Urteil des BVerwG vom 23.03.2006

Disziplinarverfahren, Pflichtverteidiger, Ratenzahlung, Vorschuss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 D-PKH 3.05
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Oberwerkmeister …,
…,
- Verteidiger:
Rechtsanwalt …,
… -
Beteiligte:
Bundesrepublik Deutschland,
…,
…,
…,
hat der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren und den Richter
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz
beschlossen:
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1. Der Beschluss des … Oberverwaltungsgerichts vom
7. Juli 2005 wird aufgehoben.
2. Der Antrag des Beamten, Rechtsanwalt .. als Verteidi-
ger gemäß § 140 Abs. 2 StPO, § 25 BDO zu bestellen,
wird abgelehnt.
G r ü n d e :
I
Das … Oberverwaltungsgericht, bei dem das Verfahren zunächst anhängig war,
hat dem Beamten durch Beschluss vom 7. Juli 2005 für das Berufungsver-
fahren Prozesskostenhilfe unter Festsetzung einer monatlichen Ratenzahlung
in Höhe von 135 € bewilligt und ihm Rechtsanwalt … zur Vertretung beigeord-
net. Der Beamte hat keine Ratenzahlungen geleistet.
Nunmehr beantragt der Verteidiger seine Bestellung als Pflichtverteidiger ge-
mäß § 140 Abs. 2 StPO.
II
Der Beschluss des … Oberverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2005 über die Be-
willigung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt … ist
aufzuheben. Der Antrag auf Bestellung von Rechtsanwalt … als Pflichtverteidi-
ger gemäß § 140 Abs. 2 StPO, § 25 BDO ist abzulehnen.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach Inkrafttreten
des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln
und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen, weil es vor dem
1. Januar 2002 förmlich eingeleitet wurde (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil
vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
1. Für die Entscheidung über die Berufung des Beamten und demnach über
den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren
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ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig (§ 85 Abs. 3 und 7 BDG, § 80
Abs. 1 Satz 1 BDO). Allerdings entfaltet der Beschluss des unzuständigen
Oberverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2005 Bindungswirkung, weil es sich bei
dem Berufungsverfahren, das der Beamte dort aufgrund der unzutreffenden
Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts anhängig gemacht hat, vor und
nach der Abgabe an den Senat um einen einheitlichen Rechtszug im Sinne von
§ 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO handelt (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Beschluss
vom 20. März 1990 - 24 W 24/90 = NJW-RR 1991, 63; OLG Köln, Beschluss
vom 23. März 1995 - 1 W 10/95 = NJW 1995, 2728).
Nach § 124 Ziffer 4 ZPO kann die Bewilligung u.a. aber aufgehoben werden,
wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im
Rückstand ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beamte hat bislang
keine einzige Monatsrate gezahlt. Der Beschluss des … Oberverwaltungsge-
richts vom 7. Juli 2005 ist daher insgesamt aufzuheben. Ergänzend weist der
Senat darauf hin, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in gerichtlichen
Disziplinarverfahren nach der BDO auch deshalb ausscheidet, weil die Vor-
schriften gemäß §§ 114 ff. ZPO hier keine Anwendung finden (Beschluss vom
26. Mai 1997 - BVerwG 1 D 44.97 - BVerwGE 113, 92; stRspr).
2. Auch die beantragte Bestellung als Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 2
StPO, § 25 BDO kommt nicht in Betracht. In seiner bisherigen Rechtsprechung
hat der Senat darauf abgestellt, der Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß
§ 140 Abs. 2 StPO stehe regelmäßig entgegen, dass der Beamte aufgrund sei-
nes Anspruchs auf Alimentation grundsätzlich in der Lage sein müsste, eine
von ihm für erforderlich gehaltene Verteidigung zu finanzieren. Das gilt auch
dann, wenn er vorläufig des Dienstes enthoben ist, weil eine damit verbundene
Gehaltseinbehaltung ihm den notwendigen Lebensbedarf belassen muss, wozu
in der gegebenen Situation auch die Kosten der Verteidigung gehören. Legt der
Beamte der Einleitungsbehörde dar, dass die Einbehaltung ihm die Möglichkeit
zum Aufbringen dieser Kosten nimmt, so wird die Behörde ihre Einbehaltungs-
anordnung darauf überprüfen und gegebenenfalls ändern müssen. Hat der Be-
amte insoweit keinen Erfolg, so kann er sein Begehren in einem gerichtlichen
Antragsverfahren (§ 95 Abs. 3 BDO) weiterverfolgen. Da ein Beamter im Prinzip
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nicht als mittellos angesehen werden kann, ist es ihm auch zuzumuten, eine
etwa von ihm für notwendig gehaltene Reise eines Verteidigers durch einen
Kredit zu finanzieren. Darüber hinaus erhält er für sich die Reisekosten vom
Dienstherrn als Vorschuss, wenn er sein Unvermögen zur Aufbringung der
Fahrkosten zum Disziplinargericht glaubhaft macht (Urteil vom 11. Februar
1982 - BVerwG 1 D 2.81 - NJW 1983, 1073 <1074>; vgl. auch BVerfG,
Beschluss vom 11. Mai 1982 - 2 BvR 222/82 -; zur WDO: Beschluss vom
31. August 2005 - BVerwG 2 WDB 4.05 - DokBer 2006, 64).
Im vorliegenden Fall dürften dem Beamten die Mittel für eine Verteidigung
durch einen Rechtsanwalt zur Verfügung stehen, weil nur 29 v.H. seiner
Dienstbezüge einbehalten werden.
Albers Heeren Dr. Heitz
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Formelles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
ZPO § 124 Ziff. 4
StPO § 140 Abs. 2
BDO § 25
Stichworte:
Keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem Disziplinarverfahren nach
der BDO; Bindung an den Beschluss eines unzuständigen Gerichts; Vertrau-
ensschutz; Aufhebung bei unterbliebener Ratenzahlung; keine Beiordnung ei-
nes Pflichtverteidigers.
Beschluss des Disziplinarsenats vom 23. März 2006 - BVerwG 1 D-PKH 3.05