Urteil des BVerwG vom 07.09.2004

Darlehen, Dienstliche Tätigkeit, Eigene Mittel, Vermieter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 8.03
VG 85 A 1.04 (vormals BDiG VI VL 7/02)
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Oberamtsrat a.D. ... ,
...,
- Verteidiger:
Rechtsanwalt ...,
... -
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 7. September 2004,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Oberamtsrat Otmar S c h n e i d e r
und Regierungsamtmann Torsten B a r t z
als ehrenamtliche Richter
sowie
- 2 -
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Vortragender Legationsrat ...
als Vertreter der Einleitungsbehörde
und
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Oberamtsrats a.D. ...
gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer VI
- ... -, vom 11. Dezember 2002 wird auf seine Kosten zurück-
gewiesen.
G r ü n d e :
I.
1. Mit Erlass vom 14. Dezember 1999 leitete der Bundesminister des Auswärtigen
Amtes gegen den Ruhestandsbeamten ein förmliches Disziplinarverfahren ein. Nach
Durchführung einer Untersuchung ist er am 22. Mai 2002 angeschuldigt worden,
dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er als Kanzler der Bot-
schaft B. (...)
1.
am 20. Dezember 1996 den ihm unterstellten Leiter der Zahlstelle der Botschaft
zur Ausstellung einer als amtliche "Garantie"-Erklärung deutbaren Bescheini-
gung veranlasst hat, mit deren Vorlage er bei der dortigen ... Bank ein persönli-
ches Darlehen in beträchtlicher Höhe erwirkte, was in der Folgezeit - mangels
ordentlicher Bedienung dieser und weiterer in ... aufgenommener Darlehens-
schulden - zu diplomatischen Verwicklungen zwischen dem Gastland und der
Bundesrepublik Deutschland führte;
- 3 -
2.
in der Zeit vom 3. Juni 1997 bis zum 8. März 1999 in insgesamt 34 Fällen
Schreiben privaten Inhalts auf dienstlichen Briefbögen/Faxformularen verfasst
und über das dienstliche Faxgerät der Botschaft versandt sowie in mehreren
Fällen das Dienstsiegel zur Beglaubigung von Fotokopien und Unterschriften in
eigener Sache benutzt hat;
3.
am 17. Juni 1998 die Anerkennung der Vaterschaft der Zwillinge Athena und
Evita A.-L. durch den deutschen Staatsangehörigen Lutz A. dergestalt falsch
beurkundet hat, dass er sie bewusst auf den 1. Juli 1998 (In-Kraft-Treten des
neuen Ehe- und Kindschaftsrechts) vordatierte, nachdem er sich am 7. April
1998 von dem Zeugen A. ein mit monatlich 0,5 % verzinstes Darlehen einer von
diesem rechtlich vertretenen Gesellschaft in Höhe von 15 000 DM hatte vermit-
teln lassen;
4.
im Sommer 1998 der Barkasse der Botschaft einen größeren Betrag entnom-
men, für private Zwecke verwandt und erst nach einigen Wochen wieder in die
Kasse eingezahlt hat;
5.
amtlich gewährte Vorschüsse auf den ihm zustehenden Mietzuschuss entgegen
deren dienstlicher und mietvertraglicher Zweckbestimmung, nämlich halb-
jährlichen Mietvorauszahlungen, nicht oder nicht vollständig an den Vermieter
weitergeleitet hat, was zu Beschwerden des Vermieters gegenüber der Bot-
schaft und schließlich gegenüber dem Auswärtigen Amt führte;
6.
im Sommer 1996 von einer kurzfristig an die Botschaft abgeordneten Mitarbei-
terin ein auf 14 Tage befristetes Darlehen über 7 000 DM erbeten und erhalten,
jedoch bis November 1998 nur teilweise zurückgezahlt hat, und im Oktober
1998 einem in B. tätigen Geschäftsmann, dessen Firma Renovierungsarbeiten
für die Botschaft ausführte, vor deren Abschluss und Abnahme aus amtlichen
Mitteln 100 000 DM ausbezahlt und dabei einen Großteil dieses Betrages als
persönliches Darlehen für sich zurückgefordert hat, worauf sich der Angespro-
chene allerdings nicht einließ.
- 4 -
Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 11. Dezember 2002 dem Ruhe-
standsbeamten das Ruhegehalt aberkannt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe
von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von einem Jahr zuerkannt.
Von den sechs disziplinarischen Vorwürfen der Anschuldigungsschrift hat die Vorin-
stanz den Ruhestandsbeamten im Anschuldigungspunkt 2 vom Vorwurf pflichtwidri-
gen Verhaltens freigestellt und im Anschuldigungspunkt 3 nur eine fahrlässige
Falschbeurkundung angenommen. In den Anschuldigungspunkten 1, 3, 4, 5 und 6
hat das Gericht folgende Sachverhalte festgestellt:
Anschuldigungspunkt 1:
Am 20. Dezember 1996 veranlasste der Ruhestandsbeamte den erst seit kurzer
Zeit der Botschaft zugeteilten und ihm unterstellten Leiter der Zahlstelle, den
Zeugen S., eine von dem Ruhestandsbeamten entworfene und an die B. Bank,
B., adressierte Bescheinigung der Botschaft zu schreiben und mit dem
Botschaftssiegel zu versehen, deren Text in der Übersetzung wie folgt lautet:
"Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland bestätigt hiermit, dass die
dienstliche Tätigkeit von Herrn ... bei der Deutschen Botschaft in B. mit
Ablauf des Jahres 1999 endet.
Sollte Herr ... jedoch vor diesem Zeitpunkt an einen anderen Dienstort ver-
setzt werden, so wird die Botschaft sicherstellen, dass alle von ihm der B.
Bank geschuldeten und noch ausstehenden Zahlungen vor seiner Abreise
aus B. geleistet werden."
Ein Doppel dieser Bescheinigung für die Botschaftsakten wurde nicht gefertigt.
Auf Vorlage dieser Bescheinigung erhielt der Ruhestandsbeamte von der B.
Bank ein Darlehen, von dem im Jahr 2000 noch immer über 100 000 DM offen
standen und das nach wie vor nicht zurückgezahlt ist.
Die B. Bank wandte sich im Dezember 1998 unter Berufung auf die zitierte Be-
scheinigung, in der sie eine Garantie-Erklärung der Botschaft sah, an die deut-
sche Vertretung. Da die Bundesrepublik Deutschland eine Einstandspflicht ver-
neinte und aus grundsätzlichen Erwägungen heraus auch eine Aufhebung der
Immunität des Ruhestandsbeamten ablehnte, kam es zu erheblichen Span-
nungen zwischen der Bank, deren Eigentümer Bruder des Staatsoberhaupts
und b. Außenminister war, und der Botschaft. Klagen auch einer anderen Bank
gegen den Ruhestandsbeamten wurden wegen dessen Immunität zwar von den
b. Gerichtshöfen abgewiesen, die deutschen Anwälte der B. Bank versuchten
aber auch in Deutschland, die Bundesrepublik Deutschland und auch den
Zeugen S. aus der von diesem unterschriebenen Bescheinigung in Anspruch zu
nehmen. Die Vorgänge und die Rückberufung des Ruhestandsbeamten trotz
nach wie vor offen stehender ganz erheblicher Darlehensschulden führten zu
zum Teil reißerischen und den Namen des Ruhestandsbeamten und seine
- 5 -
Funktion benennenden Berichten in der Presse von B. und S. sowie aufgrund
einer Meldung der Nachrichtenagentur DPA auch in deutschen Zeitungen.
Anschuldigungspunkt 3:
Am 17. Juli 1998 beurkundete der Ruhestandsbeamte das Vaterschaftsaner-
kenntnis des Deutschen Lutz A. für dessen am 19. März 1998 von einer philip-
pinischen Staatsangehörigen und späteren Ehefrau des Zeugen geborenen
Zwillinge Athena und Evita. Zugleich wurde eine Erklärung der Eltern über die
gemeinsame Ausübung des Sorgerechts für beide Kinder beurkundet. Die Ur-
kunden wurden auf den 1. Juli 1998 vordatiert, den Tag, an dem das neue Ehe-
und Kindschaftsrecht in Kraft trat, das erst die gemeinsame Ausübung des
Sorgerechts für die Kinder zuließ. Die Vordatierung fiel den Eltern nicht auf,
möglicherweise, weil ursprünglich ohnehin dieser Termin für die Beurkundung
vorgesehen war.
Örtlich war die Botschaft in B. im Übrigen für die Beurkundung nicht zuständig,
da die Eltern ihren Wohnsitz in M. hatten und eine Zustimmung der dortigen
Botschaft nicht eingeholt worden war.
Der Zeuge A. hatte dem Ruhestandsbeamten im April 1998 ein mit monatlich
0,5 % zu verzinsendes Darlehen einer von ihm rechtlich vertretenen Gesell-
schaft in Höhe von 15 000 DM vermittelt, dessen Rückzahlung eigentlich für
den 10. Juni 1998 vereinbart war. Mündlich wurde dieser Rückzahlungstermin
auf das Ende des Sommers 1998 verschoben. Zumindest bis Ende 1999 war
das Darlehen noch nicht zurückgezahlt.
Anschuldigungspunkt 4:
Ausweislich einer von dem Ruhestandsbeamten ausgestellten und auf den
30. Mai 1998 datierten Quittung entnahm der Ruhestandsbeamte während der
Vertretung des Zahlstellenleiters S. in dessen Urlaub aus der in dieser Zeit von
ihm verwalteten Barkasse der Botschaft 2 000 B.-Dollar mit vergleichbarem
Wert in DM, um das Geld für private Zwecke zu verwenden. Der Text der Quit-
tung lautete:
"Ich hatte mal wieder eine emergency: heute nacht (Samstag, 30. 5.) rief
meine Tochter an, brauchte dringend Geld für Uni. Kann so schnell nicht
an eigene Mittel, musste daher bei Zahlstelle noch mal 2 000,00 B$ leihen.
Kommt nächste Woche wieder rein."
Der Zeuge S. fand nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub diesen Barbeleg in
der Kasse. Am 3. Juli 1998 erstattete der Ruhestandsbeamte den Fehlbetrag,
bat aber zugleich den Zeugen, den Vorgang für sich zu behalten.
Anschuldigungspunkt 5:
- 6 -
Der Ruhestandsbeamte war aufgrund des mit dem örtlichen Vermieter für seine
Unterkunft vereinbarten Mietvertrags verpflichtet, diesem halbjährliche Miets-
vorauszahlungen zu leisten. Dementsprechend erhielt er auch halbjährlich Vor-
schüsse auf den ihm zustehenden Mietzuschuss in Höhe von jeweils 48 000,00
BD. Zunächst zahlte der Ruhestandsbeamte mit Hilfe dieser Vorschüsse auch
pünktlich seine Miete halbjährlich im Voraus; in den Monaten Oktober/Novem-
ber 1996 und ab April 1997 zahlte er seine Miete jedoch nur noch monatlich,
teilweise pro Monat in Raten, teilweise unvollständig. Im Frühjahr 1997 bat er
den Vermieter um Umstellung von den halbjährlichen Zahlungen auf monatliche
Zahlungen. Dem stimmte der Vermieter zu. Trotzdem kamen die weiteren
Zahlungen verspätet, unvollständig oder blieben, wie für die Monate Juli bis
September 1998 ganz aus, weil ein für Juli und August an den Vermieter aus-
gehändigter Scheck mangels Deckung nicht eingelöst wurde. Trotzdem bean-
tragte der Ruhestandsbeamte am 20. August 1998 bei der Zahlstelle der Bot-
schaft einen Vorschuss für die Mietvorauszahlungen für den Zeitraum Oktober
1998 bis März 1999. Zur Auszahlung kam es jedoch wegen einer Rückfrage
des Zeugen S. beim Vermieter nicht, an den die Botschaft dann für den Zeit-
raum Oktober 1998 bis März 1999 die Miete direkt leistete. Wegen noch immer
ausstehender Mietzahlungen beschwerte sich der Vermieter schließlich mit
Schreiben vom 9. Mai und 10. August 1999 massiv beim Auswärtigen Amt.
Anschuldigungspunkt 6:
a) Von Juli bis Dezember 1996 war die Fremdsprachenassistentin F. an die
Deutsche Botschaft in B. abgeordnet. Während dieser Zeit erbat sich der Ru-
hestandsbeamte von der Zeugin ein auf 14 Tage befristetes Darlehen in Höhe
von 7 000 DM. Als das Geld selbst bis November 1998 nur zu einem geringen
Teil zurückgezahlt worden war und der Ruhestandsbeamte die Zeugin weiterhin
vertröstete, wandte sich der damalige Dienstvorgesetzte der Zeugin mit Schrei-
ben vom 29. Oktober 1998 an das Personalreferat des Auswärtigen Amts, das
den Ruhestandsbeamten unter Setzung einer Frist zur Zahlung des Restbe-
trags aufforderte.
b) Der deutsche Geschäftsmann Br. hatte den Auftrag erhalten, die neuen
Räumlichkeiten der Botschaft in B. herzurichten. Dafür stand ein Betrag von
250 000 DM zur Verfügung. Die Arbeiten der in B. ansässigen Firma wurden je
nach Baufortschritt in Teilbeträgen bezahlt. Im Oktober 1998, etwa eine Woche
vor Fertigstellung und Abnahme der Renovierungsarbeiten, entschied der Ru-
hestandsbeamte, den Restbetrag der ausstehenden Summe von ca.
100 000 DM an Br. zu zahlen, obwohl der Zeuge S. dafür keine Notwendigkeit
sah und Bedenken gegen die vorzeitige Zahlung äußerte. Bei der Aushändi-
gung des Schecks an den Zeugen Br. bat der Ruhestandsbeamte diesen, ihm
einen Großteil der Summe als persönliches Darlehen zurückzugeben. Br. lehnte
ab, weil er dem Ruhestandsbeamten schon zuvor Geld geliehen habe, und
wollte auch keine vorzeitige Bezahlung seiner Arbeiten.
Der Ruhestandsbeamte hat den dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen
eingeräumt oder jedenfalls nicht bestritten. Er steht im Übrigen fest aufgrund
der in der Hauptverhandlung in der Vorinstanz verlesenen Belege und Zeugen-
aussagen.
- 7 -
Im Einzelnen hat der Ruhestandsbeamte - so die Vorinstanz - sich dahin eingelas-
sen, dass er mit der Botschaftsbescheinigung vom 20. Dezember 1996 keine Haf-
tung der Bundesrepublik Deutschland oder des Zeugen S. habe begründen wollen.
Er habe auf den Zeugen S. auch keinerlei Druck ausgeübt; die Fertigung einer Kopie
für die Akten sei in der Eile wohl vergessen worden. Zur Vordatierung des Vater-
schaftsanerkenntnisses und der Sorgerechtserklärung sei es dadurch gekommen,
dass der ursprünglich für den 1. Juli vorgesehene und entsprechend in den PC ein-
gegebene Beurkundungstermin wegen der damals herrschenden Waldbrände, die zu
zahlreichen Flugausfällen führten, kurzfristig habe vorverlegt werden müssen. Das
unrichtige Datum sei keinem der Beteiligten aufgefallen. Für persönliche Zwecke
habe er aus der Botschaftskasse lediglich einmal gegen die eigenhändige Quittung
vom 30. Mai 1998 Geld entnommen und dann das Geld auch zurückgezahlt. Er habe
im Übrigen auch öfter selbst für die Botschaftskasse in Vorlage treten müssen. Seine
angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse seien nicht durch Verschwendungssucht
oder Habgier entstanden, sondern dadurch, dass er für das Studium seiner Kinder in
den USA und durch einen Verkehrsunfall seines Sohnes Christopher habe Mittel
aufwenden müssen, die mit seinem Gehalt nicht hätten aufgefangen werden können.
Er habe die Verspätungen bei der Rückzahlung von Darlehen bzw. deren
Nichtbegleichung selbst als Makel empfunden, aber immer im Rahmen des
Möglichen gezahlt und im Übrigen nicht gewusst, wie er seine finanziellen Lücken
hätte anders schließen können. Ihm tue sein Verhalten leid. Er habe der Bundesre-
publik Deutschland aber nicht nur geschadet, sondern ihr während seiner langen
Dienstzeit auch in vorbildlicher Weise genützt und dafür auch Anerkennung erfahren.
Die Vorinstanz hat das Verhalten des Ruhestandsbeamten gegenüber der B. Bank
als betrügerisch und damit eigennützig im Sinne des § 55 Satz 2 BBG und achtungs-
und vertrauensunwürdig im Sinne des § 54 Satz 3 BBG gewürdigt. Er habe mit der
bewusst missverständlich formulierten "Garantie-Erklärung" versucht, von der Bank
ein Darlehen zu erhalten, das ihm mangels anderweitiger Sicherheiten sonst nicht
gewährt worden wäre, und habe dieses auch erhalten, weil die Bank sich über den
rechtlichen Wert der Erklärung habe täuschen lassen. Bei der Aufnahme des Darle-
hens sei ihm zweifellos bewusst gewesen, dass er zur vertragsgemäßen Rückzah-
lung des Darlehens nicht in der Lage sein würde, weil er bereits zu diesem Zeitpunkt
- 8 -
hoffnungslos überschuldet gewesen sei. Mit der Vordatierung der Vaterschaftsur-
kunden und der Sorgerechtsvereinbarung auf den 1. Juli 1998 habe er zumindest
fahrlässig seine dienstlichen Sorgfaltspflichten verletzt und dadurch eine Falschbe-
urkundung verursacht, wenngleich ihm ein vorsätzliches Verhalten, wie es als Vor-
aussetzung für den Straftatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB)
erforderlich gewesen wäre, nicht hätte nachgewiesen werden können. Er habe aber
gegen eine dienstliche Vorschrift im Sinne des § 55 Satz 2 BBG verstoßen. Mit der
Entnahme von Bargeld aus der Botschaftskasse am 30. Mai 1998 habe der Ruhe-
standsbeamte sich eigennützig und achtungs- und vertrauensunwürdig im Sinne des
§ 54 Satz 2 und 3 BBG gezeigt. Auch die Aufnahme eines Kredits bei der ihm unter-
stellten Mitarbeiterin F. und die Nichtzurückzahlung des Darlehens mindestens bis
1998 sei eigennützig und achtungs- und vertrauensunwürdig im Sinne der vorge-
nannten Vorschrift gewesen. Die vorzeitige Auszahlung der dem Auftragnehmer Br.
erst nach Abschluss der Renovierungsarbeiten und deren Abnahme zustehenden ca.
100 000 DM erfülle den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB). Der Versuch, im
Zusammenhang mit dieser pflichtwidrig vorzeitigen Auszahlung ein Darlehen von
dem Zeugen zu erhalten, stelle zumindest die Forderung nach einem nicht genehmi-
gungsfähigen Geschenk im Sinne des § 70 BBG, wenn nicht gar das Fordern von
Vorteilen im Sinne der §§ 331 (Vorteilsannahme) oder 332 StGB (Bestechlichkeit)
dar.
Insgesamt habe der Ruhestandsbeamte, abgesehen von dem vor allem außerdienst-
lichen Fehlverhalten gegenüber der B. Bank, ein innerdienstliches Dienstvergehen
nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen, das ihn für den Auswärtigen Dienst, wenn
er noch nicht in den Ruhestand versetzt worden wäre, untragbar gemacht hätte. Bei
einem Ruhestandsbeamten müsse dieses Dienstvergehen zur Aberkennung des
Ruhegehalts führen.
2. Hiergegen hat der Ruhestandsbeamte rechtzeitig Berufung eingelegt und begehrt
einen Freispruch, hilfsweise, auf eine mildere Maßnahme zu erkennen. Zur Begrün-
dung trägt er im Wesentlichen vor:
Sein Verhalten gegenüber der B. Bank sei unangemessen beurteilt worden; denn es
sei schließlich die Bank gewesen, die ihm die abgegebene Erklärung abverlangt ha-
- 9 -
be. Von einer Bank könne verlangt werden, dass diese die Erklärung auf ihren Inhalt
überprüfe und sich über die rechtliche Tragweite einer solchen Erklärung im Vorfeld
informiere; insbesondere dann, wenn eine solche auf ihre eigene Veranlassung hin
erfolge. Das Gericht habe nicht in dem gebotenen Maße geprüft, inwieweit die Inte-
ressen der Bundesrepublik Deutschland überhaupt geschädigt worden seien; es sei
vielmehr zu prüfen gewesen, inwieweit das Täuschungsverhalten nicht zuletzt von
der Bank selbst ausgegangen sei. Die Ausführungen zum Fehlverhalten gegenüber
der B. Bank, das ihn angeblich für den Auswärtigen Dienst untragbar gemacht habe,
ließen auch außer Acht, dass die Umstände dem Auswärtigen Amt, mithin dem
Dienstherrn bekannt gewesen seien. Der Dienstherr habe hieraus keine Konsequen-
zen gezogen und ihn noch nicht einmal vorübergehend von seinen Dienstpflichten
entbunden. Wenn das Urteil erschwerend berücksichtige, dass er die von dem Zeu-
gen S. unterschriebene Erklärung ohne Information des Botschafters und ohne
Durchschrift für die Akten verwandt habe, rechtfertige auch dies nicht die in dem Ur-
teil ausgesprochene Rechtsfolge. Der Zeuge S. sei von ihm nicht angewiesen wor-
den und habe demnach frei entscheiden können. Soweit die Vordatierung von Va-
terschaftsurkunden und der Sorgerechtsvereinbarungen gerügt werde, so habe das
Urteil ausdrücklich einen Vorsatz nicht feststellen können. Daher könne auch dieser
Vorwurf die im Urteil ausgesprochene Rechtsfolge nicht tragen. Soweit das Urteil
sich darauf stütze, dass Bargeld aus der Botschaftskasse am 30. Mai 1998 entnom-
men worden sei, setze sich das Urteil nicht in dem gebotenen Maße mit den Vor-
gängen auseinander. Es bleibe außer Acht, dass die Rückzahlung in diesem Falle
unproblematisch erfolgt sei und er seinerzeit für Botschaftszwecke selbst Geld vor-
gestreckt habe, da zu bestimmten Zeiten Bargeldbeträge anderenfalls nicht zu errei-
chen gewesen seien. Sein Verhalten habe der örtlichen Praxis entsprochen. Er habe
hierauf vertraut und sei sich subjektiv keiner Schuld bewusst. Noch vor der Aufde-
ckung habe er sich dadurch offenbart, dass er eine entsprechende Quittung in die
Kasse gelegt und damit diesen Umstand keineswegs verdeckt habe. Da der Zeuge
S. Kassenführer gewesen sei, habe es sich bei der Bitte, Stillschweigen über den
Vorgang zu bewahren, keinesfalls um eine Verdeckung gehandelt. Ihm sei der Vor-
gang peinlich gewesen; keinesfalls habe er den Zeugen S. nötigen wollen, die Kasse
pflichtwidrig zu verwalten.
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Die angeblich vorzeitige Auszahlung an den Auftragnehmer Br. habe es nicht gege-
ben. Eine Forderung oder das Abhängigmachen einer vorzeitigen Auszahlung von
der Gewährung eines Darlehens an ihn werde noch nicht einmal von dem Zeugen Br.
behauptet.
II.
Die Berufung des Ruhestandsbeamten ist unbegründet.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten
des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und
-grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zu Übergangsrecht
z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 -).
1. Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Ruhestandsbeamte wendet sich
sowohl gegen die tatsächlichen Feststellungen zum objektiven Disziplinartatbestand
als auch gegen die disziplinare Bewertung seines Verhaltens durch die Vorinstanz.
Der Senat hat daher grundsätzlich den Sachverhalt selbst festzustellen und diszipli-
narrechtlich zu würdigen. Er hat allerdings nach entsprechendem Hinweis den Ver-
handlungsstoff und dessen Beurteilung auf die zu den Anschuldigungspunkten 1
und 4 erhobenen Vorwürfe beschränkt. Nach der ständigen Rechsprechung des Se-
nats ist eine Beschränkung des Verhandlungsstoffes im Falle einer unbeschränkten
Berufung ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten dann zulässig, wenn bereits
einzelne Pflichtverletzungen die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme
rechtfertigen und auch die gerichtlichen Nebenentscheidungen eine vollständige Prü-
fung des angeschuldigten Sachverhalts nicht erforderlich machen (vgl. z.B. Urteil
vom 27. November 1996 - BVerwG 1 D 28.95 - BVerwGE 113, 32 <35 f.>). So liegt
es hier. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist bereits wegen der Vorwürfe geboten,
auf die der Senat seine Beurteilung beschränkt.
2. Der Senat legt zum Anschuldigungspunkt 1 die Tatsachenfeststellungen des Bun-
desdisziplinargerichts zugrunde. Danach hat der Ruhestandsbeamte mit der von ihm
selbst verfassten und bewusst missverständlich formulierten "Garantie-Erklärung"
- 11 -
versucht, von der Bank ein Darlehen zu erhalten, das ihm mangels anderweitiger
Sicherheiten sonst nicht gewährt worden wäre, und er hat dieses auch tatsächlich
erhalten, weil die Bank sich über den rechtlichen Wert der Erklärung hat täuschen
lassen. Dem Beamten ist bei Aufnahme des Darlehens bewusst gewesen, dass er
zur vertragsgemäßen Rückzahlung des Darlehens nicht in der Lage sein würde, weil
er bereits zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos überschuldet war.
Der Ruhestandsbeamte hat in der Hauptverhandlung keine neuen Tatsachen vorge-
tragen und keine neuen Beweismittel benannt, die abweichende oder ergänzende
Feststellungen zum Sachverhalt rechtfertigen. Er trägt als neue Behauptung vor: Er
habe der B. Bank erklärt, dass er ihr die ursprünglich verlangte Garantieerklärung
nicht beibringen könne, weil eine solche von der Botschaft nicht abgegeben werden
könne. Daraufhin habe man von ihm sinngemäß eine Erklärung der Botschaft abver-
langt, wie sie dann von ihm auch verfasst worden sei. Die Bank hätte selbst prüfen
müssen, welche rechtliche Tragweite diese Erklärung überhaupt besitze. Außerdem
äußert er die Ansicht, das Bundesdisziplinargericht habe unzureichend geprüft, in-
wieweit die Interessen der Bundesrepublik Deutschland überhaupt geschädigt wor-
den seien.
In tatsächlicher Hinsicht sieht der Senat dieses Vorbringen aufgrund der übrigen Ein-
lassungen des Ruhestandsbeamten - soweit ihnen gefolgt werden kann - und der
Aussagen des Zeugen S. als widerlegt an.
Die neue Behauptung stellt sich zur Überzeugung des Senats als eine Schutzbe-
hauptung dar. Dem Ruhestandsbeamten ist aufgrund der von ihm selbst verfassten
und vorgefertigten, aber vom Zeugen S. unterschriebenen "Bescheinigung" vom
20. Dezember 1996 ein Darlehen in beträchtlicher Höhe ausgezahlt worden (aus den
Angaben über die Rückzahlung und das verbleibende Restdarlehen nach dem Stand
des Jahres 2000 ergibt sich ein ursprünglicher Betrag von rund 140 000 DM). Für
dieses Darlehen hatte die Bank eingestandenermaßen eine Sicherheit verlangt. Die-
se aber konnte der Beamte nicht vorlegen. Eine Bürgschaft, die er vom Botschafter
erbeten hatte, war abgelehnt worden. Die von ihm selbst verfasste Erklärung sollte
bei der Bank ersichtlich die Fehlvorstellung erwecken, dass damit eine vergleichbare
Sicherheit vermittelt werden könnte. So konnte und durfte die Bank in der gegebenen
- 12 -
Situation, in der sie eine Sicherheit verlangt hatte und nun diese Bescheinigung
angeboten bekam, auch verstehen. Denn dass sie mit einer auf Botschaftspapier
geschriebenen und mit Botschaftssiegel versehenen Bescheinigung abgespeist wür-
de, die das Papier nicht wert war, auf dem sie stand, musste sie nicht in Rechnung
stellen. Dass die Botschaft ein derartiges Spiel mitmachen würde, konnte sie getrost
außer Betracht lassen. Dass aber die Bescheinigung unter Überspielung interner
Zuständigkeiten zustande gekommen war und bei Lichte besehen das nicht hielt,
was sie beim unbefangenen Lesen auf den ersten Eindruck versprach, konnte sich
ihr ohne Hinzuziehung eines im deutschen Recht kundigen Rats nicht erschließen.
Von der Hinzuziehung solchen Rechtsrats hat sie ersichtlich im Vertrauen auf Bot-
schaftspapier und Siegelung abgesehen. Wie sehr sie sich getäuscht gesehen hat,
wird an der Hartnäckigkeit ersichtlich, mit der sie ihre Ansprüche zunächst gegen die
Botschaft und sodann gegen den Ruhestandsbeamten verfolgt hat. Sie hat sich er-
sichtlich geprellt gesehen. Mit der Täuschung hat der Ruhestandsbeamte einen
klassischen Eingehungsbetrug begangen, indem er der Bank eine Sicherheit vorge-
täuscht hat, die es in Wahrheit nicht gab, und ohne die er - wie er wusste, was seine
gescheiterten vorherigen Bemühungen um eine Bürgschaft gezeigt haben - das ge-
wünschte oder ein anderes Darlehen in welcher Höhe auch immer nicht erhalten
konnte. Dass er sich um das Windige seines Vorgehens bewusst war, zeigt sich dar-
an, dass er zwar die Urkunde selbst vorbereitet und dem Zeugen S. zur Unterschrift
vorgelegt aber kein Doppel angefertigt hatte. Er wollte keine vorzeitig - vor Auszah-
lung des Darlehens - auffindbaren Spuren in den Akten der Botschaft hinterlassen,
weil dies - nach den vorausgegangenen Erfahrungen mit der abgeschlagenen Bürg-
schaft - seine Pläne hätte durchkreuzen können. Einer entsprechenden Bitte des
Zeugen S. um eine Kopie hat er sich durch Entfernen entzogen. Seine Einlassung
hierzu, dass er es dem Zeugen habe überlassen wollen, seinerseits selbst eine Kopie
anzufertigen, ist unglaubhaft, weil er dem Zeugen S. dies durch sein eigenes
Verhalten zu keinem Zeitpunkt ermöglicht hat. Der Ruhestandsbeamte hat sich nicht
nur alsbald mit der Urkunde entfernt, sondern er hat sie dann sogleich der Bank vor-
gelegt, die sie ihrerseits bestimmungsgemäß behielt. Bei dieser Sachlage konnte
also keine nachträgliche Zweitausfertigung für die Botschaftsakten hergestellt wer-
den. Es ist daher der schlüssigen Aussage des Zeugen S. zu folgen, und zwar auch
insoweit, als dieser - gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt - sich durch eine Art Ü-
berraschungsaktion des Ruhestandsbeamten überfahren fühlte und dem Ruhe-
- 13 -
standsbeamten, der immerhin Stellvertreter des Botschafters war, im Drang der wie-
der aufzunehmenden Geschäfte keinen hinreichenden Widerstand entge-
genzusetzen vermochte.
Es kann auch keine Rede davon sein, dass das Bundesdisziplinargericht unzurei-
chend geprüft habe, inwieweit die Interessen der Bundesrepublik Deutschland über-
haupt geschädigt worden seien. Es geht nicht um materielle Schäden, sondern um
das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und die Pflege der Beziehungen zu
anderen Staaten im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Beides ist offen-
sichtlich in erheblicher Weise beeinträchtigt worden, ohne dass weiteren Folgeschä-
den im Einzelnen nachgegangen werden müsste. Das Ansehen der Bundesrepublik
Deutschland ist durch die Presseveröffentlichungen in B. wie auch im Inland erheb-
lich beschädigt worden. Damit war auch von vornherein zu rechnen, denn die ver-
meintliche Involvierung der Botschaft und die tatsächliche Verstrickung eines hoch-
rangigen Bediensteten derselben im Zusammenhang eines betrügerischen Ge-
schäfts mit einer Bank, die dem Außenminister des Gastlandes gehörte, war skan-
dalträchtig genug. Aus diesem Grunde war auch mit diplomatischen Verwicklungen
zu rechnen. Letztlich hat der Beamte damit in für ihn vorhersehbarer Weise genau
das Gegenteil dessen bewirkt, was ihm zur Erfüllung seiner Dienstaufgaben aufge-
tragen war: Während nach § 1 Konsulargesetz (KG) Beamte im konsularischen
Dienst - wie der Ruhestandsbeamte - u.a. bei der Zusammenarbeit zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem jeweiligen Empfangsstaat namentlich auf den
Gebieten außenwirtschaftlicher und entwicklungspolitischer Beziehungen, des Ver-
kehrs, der Kultur und der Rechtspflege mitzuwirken sowie gemäß § 3 Abs. 2 KG bei
der Wahrnehmung ihrer Aufgaben das Ansehen und die Interessen ihres Heimat-
staats nach besten Kräften zu schützen und zu fördern haben - entsprechendes gilt
gemäß § 14 Abs. 2 des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst für alle seiner Beam-
ten -, hat der Ruhestandsbeamte neben dem bewirkten erheblichen Ansehensverlust
auch die Pflege der diplomatischen Beziehung schwer belastet. Das verdeutlicht ins-
besondere auch die zeitliche Dimension des Fehlverhaltens: Wie der Ruhestands-
beamte vor dem Senat einräumte, ist das Darlehen bis heute nicht an die Bank in B.
zurückgezahlt, bemüht sich die Bank auch weiterhin um Beitreibung der Darlehens-
schuld.
- 14 -
Außerdem hat der Ruhestandsbeamte einen wesentlich jüngeren und unerfahrenen
Kollegen kraft seiner Autorität faktisch genötigt, ihm bei seinen privaten Machen-
schaften behilflich zu sein. Mit seinem Verhalten hat er vorsätzlich gegen § 54 Satz 3
BBG verstoßen, indem er sein Amt nicht uneigennützig verwaltete und er innerhalb
und außerhalb des Dienstes nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden
ist, die sein Beruf erfordert.
Das Verhalten des Beamten stellt eine sowohl inner- als auch außerdienstliche
Pflichtverletzung im Sinne von § 77 Sätze 1 und 2 BBG dar. Der teilweise inner-
dienstliche Charakter seines Fehlverhaltens liegt darin begründet, dass der Beamte
die Garantieerklärung zwar zu privaten Zwecken ausgestellt hat, ohne dabei letztlich
seinen Dienstherrn zu verpflichten, er jedoch durch eigenes Zutun und im Übrigen
unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung bewirkt hat, dass diese Erklärung un-
ter Verwendung dienstlichen Briefpapiers und des Dienstsiegels wie eine Erklärung
des Dienstherrn wirken konnte.
3. Das dem Ruhestandsbeamten unter Anschuldigungspunkt 4 vorgeworfene Fehl-
verhalten wird von diesem nicht bestritten. Nach den Feststellungen der Vorinstanz
hat er am 30. Mai 1998 zu privaten Zwecken Bargeld in Höhe von 2 000 B.-Dollar
(vergleichbarer Wert des Betrages in Deutscher Mark) aus der ihm dienstlich anver-
trauten Botschaftskasse entnommen und hierfür einen handgeschriebenen Beleg,
adressiert an den Zeugen S., hinterlassen. Der Zeuge S. war zu dieser Zeit Zahlstel-
lenleiter, dem Ruhestandsbeamten oblag dessen Urlaubsvertretung. Am 3. Juli 1998,
d.h. noch vor Entdeckung der Tat durch den Dienstherrn, legte der Beamte das Geld
wieder in die Kasse, bat jedoch den Zeugen, die Angelegenheit für sich zu behalten.
Der Ruhestandsbeamte hat im Anschuldigungspunkt 4 durch sein achtungs- und
vertrauensunwürdiges Verhalten vorsätzlich gegen § 54 Sätze 2 und 3 BBG ver-
stoßen.
4. Das Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 BBG) des Ruhestandsbeamten wiegt insgesamt
schwer und rechtfertigt die Aberkennung des Ruhegehalts.
Die Bargeldentnahme stellt als Zugriff auf dienstlich erlangte oder zugängliche Gel-
der ein schweres Dienstvergehen dar, das - für sich allein gesehen - ohne anerkann-
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te Milderungsgrund bei einem aktiven Beamten regelmäßig die Entfernung aus dem
Dienst nach sich zieht und bei einem inzwischen in den Ruhestand getretenen Be-
amten mit der Aberkennung des Ruhegehalts geahndet werden muss. Hier käme
dem Ruhestandsbeamten wegen der Absprache mit dem Kollegen S., die Sache zu
verschleiern, zwar nicht der anerkannte Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung
des Fehlverhaltens zugute (vgl. Urteil vom 23. März 1999 - BVerwG 1 D 8.98 -
m.w.N.). Er könnte sich jedoch mit Erfolg auf den anerkannten Milderungsgrund der
freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung berufen.
Letztlich ist jedoch der Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme deshalb
gerechtfertigt, weil den Ruhestandsbeamten zusätzlich noch das schwerwiegende
Fehlverhalten im Anschuldigungspunkt 1 belastet.
Der Beamte wusste, dass er aufgrund der "Garantie-Erklärung" - unabhängig von
ihrem rechtlichen Gehalt - ein für ihn sonst nicht zu erlangendes Darlehen erhalten
würde, dessen Rückzahlung er nicht gewährleisten konnte. Er schädigte nicht nur
das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und beeinträchtigte entgegen seinem
dienstlichen Auftrag die diplomatischen Beziehungen zu B., sondern zog darüber
hinaus durch sein Verhalten - wie die spätere Entwicklung gezeigt hat - auch den
Kollegen S. mit disziplinaren Konsequenzen in die Sache hinein.
Ein gewichtiger Milderungsgrund steht dem Ruhestandsbeamten hinsichtlich dieses
Teils seines Fehlverhaltens nicht zur Seite. Es kann dahinstehen, aus welchen
Gründen er - ohne in existenzielle Not geraten zu sein - die Möglichkeiten seiner pri-
vaten Mittel derart weit überzogen hat. Die kostspielige Ausbildung seiner Kinder und
ein etwaiges Fehlverhalten eines von ihnen wie auch eigene Fehlspekulationen, wel-
che inzwischen eingetretene Engpässe nicht behoben oder gemildert, sondern ver-
größert haben, dürfen nicht dazu herhalten, derart zur Selbsthilfe zu greifen und die
Interessen seiner Kollegen und auch die seines Dienstherrn in der geschehenen
Weise beiseite zu drängen und zu beschädigen.
Nimmt man beide Pflichtverstöße zusammen, so ist die von der Vorinstanz verhängte
Disziplinarmaßnahme nicht zu beanstanden. Denn bereits diese Pflichtverstöße
wiegen in ihrer Gesamtheit so schwer, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem
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Ruhestandsbeamten und seinem Dienstherrn als vollends zerstört anzusehen ist.
Seine langjährige beanstandungsfreie Diensterfüllung kann die schweren dienstli-
chen Verfehlungen - auch wenn sie erst gegen Ende der Dienstzeit erfolgt sind -
nicht aufwiegen.
5. Die Aberkennung des Ruhegehalts erweist sich auch als verhältnismäßig.
Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßig-
keitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Gel-
tung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1969 - 2 BvR 545/68 -
180>; Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - ). Danach
muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforder-
lich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff
seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von
dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Disziplinarmaßnahmen gegen-
über Ruhestandsbeamten verfolgen neben der Pflichtenmahnung die Zwecke der
Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öf-
fentlichen Dienstes. Ist der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene
Vertrauensschaden mangels Milderungsgründen so erheblich, dass bei aktiven Be-
amten die Entfernung aus dem Dienst geboten ist, erweist sich die Höchstmaßnahme
gegenüber dem Ruhestandsbeamten als geeignete und erforderliche Maßnahme,
den aufgezeigten Zwecken von Disziplinarmaßnahmen gegenüber Ruhestands-
beamten Geltung zu verschaffen. In derartigen Fällen ist die Aberkennung des Ru-
hegehalts auch angemessen. Dabei kommt es nicht auf das Verhältnis zwischen den
von dem Ruhestandsbeamten durch das Dienstvergehen erlangten Vorteilen und
den durch die Disziplinarmaßnahme bewirkten Nachteilen an. Abzuwägen sind viel-
mehr das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauens-
schaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehen-
den Belastungen andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - zerstört, er-
weist sich die Aberkennung des Ruhegehalts als angemessene Reaktion auf das
Dienstvergehen. Sie beruht auf der schuldhaften Pflichtverletzung während der akti-
ven Dienstzeit und ist dem späteren Ruhestandsbeamten daher als bei Begehung
vorhersehbar zuzurechnen (stRspr, vgl. Urteil vom 15. August 2000 - BVerwG 1 D
44.98 - ZBR 2001, 47 = NVwZ-RR 2001, 249; vgl. auch BVerfG - 3. Kammer -, Be-
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schluss vom 21. Dezember 1988 - 2 BvR 1522/88 -). Bei der Abwägung ist auch zu
berücksichtigen, dass der Ruhestandsbeamte mit der Aberkennung des Ruhegehalts
keineswegs ohne Versorgung dasteht. Denn er ist in der Rentenversicherung nach-
zuversichern (§ 9 Abs. 4 AVG, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SBG VI).
6. Mit dem von der Vorinstanz zuerkannten Unterhaltsbeitrag, der unter dem Vorbe-
halt der Verrechnung mit den Rentenbeiträgen aus der durchzuführenden Nachver-
sicherung steht, hat es sein Bewenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Heeren Müller
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse:
nein
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Sätze 2 und 3; § 55 Satz 2
§ 77 Abs. 1 Satz 1
Konsulargesetz
§§ 1 und 3 Abs. 2
Gesetz über den Auswärtigen Dienst § 14 Abs. 2
Stichworte:
Erwirken eines privaten Kredits unter missbräuchlicher Verwendung einer angebli-
chen Garantie-Erklärung der Botschaft durch Konsularbeamten; diplomatische Ver-
wicklungen; außenpolitischer Ansehensschaden; Ansehensverlust; Entnahme von
Bargeld zu privaten Zwecken aus der Botschaftskasse; keine freiwillige Offenbarung
wegen Geheimhaltungsabrede mit Kassenverwalter über Kassenbeleg, aber freiwilli-
ge Wiedergutmachung; Disziplinarmaß: Aberkennung des Ruhegehalts.
Urteil des Disziplinarsenats vom 7. September 2004 - BVerwG 1 D 8.03
I. BDiG, Kammer VI - ... - vom 11.12.2002
- Az.: BDiG VI VL 7/02 - (jetzt: VG Berlin - VG 85 A 1.04 -)