Urteil des BVerwG vom 26.02.2003

Vorzeitige Pensionierung, Nebentätigkeit, Stationäre Behandlung, Dienstliche Tätigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 DB 1.03
BDiG IV BK 5/01
In dem Beschwerdeverfahren
des Technischen Regierungsamtmanns ... ,
...,
Antragstellers
und Beschwerdeführers,
- Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen ... -
g e g e n
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das
Bundesamt ...,
Antrags-
und Beschwerdegegnerin,
Beteiligter:
Der Bundesdisziplinaranwalt,
wegen Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge,
hat der 1. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s , den Richter am Bundesverwaltungsgericht
M a y e r und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n
beschlossen:
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Die Beschwerde des Antragstellers gegen den
Beschluss des Bundesdisziplinargerichts, Kam-
mer IV - ... -, vom 27. September 2002 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Bundesamt ... stellte mit Bescheiden vom 6. Juni 2001,
24. Juli 2001, 17. August 2001 und 14. Dezember 2001 den Ver-
lust der Dienstbezüge des am ... in ..., ..., geborenen An-
tragstellers für die Zeit vom 28. Mai bis 15. Juni 2001,
21. Juni bis 20. Juli 2001, 23. Juli bis 9. September 2001 und
10. September bis 23. Dezember 2001 fest, weil er in diesen
Zeiträumen seinem Dienst schuldhaft ungenehmigt ferngeblieben
sei. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Beschluss vom
27. September 2002 die Verfahren miteinander verbunden und die
angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide aufrechterhalten,
den letzten Bescheid vom 17. August 2001 mit der Maßgabe, dass
für die Zeit vom 23. Juli 2001 bis zum 25. Juli 2001 ein Ver-
lust der Dienstbezüge nicht eingetreten sei. Das Bundesdiszip-
linargericht ist aufgrund vertrauens- und amtsärztlicher Zeug-
nisse sowie der beim Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI)
eingeholten Gutachten vom 13. September 2000 und 26. Februar
2002 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller in den
genannten Zeiträumen dienstfähig gewesen und zumindest fahr-
lässig dem Dienst ferngeblieben sei.
Mit seiner gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde bean-
tragt der Antragsteller, den Beschluss des Bundesdisziplinar-
gerichts vom 27. September 2002 und die angefochtenen Verlust-
feststellungsbescheide aufzuheben. Die Beschwerde wird im We-
sentlichen wie folgt begründet:
Er leide an einer Major-Depression verbunden mit zusätzlichen
somatischen Störungen. Entgegen der Auffassung des Bundesdis-
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ziplinargerichts lasse sich aus dem Gutachten des MPI vom
26. Februar 2002 nicht entnehmen, dass er in den streitgegen-
ständlichen Zeiträumen nicht dienstunfähig gewesen sei. Zur
Frage der Dienstunfähigkeit ab 28. Mai 2001 nehme das Gutach-
ten überhaupt keine Stellung. Das MPI habe auf Anfrage mitge-
teilt, dass die Dienstfähigkeit am 28. Mai 2001 nicht Gegen-
stand der Fragestellung gewesen sei, sondern die Erstellung
eines Leistungsbildes. Im Übrigen ergebe sich aus dem Gutach-
ten, dass bei einer Rückkehr an seinen jetzigen Arbeitsplatz
aufgrund der zurzeit remittierten Major-Depressionen seine ge-
sundheitlichen Beschwerden wieder aufträten. In jedem Falle
fehle es an einem schuldhaften Verhalten. Bis zur Erstellung
des vom Bundesdisziplinargericht veranlassten neuen Gutachtens
des MPI habe er auf die fachliche Kompetenz seines ihm Ar-
beitsunfähigkeit bescheinigenden Arztes R. vertrauen dürfen.
Die Entscheidung des Bundesdisziplinargerichts vom
27. September 2002 habe bei ihm einen neuen Schub ausgelöst.
Er habe den Eindruck, das Bundesdisziplinargericht stufe ihn
als "Simulanten" und "Arbeitsverweigerer" ein. Der hierdurch
hervorgerufene neue massive Krankheitsschub sei derart gravie-
rend gewesen, dass das Klinikum ihm dringend eine stationäre
Behandlung angeraten habe.
II.
Die gemäß § 85 Abs. 5 BDG, § 121 Abs. 5 BDO zulässige Be-
schwerde hat keinen Erfolg. Das Bundesdisziplinargericht hat
die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide zu Recht über-
wiegend aufrechterhalten.
Nach § 9 Satz 1 BBesG verliert ein Beamter, der ohne Genehmi-
gung dem Dienst schuldhaft fernbleibt, für die Zeit des Fern-
bleibens seine Dienstbezüge. Der Beamte bleibt dann dem Dienst
ungenehmigt fern, wenn er seiner in zeitlicher und örtlicher
Hinsicht konkretisierten Dienstleistungspflicht nicht Rechnung
trägt und zu der vorgesehenen Zeit nicht an dem vorgesehenen
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Ort seine dienstliche Tätigkeit erbringt. Diese Voraussetzun-
gen sind nicht erfüllt, wenn ein Beamter aufgrund einer Er-
krankung zur Dienstleistung nicht in der Lage ist. Eine derar-
tige, ein Fernbleiben vom Dienst rechtfertigende Krankheit des
Antragstellers lag in den streitgegenständlichen Zeiträumen
nicht vor.
Die fehlende Therapierbarkeit eines bei Wiederaufnahme der Ar-
beit möglichen Wiederauflebens depressiver Symptome, die pri-
mär auf geringer Arbeitsmotivation nicht nur für einen konkret
zugewiesenen Arbeitsplatz, sondern auch allgemein für jeden
anderen amtsgemäßen und laufbahntypischen Einsatz in der Ver-
waltung der Bundeswehr beruht, ist bei amts- und fachärztlich
festgestellter allgemeiner Dienstfähigkeit als Arbeitsverwei-
gerung und schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst zu werten. Ein
solcher Fall liegt hier zur Überzeugung des Senats vor.
Auszugehen ist von der Beurteilung des MPI vom 13. September
2000. Auch wenn sie nicht für die hier in Rede stehenden Zeit-
räume erstellt worden ist, bleibt sie jedoch für spätere, da-
rauf zurückgreifende Beurteilungen grundlegend. Darin heißt
es, durch die nur leichten morgendlichen Verstimmungen bei an-
sonsten fehlenden Hinweisen auf die vorbekannte Major-Depres-
sion und undifferenzierte somatoforme Störung gebe es keine
signifikanten funktionellen Einschränkungen hinsichtlich der
allgemeinen Dienstfähigkeit des Antragstellers. Aus psychiat-
rischer Sicht sei die Dienstfähigkeit des Antragstellers als
Technischer Kostenprüfer mit Reisetätigkeit nicht beeinträch-
tigt. Aufgrund der geringen Motivationslage des Antragstellers
und multipler Stressfaktoren an seinem Arbeitsplatz sei es je-
doch nachvollziehbar, dass es speziell dort zu einer Exazerba-
tion (Wiederaufleben) der geschilderten körperlichen und psy-
chischen Beschwerden und damit zu Beeinträchtigungen kommen
könne. Dabei könne die Konditionierung soweit gehen, dass es
bei dem Antragsteller bereits durch den Gedanken an seinen Ar-
beitsplatz zu körperlichen Symptomen wie Angstgefühle, Kopf-
schmerzen und Übelkeit komme, die sich durch eine erneute Kon-
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frontation verstärken könnten. Es sei deshalb von einer spe-
ziellen Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit des Antragstel-
lers an seinem jetzigen Arbeitsplatz auszugehen. Aufgrund der
beschriebenen Motivationslage des Antragstellers und deren Zu-
sammenhang mit einer eventuellen Exazerbation depressiver
Symptome seien jegliche therapeutische Maßnahmen wenig Erfolg
versprechend, solange der Antragsteller an seinem jetzigen Ar-
beitsplatz verbleibe. Aus psychiatrischer Sicht ergebe sich
derzeit kein Anhalt für eine seelische Erkrankung, die durch
eine spezielle Therapie behandelt werden könnte.
Dieser Beurteilung schloss sich auch Dr. S. vom Vertrauens-
ärztlichen Dienst der Antragsgegnerin an. Er hielt die allge-
meine Dienstfähigkeit des Beamten in seiner Laufbahn für nicht
beeinträchtigt, jedoch sei eine dauernde Dienstunfähigkeit
hinsichtlich des bisherigen Dienstpostens anzunehmen.
Nach einem zwischenzeitlich geführten Personalgespräch wurde
der Antragsteller mit Verfügung vom 29. Januar 2001 von seinem
jetzigen Dienstposten zur Wehrtechnischen Dienststelle ... der
Bundeswehr, ..., in ... - abgeordnet. Hier verrichtete er vom
12. Februar bis 7. März 2001 Dienst. Am 8. März 2001 schrieb
ihn sein Hausarzt R. arbeitsunfähig krank. Eine Nachfrage er-
gab, dass die neuerlichen Krankschreibungen nur wegen der
schon bekannten psychischen Gesundheitsstörungen ausgestellt
worden seien. Eine akute neue Erkrankung liege nicht vor.
In dem zweiten Gutachten des MPI vom 26. Februar 2002, bei dem
es sich um eine Ergänzung des Vorgutachtens vom 13. September
2000 handelt, wird ausgeführt, es lägen keine signifikanten
funktionellen Einschränkungen hinsichtlich der allgemeinen
Dienstfähigkeit des Antragstellers vor. Unter Berücksichtigung
des Vorgutachtens schienen sich die Symptome nicht auf einen
speziellen Arbeitsplatz zu beschränken, diese entstünden eher
durch die laufbahntypischen Anforderungen, die an den An-
tragsteller gestellt würden. Dabei könne die Exazerbation der
somatoformen Störung in der Arbeit sowohl situationsbedingt
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als auch motivationsbedingt erfolgen. Unter Berücksichtigung
der durchgeführten neuro-psychologischen Testung, bei der der
Antragsteller schwere Aufgaben gut und leichte Aufgaben ten-
denziell schlecht beantwortet habe, scheine es sich bei der
beschriebenen Problematik primär um ein Motivationsproblem und
Ausdruck einer generellen Unzufriedenheit mit den konkreten
Beschäftigungsbedingungen als Beamter der Bundeswehr zu han-
deln. Auch die eigenen Angaben des Antragstellers wiesen in
diese Richtung. Aufgrund der beschriebenen Motivationslage und
deren Zusammenhang mit einer eventuellen Exazerbation depres-
siver Symptome, seien jegliche therapeutische Maßnahmen wenig
Erfolg versprechend, solange der Antragsteller an seinem jet-
zigen Arbeitsplatz verbleibe.
Die beiden ausführlichen und sorgfältigen, aufeinander aufbau-
enden Gutachten hält der Senat für in der Weise überzeugend,
dass sie in ihrer Gesamtheit die Ergebnisse des zweiten Gut-
achtens tragen. Aus diesem zweiten Gutachten des MPI folgt,
dass die allgemeine Dienstfähigkeit des Antragstellers nicht
beeinträchtigt ist. Wie im ersten Gutachten kommt der Gutach-
ter zu dem Ergebnis, dass jegliche therapeutische Maßnahmen
wenig Erfolg versprechend seien, solange der Antragsteller an
seinem jetzigen Arbeitsplatz verbleibe. Während im ersten Gut-
achten die Aussage enthalten ist, es sei von einer speziellen
Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit an seinem "jetzigen",
d.h. seinem damaligen Arbeitsplatz auszugehen, fehlt eine der-
artige ausdrückliche Aussage für den neuen Arbeitsplatz des
Antragstellers. Konsequenterweise müsste dies aber auch für
den neuen Arbeitsplatz gelten, da der Antragsteller auch hier
aus übergreifenden Gründen für nicht therapierbar gehalten
wird. Entscheidend ist deshalb, worauf die fehlende Therapier-
barkeit beruht.
Nach dem Gutachten des MPI vom 26. Februar 2002, dem sich der
Arzt des Vertrauensärztlichen Dienstes am 8. April 2002 ange-
schlossen hat und feststellte, eine Dienstunfähigkeit oder ei-
ne eingeschränkte Dienstfähigkeit des Antragstellers liege
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nicht vor, kann das Wiederaufleben einer somatoformen Störung
in der Arbeit sowohl situationsbedingt als auch motivationsbe-
dingt erfolgen. Der Gutachter sieht die primäre Ursache hier-
für in der geringen Motivation des Antragstellers als "Aus-
druck einer generellen Unzufriedenheit mit den konkreten Be-
schäftigungsbedingungen als Beamter der Bundeswehr". Diese
gutachterliche Auffassung wird durch die Auswertung der dem
Senat vorliegenden Unterlagen bestätigt.
Der Antragsteller befand sich in der Zeit vom 3. August bis
8. September 1999 in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik
R. in M. Anlass hierfür waren die Angaben des Beamten, er lei-
de seit 1996 an Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit,
Lustlosigkeit, starken Konzentrations- und Gedächtnisschwie-
rigkeiten sowie Kopfschmerzen und Brechdurchfällen. Im Bericht
der Klinik vom 4. Oktober 1999 heißt es unter anderem, bei dem
Antragsteller handele es sich um einen wachen und in allen
Qualitäten orientierten Patienten. Er sei sehr klagsam. Er
werde in gutem gesundheitlichen Zustand entlassen, halte sich
selbst aber weiterhin für dienstunfähig und habe deshalb einen
Antrag auf vorzeitige Pensionierung gestellt. Bereits gegen-
über dem Amtsarzt Dr. U. hatte der Antragsteller unter anderem
über Lustlosigkeit geklagt. Im Vergleich zur Privatwirtschaft
erfolge im öffentlichen Dienst eine schlechte Bezahlung und
fehlende Beförderung. Er leide unter der "Sinnlosigkeit des
Tuns". Eine objektivierbare Leistungseinschränkung stellte der
Amtsarzt nicht fest. Im Gutachten des MPI vom 13. September
2000 wird eine Diplom-Psycho-login V. zitiert. Bei ihr stand
der Beamte in der Zeit vom 20. Juni 1997 bis 31. März 2000 in
Behandlung. Der Antragsteller habe darüber geklagt, dass er
sich seit seiner Vollbeschäftigung wieder in einer akuten de-
pressiven Krise befinde und sich der Arbeit nicht mehr gewach-
sen fühle. Er habe keine Lust aufzustehen, habe morgens Angst
vor der Zukunft und davor, dass er alles nicht mehr schaffe.
Der Antragsteller habe ihr zu verstehen gegeben, dass er auf
keinen Fall mehr in seine Arbeit zurückgehen möchte, da diese
für ihn einen Schrecken darstelle. Mit seinen körperlichen und
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psychischen Beschwerden, die sofort in der Arbeit auftreten
würden, könnte er sich einen Verbleib an diesem Arbeitsplatz
nicht mehr vorstellen. Die aus der subjektiven Frustrierung
resultierenden Somatisierungen und Depressionen seien einer
psychotherapeutischen Bearbeitung nicht mehr zugänglich. Der
Antragsteller sehe eine mögliche Frühpensionierung als einzige
Entlastungsmöglichkeit. Gegenüber dem Gutachter des MPI äußer-
te sich der Antragsteller in beiden Gutachten, er habe keine
Lust aufzustehen und habe morgens schon diffuse Ängste vor der
Zukunft. Er befürchte dann, alles nicht mehr zu schaffen. Er
könne keine Entscheidungen mehr treffen und sei unsicher, das
Richtige zu tun. Er entwickle schon kurz nach Arbeitsbeginn
Konzentra-tionsschwierigkeiten, Panikgefühle, Magenkrämpfe,
Übelkeit, Brechdurchfall, sei vergesslich und fühle sich einer
totalen Erschöpfung nahe.
Am 16. Januar 1995 hatte der Beamte einen Antrag auf Teilzeit-
beschäftigung mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit auf
die Dauer von 15 Jahren mit Beginn ab 1. April 1995 gestellt,
der am 23. März 1995 auf die Dauer von zwei Jahren bewilligt
wurde. Die Teilzeit endete mit Ablauf des 31. März 1997. Am
10. Dezember 1998 stellte er einen Antrag auf Versetzung in
den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen. Im Juni 1999 wurde
er darauf hingewiesen, dass seine bisher genehmigte Nebentä-
tigkeit aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung mit Ablauf des
30. Juni 1999 ende und ein neuer Antrag erforderlich sei. Den
ersten Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit bei einer
Versicherung hatte der Antragsteller am 23. März 1984 ge-
stellt. Er wurde am 11. Mai 1984 bewilligt. Am 7. Juli 1999
stellte der Antragsteller aufgrund der erfolgten Belehrung ei-
nen neuen Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit als
selbständiger Mehrfachvermittler bei einer zeitlichen Inan-
spruchnahme von 4 bis 6 Stunden wöchentlich. Ihm wurde im Ok-
tober 1999 vorab mitgeteilt, seinem Antrag werde nicht ent-
sprochen, weil durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen
beeinträchtigt würden, wenn sie von einem Beamten ausgeübt
werden, der über einen längeren Zeitraum dienstunfähig er-
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krankt sei. Eine disziplinare Würdigung seines Verhaltens
bleibe vorbehalten. Mit Schreiben vom 8. November 1999 nahm
der Antragsteller seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhe-
stand aus gesundheitlichen Gründen vom 10. Dezember 1998 zu-
rück und teilte am 10. November 1999 mit, die von ihm seit
15 Jahren ausgeübte Nebentätigkeit stehe in keinem Zusammen-
hang mit seiner Erkrankung. Nachdem der Personalrat der Versa-
gung der Nebentätigkeit am 17. November 1999 zugestimmt hatte,
wurde die Versagung am 7. Dezember 1999 ausgesprochen.
Aus einem mit dem Antragsteller am 18. November 1999 geführten
und am 24. November 1999 inhaltlich festgehaltenen Telefonge-
spräch ergibt sich, dass die Rücknahme des Antrags auf Verset-
zung in den Ruhestand aus taktischen Gründen erfolgt sei, da
der Antragsteller gemeint habe, so seine vorzeitige Pensionie-
rung schneller bzw. reibungsloser durchsetzen zu können. Er
sei keineswegs nun bald wieder arbeitsfähig. Er rechne im Ge-
genteil mit 99,9%iger Wahrscheinlichkeit damit, auf Dauer
dienstunfähig zu sein. Schließlich sei er auf unbestimmte Zeit
krankgeschrieben. Die Schuld hieran habe der Antragsteller
wiederholt pauschal dem BWB bzw. dem System und den Umständen
gegeben, unter denen er zu arbeiten habe. Auch die fehlende
Förderung sei eine Ursache für seine Dienstunfähigkeit. Der
Antragsteller habe eindringlich darum gebeten, für sein künf-
tiges seelisches Wohlbefinden im Ruhestand und im Interesse
des Steuerzahlers seinen Antrag auf Nebentätigkeit als Berater
in Vermögens- und Sparanlagen nochmals wohlwollend zu überden-
ken. Schließlich habe er mit seiner früheren Nebentätigkeit
ohnehin weit mehr verdient als durch seine Tätigkeit als Beam-
ter. Dies wolle man ihm doch (bitte) nicht verwehren. Der Ge-
sprächspartner, BD L., empfand diese Äußerungen des An-
tragstellers, die in ähnlicher Form auch seinem Mitarbeiterum-
feld bekannt seien, als eine Zumutung für die Mitarbeiter, die
die Aufgaben des Antragstellers derzeit mit erledigen müssten.
Es gebe kaum eine wirkungsvollere Methode, die Motivation von
Mitarbeitern auf Null zu fahren.
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In einem am 17. November 2000 geführten Personalgespräch er-
klärte der Antragsteller, mit dem vertrauensärztlichen Gutach-
ten vom 23. Oktober 2000, in welchem ihm Dienstunfähigkeit nur
für den bisherigen Dienstposten und nicht seine allgemeine
Dienstunfähigkeit bescheinigt worden sei, sei er nicht einver-
standen. Er halte sich für dauernd unfähig, irgendwelchen
Dienstpflichten nachzukommen. Die Ursachen hierfür sehe er in
den beamtenrechtlichen Verhältnissen, mit denen er als techni-
scher Kostenprüfer konfrontiert werde. Der Dienstherr mache
ihn krank. Von der ihm aufgezeigten Möglichkeit der Entlassung
auf Antrag gemäß § 30 BBG möchte er keinen Gebrauch machen, da
er in seinem Alter keine seiner Ausbildung adäquate Beschäfti-
gung finden würde. Konfrontiert mit der telefonischen Aussage
gegenüber BD L., dass er mit seiner früheren Nebentätigkeit
ohnehin weit mehr verdient habe als durch seine Tätigkeit als
Beamter, bestritt der Antragsteller, eine derartige Äußerung
gemacht zu haben.
Mit Schreiben vom 21. November 2000 bat der Antragsteller da-
rum, die Möglichkeit zu prüfen, ihn aufgrund dauernder Dienst-
unfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Dadurch könnte bei-
den Seiten ein länger andauerndes Verfahren zu Lasten des
Steuerzahlers erspart werden und ihm wieder ein Weiterleben in
Gesundheit und körperlich/seelischer Unversehrtheit ermöglicht
werden. Er wäre dann auch gerne zu einem weiteren Personalge-
spräch über die Einzelheiten der Beendigung seiner Beamten-
laufbahn bereit.
In einem mit dem stellvertretenden Leiter der GPS ... geführ-
ten Telefonat, das den Zweck hatte, ein Vorstellungsgespräch
zu vereinbaren, erklärte der Antragsteller, eine Verwendung
auf einem anderen Dienstposten im BWB bringe nichts, da es der
Arbeitgeber BWB sei, der ihn krank mache. Er habe deshalb auch
kein Interesse, auf einem Dienstposten bei einer GPS im ...
Raum eingesetzt zu werden.
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Zu dem Gutachten des MPI vom 13. September 2000 führte der An-
tragsteller am 29. Dezember 2000 unter anderem aus, die Beur-
teilung durch den Oberarzt Dr. W., er sei nur für seinen
Dienstposten dienstunfähig, sei falsch bzw. korrekturbedürf-
tig. Er sei gänzlich beamtendienstunfähig im Sinne des Geset-
zes.
Aus der aufgeführten chronologischen Abfolge von ausgeübter
Nebentätigkeit, Antrag auf Versetzung in den Ruhestand, Rück-
nahme dieses Antrags aus "taktischen Gründen", aus dem mit BD
L. geführten Telefongespräch, der bekundeten Lustlosigkeit und
eigener Einschätzung der Dienstunfähigkeit für jeglichen
Dienstposten im Gegensatz zur amtsärztlich und fachärztlich
bescheinigten allgemeinen Dienstfähigkeit ergibt sich, dass
die spezielle Beeinträchtigung auf einem konkreten Dienstpos-
ten gleich welcher Art auf einer fehlenden Motivation des An-
tragstellers beruht, überhaupt in einem Beamtenverhältnis bei
der Bundeswehrverwaltung zu arbeiten. Da der Antragsteller bei
allgemein bestehender Dienstfähigkeit jeden amtsgemäßen und
laufbahntypischen Arbeitsplatz ablehnt, ist er nicht thera-
pierbar. Dies führt jedoch nicht zu einer Dienstunfähigkeit.
Da der Antragsteller bei bestehender uneingeschränkter Dienst-
fähigkeit eine ihm übertragene konkrete Arbeitsleistung nicht
ausführt, verweigert er diese und bleibt dem Dienst im streit-
gegenständlichen Zeitraum vorsätzlich fern. Insoweit unter-
scheidet sich der vorliegende Fall von der ständigen Recht-
sprechung des Senats, wonach der Verlust der Dienstbezüge für
sich allein nicht auf eine Verletzung von Mitwirkungspflich-
ten, die unter Umständen eine Dienstpflichtverletzung begrün-
den könnten, gestützt werden kann (vgl. z.B. Beschluss vom
31. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 33.01 – DÖD 2002 118 = IÖD 2002,
137). Vorliegend geht es um die schuldhafte Verletzung der
sich aus der öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuepflicht
ergebenden Hauptpflicht der Dienstleistung (§ 2 Abs. 1, § 73
Abs. 1 BBG).
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Wenn sich der Antragsteller am 28. Oktober 2002 aufgrund der
Kenntnisnahme des angefochtenen Beschlusses, die bei ihm einen
neuen Schub ausgelöst habe, weil er den Eindruck gewonnnen ha-
be, das Bundesdisziplinargericht stufe ihn als Simulanten und
Arbeitsverweigerer ein, in das Klinikum ... der Universität
... begeben hat und ihm dort Arbeitsunfähigkeit bescheinigt
werden sollte, ändert dies nichts an seiner Dienstfähigkeit in
den streitgegenständlichen Zeiträumen. Die allgemein gehaltene
Diagnose einer depressiven Störung lässt hierfür auch keine
Rückschlüsse zu.
Der Beamte hat auch schuldhaft, nämlich jedenfalls bedingt
vorsätzlich gehandelt. Er ist über seine Pflichten und über
die Einschätzung der Amtsärzte deutlich genug aufgeklärt wor-
den. Wenn er sich gleichwohl darüber hinwegsetzte und dem Arzt
vertraute, der ihn arbeitsunfähig schrieb, hat er in Kauf ge-
nommen, sich entgegen den Belehrungen ins Unrecht zu setzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Mayer Heeren
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Verlust der Dienstbezüge
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BBesG § 9
BDO § 121
Stichworte:
Unerlaubtes schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst; Feststellung
des Verlustes der Dienstbezüge; amts- und fachärztlich festge-
stellte allgemeine Dienstfähigkeit; fehlende Therapierbarkeit
aufgrund geringer Arbeitsmotivation am konkret zugewiesenen Ar-
beitsplatz; Wertung als Arbeitsverweigerung und schuldhaftes
Fernbleiben vom Dienst.
Leitsatz:
Die fehlende Therapierbarkeit eines bei Wiederaufnahme der Ar-
beit möglichen Wiederauflebens depressiver Symptome, die primär
auf geringer Arbeitsmotivation nicht nur für einen konkret zu-
gewiesenen Arbeitsplatz, sondern auch allgemein für jeden ande-
ren amtsgemäßen und laufbahntypischen Einsatz in der Verwaltung
der Bundeswehr beruht, ist bei amts- und fachärztlich festge-
stellter allgemeiner Dienstfähigkeit als Arbeitsverweigerung
und schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst zu werten.
Beschluss des 1. Disziplinarsenats vom 26. Februar 2003
- BVerwG 1 DB 1.03 -
I. BDiG, Kammer IV - ... -, vom 27.09.2002
- Az.: BDiG IV BK 5/01 -