommen. Dessen muss sich der
Antragsteller als Volljurist und zumal in einer so bedeutungs-
vollen wie auch - bei bevorstehendem Börsengang - heiklen An-
gelegenheit bewusst gewesen sein. Auch hier handelt es sich
also um eine schwerwiegende Pflichtverletzung.
Der Vorwurf zu 4), eine Empfehlung zur Kooperation mit der
Firma M. abgegeben zu haben, beruht auf einem unstreitigen
Sachverhalt, und zwar im Wesentlichen auf dem 12-seitigen Gut-
achten des Antragstellers vom 18. März 2000 ("Analyse alterna-
tiver Handlungsmöglichkeiten und ihrer Erfolgsaussichten gegen
Teilleistungsbegehren von Kundenvermittlern") sowie auf dessen
Zusammenstellung der "mit der Firma M. aus regulatorischer
Sicht zu regelnden Vertragspunkte" vom 21. März 2000. Zwar
enthielt das Schriftstück vom 18. März 2000 nach Ansicht des
Zeugen C. zum Teil gewagte Thesen und war im Schreiben vom
21. März 2002 unter Ziffer 5 auffällig ein Vorteil für M. her-
ausgearbeitet. Insgesamt wurden die Analysen von den Zeugen C.
und M. in der Kürze der ihnen damals zur Verfügung stehenden
Zeit aber im Wesentlichen als "in sich schlüssig und inhalt-
lich nicht zu beanstanden" beurteilt. Neben den Vorwürfen zu
2) und 3) kommt den Empfehlungen des Antragstellers daher kei-
- 20 -
ne selbständige Bedeutung als Pflichtverletzung zu. Es bleibt
jedoch der Zusammenhang mit dem Vorwurf zu 3): Das pflichtwid-
rige Tätigwerden in der Angelegenheit ohne vorherige Offenba-
rung der familiären Beziehung.
cc) Soweit in den Vorwürfen zu 2), 3) und 4) der Sachverhalt
erwiesen ist bzw. derzeit zumindest ein dringender Tatverdacht
besteht, stellt die Handlungsweise des Antragstellers einen
vorsätzlichen Verstoß gegen seine Dienstpflichten gemäß § 54
Satz 3 BBG und ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne
des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG dar.
Nach § 54 Satz 3 BBG muss das Verhalten eines Beamten innerhalb
und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen ge-
recht werden, die sein Beruf erfordert. Von dieser Verpflich-
tung war der Antragsteller nicht dadurch befreit, dass er Be-
schäftigter der Deutschen Post AG geworden war. Ausgehend von
Art. 143 b Abs. 3 GG normiert § 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG die
Beleihung u.a. der Deutschen Post AG mit den Befugnissen des
Dienstherrn Bund gegenüber allen auf die Aktiengesellschaft
übergegangenen Beamten. Damit blieb der Beamtenstatus des An-
tragstellers durch den Übergang auf die Deutsche Post AG unver-
ändert, einschließlich seiner Loyalitätsbindung an den Dienst-
herrn Bund. Er blieb Beamter im unmittelbaren Bundesdienst (§ 2
Abs. 3 Satz 1 PostPersRG), die Pflichten aus § 54 Satz 3 BBG
galten für ihn fort (vgl. Urteil vom 20. August 1996 - BVerwG
1 D 80.95 - BVerwGE 103, 375). Durch die Beurlaubung vom Dienst
nach § 4 Abs. 3 PostPersRG und die Beschäftigung mittels pri-
vatrechtlichen Anstellungsvertrages bei der Deutschen Post AG
(sog. "In-sich-Beurlaubung") war der Antragsteller nur von ei-
nem Teil seiner beamtenrechtlichen Pflichten entbunden worden,
nicht aber von den Pflichten gemäß § 54 Satz 3 BBG. Nach allge-
meinen beamtenrechtlichen Grundsätzen hat die Beurlaubung eines
Beamten vor allem zur Folge, dass dieser für den betreffenden
Zeitraum von der ihm obliegenden Dienstleistungspflicht befreit
- 21 -
ist. Demgegenüber bleibt das Treueverhältnis uneingeschränkt
bestehen. Der Beamte bleibt beamtenrechtlich pflichtgebunden,
soweit sich aus der Natur und Art des Urlaubs nichts anderes
ergibt (Urteil vom 7. Juni 2000, a.a.O.; Urteil vom
12. Dezember 2001, a.a.O.).
Nach der zitierten Rechtsprechung des Senats gelten für Beamte,
die nach den genannten Vorschriften beurlaubt sind, neben ihrer
fortbestehenden Treue– und Loyalitätsbindung an den Dienstherrn
eine Reihe weiterer beamtenrechtlicher Pflichten uneinge-
schränkt fort, in Anlehnung an § 77 Abs. 2 BBG u.a. die Ver-
schwiegenheitspflicht. Daneben wird durch die Tätigkeit bei der
Deutschen Post AG die Pflicht zur Beachtung von Rechtsvor-
schriften, die - wie z.B. die Strafgesetze - wichtigen Gemein-
schaftsinteressen dienen, als Bestandteil der Pflicht des Beam-
ten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nicht einge-
schränkt. Die allgemeine Gesetzestreue eines Beamten stellt
nach wie vor eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums
dar. Auch nach heutiger Anschauung ist ein - auch außerdienst-
licher - Verstoß gegen Rechtsnormen, die wichtige Gemein-
schaftsinteressen schützen, geeignet, das Vertrauen in eine
ordnungsgemäße Dienstausübung der Berufsbeamten zu erschüttern
(BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257/96 -).
Von einem Fall der Verletzung der Treue- und Loyalitätspflicht
gegenüber dem Dienstherrn ist hier hinsichtlich der Handlungs-
weise des Antragstellers auszugehen, die ihm zu 2), 3) und 4)
vorgeworfen wird. Der Antragsteller steht nicht nur in drin-
gendem Verdacht, zumindest einmal arbeitsvertragswidrig Ge-
schäftsgeheimnisse (Verhandlungstaktik) der Deutschen Post AG
an den Schwager seiner Ehefrau als Verhandlungspartner der
Post weitergegeben zu haben. Er hat auch konzernintern nicht
rechtzeitig offenbart, dass der von ihm bearbeitete Antrag der
Firma M. auf Teilleistungszugang vom Schwager seiner Ehefrau
gestellt worden war. Hierzu war er arbeitsvertraglich aufgrund
- 22 -
seiner Loyalitätsbindung zum Arbeitgeber verpflichtet. Beide
Verhaltensweisen waren aber nicht nur arbeitsvertragswidrig,
sondern sie bedeuteten zugleich einen vorsätzlichen Verstoß
gegen die beamtenrechtliche Treue- und Loyalitätspflicht: Dies
war dem Antragsteller - eigenen Angaben zufolge - von vornher-
ein klar. Insbesondere aus Sorge vor arbeits- und disziplinar-
rechtlichen Konsequenzen hat er bewusst davon abgesehen, die-
sen Umstand konzernintern mitzuteilen.
Der schwerwiegende Verstoß gegen die arbeitsrechtliche Ver-
schwiegenheitspflicht und die Loyalitätspflicht gegenüber dem
Arbeitgeber stellt zugleich eine Verletzung derjenigen beam-
tenrechtlichen Pflichten dar, die mit denen des Arbeitsrechts
deckungsgleich sind und gegenüber dem Dienstherrn bestehen.
Davon ist für die hier festzustellenden Pflichtverletzungen
vollen Umfangs auszugehen. Sowohl im Arbeitsrecht als auch im
Beamtenrecht sind Arbeitnehmer und Beamte vertraglich und ge-
setzlich (§§ 61, 77 Abs. 2 Nr. 3 BBG) gegenüber außenstehenden
Dritten zur Verschwiegenheit über betriebs- bzw. verwaltungs-
interne Angelegenheiten verpflichtet. Die Pflichtverletzungen
können arbeits- und disziplinarrechtlich sanktioniert werden.
Nicht nur im Privatinteresse, sondern auch im Interesse des
Gemeinwohls soll sichergestellt werden, dass ein Geschäftsbe-
trieb mit Arbeitnehmern ohne Wettbewerbsverzerrungen - z.B.
aufgrund von Geheimnisverrat - seinen wirtschaftlichen Zielen
und Interessen nachgehen kann. Entsprechendes gilt auch für
die Verwaltung, die objektiv, unparteiisch und sachgerecht,
d.h. auch: ohne Wettbewerbsverzerrungen herbeizuführen, ihre
Aufgaben durch ihre Amtswalter zum Wohl der Allgemeinheit zu
erfüllen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B.
Urteil vom 11. Oktober 2000 - BVerwG 1 D 30.99 - m.w.N.) ge-
hört die Pflicht eines Beamten zur Amtsverschwiegenheit zu
seinen Hauptpflichten und dient sowohl (in erster Linie) dem
öffentlichen Interesse als auch (in zweiter Linie) dem Schutz
des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers. Es macht letztlich
- 23 -
auch keinen Unterschied, ob ein Bundesbeamter in einem öffent-
lichrechtlich ausgestalteten Unternehmen (wie z.B. nach der
1. Postreform der Deutschen Bundespost POSTDIENST) oder in ei-
nem beliehenen Privatunternehmen (z.B. der Deutschen Post AG)
entweder als ein zur Dienstleistung zugewiesener Beamter oder
aber (auf demselben Dienstposten/Arbeitsplatz) als "in-sich-
beurlaubter" Beamter im Angestelltenverhältnis die Geheimhal-
tungspflicht verletzt. Zumindest so lange, wie sich die Deut-
sche Post AG in den Händen des Bundes befindet - während des
hier in Rede stehenden Zeitraums (kurz vor dem Börsengang) war
dies sogar noch uneingeschränkt der Fall (vgl. dazu auch Se-
natsurteil vom 18. März 1998 - BVerwG 1 D 88.97 - BVerwGE 113,
208) - werden die Interessen des Dienstherrn Bund durch eine
derartige Verletzung der Geheimhaltungspflicht in gleicher
Weise betroffen.
Entsprechendes gilt für das Unterlassen der Offenbarung der
familiären Beziehung zum Firmeninhaber N. sowie die dessen un-
geachtet ausgeübte gutachtliche und sonstige betriebsintern
beratende Tätigkeit betreffend den Umgang mit dem Antrag auf
Teilleistungszugang.
Durch die unterlassene Offenbarung der familiären Beziehungen
zu Herrn N. und die Abgabe einer Empfehlung zur Kooperation
mit dessen Firma hat der Antragsteller in erheblichem Maße
pflichtwidrig eine Interessenkollision herbeigeführt und auf-
rechterhalten. Dieses ist nicht nur ein arbeitsrechtlich il-
loyales Verhalten. Es ist auch beamtenrechtlich nicht hinzu-
nehmen. Zur Vermeidung des "bösen Scheins" möglicher Partei-
lichkeit, von "Vetternwirtschaft" und von sonstigen Interes-
senwidersprüchen sieht z.B. § 20 VwVfG vor, dass in einem Ver-
waltungsverfahren ein Beamter oder Angestellter für eine Be-
hörde nicht tätig werden darf, dessen Unbefangenheit gegenüber
der zu treffenden Entscheidung wegen mangelnder Distanz zum
Gegenstand des Verfahrens gefährdet sein könnte. Ergänzend be-
- 24 -
freit § 59 BBG einen Beamten von Amtshandlungen, die sich ge-
gen ihn selbst oder einen Angehörigen richten würden. Auch
wenn hier kein Ausschlussgrund im Sinne des § 20 VwVfG besteht
(vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 6 VwVfG; dazu auch
RGSt 15, 78), war der Antragsteller wegen seiner familiären
und persönlichen Nähe zu Herrn N. doch dienstrechtlich zur Of-
fenbarung dieses Umstandes verpflichtet. Diese Verpflichtung
folgt aus der fortbestehenden Treuepflicht zum Dienstherrn.
Inhaltlich entspricht sie im Wesentlichen der auch die nicht-
beamteten Amtswalter betreffenden Regelung des § 21 Abs. 1
Satz 1 VwVfG. Danach hat ein Verwaltungsbediensteter seinen
Behördenleiter oder dessen Beauftragten zu unterrichten, wenn
ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine,
des Bediensteten, unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen.
Ein solcher Grund, der die Besorgnis der Befangenheit recht-
fertigt, liegt in der Regel dann vor, wenn - wie hier - zwi-
schen dem Bediensteten und dem Verfahrensbeteiligten verwandt-
schaftliche Beziehungen bestehen, die nicht unter § 20 VwVfG
fallen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 21
Rn. 3).
Indem der Antragsteller während seiner privatrechtlichen Be-
schäftigung bei der Deutschen Post AG, d.h. im außerdienstli-
chen Bereich in der dargestellten Art und Weise nicht nur ar-
beitsrechtliche Verschwiegenheits- und Offenbarungspflichten
verletzt, sondern sich deckungsgleich auch über wichtige
Rechtsvorschriften und -grundsätze der Dienstverschwiegenheit
und der Offenlegung von Interessenkollisionen hinweggesetzt
hat, die auch sein Beamtenverhältnis prägen, hat er sein fort-
bestehendes Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn verletzt und
dadurch vorsätzlich eine Ansehens- und Vertrauensbeeinträchti-
gung im Sinne des § 54 Satz 3 BBG bewirkt.
Der Verstoß gegen § 54 Satz 3 BBG erfüllt auch die besonderen
Voraussetzungen, die § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Annahme
- 25 -
eines außerdienstlichen Dienstvergehens aufstellt. Das Fehl-
verhalten des Antragstellers ist nach den Umständen des Ein-
zelfalles in besonderem Maße zur Ansehens- und Vertrauensbe-
einträchtigung geeignet und diese Beeinträchtigung ist allge-
mein bedeutsam. Der Antragsteller hat als Postdirektor in ei-
ner herausgehobenen Vertrauensstellung versagt. Er ist promo-
vierter Volljurist und Diplomvolkswirt. Bei der Deutschen Post
AG, einem Unternehmen mit Dienstherrneigenschaft, hatte er in
der Konzernzentrale auf der sog. dritten Führungsebene als Ab-
teilungsleiter mit mehreren Untergebenen eine wichtige Funkti-
on inne. Insbesondere in allen Regulierungsfragen, d.h. im Um-
gang mit der Regulierungsbehörde, war er der entscheidende
Fachmann. Man hatte hohes Vertrauen in seine Fachkompetenz und
die Unbestechlichkeit seines Urteils. In seinem höchst sensib-
len Tätigkeitsbereich - und zumal während der Zeit unmittelbar
vor dem Börsengang der Deutschen Post AG - war absolute Dis-
kretion und Verschwiegenheit nach außen unerlässlich, und zwar
auch und gerade im Interesse des Bundes, seines Dienstherrn.
Das Fehlverhalten des Antragstellers begründet deshalb sowohl
die von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG vorausgesetzte qualifizierte
konkrete Möglichkeit als auch die Eignung zu einer objektiv
bedeutsamen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung.
dd) Das dem Antragsteller sehr wahrscheinlich nachzuweisende
Dienstvergehen wird voraussichtlich - mit mindestens überwie-
gender Wahrscheinlichkeit - zu einer Entfernung aus dem Dienst
führen. Die Verletzung der Offenbarungspflicht, die Verletzung
der Pflicht, sich von einer Betätigung in Angelegenheiten des
Schwagers seiner Ehefrau zu enthalten und die Verletzung der
Verschwiegenheitspflicht stellen je für sich, vor allem aber
in ihrem Zusammenwirken einen sehr schwerwiegenden Vertrauens-
bruch dar. Vergleichbare Verstöße sind schon bei isolierter
Betrachtung geeignet, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten
ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. z.B. zur Verletzung der
Amtsverschwiegenheit: Urteil vom 11. Oktober 2000 - a.a.O.
- 26 -
m.w.N.). Angesichts der hier obwaltenden konkreten Umstände,
insbesondere der Hartnäckigkeit des Vorgehens des Antragstel-
lers als Beamter des höheren Dienstes mit Vorgesetztenfunktion
und des Ausmaßes der Gefährdung der Interessen des Dienstherrn
Bund, zumal vor dem Börsengang, müssen die Verstöße, wenn sie
so nachgewiesen werden, zum vollständigen Vertrauensverlust
führen. Die Weitergabe vertraulicher Verhandlungspositionen an
den Schwager der Ehefrau bedeutete für diesen als Verhand-
lungspartner eine erhebliche Verbesserung seiner verhandlungs-
taktischen Ausgangsposition. Dieser konnte von vornherein auf
ein Verhandlungsergebnis hinarbeiten, das über dem für ihn
nunmehr als sicher erreichbar feststehenden Betrag von
6 Millionen DM liegen würde. Tatsächlich gelang es ihm, einen
Betrag von 13,6 Millionen DM herauszuhandeln. Darauf, ob die-
ses Ergebnis allein durch die Informationsweitergabe ermög-
licht wurde und ob insoweit bereits ein konkreter Schaden ein-
getreten ist oder noch eintreten wird, kommt es dabei nicht
an. Entscheidend für die Bewertung des Vertrauensbruchs ist
das Maß an in Kauf genommener Gefährdung der Interessen des
Dienstherrn. Dieses Maß aber war erheblich, war als solches
für den Antragsteller erkennbar und die Gefährdung der Inte-
ressen des Bundes von ihm jedenfalls in Kauf genommen. Neben
der Tatsache, dass die Informationsweitergabe geeignet war,
eine Vermögensgefährdung herbeizuführen, kennzeichnen die ge-
nannten Zahlen lediglich die Größenordnung der als höchstwahr-
scheinlich anzusehenden Gefährdung. Ob der Antragsteller nur
im Interesse des Schwagers seiner Ehefrau oder mittelbar auch
im eigenen Interesse tätig war, ist demgegenüber ebenfalls un-
erheblich. Ebenso wenig kommt es dem Antragsteller zugute,
dass es sich um ein außerdienstliches Dienstvergehen handelt.
Dieser Umstand ist schon deshalb ohne Belang, weil mit einer
derartigen Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der
Deutschen Post AG auch Vermögensinteressen des Dienstherrn
Bund in vergleichbarer Größenordnung gefährdet waren. Der Bund
war seinerzeit noch alleiniger Aktionär. Er wollte beim bevor-
- 27 -
stehenden Börsengang mit dem Verkauf eines Teils der Aktien
einen Teil des Firmenwerts der Deutschen Post AG veräußern und
den am Markt zu erzielenden Erlös dem Bundeshaushalt zuführen.
Für das Disziplinarverfahren nicht entscheidend sein kann
schließlich auch der Umstand, dass es der Deutschen Post AG
bisher wohl nicht gelungen ist, den Anstellungsvertrag mit dem
Antragsteller wirksam zu kündigen. Der etwaige Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses kann auf den Ausgang des Disziplinarver-
fahrens keinen Einfluss nehmen. Insbesondere könnte selbst ei-
ne abweichende arbeitsgerichtliche Würdigung des Gewichts des
Vertrauensbruchs für das Disziplinarverfahren keine Bindungs-
wirkung entfalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Heeren Müller
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Vorläufige Dienstenthebung
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2
BDO
§ 26, § 91, § 95 Abs. 3
PostPersRG § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 6 und 8,
§ 2 Abs. 3 Satz 1, § 4 Abs. 3
BAPostG
§ 15
VwVfG
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 Nr. 6,
§ 21 Abs. 1 Satz 1
SUrlV
§ 13
Stichworte:
"In-sich-beurlaubter" Beamter des höheren Dienstes der Deut-
schen Post AG; Abteilungsleiter; außerdienstliches Dienstver-
gehen (Verdacht der unerlaubten Weitergabe von Geschäftsge-
heimnissen, unterlassene Offenbarung verwandtschaftlicher Be-
ziehungen zu einem Verfahrensbeteiligten und Förderung dessen
Anliegens ,
Interessenkollision, Verletzung der Verschwiegenheits- und
Loyalitätspflicht);
Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens (Zuständigkeit
des Arbeitsdirektors, keine "Befangenheit" der Deutschen Post
AG, Abkürzung der Vorermittlungen); vorläufige Dienstenthebung
und Widerruf der Beurlaubung;
vorläufige Dienstenthebung bestätigt.
Leitsätze:
Verstößt ein Beamter der Deutschen Post AG, der unter Wegfall
der Dienstbezüge beurlaubt ist und von der Aktiengesellschaft
als Angestellter weiter beschäftigt wird, gegen Verschwiegen-
heits- und Loyalitätspflichten gegenüber seinem Arbeitgeber,
die mit entsprechenden Beamtenpflichten, die gegenüber dem
Dienstherrn bestehen, kongruent sind, ist dies nicht nur ar-
beitsrechtlich zu sanktionieren. Bei Vorliegen der besonderen
Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG stellt dies
zugleich auch ein disziplinarrechtlich relevantes außerdienst-
liches Dienstvergehen dar.
Dieses ist - solange der Bund als Anteilseigner ein unmittel-
bares finanzielles Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der
Aktiengesellschaft hat - in der Regel nicht milder zu ahnden
als ein entsprechendes innerdienstliches Dienstvergehen eines
nicht beurlaubten Beamten. Auf den Bestand der ausgesprochenen
Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommt es dabei nicht an.
Beschluss des 1. Disziplinarsenats vom 24. Oktober 2002
- BVerwG 1 DB 10.02 -
I. BDiG, Kammer XVI - ... -, vom 22.02.2002
- Az.: BDiG XVI BK 6/01 -