Urteil des BVerwG vom 06.07.2006

Dienstliches Verhalten, Dienstliche Anordnung, Abrede, Niederlassung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 7.05
VG 20 K 5552/03.BDG
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Postoberschaffner …,
…, …,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung vom 6. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Polizeihauptmeister Müller und
Postbetriebsassistent Alsdorf
als ehrenamtliche Richter
sowie
Postdirektor …
als Vertreter der Einleitungsbehörde
und
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als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Postoberschaffners … gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts … vom 4. März 2005 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I
1. Der am 6. Mai 1965 geborene Beamte war bis 14. Mai 2000 als Postzusteller
in B., danach bis 5. Juli 2000 in P. tätig. Auf Grund der angeschuldigten Vorfälle
wurde er aus dem Zustelldienst herausgenommen und im Wechselschichtdienst
in der Kommissionierungsanlage der Niederlassung H. der Deutschen Post AG
eingesetzt.
Mit Verfügung vom 10. August 2000 hat der Leiter der Niederlassung H. hin-
sichtlich der Anschuldigungspunkte 1 bis 3 und 5 das förmliche Disziplinarver-
fahren eingeleitet und einen Untersuchungsführer bestellt. Dieser hat das Ver-
fahren durch Entscheidungen vom 28. November 2000, 9. Januar und
25. Januar 2001 auf die übrigen Anschuldigungspunkte ausgedehnt. Mit An-
schuldigungsschrift vom 31. Juli 2001 hat der Bundesdisziplinaranwalt dem Be-
amten zur Last gelegt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass
er
1.
vom 6. April bis 11. April 1999 schuldhaft ungenehmigt
dem Dienst fernblieb;
2.
in der Zeit vom 11. Juni 1999 bis zum 14. Mai 2000 die
dienstliche Anweisung, Sendungen mit Zustellungs-
urkunde in einer Liste zu notieren, nicht befolgte;
3.
am 4. Oktober 1999 die Durchführung einer Wochen-
zählung in seinem Zustellbezirk verweigerte und den
mit der Zählung beauftragten Kollegen aufforderte, das
Dienstgebäude zu verlassen;
1
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4.
am 27. März 2000 auf einer Betriebsversammlung ein
Flugblatt mit beleidigenden Äußerungen gegen den
Dienstherrn und den Betriebsrat verteilte;
5.
die dienstlichen Anweisungen vom 12. August 1999
und 8. März 2000, den Begehungsplan seines Zustell-
bezirks wegen einer Neubemessung zu überprüfen,
missachtete;
6.
am 8. März 2000 einen Nachsendeauftrag in die
Schweiz nicht bearbeitete;
7.
der Ladung zu einem Gespräch bei seinem Vorgesetz-
ten am 10. April 2000 nicht Folge leistete;
8.
am 13. April 2000 die Bearbeitung nachzusendender
Wahlbenachrichtigungskarten verweigerte;
9.
vom 25. April 2000 bis 5. Juli 2000 die IBIS-Zählblätter
nicht ausfüllte;
10.
am 7. Juni 2000 die ordnungsgemäße Abrechnung ei-
nes Nachnahmebetrages verweigerte;
11.
am 7. Juni 2000 einen Kollegen bedrohte;
12.
am 13. Juni 2000 an einer Dienstbesprechung nicht teil-
nahm;
13.
am 27. und 28. Juni 2000 eigenmächtig die Zustellung
abbrach;
14.
am 5. Juli 2000 einen Vorgesetzten beleidigte und eine
dienstliche Anordnung missachtete;
15.
sich am 8. August 2000 weigerte, den Empfang eines
dienstlichen Informationsschreibens mit seiner Unter-
schrift zu bestätigen;
16.
am 4. August 2000 und 2. November 2000 den Dienst
in der Frühschicht vorzeitig beendete;
17.
am 7. August 2000 zu spät zum Dienst erschien;
18.
am 7. August 2000 eine dienstliche Anordnung nicht
befolgte und einen Vorgesetzten beleidigte;
19.
in der Zeit vom 7. August 2000 bis 19. Oktober 2000
den Dienst in der Spätschicht achtmal vorzeitig beende-
te;
20.
in der Nachtschicht vom 27. zum 28. August 2000 dem
Dienst schuldhaft ungenehmigt fernblieb;
21.
die Pflicht zum Tragen von Dienstkleidung beharrlich
missachtete;
22.
am 11. Oktober 2000 die Anweisung, ein Gespräch mit
einem Vorgesetzten zu führen, nicht befolgte;
23.
in der Zeit vom 31. Oktober 2000 bis 19. Dezember
2000 die Anweisung, sich bei Schichtbeginn und
Schichtende bei der Aufsicht zu melden, wiederholt
nicht befolgte;
24.
sich am 31. Oktober und 20. November 2000 weigerte,
die Arbeit in den Abtragekreisen zu verrichten;
25.
die Frühschicht am 20. November 2000 mit 30 Minuten
Verspätung antrat;
26.
sich am 12. Dezember 2000 gegenüber einem Vorge-
setzten ungehörig benahm.
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2. Das Verwaltungsgericht hat den Beamten durch Urteil vom 4. März 2005 aus
dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des
erdienten Ruhegehalts für die Dauer von sechs Monaten bewilligt. Diesem Ur-
teilsausspruch liegen folgende tatsächlichen Feststellungen zugrunde:
Obwohl dem Beamten Urlaub nur vom 15. März bis 5. April 1999 (drei Wochen)
bewilligt worden sei, habe er seinen Dienst als Zusteller im Zustellstützpunkt B.
erst am Montag, dem 12. April 1999, d.h. vier Wochen nach Urlaubsbeginn
wieder aufgenommen (Anschuldigungspunkt 1).
In der Zeit vom 11. Juni 1999 bis 14. Mai 2000 habe der Beamte weisungswid-
rig Absender und Empfänger von Sendungen mit Zustellungsurkunde nicht in
ein Formblatt eingetragen (Anschuldigungspunkt 2). Am 4. Oktober 1999 habe
sich der Beamte geweigert, den Zeugen L. bei der angeordneten Zählung der
Postsendungen seines Zustellbezirks zu unterstützen. Er habe dem Zeugen
erklärt, er erteile ihm Hausverbot, und ihn aufgefordert, das Dienstgebäude zu
verlassen (Anschuldigungspunkt 3).
Vor Beginn einer Betriebsversammlung am 27. März 2000 habe der Beamte im
Versammlungsraum ungefähr 60 Exemplare eines mit seinem Namen gekenn-
zeichneten Flugblattes ausgelegt, in dem die Post als „kriminelles Unterneh-
men“ und der Leiter der Niederlassung H., der Zeuge J., als „Don J. und seine
Mafiakollegen“ bezeichnet worden seien. Weiter habe es in dem Flugblatt ge-
heißen, der Betriebsrat unterstützte die verbrecherischen Handlungen der Lei-
tung der Niederlassung (Anschuldigungspunkt 4).
Am 12. August 1999 und am 8. März 2000 habe sich der Beamte trotz dienstli-
cher Anordnungen geweigert, den Begehungsplan seines Zustellbezirks zu ak-
tualisieren (Anschuldigungspunkt 5). Im März 2000 habe er einen Nachsende-
auftrag in die Schweiz nicht bearbeitet (Anschuldigungspunkt 6). Der Beamte
sei ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Mitarbeitergespräch beim Leiter
des Zustellstützpunktes P. erschienen, zu dem dieser ihn für den 10. April 2000
schriftlich geladen habe (Anschuldigungspunkt 7). Nachzusendende Wahlbe-
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nachrichtigungen für die Landtagswahl habe der Beamte weisungswidrig nicht
bearbeitet (Anschuldigungspunkt 8). Während seiner Zustellertätigkeit in B. und
P. habe er in der Zeit vom 25. April bis 5. Juli 2000 die täglich auszufüllenden
Zählblätter über die Postsendungen seines Zustellbezirks nicht abgegeben (An-
schuldigungspunkt 9).
Der Beamte sei der Aufforderung seines Vorgesetzten vom 7. Juni 2000 nicht
nachgekommen, für einen Ende Mai 2000 vereinnahmten Nachnahmebetrag
von 48,10 DM das Zählblatt und einen Ersatznachnahmezahlschein auszufül-
len. Stattdessen habe er Geld und Unterlagen in einen Briefbehälter gelegt (An-
schuldigungspunkt 10). Am 7. Juni 2000 habe der Beamte dem Zeugen Jä. er-
klärt, als dieser ihn auf seine Pflicht zur Bearbeitung einer nachzusendenden
Pressesendung habe hinweisen wollen: „Wenn sie zwei Meter in meinem Um-
kreis sind, hat das nicht nur dienstliche, sondern auch private Konsequenzen.“
(Anschuldigungspunkt 11). Am 13. Juni 2000 habe der Beamte ohne Angabe
von Gründen nicht an einer Dienstbesprechung teilgenommen (Anschuldi-
gungspunkt 12).
Am 27. Juni 2000 habe der Beamte dem Leiter des Zustellstützpunkts B. unter
Hinweis auf das Ende seiner täglichen Dienstzeit einen Behälter mit Postsen-
dungen seines Zustellbezirks übergeben und sich trotz mehrerer Aufforderun-
gen geweigert, die Sendungen auszutragen. Am nächsten Tag (28. Juni 2000)
habe der Beamte einem Kollegen einen Behälter mit Postsendungen seines
Zustellbezirks übergeben und den Dienst beendet (Anschuldigungspunkt 13).
Am 5. Juli 2000 habe der Beamte zu Beginn eines Mitarbeitergesprächs im Bü-
ro des Leiters des Zustellstützpunkts P. zu dem Leiter der Personalabteilung
gesagt: „Der, der immer die Sch… macht.“ (Anschuldigungspunkt 14).
Am 8. August 2000 habe sich der - inzwischen in den Innendienst nach H. um-
gesetzte - Beamte geweigert, die Empfangsbestätigung für ein Informations-
schreiben zu unterzeichnen (Anschuldigungspunkt 15). Am 4. August 2000 ha-
be er das Dienstgebäude in H. um 14.54 Uhr verlassen, obwohl sein Dienst erst
um 15.00 Uhr geendet habe. Am 2. November 2000 habe er die bis 15.00 Uhr
dauernde Schicht bereits um 14.50 Uhr beendet (Anschuldigungspunkt 16). Am
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7. August 2000 habe der Beamte den um 14.00 Uhr beginnenden Dienst um
fünf Minuten zu spät angetreten (Anschuldigungspunkt 17). Am 7. August 2000
habe sich der Beamte geweigert, den Abteilungsleiter Be. wegen der Aufnahme
zweier Verhandlungsniederschriften in das Büro eines Kollegen zu begleiten.
Dabei habe er den Abteilungsleiter als „kriminell“ bezeichnet (Anschuldigungs-
punkt 18).
Am 7., 21., 22. und 23. August, am 28. und 29. September sowie am 13. und
19. Oktober 2000 habe der Beamte seinen jeweils bis 22.45 Uhr dauernden
Schichtdienst in H. ungefähr eine Stunde früher beendet, um den letzten Zug
nach P. zu erreichen (Anschuldigungspunkt 19). Zu der Nachtschicht vom
27. bis 28. August 2000 (Sonntag auf Montag) sei er nicht erschienen, weil er
irrtümlich angenommen habe, die Schicht falle in seinen Urlaub (Anschuldi-
gungspunkt 20).
Während seiner Tätigkeit als Zusteller habe der Beamte keine Dienstkleidung
getragen, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen sei (Anschuldigungspunkt 21).
Am 11. Oktober 2000 habe der Beamte Aufforderungen des Abteilungsleiters
nicht Folge geleistet, diesen zur Bekanntgabe einer Stellungnahme des Postbe-
triebsarztes in das Büro eines Kollegen zu begleiten (Anschuldigungspunkt 22).
Am 31. Oktober und am 2. November 2000 habe der Beamte die Anweisung
des Niederlassungsleiters nicht befolgt, sich ab 30. Oktober 2000 zu Dienstbe-
ginn und Dienstende bei der Aufsicht des Briefzentrums H. zu melden (An-
schuldigungspunkt 23). Am 31. Oktober und am 20. November 2000 habe sich
der Beamte erneut geweigert, Behälter von den Verteilrutschen zu nehmen und
auf den Behälterwagen zu stellen, obwohl der Betriebsarzt, wie der Beamte
gewusst habe, festgestellt habe, dass er dieser Arbeit körperlich gewachsen sei
(Anschuldigungspunkt 24).
Dass der Beamte am 20. November 2000 zu der um 5.30 Uhr beginnenden
Frühschicht erst um 6.00 Uhr erschienen sei, könne ihm nicht angelastet wer-
den (Anschuldigungspunkt 25).
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Am 12. Dezember 2000 sei der Beamte auf den Abteilungsleiter Be. zugetreten,
als dieser eine Besuchergruppe durch das Briefzentrum H. geführt habe, und
habe für die Gruppe hörbar geäußert: „Herr Be., wenn Sie mich noch einmal
bedrohen, dann …“ (Anschuldigungspunkt 26).
Das Verwaltungsgericht hat das Verhalten des Beamten hinsichtlich des An-
schuldigungspunktes 1 als vorsätzliches, hinsichtlich des Anschuldigungspunk-
tes 20 als fahrlässiges Fernbleiben vom Dienst gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG
gewürdigt. Durch die vorzeitigen Beendigungen des Dienstes und die verspäte-
ten Dienstantritte im Umfang von fünf bis 60 Minuten an insgesamt elf Tagen
(Anschuldigungspunkte 16, 17 und 19) habe der Beamte schuldhaft gegen sei-
ne Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf gemäß § 54 Satz 1 BBG und zur
Befolgung von Dienstvorschriften gemäß § 55 Satz 2 BBG verstoßen. Jeden-
falls hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 19 (vorzeitiges Verlassen der
Spätschicht in acht Fällen um jeweils ungefähr eine Stunde) habe der Beamte
vorsätzlich gehandelt. Hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 2, 3, 5 bis 16, 18,
21 bis 24 habe sich der Beamte jeweils geweigert, Vorschriften und Anordnun-
gen über die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben als Zusteller zu be-
achten und damit vorsätzlich gegen die Befolgungspflicht gemäß § 55 Satz 2
BBG verstoßen. In sechs Fällen (Anschuldigungspunkte 3, 4, 11, 14, 18 und 26)
habe sich der Beamte gegenüber Vorgesetzten und Kollegen beleidigend und
ungebührlich verhalten und damit seine Pflicht zu achtungs- und vertrauens-
würdigem Verhalten gemäß § 54 Satz 3 BBG vorsätzlich verletzt. Lediglich hin-
sichtlich des Anschuldigungspunktes 25 sei er freizustellen.
Der Beamte sei aus dem Dienst zu entfernen, weil er durch sein dienstliches
Verhalten das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstört habe.
Zwar rechtfertige keine der nachgewiesenen Verfehlungen für sich genommen
die Entfernung aus dem Dienst. Es müsse jedoch angenommen werden, dass
Pflichtenmahnungen den Beamten nicht erreichten. Sie würden seinem dienstli-
chen Verhalten nicht mehr gerecht. Bei seinem Verbleib im Dienst sei ein ge-
ordneter Dienstbetrieb nicht gewährleistet. Diese Schlussfolgerungen drängten
sich auf Grund der zahlreichen Verstöße gegen grundlegende und leicht ein-
sehbare Dienstpflichten, insbesondere auf Grund der häufigen vorsätzlichen
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Missachtung dienstlicher Vorschriften und Anordnungen über einen längeren
Zeitraum sowie der Uneinsichtigkeit des Beamten auf. Der Beamte fühle sich
durch dienstliche Vorgaben nicht gebunden, sondern verrichte seinen Dienst
nach seinen persönlichen Vorstellungen. Dieses Verhalten habe er nach Einlei-
tung des förmlichen Disziplinarverfahrens unvermindert fortgesetzt.
3. Mit seiner Berufung beantragt der Beamte, ihn unter Aufhebung des erstin-
stanzlichen Urteils freizusprechen, hilfsweise auf eine mildere Maßnahme zu
erkennen.
Der Beamte macht im Wesentlichen geltend, die von ihm nicht befolgten dienst-
lichen Vorgaben seien sachwidrig oder schikanös gewesen. Während seiner
Zustellertätigkeit sei ihm zugemutet worden, in erheblichem Umfang unbezahlte
Mehrarbeit zu leisten. Bei den angeschuldigten Äußerungen habe er von sei-
nem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Von manchen
Vorgesetzten, etwa von den Zeugen Jä. und Be., habe er sich bedroht gefühlt.
Die Deutsche Post AG habe nicht bewiesen, dass die Darstellungen in der An-
schuldigungsschrift richtig seien.
II
Die Berufung des Beamten hat keinen Erfolg.
Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist auch nach Inkrafttreten des Bundesdis-
ziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und –grund-
sätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (§ 85 Abs. 1 und 3 BDG; zum
Übergangsrecht Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ
2002, 1515). Die bei der Deutschen Post AG beschäftigten Bundesbeamten
unterliegen hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit den Regeln über den beam-
tenrechtlichen Dienst und damit dem Disziplinarrecht (Urteil vom 20. August
1996 - BVerwG 1 D 80.95 - BVerwGE 103, 375 <377 f.>).
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1. Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt, so dass der Senat den Sachverhalt
selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen hat.
Auf Grund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismit-
tel und der Einlassungen des Beamten in der Hauptverhandlung, soweit diesen
gefolgt werden kann, hält der Senat hinsichtlich der einzelnen Anschuldigungs-
punkte die nachfolgend dargestellten Sachverhalte für erwiesen und würdigt
diese disziplinarrechtlich wie folgt:
Zum Anschuldigungspunkt 1:
In der Woche vom 6. April (Dienstag nach Ostern) bis 10. April 1999 erschien
der Beamte nicht im Zustellstützpunkt B., um Dienst als Zusteller zu tun, obwohl
ihm für diese Woche Urlaub weder bewilligt noch zugesagt worden war. Der
Beamte hatte Erholungsurlaub für die Zeit vom 15. März bis 10. April 1999 (vier
Wochen) beantragt. Der für die Bewilligung zuständige Beamte, der Zeuge Br.,
sagte dem Beamten in der Woche vor Urlaubsbeginn fernmündlich die Bewilli-
gung von zwei Wochen Erholungsurlaub ab 15. März 1999 (Montag) zu. Wei-
terhin teilte er mit, er werde sich bemühen, dem Beamten eine dritte Urlaubs-
woche zu ermöglichen. Nach dem Urlaubsantritt des Beamten stellte sich he-
raus, dass die Verlängerung um eine dritte Woche gewährt werden konnte, weil
eine Zustellerin aus dem Krankenstand zurückgekehrt war. Schriftliche und
fernmündliche Versuche, den Beamten darauf hinzuweisen, dass er ab dem
6. April 1999 wieder zum Dienst zu erscheinen habe, schlugen fehl, weil er un-
erreichbar war. Um seinen Ausfall zu kompensieren, musste eine Kollegin ihren
Urlaub abbrechen.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen C. vom
14. März 1999 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001 sowie des Vermerks
des Zeugen Br. vom 13. April 1999 und dessen Aussage vom 14. Dezember
2000. Demgegenüber ist die Behauptung des Beamten unglaubhaft, der Beam-
te M. habe ihm vor Urlaubsantritt zugesagt, vier Wochen Urlaub gingen in Ord-
nung. Diese Behauptung ist ersichtlich aus der Luft gegriffen; sie wird durch
keinerlei greifbare Anhaltspunkte gestützt. Der Beamte hat sie erstmals in der
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Hauptverhandlung vor dem Senat aufgestellt. Er hat nicht zu erklären vermocht,
warum er sich nicht bereits während der Untersuchung oder vor dem Verwal-
tungsgericht entsprechend eingelassen hat. Zudem steht die Behauptung in
Widerspruch zu den in sich stimmigen und nachvollziehbaren Angaben der
Zeugen Br. und C. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Zeugen fal-
sche Angaben hätten machen sollen. Hingegen hat sich der Beamte gegenüber
dem Senat nicht immer an die Wahrheit gehalten. So hat er anfangs den Erhalt
des Fragebogens zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in
Abrede gestellt, obwohl er diesen bei sich hatte.
Danach ist der Beamte in der Zeit vom 6. bis 10. April 1999 vorsätzlich ohne
Genehmigung dem Dienst ferngeblieben; er hat die geschuldete Dienstleis-
tungspflicht vorsätzlich nicht erfüllt (Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG).
Ein dienstfähiger Beamter wird nur durch eine rechtswirksame Urlaubsbewilli-
gung oder -zusage von der Dienstleistungspflicht entbunden. Ein pflichtwidriges
Fernbleiben vom Dienst liegt selbst dann vor, wenn die Bewilligung des Urlaubs
rechtswidrig versagt oder nachträglich ausgesprochen worden ist (Urteil vom
12. April 2000 - BVerwG 1 D 12.99 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 20; stRspr).
Der Beamte wusste bei Urlaubsantritt am 15. März 1999, dass ihm nur zwei
Wochen Urlaub bewilligt worden waren. Er erkundigte sich nicht, ob ihm eine
dritte und vierte Urlaubswoche bewilligt werden konnte. Daher nahm er zumin-
dest billigend in Kauf, in diesem Zeitraum dem Dienst ungenehmigt, nämlich
ohne Urlaubsbewilligung fernzubleiben. Das hatte er gegenüber dem Zeugen C.
auch so angekündigt.
Zum Anschuldigungspunkt 2:
Im Juni 1999 ordnete der Leiter der Niederlassung H. an, dass die Zusteller die
Namen von Absender und Empfänger förmlich zuzustellender Sendungen in
das Formular für den Niederlegungsnachweis dieser Sendungen einzutragen
hatten, wenn die Zustellung durch Niederlegung und entsprechende Benach-
richtigung des Empfängers erfolgt war. Eine solche Eintragung nahm ca. 33
Sekunden in Anspruch. Der Beamte weigerte sich trotz entsprechender Auffor-
derungen, die Eintragungen vorzunehmen.
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Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens des Zeugen S. vom
14. Juni 1999, des Vermerks der Zeugin Sch. vom 29. Juni 1999, der Aussage
des Zeugen Lü. vom 14. Dezember 2000 sowie des Vermerks des Untersu-
chungsführers über eine telefonische Auskunft des Zeugen Jo. vom 30. Januar
2001. Zugunsten des Beamten geht der Senat davon aus, dass der Niederlas-
sungsleiter die Anordnung nach drei bis sechs Wochen wieder aufhob.
Danach hat der Beamte jedenfalls über einen Zeitraum von drei Wochen vor-
sätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, die ihm übertragenen dienstlichen Auf-
gaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig wahrzunehmen (§ 54
Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen
(§ 55 Satz 2 BBG).
Zum Anschuldigungspunkt 3:
Am 4. Oktober 1999 wollte der Zeuge L. im Zustellstützpunkt B. wie vorher an-
gekündigt Postsendungen zählen. Als der Zeuge gegen 8.00 Uhr den Arbeits-
platz des Beamten aufsuchte, um mit dem Zählen zu beginnen, sagte ihm der
Beamte, er erteile ihm Hausverbot, er habe drei Minuten Zeit, um das Gebäude
zu verlassen. Auf die Aufforderungen des Zeugen L., die Zählung nicht zu be-
hindern, erwiderte der Beamte „noch zwei Minuten“ und „noch eine Minute“.
Daraufhin brach der Zeuge die Zählung am Arbeitsplatz des Beamten ab.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussage des Zeugen L. vom
14. Dezember 2000. Demgegenüber kann dem Beamten nicht geglaubt wer-
den, dass es zu dem dargestellten Vorfall gekommen sei, weil der Zeuge L. ab-
sprachewidrig die von dem Beamten in Fächer sortierten Sendungen vor Ende
dieses Arbeitsvorgangs herausgezogen habe. Es gibt keinen tatsächlichen An-
haltspunkt, der für die Richtigkeit dieses Hergangs spricht. Der Beamte hat ihn
erstmals in der Hauptverhandlung vor dem Senat behauptet. Er hat nicht zu
erklären vermocht, warum er sich nicht bereits während der Untersuchung oder
vor dem Verwaltungsgericht entsprechend eingelassen hat.
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Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Zudem stellt sein unkollegiales
Verhalten gegenüber dem Zeugen L. eine vorsätzliche Verletzung der Pflicht
zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten im Dienst dar (§ 54 Satz 3
BBG).
Zum Anschuldigungspunkt 4:
Kurz vor Beginn der Betriebsversammlung am 27. März 2000 im Café „D.“ in P.
verteilte der Beamte ungefähr 60 Exemplare eines von ihm verfassten Flugblat-
tes im Versammlungsraum. Darin heißt es u.a.: „In meinem Fall hält sich dieses
kriminelle Unternehmen an keine Vereinbarungen. … Das liegt scheinbar in der
Natur von Don J. und seinen Mafia-Kollegen, denn sonst kann ich mir die Ver-
leugnungen und Lügen dieser Personen nicht erklären. Doch viel schlimmer
finde ich es, dass der Betriebsrat die verbrecherischen Handlungen der Leitung
der Niederlassung unterstützt. Der Betriebsrat könnte als neuen Erfolg seiner
Verhandlungen bekannt geben, Husten am Arbeitsplatz ist wieder erlaubt, aber
dafür erhält jeder Zustellbezirk eine Straße zusätzlich. Allein die Rahmenrege-
lungen dieser Veranstaltung verstoßen in vielen Punkten gegen bestehende
Gesetze. … Wann wird das Schild ‚Arbeit macht frei’ wieder über den Posthof
gehängt?“
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Senat in Augenschein genomme-
nen Exemplar des Flugblattes und den Angaben des Beamten in der Hauptver-
handlung vor dem Senat.
Danach hat der Beamte vorsätzlich in schwerwiegender Weise gegen die in
§ 54 Satz 3 BBG verankerten Pflichten zum kollegialen Verhalten und zur Wah-
rung des Betriebsfriedens verstoßen. Die wiedergegebenen Äußerungen sind
offensichtlich nicht vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5
Abs. 1 GG gedeckt. Zwar darf ein Beamter seine Interessen gegenüber Vorge-
setzten und Dienstherrn mit Nachdruck verfolgen und dabei mit freimütiger und
offener Kritik sowie mit harten Worten für seine Sache eintreten. Kritische Wer-
tungen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sind zulässig, wenn sie eine
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sachliche Grundlage haben und für die Gegenseite erkennbar dem sachlichen
Ziel der Rechtswahrung dienen. Der Beamte darf seine Meinung zu tatsächli-
chen Umständen ohne Rücksicht auf deren Erweisbarkeit vorbringen, wenn er
von ihrer Richtigkeit ausgeht und dafür tatsächliche Anhaltspunkte hat. Jedoch
wird die disziplinarrechtlich relevante Grenze des Zulässigen überschritten,
wenn der Beamte zu Diffamierungen greift (Urteil vom 15. Dezember 2005
- BVerwG 2 A 4.04 - NVwZ-RR 2006, 485 <486>; stRspr).
Die schriftlichen Äußerungen des Beamten in dem Flugblatt knüpfen nicht an
Tatsachen an. Es handelt sich um Werturteile, die bereits auf Grund der Wort-
wahl diffamierenden Charakter haben. Schon deshalb konnten sie nicht durch
die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sein. So warf der Beamte
dem damaligen Leiter der Niederlassung H., dem Zeugen J., pauschal und oh-
ne weitere Erklärung „Verleugnungen und Lügen“ sowie „verbrecherische
Handlungen“ vor. Den Betriebsrat - und damit dessen Mitglieder - bezichtigte er,
die „verbrecherischen Handlungen“ zu unterstützen. Die Deutsche Post AG be-
zeichnete er als „kriminelles Unternehmen“.
Zum Anschuldigungspunkt 5:
Zur Vorbereitung der Neubemessung der Zustellbezirke forderte die Zeugin Bi.
den Beamten am 12. August 1999 auf, den Begehungsplan seines Zustellbe-
zirks auf fehlende und fehlerhafte Einträge zu überprüfen und den Plan ent-
sprechend zu berichtigen. Der Beamte weigerte sich mit der Begründung, er
habe keine Zeit und leiste ständig Überstunden. Auch nachdem ihm die Zeugin
Bi. erklärt hatte, die Überprüfung des Plans sei bei der Arbeitszeitbemessung
berücksichtigt, hielt er seine Weigerung aufrecht.
Am 2. März 2000 forderte der Zeuge T. den Beamten auf, den Begehungsplan
seines Zustellbezirks zu aktualisieren. Der Beamte weigerte sich mit der Be-
gründung, er sei nur vertretungsweise in dem Bezirk tätig. Auch nachdem ihm
der Zeuge mitgeteilt hatte, er werde voraussichtlich in dem Bezirk bleiben, hielt
der Beamte seine Weigerung aufrecht.
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Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund der Aussagen der Zeugin Bi. und des
Zeugen T. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat sie nicht in Abrede ge-
stellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm
übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorg-
fältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).
Zum Anschuldigungspunkt 6:
Im März 2000 lag für den Zustellbezirk des Beamten ein Nachsendeauftrag für
eine Anschrift in der Schweiz vor. Der Beamte sorgte nicht für die Weiterleitung
der Postsendungen in die Schweiz, obwohl dies, wie er wusste, zu seinen Auf-
gaben als Zusteller gehörte. Stattdessen schickte er die Sendungen an die - für
Nachsendungen ins Ausland nicht zuständige - INA-Zentrale in Köln, die sie an
den Beamten zurückgab. Eine Aufforderung seines Vorgesetzten, des Zeugen
Lü., vom 8. März 2000, den Nachsendeauftrag ordnungsgemäß zu bearbeiten,
widersetzte sich der Beamte mit den Worten, er sehe dies nicht ein. Schließlich
händigte er dem Zeugen Lü. die nachzusendenden Postsendungen aus, damit
dieser den Auftrag bearbeiten konnte. Einer schriftlichen Aufforderung des Zeu-
gen Jä., eines Mitglieds der Stellenleitung des Zustellstützpunktes P., vom
29. März 2000, wegen dieses Vorfalls am 3. April 2000 um 15.30 Uhr zu einem
Gespräch bei ihm zu erscheinen, kam der Beamte ohne Angabe von Gründen
nicht nach.
Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Lü. und
Jä. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat sie nicht in Abrede gestellt.
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Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm
übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorg-
fältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Wie sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1
BBG ergibt, durfte der Beamte die Gesprächsaufforderung nicht einfach unbe-
achtet lassen.
Zum Anschuldigungspunkt 7:
Am 10. April 2000 erschien der Beamte ohne Angabe von Gründen nicht zu
einem Mitarbeitergespräch bei dem damaligen Leiter des Zustellstützpunktes
P., dem Zeugen Jo., obwohl dieser ihn mit Schreiben vom 24. März 2000 für
den 10. April 2000 um 15.45 Uhr zu diesem Gespräch geladen hatte. Das
Schreiben enthielt den Hinweis, dass betriebliche Einsatzfähigkeit, krankheits-
bedingte Fehlzeiten und die Arbeitssituation besprochen werden sollten. Au-
ßerdem wurde der Beamte darauf hingewiesen, dass die Teilnahme zu den
Dienstpflichten gehöre.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens des Zeugen Jo. vom
24. März 2000, seines Vermerks vom 11. April 2000 sowie seiner Aussage vom
24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Wie sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1
BBG ergibt, durfte er die Ladung nicht einfach unbeachtet lassen.
Zum Anschuldigungspunkt 8:
Am 13. April 2000 teilte der Vorgesetzte des Beamten, der Zeuge Lü., den Zu-
stellern des Zustellstützpunktes B. bei Dienstbeginn mit, die Nachsendungen
der Wahlbenachrichtigungen für die Landtagswahl müssten von ihnen selbst
bearbeitet werden. Sie dürften nicht an die INA-Zentrale weitergeleitet werden.
Dennoch legte der Beamte Wahlbenachrichtigungen für seinen Zustellbezirk in
den INA-Behälter. Nachdem der Zeuge Lü. dies bemerkt hatte, forderte er den
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Beamten auf, die Sendungen zu bearbeiten. Dem kam der Beamte ohne Anga-
be von Gründen nicht nach. An seiner Stelle nahm der Zeuge Lü. die Nachsen-
dungen vor.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jä. vom
18. April 2000 und der Aussage des Zeugen Lü. vom 14. Dezember 2000. Der
Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm
übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorg-
fältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).
Zum Anschuldigungspunkt 9:
In der Zeit vom 25. April 2000 bis zum Ende seiner Tätigkeit als Zusteller in B.
am 14. Mai 2000 gab der Beamte mit einer Ausnahme die täglich auszufüllen-
den Zählblätter nicht ab, in die er die Anzahl der Postsendungen seines Zustell-
bezirks einzutragen hatte. Auch während seines Einsatzes als Zusteller in P. in
der Zeit vom 15. Mai bis 5. Juli 2000 gab er keine Zählblätter ab. Mehrfachen
Aufforderungen der Vorgesetzten, die Zählblätter ordnungsgemäß auszufüllen
und abzugeben, blieben ohne Wirkung.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jo. vom
26. April 2000, dessen Aussage vom 24. Januar 2001 sowie der Aussage des
Zeugen Lü. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in
Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm
übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorg-
fältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Seine Ausführungen in der
Hauptverhandlung vor dem Senat, die Zählblätter seien auch von Kollegen nicht
ordnungsgemäß ausgefüllt worden, sind für die Beurteilung seines Verhaltens
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ohne Bedeutung. Der Beamte konnte daraus auf keinen Fall die Berechtigung
herleiten, die Erfüllung seiner Dienstpflichten zu verweigern.
Zum Anschuldigungspunkt 10:
Ende Mai 2000 gab der - inzwischen in P. eingesetzte - Beamte für eine von
ihm bearbeitete Nachnahmesendung kein Zustellblatt und keinen Zahlschein
über den vereinnahmten Nachnahmebetrag von 48,10 DM ab. Der Aufforde-
rung eines Vorgesetzten, des Zeugen Jä., vom 7. Juni 2000, den Auftrag inner-
halb von zwei Tagen ordnungsgemäß abzurechnen, kam der Beamte nicht
nach. Stattdessen steckte er Geld und Unterlagen in einen Umschlag und legte
diesen in einen Briefbehälter. Dort fand sie die Zeugin R. Anstelle des Beamten
rechnete der Zeuge T. den Nachnahmebetrag ab.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens der Zeugin Li. vom
5. Juni 2000, des Vermerks des Zeugen Jä. vom 9. Juni 2000 sowie den Aus-
sagen des Zeugen T. und der Zeugin R. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte
hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen, die ihm
übertragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorg-
fältig wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und die darauf bezogenen dienstlichen
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).
Zum Anschuldigungspunkt 11:
Am 7. Juni 2000 begab sich der Zeuge Jä. an den Arbeitsplatz des Beamten,
um ihn zur Bearbeitung einer nachzusendenden Pressesendung anzuhalten.
Dieser empfing ihn mit den Worten: „Wenn Sie zwei Meter in meinem Umkreis
sind, hat das nicht nur dienstliche, sondern auch private Konsequenzen.“
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jä. vom
9. Juni 2000 sowie dessen Aussagen vom 12. Juli 2000 und vom 14. Dezember
2000. Der Beamte hat die Bemerkung nicht in Abrede gestellt.
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Dadurch hat der Beamte vorsätzlich gegen die in § 54 Satz 3 BBG verankerte
Pflicht zum kollegialen Verhalten im Dienst verstoßen. Sein Vorbringen, er habe
sich durch das Auftreten des Zeugen körperlich bedrängt gefühlt, ist für die Be-
urteilung seiner Bemerkung ohne Bedeutung. Denn der Beamte hat jedenfalls
durch seine Wortwahl gegenüber dem Vorgesetzten völlig unangemessen re-
agiert.
Zum Anschuldigungspunkt 12:
Am 13. Juni 2000 blieb der Beamte ohne Angabe von Gründen einer für
7.00 Uhr angesetzten Dienstbesprechung fern, obwohl er im Dienst war. Auf die
Besprechung war durch Aushang im Zustellersaal und durch Lautsprecher-
durchsagen am 10. Juni und am 13. Juni 2000 hingewiesen worden. Die
Dienstbesprechung dauerte zehn Minuten.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Anwesenheitsliste vom 13. Juni 2000
sowie der Aussage der Zeugin Bi. vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat
den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte jedenfalls vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen,
dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).
Zum Anschuldigungspunkt 13:
Am 27. und 28. Juni 2000 lieferte der Beamte nicht alle Sendungen seines Zu-
stellbezirks aus. Am 27. Juni 2000 übergab er dem damaligen Leiter des Zu-
stellstützpunkts P., dem Zeugen Jo., gegen 13.00 Uhr in dessen Büro einen
Behälter mit Sendungen mit der Bemerkung, sein Dienst habe um 12.45 Uhr
geendet. Aufforderungen des Zeugen, die Sendungen auszuliefern, kam der
Beamte nicht nach. Am 28. Juni 2000 übergab er gegen 13.00 Uhr dem Zeugen
K. einen Behälter mit Sendungen mit der Bemerkung, sein Dienst sei bereits
beendet. Danach entfernte er sich. Die Sendungen wurden von einem Kollegen
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ausgetragen. Dem Beamten war bekannt, dass er verpflichtet war, die Sendun-
gen am jeweiligen Tag auszutragen.
Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Jo. vom
27. Juni 2000 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001 sowie den Aussagen
des Zeugen K. vom 12. Juli 2000 und vom 14. Dezember 2000. Der Beamte hat
sie nicht in Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, die ihm über-
tragenen dienstlichen Aufgaben bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft sorgfältig
wahrzunehmen (§ 54 Satz 1 BBG) und - hinsichtlich des Vorfalls am 27. Juni
2000 - die darauf bezogenen dienstlichen Anordnungen zu befolgen (§ 55
Satz 2 BBG). Der Beamte war sich darüber im Klaren, dass die Arbeitszeit ei-
nes Zustellers an den einzelnen Arbeitstagen mit dem tatsächlichen Ende sei-
ner Arbeit als beendet gilt (vgl. Ausführungsbestimmungen zu § 9 der Arbeits-
zeitordnung Post).
Zum Anschuldigungspunkt 14:
Am 5. Juli 2000 sagte der Beamte im Büro des Zeugen Jo. in dessen Beisein zu
dem Personalabteilungsleiter der Niederlassung H., dem Zeugen Bra., zu Be-
ginn eines Mitarbeitergesprächs: „Der, der immer die Sch… macht.“ Auf diese
Bemerkung angesprochen verließ der Beamte den Raum. Auf eine nochmalige
Ansprache des Zeugen Bra. im Zustellersaal reagierte er nicht. Das geplante
Gespräch kam nicht zustande.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Bra. und Jo.
vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Soweit sich der Beamte geweigert hat, das Mitarbeitergespräch zu führen, hat
er vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche Anordnungen zu befol-
gen (§ 55 Satz 2 BBG). Die Bemerkung gegenüber dem Zeugen Bra. stellt be-
reits auf Grund der Wortwahl einen groben vorsätzlichen Verstoß gegen die
sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebende Pflicht zum kollegialen Verhalten dar.
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Zum Anschuldigungspunkt 15:
Im August 2000 weigerte sich der Beamte, der seit 5. Juli 2000 aus dem Zu-
stelldienst herausgenommen worden war, trotz Aufforderung der Zeugin Ro.,
das Doppel eines Informationsschreibens, das an die Mitarbeiter mit Berechti-
gung zum Führen dienstlicher Kraftfahrzeuge gerichtet war, zu unterzeichnen,
und so den Erhalt zu bestätigen. Der Beamte war beauftragt, dieses Schreiben
zu versenden und den Rücklauf der unterschriebenen Doppel zu überwachen.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussage der Zeugin Ro. vom
24. Januar 2001.
Das angeschuldigte Verhalten des Beamten hat nach seinem Gewicht keine
disziplinarrechtliche Bedeutung. Zum einen gehörte der Beamte nicht zu dem
angesprochenen Personenkreis, weil er nicht berechtigt war, dienstliche Kraft-
fahrzeuge zu führen. Zum anderen musste auch der Zeugin Ro. klar sein, dass
ihm der Inhalt des Schreibens bekannt war. Von diesem Vorwurf ist der Beamte
daher freizustellen.
Zum Anschuldigungspunkt 16:
Der Beamte, der inzwischen in der Kommissionierungsanlage der Niederlas-
sung H. eingesetzt war, verließ das Dienstgebäude am 4. August 2000 um
14.54 Uhr, am 2. November 2000 um 14.50 Uhr, obwohl seine Arbeitszeit je-
weils erst um 15.00 Uhr endete.
Diese Sachverhalte stehen fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom
7. August 2000 sowie der Aussagen dieses Zeugen und des Zeugen W. vom
24. Januar 2001. Die Behauptung des Beamten in der Hauptverhandlung vor
dem Senat, er habe sich ordnungsgemäß abgemeldet, ist nicht glaubhaft. Sie
steht in Widerspruch zu seiner Angabe vor dem Verwaltungsgericht, wonach er
nicht früher gegangen sein will.
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Auch diesen Verhaltensweisen kann nach ihrem Gewicht keine disziplinarrecht-
liche Bedeutung beigemessen werden. Auch von diesem Vorwurf ist der Beam-
te daher freizustellen.
Zum Anschuldigungspunkt 17:
Am 7. August 2000 betrat der Beamte erst um 14.05 Uhr das Dienstgebäude,
obwohl seine Schicht bereits um 14.00 Uhr begann. Der Beamte macht geltend,
sein Zug habe Verspätung gehabt.
Insoweit kann dem Beamten bereits nicht nachgewiesen werden, dass ihn an
der Verspätung ein Verschulden traf, somit ist der Beamte davon ebenfalls frei-
zustellen.
Zum Anschuldigungspunkt 18:
Am 7. August 2000 weigerte sich der Beamte, den Zeugen Be. zur Aufnahme
zweier Verhandlungsschriften in das Büro des Zeugen To. zu begleiten. Nach-
dem der Beamte auf mehrfache Aufforderungen des Zeugen Be. erwidert hatte,
er habe keine Zeit bzw. er würde keine Antwort geben, bezeichnete er den
Zeugen als kriminell.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom
7. August 2000 sowie aus dessen Aussagen vom 23. August 2000 und vom
24. Januar 2001. Der Beamte hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Durch seine Bemerkung gegenüber dem Zeugen Be. hat der Beamte vorsätz-
lich grob gegen die sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebende Pflicht zum kollegialen
Verhalten verstoßen. Weiterhin hat er vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen,
dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).
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Zum Anschuldigungspunkt 19:
Am 7., 21., 22. und 23. August, 28. und 29. September, 13. und 19. Oktober
2000 beendete der Beamte (acht Mal) die bis 22.45 Uhr dauernde Spätschicht
jeweils ungefähr eine Stunde früher. Dieses Verhalten war dem Umstand ge-
schuldet, dass der letzte Zug von H. nach P. um 22.32 Uhr abfuhr.
Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das vorzeitige Gehen des Beamten
nach dem zeitlichen Umfang ein Fernbleiben vom Dienst gemäß § 73 Abs. 1
Satz 1 BBG darstellen kann (vgl. hierzu Beschluss vom 29. Juli 1985 - BVerwG
1 DB 36.85 - BVerwGE 83, 37 <38>). Jedenfalls können dem Beamten schuld-
hafte Dienstpflichtverletzungen nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachge-
wiesen werden. Es sprechen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vor-
zeitigen Beendigungen der Spätschicht wegen der Notwendigkeit, den letzten
Zug nach P. zu erreichen, von den Vorgesetzten jedenfalls geduldet wurde. So
wird das angeschuldigte Verhalten etwa in der von dem Zeugen Be. erstellten
dienstlichen Beurteilung vom 22. Januar 2001 erwähnt, ohne dem Beamten
negativ angelastet zu werden. Diese Behandlung lässt durchaus den Schluss
zu, dass die Vorgesetzten keinen Anlass sahen, gegen das ihnen bekannte
Verhalten des Beamten einzuschreiten. Da der Beamte außerdem unwider-
sprochen geltend macht, die weniger erbrachte Arbeitszeit sei mit reichlich vor-
handener Überzeit verrechnet worden, ist er auch insoweit freizustellen.
Zum Anschuldigungspunkt 20:
Der Beamte blieb der Nachtschicht vom 27./28. August 2000 (Sonntag/Montag)
fern. Der Beamte hat angegeben, er sei irrtümlich davon ausgegangen, sein
Erholungsurlaub für die Vorwoche habe sich auf die versäumte Schicht er-
streckt.
Danach ist der Beamte dem Dienst ohne Genehmigung grob fahrlässig fernge-
blieben (Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG). Er war verpflichtet, sich nach
dem Zeitpunkt des Urlaubsendes und dem Schichtplan zu erkundigen.
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Zum Anschuldigungspunkt 21:
Während seiner Tätigkeit als Zusteller in B. und P. (bis 5. Juli 2000) trug der
Beamte keine Dienstkleidung, nur manchmal bei schlechtem Wetter die Regen-
jacke, obwohl er, wie er wusste, dazu generell verpflichtet war.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der Aussagen der Zeugen Kl. und K.
vom 14. Dezember 2000 sowie der Aussagen der Zeugen Jo. und C. vom
24. Januar 2001. Die Einlassung des Beamten, er habe generell Dienstkleidung
getragen, ist auf Grund der eindeutigen Beweislage unglaubhaft.
Danach hat der Beamte über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr vor-
sätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, die für die Aufgabenwahrnehmung gel-
tenden Dienstvorschriften zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Die Gesamtbetriebs-
vereinbarung vom 9. Oktober 1997 begründet die Pflicht zum Tragen der
Dienstkleidung auch für die bei der Deutschen Post AG beschäftigten Beamten
(vgl. § 1 Abs. 1 PostPersRG).
Zum Anschuldigungspunkt 22:
Am 11. Oktober 2000 weigerte sich der Beamte an seinem Arbeitsplatz, den
mehrfachen Aufforderungen des Zeugen Be. Folge zu leisten und diesen in das
Büro des Zeugen To. zu begleiten, um dort eine betriebsärztliche Stellungnah-
me zu besprechen. Auf mehrfache Ansprachen des Zeugen Be. reagierte der
Beamte nicht.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom
11. Oktober 2000 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001. Der Beamte hat
den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG).
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Zum Anschuldigungspunkt 23:
In der Zeit vom 31. Oktober bis 19. Dezember 2000 befolgte der Beamte wie-
derholt nicht die schriftliche Aufforderung des Leiters der Niederlassung H., des
Zeugen J., vom 27. Oktober 2000, sich ab dem 30. Oktober 2000 bei Beginn
und Ende seines Schichtdienstes bei der zuständigen Aufsicht persönlich an-
und abzumelden. Das Schreiben vom 27. Oktober 2000 war dem Beamten am
30. Oktober 2000 ausgehändigt worden.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Schreibens des Zeugen J. vom
27. Oktober 2000 mit Aushändigungsvermerk des Zeugen To. vom 30. Oktober
2000 sowie den Aussagen der Zeugen O. und W. vom 24. Januar 2001. Die
Angabe des Beamten in der Hauptverhandlung vor dem Senat, er habe nicht
gewusst, bei wem er sich habe an- und abmelden sollen, ist unglaubhaft. Dies
folgt schon daraus, dass er sich zuvor nicht auf die vermeintliche Unklarheit
berufen hat.
Danach hat der Beamte vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, dienstliche
Anordnungen zu befolgen (§ 55 Satz 2 BBG). Wie sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1
BBG ergibt, war die Aufforderung für ihn verbindlich.
Zum Anschuldigungspunkt 24:
Am 31. Oktober 2000 weigerte sich der Beamte, Behälter von den Verteilrut-
schen zu nehmen und auf bereitstehende Wagen zu stellen. Am 20. November
2000 weigerte er sich, größere Behälter von den Rutschen zu nehmen. Dabei
war ihm die Stellungnahme des Postbetriebsarztes Me. vom 9. Oktober 2000
bekannt, der nach Untersuchung des Beamten und Hinzuziehung eines Ortho-
päden zu dem Ergebnis gekommen war, die Tätigkeit sei dem Beamten ge-
sundheitlich zumutbar.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom
7. August 2000, dessen Aussage vom 23. August 2000, der Aussage des Zeu-
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gen W. vom 24. Januar 2001 und der ärztlichen Stellungnahme des Postbe-
triebsarztes Me. vom 9. Oktober 2000.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Beamte vorsätzlich gegen seine
Pflicht zur sorgfältigen Erfüllung der ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben
bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft (§ 54 Satz 1 BBG) verstoßen. Nach den
Ausführungen des Postbetriebsarztes waren die Rückenbeschwerden des Be-
amten darauf zurückzuführen, dass er die körperliche Arbeit nicht gewohnt war.
Obwohl er diese Ausführungen kannte, verhielt sich der Beamte genauso wie
vor der Bekanntgabe der ärztlichen Stellungnahme.
Zum Anschuldigungspunkt 25:
Am 20. November 2000 erschien der Beamte erst um 6.00 Uhr zu der um
5.30 Uhr beginnenden Frühschicht, weil der erste Frühzug aus P. erst um
5.20 Uhr im Bahnhof H. eintraf.
Insoweit kann dem Beamten ein Verschulden an dem verspäteten Dienstantritt
nicht nachgewiesen werden, somit ist er davon freizustellen.
Zum Anschuldigungspunkt 26:
Am 12. Dezember 2000 gegen 8.15 Uhr trat der Beamte auf den Zeugen Be.
zu, der eine Besuchergruppe durch die Kommissionierungsanlage führte. Der
Beamte sagte zu dem Zeugen so laut, dass es die Mitglieder der Gruppe ver-
stehen konnten: „Herr Be., wenn Sie mich noch einmal bedrohen, dann …“ Der
Zeuge erwiderte, dieser Auftritt werde noch ein Nachspiel haben. Daraufhin
ging der Beamte weg. Bei der Besuchergruppe rief dieser Vorfall Verwunderung
hervor.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund des Vermerks des Zeugen Be. vom
13. Dezember 2000 und dessen Aussage vom 24. Januar 2001. Der Beamte
hat den Sachverhalt nicht in Abrede gestellt.
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Danach hat der Beamte vorsätzlich grob gegen die sich aus § 54 Satz 3 BBG
ergebende Pflicht zum kollegialen Verhalten verstoßen. Es ging ihm darum, den
Vorgesetzten vor Dritten bewusst bloßzustellen.
2. Nach alledem ist der Beamte von den Vorwürfen freizustellen, die den An-
schuldigungspunkten 15, 16, 17, 19 und 25 zugrunde liegen. Die schuldhaften
Dienstpflichtverletzungen, die hinsichtlich der übrigen Anschuldigungspunkte
nachgewiesen sind, stellen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG ein einheitliches
Dienstvergehen dar. Dieses wiegt so schwer, dass die vom Verwaltungsgericht
ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (§ 11 BDO) gerechtfertigt ist.
Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere
des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit
des Beamten (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG). Die Entfernung aus
dem Dienst setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen
das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat
(vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Die Schwere des Dienstvergehens be-
urteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung
der Dienstpflichtverletzungen, Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehl-
verhaltens, darüber hinaus nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form
und Gewicht und Verschulden des Beamten und Beweggründen für sein Ver-
halten sowie den unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstli-
chen Bereich und für Dritte. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten,
wenn auf Grund einer Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der
Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienst-
pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen (Urteil vom 20. Oktober 2005
- BVerwG 2 C 12.04 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1).
Nach diesen Maßstäben hat der Beamte durch sein dienstliches Verhalten ei-
nen endgültigen Vertrauensverlust herbeigeführt. Aus dem nachgewiesenen
Fehlverhalten und seinen Einlassungen während des Verfahrens kann nur der
Schluss gezogen werden, dass er auch künftig keine Gewähr böte, die ihm
übertragenen dienstlichen Aufgaben gewissenhaft wahrzunehmen und sonstige
Dienstpflichten zu erfüllen. Vielmehr wären weiterhin gravierende Versäumnisse
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bei der Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben und im Umgang mit Kollegen
zu erwarten. Denn dem Beamten fehlt die Einsicht, dass er im Dienst auch
dann Dienstvorschriften beachten und dienstliche Anordnungen seiner Vorge-
setzten befolgen muss, wenn er abweichende Vorstellungen hat. Dies ergibt
sich aus folgenden Erwägungen:
Während seiner Tätigkeit als Zusteller bis 5. Juli 2000 hat der Beamte immer
wieder vorsätzlich gegen dienstliche Kernpflichten, d.h. gegen die im Mittel-
punkt seiner dienstlichen Aufgaben stehenden Pflichten verstoßen. So hat er
eigenmächtig seinen Urlaub erheblich verlängert. Er hat sich beharrlich gewei-
gert, die vorgeschriebene Dienstkleidung zu tragen. Er hat Postsendungen nicht
zugestellt, einen Nachsendeauftrag nicht bearbeitet und einen Nachnahmebe-
trag nicht abgerechnet. Darüber hinaus war er nicht bereit, weitere Aufgaben zu
erfüllen, die mit der Zustellertätigkeit typischerweise verbunden sind. So hat er
Zählkarten über die Anzahl der anfallenden Sendungen monatelang nicht aus-
gefüllt, Nachweise über niedergelegte Sendungen wochenlang nicht geführt,
den Begehungsplan seines Zustellbezirks nicht auf dem Laufenden gehalten
und an Dienstbesprechungen nicht teilgenommen. Die Versuche der Vorgesetz-
ten, ihn zur pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung anzuhalten, sind stets
fruchtlos geblieben. Aufforderungen zu Gesprächen ist er nicht nachgekommen.
Die Gesamtbetrachtung dieses Verhaltens ergibt, dass der Beamte im Hinblick
auf die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in hohem Maße unzuver-
lässig war. Während seiner Tätigkeit als Zusteller musste jederzeit damit ge-
rechnet werden, dass er Arbeiten verweigern oder diese nicht entsprechend
den dienstlichen Vorgaben verrichten würde. Die Unberechenbarkeit des Beam-
ten in Bezug auf die Erfüllung der Dienstpflichten war geradezu prägend für
sein dienstliches Verhalten.
Dabei hat der Beamte keine Rücksicht auf die Belange von Postkunden und
Kollegen genommen. So musste eine Kollegin ihren Urlaub wegen der eigen-
mächtigen Urlaubsverlängerung des Beamten abbrechen. Die Kollegen muss-
ten die Arbeiten übernehmen, die sich der Beamte zu verrichten weigerte.
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Darüber hinaus hat der Beamte gezeigt, dass er nicht im Stande ist, im Dienst
Grundregeln des kollegialen Verhaltens zu beachten. Dies wird nachdrücklich
durch die Verteilung des Flugblattes belegt, in dem er den Leiter der Niederlas-
sung H. und die Mitglieder des Betriebsrats beleidigte. Darüber hinaus wurde
der Beamte mehrfach gegenüber Vorgesetzten und Kollegen grob ausfällig.
Bei alledem ist der Beamte trotz verschiedener Ermahnungen und Warnungen
völlig uneinsichtig geblieben. Auch das anhängige Disziplinarverfahren hat ihn
nicht veranlasst, sein Verhalten zu ändern. Beweggrund für die häufigen und
gravierenden Verfehlungen war vor allem seine Auffassung, er werde gezwun-
gen, unentgeltlich Mehrarbeit zu leisten. Diese Annahme kann den Beamten
offensichtlich nicht entlasten, zumal es für ihre Richtigkeit keinen Anhaltspunkt
gibt.
Das dienstliche Verhalten des Beamten im Innendienst ab August 2000 bietet
keinen Anlass, von der negativen Prognose abzurücken. Zwar sind die Pflich-
tenverstöße nicht mehr so gehäuft wie im Zustelldienst aufgetreten. Jedoch er-
gibt sich aus den nachgewiesenen Verfehlungen, dass der Beamte weiterhin
nicht bereit war, Dienstvorschriften und dienstliche Anordnungen generell als
bindend anzuerkennen. Zudem ist er erneut gegenüber Vorgesetzten ausfällig
geworden und hat sich grob unkollegial verhalten.
Schließlich hält sich der Beamte nach seinen Ausführungen in der Hauptver-
handlung nach wie vor für berechtigt, Dienstvorschriften und dienstliche Anord-
nungen außer Acht zu lassen, wenn sie nicht seinen jeweiligen Vorstellungen
entsprechen.
Anhaltspunkte für Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit
des Beamten während des Tatzeitraums liegen nicht vor. In der dienstlichen
Beurteilung vom 22. Januar 2001 werden ihm eine gute Auffassungsgabe und
geistige Beweglichkeit bescheinigt. In dem Beschluss vom 28. Januar 2003
- BVerwG 1 DB 19.02 -, der die vorläufige Dienstenthebung des Beamten und
die Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge betrifft, hat der Senat die
Schuldfähigkeit des Beamten uneingeschränkt bejaht.
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Die in die Zumessungserwägungen einzustellenden Milderungsgründe haben
weder einzeln noch in ihrer Gesamtschau ein solches Gewicht, dass sie den
Vertrauensverlust entscheidend in Richtung eines Restvertrauens abschwä-
chen könnten. Gute dienstliche Leistungen, wie sie hier überwiegend erbracht
worden sind, können das Dienstvergehen schon deshalb nicht aufwiegen, weil
der Beamte sie eben nur erbracht hat, wenn und soweit er dies nach eigenen
Maßstäben für richtig hielt.
Die lange Dauer des Disziplinarverfahrens kann nicht mildernd berücksichtigt
werden, wenn ein Beamter wie hier durch sein Fehlverhalten das Vertrauens-
verhältnis zerstört hat (Urteile vom 24. Juni 1998 - BVerwG 1 D 23.97 -
BVerwGE 113, 229 <235> und vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 -
NVwZ 2002, 1515 <1519>). Außerdem hat der Beamte durch die Vielzahl der
nach Einleitung des Disziplinarverfahrens fortgesetzten Pflichtverstöße in er-
heblicher Weise selbst dazu beigetragen, dass sich das Verfahren in die Länge
zog.
3. Mit dem vom Verwaltungsgericht bewilligten Unterhaltsbeitrag gemäß § 77
Abs. 1 BDO hat es schon deshalb sein Bewenden, weil die Einleitungsbehörde
bis zum Schluss der Hauptverhandlung keinen Änderungsantrag gestellt hat
(vgl. § 80 Abs. 4 BDO).
Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der
Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in
eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern. Diesem
Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte nachweisbar und in
ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend um die Aufnahme einer anderen Er-
werbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Grund-
lagen bemüht. Vorsorglich macht der Senat darauf aufmerksam, dass sich die
Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nicht auf die Meldung beim Arbeits-
amt (Agentur für Arbeit) als Arbeit suchend beschränken dürfen. Der Beamte ist
gehalten, sich fortwährend z.B. auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitun-
gen oder im Internet zu bewerben und auch selbst, beispielsweise durch telefo-
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nische Nachfragen oder eigene Stellengesuche, initiativ zu werden. Der Nach-
weis dieser Bemühungen und deren Erfolglosigkeit sind auch Voraussetzungen
einer etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2
BDO nach Antragstellung beim zuständigen Verwaltungsgericht (vgl. zur
Rechtslage nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdiszipli-
nargesetz: Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 -
Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 10 und vom 19. Oktober 2004 - BVerwG 1 DB
5.04).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Heeren Dr. Heitz
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Satz 1 und 3, § 55 Satz 2, § 56 Abs. 2 Satz 1,
§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 77 Abs. 1 Satz 1
BDG
§ 13 Abs. 1 und 2, § 85 Abs. 1 und 3
BDO
§ 11
Stichworte:
Postoberschaffner; Fernbleiben vom Dienst; eigenmächtige Verlängerung des
Urlaubs; dauerhafte Weigerung Dienstvorschriften einzuhalten und dienstliche
Anordnungen zu befolgen; unkollegiales Verhalten in 21 nachgewiesenen An-
schuldigungspunkten; Uneinsichtigkeit.
Urteil des Disziplinarsenats vom 6. Juli 2006 - BVerwG 1 D 7.05
I. VG … vom 04.03.2005 - Az.: VG 20 K 5552/03.BDG -