Urteil des BVerwG vom 30.11.2006
Häusliche Gemeinschaft, Tgv, Unterkunftskosten, Umzug
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 6.05
VG D 10 K 4095/03
In dem Disziplinarverfahren
gegen
den Zollamtsrat a.D. …,
…,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 30. November 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren,
Zollamtsrätin Lange und
Zolloberinspektor Dorfhuber,
als ehrenamtliche Richter
sowie
Zolloberamtsrätin …,
Zollamtsrat … und
Regierungsrätin z.A. …
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
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Rechtsanwältin …,
als Verteidigerin
und
…
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Einleitungsbehörde wird das Urteil
des Verwaltungsgerichts … vom 22. November 2004 auf-
gehoben.
Dem Zollamtsrat a.D. … wird das Ruhegehalt aberkannt.
Er hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
G r ü n d e :
I
1. Mit Anschuldigungsschrift vom 24. September 2002 hat der Bundesdiszipli-
naranwalt dem … Beamten, der während des Berufungsverfahrens in den Ru-
hestand getreten ist, vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu
haben, dass er
1. in den Anträgen auf Gewährung von Trennungsgeld vom
5. Mai 1997 und 4. Dezember 1997 sowie in 58 Anträgen auf
Reisebeihilfe für eine Familienheimfahrt in der Zeit vom
5. Mai 1997 bis 31. Juli 1998 vorsätzlich falsche Angaben zu
seinen Wohn- und Familienverhältnissen gemacht hat und
dadurch 22 524,38 DM (11 516,53 €) an Trennungsgeld, Un-
terkunftskosten und Reisebeihilfen erhalten hat,
2. durch Abgabe eines inhaltlich unrichtigen Antrags auf Zuwei-
sung einer zweckgebundenen Bundesmietwohnung vom
5. Dezember 1997 einen durchzuführenden Familienumzug
nach D. vorgespiegelt hat,
3. eine falsche dienstliche Erklärung durch Vorspiegelung von
Umzugshinderungsgründen im Antrag auf Widerruf der Zu-
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sage der Umzugskostenvergütung vom 26. November 1997
abgegeben hat,
4. eine Familienheimfahrt für den Zeitraum vom 24. Juli 1998
(Hinfahrt) bis 26. Juli 1998 (Rückfahrt) im Antrag auf Reise-
beihilfe für eine Heimfahrt vom 27. Juli 1998 vorgetäuscht
hat,
5. eine bewusst falsche dienstliche Erklärung gegenüber der
Einleitungsbehörde im Schreiben vom 21. Juli 1998 abgege-
ben hat,
6. die Unterschrift der Zeugin M. in seinem Schreiben vom
5. September 1998 an den Präsidenten der Einleitungsbe-
hörde gefälscht hat,
7. versucht hat, die Zeugin M. zu einem Meineid anzustiften und
8. vorsätzlich unrichtige Angaben im Antrag auf Umzugskosten
vom 21. Juni 1999 machte und dadurch eine unberechtigte
Zahlung von Umzugskosten in Höhe von 2 013,06 DM
(1 029,26 €) erhielt.
2. Das Verwaltungsgericht …, auf das die Sache vom früheren Bundesdiszipli-
nargericht übergegangen war, hat mit Urteil vom 22. November 2004 das Ver-
fahren eingestellt. Es hat den Vorwurf des Betruges hinsichtlich Trennungsgeld,
Unterkunftskosten und Reisebeihilfen (Anschuldigungspunkt 1) nicht als erwie-
sen angesehen. Nach der Beweisaufnahme stehe nicht mit der erforderlichen
Gewissheit fest, dass im fraglichen Zeitraum die eheliche Lebensgemeinschaft
zwischen der Zeugin M. und dem Ruhestandsbeamten vollständig beendet ge-
wesen sei und dieser die von ihm angegebenen Fahrten nach X. nicht (mehr)
unternommen habe. Einziges unmittelbares Beweismittel für die Annahme der
Anschuldigung, der Ruhestandsbeamte habe ab dem Bezug seiner möblierten
1-Zimmerwohnung in L. im August 1996 nicht mehr in ehelicher Gemeinschaft
mit der Zeugin gelebt, sei neben den Einlassungen des Ruhestandsbeamten
die beeidete Aussage seiner damaligen Ehefrau vor einem Richter im Untersu-
chungsverfahren gewesen. Zwar habe die Zeugin in der Hauptverhandlung von
ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Durch die Anhörung des
vernehmenden Richters sei die frühere Zeugenaussage jedoch verwertbar ge-
worden. Dieser - den Ruhestandsbeamten belastenden - Aussage komme aber
nur ein verminderter Beweiswert zu, da das Gericht nicht die Möglichkeit gehabt
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habe, durch eigenes Nachfragen die Angaben der Zeugin zu überprüfen und
sich ein eigenes Bild von ihrer Person und ihrer Glaubwürdigkeit zu machen. Im
Übrigen bestünden aufgrund der gesamten Beweisaufnahme, insbesondere der
Zeugenaussagen K. und H., erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Zeu-
genaussage M., so dass eine Verurteilung des Ruhestandsbeamten insoweit
ausscheide. Dieser habe aus seiner Sicht von einem Fortbestehen der Lebens-
gemeinschaft mit seiner Ehefrau ausgehen können.
Die Vorwürfe in den Anschuldigungspunkten 2 bis 4 sowie 7 und 8 hat die Vor-
instanz nach Würdigung der erhobenen Beweise ebenfalls nicht als erwiesen
angesehen.
In den Anschuldigungspunkten 5 und 6 hat das Verwaltungsgericht vorsätzlich
schuldhaft begangene Dienstpflichtverletzungen gemäß § 54 Satz 3 BBG an-
genommen. Den Vorwurf im Anschuldigungspunkt 6 hat die Vorinstanz aller-
dings nur teilweise für erwiesen gehalten. Soweit der Ruhestandsbeamte nach
Anordnung der Vorermittlungen seinem Verteidigungsschreiben an die Einlei-
tungsbehörde vom 5. September 1998 eine angeblich von seiner Ehefrau, der
Zeugin M., unterschriebene Richtigkeitsbestätigung beigefügt habe, habe sich
herausgestellt, dass die Unterschrift tatsächlich vom Ruhestandsbeamten
stamme. Da nach dessen unwiderlegbarer Einlassung die Unterschriftsleistung
jedoch im Einverständnis mit der Ehefrau erfolgt sei, liege keine Urkundenfäl-
schung vor.
Das Verwaltungsgericht hat die festgestellte Handlungsweise des Ruhestands-
beamten in den Anschuldigungspunkten 5 und 6 als leichtes Dienstvergehen im
Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG gewertet. Die hierfür angemessene Geldbu-
ße dürfe aber wegen Zeitablaufs nicht mehr verhängt werden, so dass das Dis-
ziplinarverfahren einzustellen sei.
3. Hiergegen hat die Einleitungsbehörde rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem
Antrag, dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen. Zur Begrün-
dung legt sie im Einzelnen dar, dass das Verwaltungsgericht den Ruhestands-
beamten unter Verletzung formellen und materiellen Rechts von den Hauptvor-
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würfen freigestellt habe. In allen Anschuldigungspunkten - mit Ausnahme des
Anschuldigungspunktes 5 - seien die Sachverhaltsfeststellungen und Beweis-
würdigungen der Vorinstanz fehlerhaft. Das danach insgesamt vorliegende
Dienstvergehen mache wegen seines Gewichts und mangels durchgreifender
Milderungsgründe den Ausspruch der beantragten Disziplinarmaßnahme erfor-
derlich.
II
Die zulässige Berufung der Einleitungsbehörde, die nach dem Wegfall der Be-
hörde des Bundesdisziplinaranwalts am 1. Januar 2004 in dessen Rechtsstel-
lung nach der Bundesdisziplinarordnung eingerückt ist (Urteil vom 20. Januar
2004 - BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33), hat Erfolg und führt zur Ab-
erkennung des Ruhegehalts.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach Inkrafttreten
des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln
und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Ü-
bergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ
2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Senat hat deshalb den Sach-
verhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen. Er hat aller-
dings den Verhandlungsstoff und damit den festzustellenden Sachverhalt auf
die Anschuldigungspunkte 1 (Vorwurf des Trennungsgeldbetruges etc.) und 6
(Vorwurf der Urkundenfälschung) beschränkt. Für den Ausgang des Beru-
fungsverfahrens kommt es weder im Hauptausspruch noch in den Nebenent-
scheidungen darauf an, ob die Vorwürfe in den übrigen Anschuldigungspunkten
zu Recht erhoben worden sind oder nicht. Der zu den Anschuldigungspunkten 1
und 6 festzustellende Sachverhalt rechtfertigt für sich bereits die Entscheidung,
dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen und ihm keinen
Unterhaltsbeitrag zu bewilligen. Bei dieser Verfahrensweise ist der Senat nicht
an die Zustimmung der hierzu gehörten Verfahrensbeteiligten gebunden (dazu
grundlegend Urteil vom 27. November 1996 - BVerwG 1 D 28.95 - BVerwGE
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113, 32; speziell bei Disziplinarverfahren gegen Ruhestandsbeamte, z.B. Urteil
vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 -).
1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweis-
mittel stellt sich der objektive Geschehensablauf in den Anschuldigungspunk-
ten 1 und 6 im Wesentlichen wie folgt dar:
Anschuldigungspunkt 1 (Vorwurf des Betruges hinsichtlich Trennungsgeldes,
Reisebeihilfen und Unterkunftskosten)
Anlässlich seiner Abordnung vom Hauptzollamt L. zur Einleitungsbehörde in D.
am 5. Mai 1997 beantragte der damals aktive Beamte an jenem Tag bei seiner
neuen Dienststelle formularmäßig die Gewährung von Trennungsgeld. Als bis-
herige Wohnungsanschrift gab er seine Familienwohnung in X. an. Weitere An-
gaben besagten, dass er im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abordnung in
häuslicher Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebe, aus Anlass der Perso-
nalmaßnahme seine Wohnung beibehalte und daher einen doppelten Haushalt
führe. Ferner gab er an, dass er am Tage des Wirksamwerdens der Maßnahme
auch das ausschließliche Verfügungsrecht über diese Wohnung mit Hausstand
besitze und die Wohnung beibehalten werde. Er sei uneingeschränkt umzugs-
willig und auch nicht aus einem persönlichen Grund am Umzug gehindert.
Schließlich versicherte er mit seiner Unterschrift, dass die gemachten Angaben
richtig und vollständig seien und ihm bekannt sei, dass er verpflichtet sei, alle
Änderungen unverzüglich anzuzeigen, die für die Gewährung des Trennungs-
geldes von Bedeutung sein könnten (z.B. Änderung des Familienstandes, Auf-
lösung des Hausstandes oder der häuslichen Gemeinschaft, Wohnortverände-
rung der Familie). Mit Bescheid vom 23. Juni 1997 wurde dem Ruhestandsbe-
amten für die Zeit vom 5. Mai 1997 bis 18. Mai 1997 ein tägliches Trennungs-
reisegeld von 46 DM und für die Zeit vom 19. Mai 1997 bis 5. August 1997 ein
tägliches Trennungstagegeld von 18,23 DM gewährt. Darüber hinaus wurden
dem Ruhestandsbeamten ab dem Zeitpunkt des Bezugs einer Wohnung in D.
(14. Juni 1997) die notwendigen nachgewiesenen Unterkunftskosten erstattet.
Im Bewilligungsbescheid wurde der Ruhestandsbeamte abermals darüber be-
lehrt, dass er verpflichtet sei, jede Änderung in den für die Gewährung des
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Trennungsgeldes maßgebenden Verhältnissen (z.B. Änderung des Wohnsitzes)
auf dem Dienstweg sofort anzuzeigen.
Tatsächlich war der Ruhestandsbeamte bereits am 1. August 1996 allein in eine
von dem Zeugen B. unbefristet gemietete möblierte 1-Zimmerwohnung mit
Küche und Dusche in L. gezogen; das Mietverhältnis endete am 31. Mai 1997.
Vom 5. Mai 1997 bis 13. Juni 1997 war der Ruhestandsbeamte in D. amtlich
unentgeltlich untergebracht. Am 14. Juni 1997 hatte er in D., G. Straße …, eine
ab 1. Juni 1997 angemietete, teilmöblierte und 50 m
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große 2-Zimmerwohnung
nebst Küche, Bad, Flur und Balkon allein bezogen.
Nachdem die Abordnung um drei Monate verlängert worden war, stellte der
Ruhestandsbeamte am 18. September 1997 einen Antrag auf Weiterbewilligung
von Trennungsgeld. Auch wenn dieser Antrag im Anschuldigungssatz - wohl
versehentlich - nicht erwähnt ist, ist er doch Gegenstand der Anschuldigung,
wie sich der eindeutigen Anschuldigungsbegründung entnehmen lässt. Im
Trennungsgeld-Antrag vom 18. September 1997 erklärte der Ruhestands-
beamte, dass alle in seinem Antrag vom 5. Mai 1997 gemachten Angaben auch
heute noch zuträfen. Änderungen in den für die Gewährung der Vergütung
maßgebenden Verhältnissen seien nicht eingetreten. Er erklärte zudem, dass er
auf die Verpflichtung hingewiesen worden sei, jede Änderung in den für die
Gewährung der Vergütung maßgebenden Verhältnissen, Überzahlungen usw.,
die infolge Unterlassung einer Anzeige von ihm zu vertreten seien, seiner Be-
schäftigungsstelle unaufgefordert und unverzüglich anzuzeigen (z.B. Änderun-
gen in den Wohnungs- und Unterkunftsverhältnissen des Antragstellers und der
Familie, Mieten einer Wohnung, Umzug). Abschließend versicherte der Ruhe-
standsbeamte pflichtgemäß, dass alle seine Angaben richtig und vollständig
seien. Daraufhin wurde ihm mit Bescheid vom 13. Oktober 1997 Trennungsgeld
für die Zeit vom 6. August 1997 bis 5. November 1997 in Höhe von täglich
18,23 DM zuzüglich der nachgewiesenen notwendigen Unterkunftskosten ge-
währt. Im Bescheid wurde der Ruhestandsbeamte erneut über die Verpflichtung
belehrt, jede Änderung in den für die Gewährung des Trennungsgeldes maß-
gebenden Verhältnissen (z.B. Getrenntleben von Ehegatten) auf dem Dienst-
weg sofort anzuzeigen.
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Nachdem der damals aktive Beamte zum 15. November 1997 unter Zusage der
Umzugskostenvergütung an die Einleitungsbehörde in D. versetzt worden war,
stellte er am 4. Dezember 1997 erneut einen Antrag auf Gewährung von Tren-
nungsgeld, wobei er im Wesentlichen die gleichen Angaben wie im Antrag vom
5. Mai 1997 machte. Abweichend erklärte er jedoch, dass er nicht uneinge-
schränkt umzugswillig und aus einem zwingenden persönlichen Grund am Um-
zug gehindert sei; dabei verwies er auf sein Schreiben vom 26. November 1997
an die Einleitungsbehörde (Anschuldigungspunkt 3), in dem er insbesondere
Umzugshinderungsgründe im Hinblick auf den Schulbesuch seiner beiden 11-
und 13-jährigen Töchter geltend gemacht hatte. Schließlich versicherte der Ru-
hestandsbeamte abermals die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben
und erklärte, dass ihm die Verpflichtung bekannt sei, alle Änderungen unver-
züglich anzuzeigen, die für die Gewährung des Trennungsgeldes von Bedeu-
tung sein könnten. Daraufhin wurde dem Ruhestandsbeamten mit Bescheid
vom 10. Dezember 1997 für die Zeit vom 6. November 1997 bis 16. Juli 1998
Trennungsgeld in Höhe von täglich 18,23 DM zuzüglich der notwendigen Un-
terkunftskosten am Dienstort gewährt. Die Schulausbildung der Töchter wurde
als Umzugshinderungsgrund anerkannt. Der Bescheid enthielt die gleiche Be-
lehrung wie der Bescheid vom 13. Oktober 1997.
Im Zeitraum vom 2. Juni 1997 bis 27. Juli 1998 gab der Ruhestandsbeamte
insgesamt 58 Anträge auf Reisebeihilfe für eine Heimfahrt ab, wobei er jeweils
unter anderem erklärte, dass eine häusliche Gemeinschaft mit seinem Ehegat-
ten vorliege. Die Anträge enthielten neben den Angaben zu den durchgeführten
Heimfahrten die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben.
Für den Zeitraum vom 5. Mai 1997 bis 30. Juni 1998 wurden dem Ruhestands-
beamten daraufhin Trennungsgeld, Unterkunftskosten und - auf 54 Anträge
hin - Reisebeihilfen in Höhe von insgesamt 22 524,38 DM (11 516,53 €) ge-
währt. Als die Einleitungsbehörde durch ein Auskunftsersuchen des Amtsge-
richts ... - Familiengericht - am 10. Juni 1998 erstmals erfuhr, dass die Ehezeit
des Ruhestandsbeamten nach § 1587 Abs. 2 BGB am 30. April 1998 beendet
war - mit Schreiben vom 22. April 1998 hatte der Ruhestandsbeamte die
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Scheidung beantragt -, stellte sie die Bearbeitung der Trennungsgeldanträge für
Juli 1998 ein.
Mit Bescheid vom 1. November 2001 hat die Einleitungsbehörde in D. ihre Be-
scheide vom 23. Juni 1997, 13. Oktober 1997 und vom 10. Dezember 1997
zurückgenommen und u.a. folgende Entscheidungen getroffen: Im Anschluss
an die Dienstantrittsreise am 4. Mai 1997 werde dem damals aktiven Beamten
Trennungsgeld gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2
TGV a.F. für die Zeit vom 5. Mai bis 18. Mai 1997 in Höhe von täglich 46 DM
und für die Zeit vom 19. Mai bis 31. Mai 1997 in Höhe von täglich 12,38 DM
gewährt. Eine Gewährung von Trennungsgeld über den 31. Mai 1997 hinaus
komme nicht in Betracht. Es werde festgestellt, dass bezüglich des Trennungs-
geldes (einschließlich Reisebeihilfen und Unterkunftskosten) für den Zeitraum
vom 1. Juni 1997 bis 30. Juni 1998 ein Rückforderungsanspruch in Höhe von
22 370,20 DM (11 437,70 €) bestehe; insoweit werde die Aufrechnung gegen
den laufenden Anspruch auf Dienstbezüge erklärt. Zur Begründung der Ent-
scheidungen ist im Wesentlichen ausgeführt, im Disziplinarverfahren sei fest-
gestellt worden, dass der Ruhestandsbeamte durch den Umzug in eine Woh-
nung in L. am 1. August 1996 die häusliche Gemeinschaft mit seiner Ehefrau
beendet habe. Mit der Aufgabe der Wohnung in L. zum 31. Mai 1997 und der
Anmietung der Wohnung in D., G. Straße …, habe der Ruhestandsbeamte ab
dem 1. Juni 1997 seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft nach D. verlegt. Ein An-
spruch auf Trennungsgeld bestehe seitdem nicht mehr. Von den im Mai 1997
abgerechneten vier Familienheimfahrten habe er nur zwei durchgeführt.
Über den vom Ruhestandsbeamten eingelegten Widerspruch gegen den Rück-
nahme- und Rückforderungsbescheid ist noch nicht entschieden; das Wider-
spruchsverfahren ruht.
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Anschuldigungspunkt 6 (Vorwurf der Urkundenfälschung)
Nachdem mit Verfügung vom 19. August 1998, dem Ruhestandsbeamten aus-
gehändigt am 31. August 1998, gegen diesen Vorermittlungen angeordnet wor-
den waren, wandte dieser sich mit Schreiben vom 5. September 1998 unmittel-
bar an den Präsidenten der Einleitungsbehörde, um die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe auszuräumen und eine „gütliche Einigung“ zu erreichen. Dabei erklär-
te er unter anderem, seine Angaben in den Trennungsgeld-Anträgen, dass er
mit seiner Ehefrau in „ehelicher Gemeinschaft“ lebe, seien wahrheitsgemäß.
Seine Ehefrau werde die Richtigkeit der Angaben am Schluss des Schreibens
mit ihrer Unterschrift bestätigen. Erst im April 1998 hätten er und seine Frau
jeweils einen Scheidungsantrag gestellt. Um schneller geschieden zu werden,
habe man ein Trennungsjahr vorgetäuscht. Bis auf die Urlaubszeit und zwei
Wochenenden, an denen sein Sohn in D. zu Besuch gewesen sei, habe er je-
des Wochenende bei seiner Familie in X. verbracht. Wenn sein Auto defekt
gewesen sei, sei er mit einem privat geliehenen Pkw gefahren. Aufgrund der
Gesamtumstände - seine Frau habe am Wochenende für ihn gekocht und ge-
waschen, sie hätten auch nur ein gemeinsames Konto gehabt - sei er davon
ausgegangen, dass er noch in „ehelicher Gemeinschaft“ lebe und habe dies in
den Antragsformularen auch so angekreuzt. Seine Erklärung hat der Ruhe-
standsbeamte mit schwarzer Schrift unterschrieben. Das Schreiben endet mit
folgendem Absatz:
„Ich bestätige die Richtigkeit der Aussagen hinsichtlich der
Familienheimfahrten, des Trennungsjahres, dass mein
Ehemann manchmal mit einem anderen Auto nach X. kam
und dass vor April 1998 von Scheidung keine Rede war.
Über die Weiterführung der Ehe mache ich keine Aussa-
gen, da dies von mehreren Umständen abhängt.“
Dieser Text ist in blauer Schrift mit „… M.“ unterschrieben.
2. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweis-
mittel ist im Anschuldigungspunkt 1 erwiesen, dass der Ruhestandsbeamte
durch objektiv unwahre Angaben - und zu deren Verdeckung durch Begehung
einer Urkundenfälschung (Anschuldigungspunkt 6) - wiederholt vorsätzlich ge-
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gen § 54 Satz 2 und 3 BBG verstoßen und sich dadurch unberechtigt Tren-
nungsgeld, Reisebeihilfen und Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt
22 370,20 DM (11 437,70 €) verschafft hat (Betrug zum Nachteil des Dienst-
herrn). Eigennützig betrügerisches Verhalten ist nach Anschuldigungstenor und
Anschuldigungsbegründung auch Gegenstand der Anschuldigung (vgl. zur Aus-
legung der Anschuldigungsschrift und zur Ermittlung des Anschuldigungswillens
z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
a) Mit dem zu Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigten Verhalten hat der Ru-
hestandsbeamte schuldhaft seine Wahrheitspflicht (§ 54 Satz 3 BBG) und seine
Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG i.V.m. § 263 StGB)
verletzt, indem er sich vorsätzlich durch wahrheitswidrige Angaben in
dienstlichen Angelegenheiten rechtswidrig Vermögensvorteile verschafft und
dadurch bei seinem Dienstherrn einen entsprechenden Vermögensschaden
herbeigeführt hat. Ihm standen keine Ansprüche auf die Geldbeträge zu, die
ihm aufgrund der Angaben in seinen Anträgen ausbezahlt worden sind (vgl.
Urteil vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris; zu § 263 StGB vgl.
BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1982 - 1 StR 476/82 - NJW 1983, 2646).
aa) Soweit dem Ruhestandsbeamten für die Zeit vom 5. Mai 1997 bis 18. Mai
1997 antragsgemäß Trennungsreisegeld gemäß § 3 Abs. 1 TGV i.d.F. vom
15. Dezember 1996, BGBl I S. 1970, in Höhe von täglich 46 DM gewährt wor-
den ist, beruhte diese Leistung allerdings nicht auf objektiv unwahren Angaben;
ein pflichtwidriges Verhalten ist insoweit nicht nachweisbar. Der genannten Vor-
schrift zufolge erhält der „Berechtigte“ nach beendeter Dienstantrittsreise Tren-
nungsreisegeld, wenn er nicht täglich zum Wohnort zurückkehrt und ihm die
tägliche Rückkehr nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen lagen bei dem
Ruhestandsbeamten nach seiner Abordnung von L. nach D. - er war insoweit
Berechtigter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 6 TGV a.F. - vor.
Dabei kann offen bleiben, ob auf den Wohnort X. oder L. abzustellen ist. Auf
jeden Fall schied eine tägliche Rückkehr aus. Auf die sonstigen Wohn- und
Familienverhältnisse kam es nach den genannten Vorschriften nicht an. Im
Rücknahmebescheid vom 1. November 2001 ist deshalb dem Ruhestandsbe-
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amten auch zu Recht (erneut) für die Zeit vom 5. Mai 1997 bis 18. Mai 1997
Trennungsgeld in Höhe von täglich 46 DM bewilligt worden.
bb) Etwas anderes ergibt sich jedoch im Hinblick auf das beantragte und ge-
währte Trennungstagegeld für die Zeit ab dem 19. Mai 1997 in Höhe von täglich
18,23 DM. Ein entsprechender Anspruch setzte gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a
TGV a.F. dem Grunde nach voraus, dass der Ruhestandsbeamte als Berech-
tigter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 6 (Abordnung) und Nr. 1
(Versetzung) TGV a.F. damals mit seiner Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft
lebte, die Wohnung beibehielt und lediglich einen zweiten, davon getrennten
Haushalt führte. Diese Voraussetzungen waren spätestens ab 19. Mai 1997
nicht erfüllt, weil ein „Leben in häuslicher Gemeinschaft mit dem Ehegatten“ zu
diesem Zeitpunkt nicht mehr stattfand.
Eine umzugskostenrechtliche Legaldefinition des Begriffs „häusliche Gemein-
schaft“ findet sich in § 1 Abs. 3 BUKG. Danach setzt eine häusliche Gemein-
schaft ein „Zusammenleben in gemeinsamer Wohnung oder in enger Betreu-
ungsgemeinschaft in demselben Haus“ voraus. Eine vorübergehende oder in-
termittierende häusliche Abwesenheit (z.B. wegen Abordnung, Versetzung und
Wohnungsmangel am neuen Dienstort, Internats- oder Studienaufenthalt,
Grundwehrdienst, Krankenhausbehandlung oder wegen in gegenseitigem Ein-
vernehmen vereinbarter abweichender Lebensgestaltung) ist allerdings grund-
sätzlich unschädlich; sie unterbricht eine bestehende häusliche Gemeinschaft in
der Regel nicht (vgl. dazu näher Urteil vom 27. April 2004 - BVerwG 2 WD
4.04 - BVerwGE 120, 350 <357 ff.> m.w.N.).
Ob bei Eheleuten trotz räumlicher Trennung eine häusliche Gemeinschaft fort-
besteht, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (vgl. Be-
schluss vom 25. Februar 1974 - BVerwG 6 B 77.73 - Buchholz 238.90 Reise-
und Umzugskosten Nr. 52; VGH Mannheim, Urteil vom 29. Oktober 1968 - IV
643/66 - ZBR 1970, 64 <65>). Neben äußeren objektiven Anhaltspunkten ist
insbesondere der nach außen erkennbare Wille der Beteiligten, eine häusliche
Gemeinschaft fortzusetzen oder zu beenden, maßgebend. Davon ist bereits der
frühere Beamtensenat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. De-
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zember 1965 - BVerwG 6 C 35.64 - BVerwGE 23, 52 <54 f.>) bei der Ausle-
gung des Begriffs der häuslichen Gemeinschaft im damaligen § 122 Abs. 1
BBG ausgegangen, wobei er u.a. auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs zum damaligen § 48 Abs. 1 EheG zurückgriff, die zum Getrenntleben den
klar erkennbaren Willen mindestens eines Ehegatten forderte, die häusliche
Gemeinschaft nicht mehr fortzusetzen. Der in § 1 BUKG übernommene Begriff
„häusliche Gemeinschaft“ ist nach der amtlichen Begründung zu § 1 Abs. 2
BUKG (F. 1973) aus Gründen der Einheitlichkeit derselbe wie im damaligen
§ 122 Abs. 1 BBG (BTDrucks IV/1441 S. 10). Die Aufhebung der häuslichen
Gemeinschaft unterbricht trennungsgeldrechtlich den Ursachenzusammenhang
zwischen Abordnung/Versetzung und getrennter Haushaltsführung. Dies recht-
fertigt es, einem Beamten den Ausgleich der Mehrkosten für getrennte Haus-
haltsführung von diesem Zeitpunkt an zu versagen.
Aufgrund der Gesamtwürdigung der in der Hauptverhandlung festgestellten
objektiven und subjektiven Umstände (Teilgeständnisse und Indiztatsachen) ist
der Senat der Überzeugung, dass der Ruhestandsbeamte im hier maßgebli-
chen Anschuldigungszeitraum von Anfang Mai 1997 bis Juli 1998 nicht mehr in
häuslicher Gemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau, der Zeugin M., gelebt
hat. Seine gegenteiligen Angaben in seinen Anträgen waren objektiv unwahr.
Unberücksichtigt lässt der Senat dabei die Aussage der Zeugin M. vor dem
Amtsrichter F. im Untersuchungsverfahren. Da die Zeugin in der Hauptverhand-
lung vor dem Senat als frühere Ehefrau des beschuldigten Ruhestandsbeamten
von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 25 BDO, § 52 Abs. 1 Nr. 2
StPO Gebrauch gemacht und einer Verwertung ihrer früheren, im Disziplinar-
verfahren gemachten Aussagen ausdrücklich widersprochen hat, scheidet de-
ren Berücksichtigung aus (vgl. § 25 BDO, § 252 StPO). Die Aussage der Zeugin
vor dem Amtsrichter kann auch nicht durch die Aussage des vor dem Ver-
waltungsgericht am 22. Oktober 2004 angehörten Richters F. ersetzt werden.
Verwertet werden darf nur das, was der vernehmende Richter aus eigener Er-
innerung über den Inhalt der Zeugenaussage bekundet, nicht der Inhalt der
Vernehmungsniederschriften selbst (BGH, Urteil vom 2. April 1958 - 2 StR
96/58 - BGHSt 11, 338 <340 f.>). Amtsrichter F. hatte so gut wie keine Erinne-
rung mehr an die Zeugin und deren Aussagen. Dem erstinstanzlichen Protokoll
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vom 22. Oktober 2004 zufolge hat er auch keine verwertbaren Aussagen zur
Sache gemacht. Da inzwischen weitere zwei Jahre vergangen sind, hat der Se-
nat davon abgesehen, Richter F. von Gerichts wegen erneut als Zeugen anzu-
hören.
Die objektive Unwahrheit seiner diesbezüglichen Angaben hat der Ruhe-
standsbeamte für den letzten Zeitraum ab Stellung seines Scheidungsantrags
(22. April 1998) inzwischen in rein verbal abgeschwächter Form teils selbst und
im Übrigen durch Erklärungen seiner Verteidigerin eingeräumt. Ab diesem Zeit-
punkt, so seine eigene Einlassung vom 13. November 2000, könne man darü-
ber streiten, ob noch ein gemeinsamer Haushalt vorgelegen habe. Zuvor hatte
seine Verteidigerin bereits im Schreiben vom 18. Mai 2000 mitgeteilt, die zuviel
gezahlten Gelder ab April 1998 würden selbstverständlich erstattet. Mit Stellung
des Scheidungsantrags, der im April 1999 zur rechtskräftigen Scheidung ge-
führt hat, ist auch für Außenstehende erkennbar geworden, dass der Ruhe-
standsbeamte, der in D. bereits am 14. Juni 1997 ohne seine Familie unbefris-
tet eine Zwei-Zimmer-Wohnung bezogen hatte, nicht mehr gewillt war, eine an-
geblich noch bestehende häusliche Gemeinschaft mit seiner in X. wohnenden
Ehefrau fortzusetzen.
Zur Überzeugung des Senats steht darüber hinaus aber fest, dass bereits zu
Beginn des Anschuldigungszeitraums (Anfang Mai 1997) eine häusliche Ge-
meinschaft des Ruhestandsbeamten mit seiner Ehefrau nicht mehr bestand.
Hauptindiz dafür ist der Umstand, dass die Eheleute seit August 1996 willentlich
und auf Dauer getrennt lebten. Der Ruhestandsbeamte war damals - noch
während seiner Diensttätigkeit im Bereich des Hauptzollamts L. - wegen einer
tiefgreifenden - und wie sich zeigte - unüberbrückbaren Ehekrise aus der Fami-
lienwohnung in X. ausgezogen und unbefristet in die möblierte Wohnung in L.
eingezogen. Durch den Umzug in diese Wohnung und deren Beibehaltung bis
Ende Mai 1997 hat der Ruhestandsbeamte zu erkennen gegeben, die häusliche
Gemeinschaft mit seinem Ehegatten nicht mehr fortsetzen zu wollen. Wie sich
aus der Niederschrift über die in anwaltlichem Beistand erfolgte Anhörung des
Ruhestandsbeamten vom 13. November 2000 ergibt, spielte in der ehelichen
Krise, die im August 1996 zum Auszug führte, eine wesentliche Rolle auch der
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Umstand, dass die damalige Ehefrau „Bedenken“ gegen den Wohnsitzwechsel
… entwickelte, was den Beamten nicht davon abhielt, die Versetzung nach D.
weiterhin zu betreiben. So stellte sich der Auszug als erzwungene
Vorentscheidung für den alleinigen Umzug nach D. und gegen die Weiterfüh-
rung der angeschlagenen Ehe dar. Das Beibehalten der unvereinbaren Positio-
nen bis zum Zeitpunkt der Abordnung und das ab August 1996 festzustellende
Ausbleiben jeglicher weiteren Versuche, einen gemeinsamen Umzug anzubah-
nen (z.B. durch Besuche in D., Erkundigungen über einen Schulwechsel usw.),
zeigen, dass mit dem Wegzug des Ruhestandsbeamten aus seiner Wohnung in
L. die Bemühungen um eine Fortführung der Ehe und eine Wiederherstellung
der gemeinsamen Haushaltsführung seitens des Ruhestandsbeamten aufge-
geben worden waren. Dass er ein Jahr später seine Ehefrau mit seinem
Scheidungsbegehren konfrontierte, war nichts anderes als der logische Ab-
schluss des vorherigen Verhaltens, mit dem er die Voraussetzungen für die
nachfolgende Scheidung geschaffen hatte.
Die Behauptung des Ruhestandsbeamten, vor der Abordnung, nämlich im Fe-
bruar 1997, aus der L. Wohnung wieder ausgezogen und in die Familienwoh-
nung zurückgekehrt zu sein, hält der Senat für widerlegt. Er folgt den glaubhaf-
ten und insoweit übereinstimmenden - gegenteiligen - Aussagen des Woh-
nungsvermieters B. im Untersuchungsverfahren und vor dem Verwaltungsge-
richt. Dieser hat als Zeuge wiederholt bekundet, er sei sich 100%ig sicher, dass
der Ruhestandsbeamte nicht schon im Februar, sondern erst in der zweiten
Hälfte des Monats Mai 1997 aus der Wohnung ausgezogen sei. Der Zeuge B.
hat zudem wiederholt glaubhaft bestätigt, dass der Ruhestandsbeamte die
Wohnung regelmäßig die ganze Woche über benutzt habe; er, der Zeuge, habe
den Ruhestandsbeamten auch ab und zu samstags beim Einkaufen getroffen.
Es wäre ihm aufgefallen, wenn der Ruhestandsbeamte die Wohnung nach
Februar 1997 nicht mehr genutzt hätte. Diese Aussagen des Zeugen sind
glaubhaft. Denn die Wohnung des Ruhestandsbeamten befand sich im Wohn-
haus des Zeugen. Wäre sie über einen derart langen Zeitraum nicht genutzt
worden, hätte das dem Zeugen auffallen müssen. Dieser Teil der Aussagen
steht auch im Einklang mit den weiteren glaubhaften Äußerungen des Zeugen,
die Wohnungskündigung zum 31. Mai 1997 habe im Zusammenhang mit der
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Abordnung des Ruhestandsbeamten nach D. gestanden, die der Ruhestands-
beamte schon vorher angekündigt und abgewartet habe, ohne die Wohnung
zeitgerecht zu kündigen. Der Zeuge kannte sogar die neue Wohnadresse des
Ruhestandsbeamten in D. Diese Adresse musste er vom Ruhestandsbeamten
erfahren haben. Auch wenn diese Mitteilung nur zu Abwicklungszwecken erfolgt
sein sollte, hätte dies wenig Sinn gemacht, wenn der Ruhestandsbeamte tat-
sächlich seinen Hauptwohnsitz im Familienheim behalten und für jedes Wo-
chenende eine Familienheimfahrt mit regelmäßigem Aufenthalt in einem ge-
meinsamen Haushalt der Eheleute geplant gehabt hätte. Dann hätte es eindeu-
tig näher gelegen, die Adresse im benachbarten X. anzugeben.
Zwar hat der Ruhestandsbeamte in der Hauptverhandlung vor dem Senat
erstmals behauptet, die Wohnungskündigung habe nicht im Zusammenhang mit
seinem bevorstehenden Umzug nach D. gestanden, sondern sei wegen der
Rückkehr in die Familienwohnung erfolgt. Diese Einlassung hält der Senat aber
im Hinblick auf die Gesamtumstände nicht für glaubhaft. Es handelt sich um
eine nicht allein durch die Aussage des Zeugen B. widerlegte Schutzbehaup-
tung. Eine solche Rückkehr ist vor der Abordnung nach D. nicht erfolgt - und
auch nicht später.
Dass eine häusliche Gemeinschaft des ab Mai 1997 in D. lebenden und arbei-
tenden Ruhestandsbeamten mit seiner Ehefrau seit August 1996 nicht mehr
bestand, d.h. der Ruhestandsbeamte in seine Familienwohnung in X. zwi-
schenzeitlich nicht mehr zurückgekehrt war, ergibt sich nicht zuletzt auch aus
den übereinstimmenden zeitnahen Angaben des Ruhestandsbeamten und sei-
ner Ehefrau von April 1998 sowie Februar und April 1999 im Scheidungsverfah-
ren. Der Ruhestandsbeamte hat angegeben, er sei im August 1996 aus der
gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Seitdem lebten sie getrennt und hätten
sich auseinandergelebt. Seit 5. Mai 1997 (Abordnung) wohne er auf Dauer in D.
Die Zeugin M. hat im Scheidungsverfahren die Richtigkeit dieser Angaben be-
stätigt. Im Verfahren um das Sorgerecht für die beiden Töchter wird der Tren-
nungszeitpunkt August 1996 wiederholt.
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Die gegenteiligen Einlassungen des Ruhestandsbeamten, um schnellstmöglich
geschieden zu werden, habe er mit seiner Frau vereinbart gehabt, dem Gericht
ein Trennungsjahr vorzuspiegeln und er habe deshalb gegenüber dem Fami-
liengericht durch seinen gutgläubigen Rechtsanwalt falsch vortragen lassen,
sind wiederum nicht glaubhaft; es handelt sich auch insoweit um Schutzbe-
hauptungen. Der Ruhestandsbeamte hat anfänglich u.a. wahrheitswidrig aus-
gesagt, er habe die Adresse eines Freundes angegeben, um einen Auszug aus
der Familienwohnung dorthin vorzuspiegeln. Das Datum 1. August 1996 habe
er deshalb genannt, weil er von da an den Nachweis eines getrennten Zimmers
gehabt habe. Später hat er seinen Auszug aus der Familienwohnung in abge-
wandelter Form, aber ebenfalls wahrheitswidrig dahin zu bagatellisieren ver-
sucht, er habe im August 1996 lediglich eine Schlafgelegenheit bei einem Be-
kannten gesucht, die er für 100 DM im Monat inklusive Nebenkosten maximal
drei Tage in der Woche in Anspruch genommen habe. Der Vermieter B. war
jedoch weder ein Freund noch ein Bekannter des Ruhestandsbeamten. Es
handelte sich auch nicht nur um eine Schlafgelegenheit, sondern um eine voll-
wertige kleine Wohnung mit einem Zimmer, Küche und Duschbad, deren Miet-
zins insgesamt 500 DM betrug. Der finanzielle Aufwand für diese Wohnung war
ersichtlich nur mit Mühe aufzubringen. Der Ruhestandsbeamte musste Neben-
tätigkeiten als Helfer bei Inventuren nachgehen; die Ehefrau betätigte sich für
ca. ein halbes Jahr als Aushilfskellnerin, um das Nötige hinzuzuverdienen.
Während dieser Arbeitszeiten der Ehefrau wiederum musste der Ruhestands-
beamte die Kinder einhüten. Bei dieser Sachlage ist dem Ruhestandsbeamten
nicht abzunehmen, dass er vorübergehend die wahre Miethöhe vergessen hät-
te. Dem erheblichen finanziellen Aufwand musste vielmehr ein entsprechend
dringliches Bedürfnis nach Trennung entsprechen, so wie es sich dann im
Scheidungsverfahren realisiert hat. Der Ruhestandsbeamte hat gegen Ende
selbst ausdrücklich eingeräumt, zur Anmietung der Wohnung nicht wahrheits-
gemäß ausgesagt zu haben. Die unwahre Darstellung kann nur den Zweck ge-
habt haben, die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu vertuschen. Für die
Richtigkeit der Erklärungen im Scheidungsverfahren zum Zeitraum des Ge-
trenntlebens spricht ferner der Umstand, dass der Ruhestandsbeamte die
- angeblich falschen - Angaben bis zur Rechtskraft der Scheidung im April 1999
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nicht berichtigt hat. Umgekehrt werden sie in wesentlicher Beziehung durch den
Bericht des Jugendamtes L. vom 31. Juli 1998 bestätigt.
Letztlich hält der Senat die Richtigkeit der Behauptung des Ruhestandsbeam-
ten zum angeblich vorgespiegelten Trennungsjahr auch deshalb nicht für er-
wiesen, weil der Ruhestandsbeamte bei seinem Schreiben vom 5. September
1998 an den Präsidenten der Einleitungsbehörde eine Urkundenfälschung be-
gangen hat - Vorwurf im Anschuldigungspunkt 6 -, als er mit der von ihm nach-
gemachten Unterschrift seiner Frau „die Richtigkeit der Aussagen hinsichtlich
der Familienheimfahrten, des Trennungsjahres …“ bestätigt hat; diese Fäl-
schung hat er offensichtlich deshalb begangen, weil er die unwahren Behaup-
tungen in diesem Schreiben nicht anders belegen konnte. Dies waren die un-
wahren Behauptungen, erst nach einem Vorfall im April 1998 hätten er und sei-
ne Frau von Scheidung gesprochen und jeweils einen Antrag auf Scheidung
gestellt; eine Trennung hätten sie unter Angabe der Adresse eines Freundes
nur vorgetäuscht; möglicherweise aber zögen sie ihre Scheidungsanträge zu-
rück; er fahre jedes Wochenende nach X. und wohne dann in dem gemeinsa-
men Haus; seine Frau koche dann auch für ihn und wasche die mitgebrachte
Wäsche. Vom gemeinsamen Scheidungsantrag über die Angabe der Adresse
eines angeblichen Freundes bis zum Wäschewaschen für die Zeit nach dem
Scheidungsantrag hat der Ruhestandsbeamte inzwischen die Unwahrheit die-
ses Vorbringens im Wesentlichen selbst eingeräumt. Der Ruhestandsbeamte
hat im Laufe des Verfahrens wiederholt zugegeben, dass die angebliche Unter-
schrift seiner Frau von ihm selbst stammt. Dadurch, dass der Ruhestandsbe-
amte die angebliche Richtigkeitsbestätigung seiner Ehefrau ohne deren Einver-
ständnis mit deren Unterschrift versehen und die Erklärung dann zur Entkräf-
tung der disziplinarischen Vorwürfe dem Präsidenten der Einleitungsbehörde
vorgelegt hat, hat er zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde
hergestellt und von dieser Gebrauch gemacht (§ 267 Abs. 1 StGB). Zu dieser
Unterschriftsleistung war der Ruhestandsbeamte von seiner Frau nicht ermäch-
tigt. Er ist auch nicht etwa irrtümlich davon ausgegangen, hierzu ermächtigt zu
sein. Dies steht für den Senat aufgrund folgender Umstände fest:
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Schon das Aussageverhalten des Ruhestandsbeamten spricht gegen die
Glaubhaftigkeit seiner Einlassungen, er habe im Einverständnis mit seiner Frau
gehandelt. Bereits zu Beginn der Vorermittlungen hatte er die Unwahrheit ge-
sagt. Er hatte auf die Frage: „Ist das die Unterschrift Ihrer Frau?“ mit „natürlich“
geantwortet. Als ihm anschließend entgegengehalten wurde: „Die Unterschrift
ist offensichtlich gefälscht, haben Sie die Fälschung begangen?“, hat der Ru-
hestandsbeamte geantwortet:
„Ja, ich hatte ihr die Erklärung am Telefon vorgelesen und
sie war damit einverstanden und deshalb habe ich sie
selbst unterschrieben.“
Mit „damit einverstanden“ war ersichtlich nur der Inhalt des angeblich Vorge-
lesenen gemeint, nicht aber die Unterschriftsleistung mit dem Namen der Ehe-
frau. Damit stimmt überein, wie das anschließende Verhalten des Ruhestands-
beamten im Anhörungsprotokoll geschildert wird. Dort ist vermerkt, dass der
Ruhestandsbeamte um Abbruch der Anhörung bat, um einen Anwalt konsultie-
ren zu können. Der Ruhestandsbeamte war in diesem Moment „sehr nervös
und sichtlich erschüttert“, wie es im „Wesentlichen Ergebnis der Vorermittlun-
gen“ unwidersprochen heißt. Wenn die Unterschriftsleistung als Richtigkeitsbe-
stätigung tatsächlich mit Wissen und Wollen der Ehefrau abgegeben worden
wäre, hätte es nahegelegen, dass der Ruhestandsbeamte dies von Anfang an
eingeräumt hätte. Dies hat er jedoch nicht getan, offenbar weil er diese Version
selbst nicht für glaubhaft hielt. Das erklärt den insgesamt wechselnden, d.h.
widersprüchlichen und damit nicht glaubhaften Inhalt der Einlassungen des Ru-
hestandsbeamten zum Zustandekommen der angeblichen Richtigkeitsbestäti-
gung und spricht zusätzlich gegen deren Wahrheitsgehalt. Im Untersuchungs-
verfahren hatte der Ruhestandsbeamte zunächst erklärt:
„Ich habe zuvor mit meiner Frau telefonisch abgespro-
chen, dass ich auf dem Schreiben besagten Vermerk an-
bringe und mit ihrem Namen zeichnen werde. Meine Ehe-
frau war hiermit auch einverstanden. Ich habe ihr zu kei-
nem Zeitpunkt einen Vermögensvorteil versprochen.
Das Schreiben an den Herrn Präsidenten hatte ich bereits
in X. vorformuliert.
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Ich wollte jedoch meine Frau dieses Schreiben nicht un-
terschreiben lassen, da es nicht mit Schreibmaschine ge-
schrieben gewesen wäre.“
In seiner anschließenden schriftlichen Stellungnahme gab der Ruhestandsbe-
amte an:
„Wir haben das Schreiben gemeinsam aufgesetzt und
meine Frau war einverstanden. Ich habe das Schreiben in
D. abgeschrieben und mit ihrer Zusage unterschrieben.“
In der Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Ruhestandsbe-
amte ausgesagt:
„Das war seinerzeit so, dass wir das zuhause besprochen
und ins Unreine geschrieben hatten, ich hatte es dann in
D. abgeschrieben und zunächst vor, es meine Ehefrau
noch nachträglich unterschreiben zu lassen. Sie erklärte
dann allerdings, dass ich das mal selber machen solle und
sie dazu stehe. Heute kann ich nur sagen, dass ich nicht
stolz darauf bin, das so gemacht zu haben. Es war einfach
dumm von mir. Mein Beweggrund war, dass man meine
vorformulierte Erklärung mit meiner Handschrift schlecht
lesen konnte und ich das Ganze halt sauber haben
wollte.“
In der Hauptverhandlung vor dem Senat, d.h. mehr als acht Jahre nach dem
Zustandekommen des Schreibens vom 5. September 1998, hat sich der Ruhe-
standsbeamte letztlich im Wesentlichen dahin eingelassen, sie hätten den Text
des Schreibens am Wochenende in X. zusammen aufgesetzt. Wegen seiner
Handschrift sei beabsichtigt gewesen, dass er den Text auf dem Dienstcompu-
ter ins Reine schreibe und seine Frau ihn dann am nächsten Wochenende un-
terschreibe. Da er bei der Reinschrift sprachliche Änderungen vorgenommen
habe, habe er den Text seiner Frau noch einmal am Telefon vorgelesen. Seine
„pedantische Art“ habe sie dabei so genervt, dass sie am Ende gesagt habe:
„Dann unterschreibe doch gleich mit meinem Namen.“
Auf diese Weise hat der Ruhestandsbeamte seine früheren Aussagen erneut
modifiziert, ohne damit zu überzeugen. In der Aussage vor dem Verwaltungsge-
richt hatte er noch (abweichend von früheren Aussagen) zu dem angeblichen
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Telefongespräch geschwiegen. Damit wollte der Ruhestandsbeamte ersichtlich
eine Schwäche seiner vorherigen Einlassungen vermeiden: Wenn der Text
gemeinsam verfasst oder in X. geschrieben und von daher der Ehefrau bekannt
war, gab es keinen Grund, ihr das ins Reine Geschriebene noch einmal vorzu-
lesen. Es konnte diesen umso weniger geben, als nach allen Darstellungen
ursprünglich vorgesehen war, den Text von der Ehefrau selbst unterschreiben
zu lassen - was bei den angeblich wöchentlichen Familienheimfahrten nur we-
nige Tage später möglich gewesen wäre. Unwesentliche sprachliche Änderun-
gen, wie sie zuletzt vor dem Senat behauptet worden sind, vermögen einen
derartigen Grund ebenfalls nicht zu liefern.
Der Ruhestandsbeamte kann im Übrigen bei der Unterschriftsleistung auch
nicht etwa irrtümlich davon ausgegangen sein, die Richtigkeitsbestätigung mit
dem Namen seiner Frau zeichnen zu dürfen, weil diese ihm Vollmacht erteilt
habe. Ihm musste klar gewesen sein, dass es bei einer derartigen - einer
schriftlichen Zeugenaussage gleichkommenden - Erklärung eine Stellvertretung
sinnvoll nicht geben kann. Die Erklärung konnte allenfalls durch eine authenti-
sche Unterschrift als antizipiertes Ergebnis einer Zeugenvernehmung im Sinne
des Ruhestandsbeamten etwas bewirken. Dafür, dass dem Ruhestandsbeam-
ten diese Zusammenhänge klar waren, sprechen die unterschiedlichen Farben
der Unterschriften und die voneinander deutlich abweichenden Schriftzüge.
Wenn die Äußerung des Ruhestandsbeamten vom 5. September 1998 und die
angebliche Richtigkeitsbestätigung der Ehefrau in D. gleichzeitig geschrieben
worden sind - wie behauptet -, hätte es nahegelegen, dass der Ruhestandsbe-
amte, wenn er auf die Tatsache und die Sinnhaftigkeit einer Ermächtigung zur
Stellvertretung vertraut hätte, in beiden Fällen mit demselben Stift und einheitli-
chem Schriftbild unterzeichnet; dies hat er gerade nicht getan. Da es für die
Überzeugungsbildung des Präsidenten der Einleitungsbehörde und damit für
die Entlastungsfunktion des Schreibens auch aus der Sicht des Ruhestandsbe-
amten entsprechend auf die bestätigende Unterschrift der Ehefrau ankommen
musste, hat er unterschiedliche Stifte und Schriftbilder verwendet, um eine per-
sönliche Erklärung der Ehefrau und deren eigenhändige Unterschrift vorzutäu-
schen.
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Die als regelmäßig behaupteten „Heimfahrten“ nach X. und/oder nach L. und
Umgebung stehen, soweit sie erwiesen sind, in keinem Zusammenhang mit
einer angeblich fortbestehenden häuslichen Gemeinschaft. Das steht zur Über-
zeugung des Senats nach den Gesamtumständen, soweit sie erwiesen sind,
fest.
Zur Stützung seiner Ansicht, trotz räumlicher Trennung die häusliche Gemein-
schaft mit seiner Ehefrau (und seinen Kindern) aufrechterhalten zu haben, hat
der Ruhestandsbeamte immer wieder behauptet, entsprechend seinen insge-
samt 58 Anträgen auf Reisebeihilfe für Heimfahrten ab Mai 1997 an den Wo-
chenenden mit einem Pkw von D. nach X. gefahren zu sein, soweit er nicht Ur-
laub gehabt oder sein Sohn (aus erster Ehe) ihn besucht habe. Wegen eheli-
cher Streitigkeiten habe er allerdings gelegentlich bei seiner Schwester (Zeugin
K.) oder bei seinem Freund (Zeuge H.) übernachtet.
Schon rein zahlenmäßig sind „Heimfahrten“ dieses Umfangs jedoch nicht er-
wiesen. Dies ergibt sich zunächst aus den Zeugenaussagen H. und K. Der
Zeuge H. (ehemaliger Kollege und Freund des Ruhestandsbeamten, wohnhaft
in L.) hat vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgesagt, der Ruhe-
standsbeamte habe ab Mai 1997 über ca. ein Jahr etwa zweimal im Monat eine
Nacht bei ihm auf der Couch geschlafen. Was der Ruhestandsbeamte tagsüber
gemacht habe, entziehe sich seiner Kenntnis. Er vermute aber, dass dieser bei
seiner Familie gewesen sei. Nach der Beurteilung der Ehesituation des Ruhe-
standsbeamten gehe er, der Zeuge, nicht davon aus, dass der Ruhestandsbe-
amte an den jeweiligen Wochenenden sonst bei seiner Familie übernachtet
habe; genau wisse er es jedoch nicht. Der Ruhestandsbeamte habe sich ihm
gegenüber dazu auch nicht geäußert. Die Zeugin K. (Schwester des Ruhe-
standsbeamten, wohnhaft im Landkreis L.) hat vor dem Verwaltungsgericht im
Wesentlichen angegeben, sie habe zu ihrem Bruder keinen großen Kontakt
gehabt. Vor seinem Weggang nach D. habe er ihr erzählt, dass er wöchentlich
heimfahren wolle. Nach einiger Zeit sei er dann abends aufgetaucht und habe
mitgeteilt, dass er zu einem Arbeitskollegen fahren wolle. Sie habe ihm auch ein
Übernachtungsangebot gemacht. Er sei immer mal gekommen, aber nicht jede
Woche.
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Dafür, dass der Ruhestandsbeamte nicht alle von ihm angegebenen Fahrten
als „Heimfahrten“ zu seiner Familie durchgeführt hat, sprechen weitere Um-
stände. So hat der Ruhestandsbeamte bei seinem Schreiben vom 5. Sep-
tember 1998 an den Präsidenten der Einleitungsbehörde - wie erwähnt - eine
Urkundenfälschung begangen, als er mit der von ihm nachgemachten Unter-
schrift seiner Frau „die Richtigkeit der Aussagen hinsichtlich der Familienheim-
fahrten …“ bestätigte. Damit wird die Glaubhaftigkeit der Aussagen bezüglich
der regelmäßigen Familienheimfahrten erheblich erschüttert. Dies gilt auch im
Hinblick auf das Schreiben des Ruhestandsbeamten vom 21. Juli 1998 an die
Einleitungsbehörde (Anschuldigungspunkt 5), in dem der Ruhestandsbeamte
u.a. angegeben hat, jedes Wochenende im Kreise seiner „(noch) Familie“ (um
deren Fortbestand er ringe) in X. zu verbringen; zugleich hat er - um glaubhaft
zu machen, dass er an der Gemeinsamkeit festhalten wolle - die dienstliche
Erklärung abgegeben, seine Ehefrau habe die Scheidung eingereicht. Letztere
Angabe war nachweislich falsch. Er selbst war es, der die Scheidung einreichte,
nachdem er zuvor seiner Frau gesagt hatte, dass es keinen Sinn mehr habe
zusammenzuleben. Schließlich hat der Ruhestandsbeamte gegenüber dem
Vorermittlungsführer … außerhalb des Protokolls eingeräumt, dass er nicht so
häufig, wie er in seinen Reisekostenanträgen angegeben habe, nach X. gefah-
ren sei; die Wahrheit liege in der Mitte. Die späteren Versuche des Ruhe-
standsbeamten, seine Aussage zu erläutern und zu relativieren, sind nicht
überzeugend. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat er sich dahin einge-
lassen, er könne sich seine Äußerung nur so erklären, dass er sich im Stillen
gedacht habe, wegen der Übernachtungen bei dem Zeugen H. und bei seiner
Schwester stünden ihm möglicherweise keine Reisekosten zu; er sei aber in
erster Linie zu seiner Familie gefahren und habe die anderen Besuche neben-
her gemacht; dies überzeugt nicht.
Selbst wenn aufgrund der Zeugenaussagen H. und K. dem Ruhestandsbeam-
ten nicht widerlegt werden kann, ab Mai 1997 gelegentlich, vielleicht sogar je-
des zweite Wochenende, von D. aus in den Raum L. gefahren zu sein, ist dies
ein nur schwaches Indiz dafür, dass damals noch eine häusliche Gemeinschaft
zwischen den Eheleuten bestand, die durch „Heimfahrten“ gepflegt worden ist.
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Es wird durch die Gesamtumstände widerlegt. Denn schwerer noch als die
quantitativen Gesichtspunkte wiegt der Umstand, dass die Zeugen K. und H.,
obwohl sie dem Ruhestandsbeamten am nächsten standen, eine positive
Kenntnis davon, dass Familienbesuche stattgefunden haben sollen, nicht zu
bekunden vermochten. Wenn der Ruhestandsbeamte an jedem dieser Wo-
chenenden, an denen er bei einem der beiden Zeugen nächtigte, auch bei sei-
ner Familie gewesen wäre, hätte sich das den Zeugen mitteilen müssen. Gera-
de die Aussage des Zeugen H., er könne sich nicht vorstellen, dass der Ruhe-
standsbeamte bei seiner Familie übernachtet habe, spricht für ein Getrenntle-
ben der Eheleute. Die „Heimfahrten“ mögen der Erledigung dringender Angele-
genheiten, u.a. der Pflege und Verwaltung des Hauses und des zugehörigen
Gartens in X. gedient haben. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der
Ruhestandsbeamte u.a. angegeben, er habe am Haus Reparaturen durchge-
führt und den Garten gemacht. Auch mag der Beamte sich bemüht haben, den
Kontakt zu den beiden Töchtern aufrechtzuerhalten. Ihm stand schließlich ein
Besuchs- und Umgangsrecht zu. Das alles macht aber noch keine Fortsetzung
oder Wiederherstellung einer vom Willen zur Aufrechterhaltung der Ehe getra-
genen häuslichen Gemeinschaft aus.
Auch sonst war der notwendige Wille der Beteiligten zur eventuellen Fortset-
zung einer häuslichen Gemeinschaft nach Außen nicht mehr erkennbar. Man-
gels eines Rückkehrwillens des in D. lebenden Ruhestandsbeamten hätten
Ehefrau (und Kinder) bereit sein müssen, alsbald nach D. umzuziehen. Dafür
gab es jedoch keine erkennbaren Anhaltspunkte. Wie schon dargelegt, war das
Gegenteil der Fall. Zwar hat der Ruhestandsbeamte bis zuletzt gegenüber sei-
ner Dienststelle eine Umzugsbereitschaft seiner Ehefrau und Kinder vorgespie-
gelt, etwa mit den Ausführungen in seinem Schreiben vom 26. November 1997
(Anschuldigungspunkt 3) bezüglich der angeblich besonders gestalteten Schul-
ausbildung der Töchter als Umzugshinderungsgrund.
Später hat der Ruhestandsbeamte mit Schreiben vom 15. Juli 1998 bei seiner
Dienststelle beantragt, die Zusage der Umzugskostenvergütung zu widerrufen
und ihm das Trennungsgeld bis zur endgültigen Regelung weiter zu gewähren.
Der Antrag wurde wie folgt begründet:
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„Da die …-Abteilung … in den nächsten Monaten … um-
gesiedelt wird, ist es aus sozialen Gesichtspunkten nicht
zu vertreten, dass ich mit meiner Familie zuerst nach D.
und anschließend nochmals nach Y. umziehen muss.
Diese beiden Umzüge hätten zur Folge, dass meine bei-
den Töchter innerhalb dieser Umsiedlungsphase zweimal
die Schule (Realschule in X. und D.) wechseln müssen.
Es ist dadurch, nach Auffassung der Lehrer, mit einem
Leistungsabfall zu rechnen.
Auch meine Ehefrau, welche berufstätig ist, würde für die
relativ kurze Aufenthaltszeit in D. keine befriedigende Ar-
beit finden.“
Die vom Ruhestandsbeamten behauptete Rücksprache mit dem Rektor der
Schule und den Klassenlehrern hat nach Auskunft der Schulen nicht stattge-
funden. Nachdem sich dies herausgestellt hatte, berief sich der Ruhestandsbe-
amte darauf, dass ihm jedenfalls seine Frau von entsprechenden Auskünften
über angebliche Hindernisse für eine reibungslose Fortsetzung des schulischen
Ausbildungsgangs berichtet habe. All diese Einlassungen sind jedoch zur Über-
zeugung des Senats widerlegt. Wie weitere Auskünfte der Schulbehörden …
gezeigt haben, bestanden derartige Kompatibilitätsprobleme nicht im Gerings-
ten. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Ruhestandsbeamte selbst
keinerlei Erkundigungen über die Schulverhältnisse … angestellt hatte, was
gegen sein Interesse an einem Umzug der Familie … spricht. Hatte ihn seine
Ehefrau in der Schulfrage angelogen, so dokumentierte dies gegebenenfalls
unmissverständlich den auch ihrerseits nicht bestehenden Umzugswillen. Hat
hingegen der Ruhestandsbeamte auch die angeblichen Auskünfte seiner Ehe-
frau als Schutzbehauptungen frei erfunden, so zeigt dies, dass aus der Sicht
des Ruhestandsbeamten trotz seiner unbedingten Versetzungswilligkeit ein
Nachzug seiner Frau mit den Kindern nicht in Betracht kam - sei es, weil er
selbst dies nicht wollte, sei es, weil er wusste, dass seine Frau sich dem strikt
versperrt hatte. Letzteres trifft nach den Gesamtumständen auf jeden Fall zu.
In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der Ruhestandsbeamte - wenn
auch nicht ohne Widersprüche (vgl. S. 5 und 10 der Niederschrift) - eingeräumt,
dass seine Frau ab November 1997 zunächst Zweifel geäußert habe und dann
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entschiedener dagegen gewesen sei, nach D. umzuziehen. Nach seinen Anga-
ben in der Anhörung vom 13. November 2000 muss sich dies schon gut ein
Jahr eher so abgespielt haben. Im Übrigen lief zum Zeitpunkt der Abfassung
des Schreibens vom 15. Juli 1998 bereits seit drei Monaten auf Antrag des Ru-
hestandsbeamten das Scheidungsverfahren, nachdem er zuvor seiner Frau
erklärt hatte, dass es keinen Sinn mehr habe, zusammenzuleben.
cc) Steht nach alledem fest, dass der Ruhestandsbeamte hinsichtlich des Tren-
nungstagegelds objektiv unwahre Angaben zu den Bewilligungsvoraussetzun-
gen „Leben in häuslicher Gemeinschaft mit dem Ehegatten“ gemacht hat und
damit - weil die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorlagen - nicht Be-
rechtigter im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a TGV a.F. war, hatten diese
objektiv wahrheitswidrigen Angaben auch zur Folge, dass dem Ruhestandsbe-
amten Ansprüche auf Reisebeihilfen für Heimfahrten ab dem 1. Juni 1997 nicht
mehr zustanden. Insoweit sind dem Ruhestandsbeamten daher ebenfalls
rechtswidrige Vermögensvorteile zugeflossen. Ansprüche auf die beantragten
und gewährten Reisebeihilfen für Heimfahrten (§ 5a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3
TGV a.F.) für den Zeitraum vom 5. Mai 1997 bis 31. Juli 1998 setzten neben
einer Abordnung oder Versetzung … dem Grunde nach voraus, dass der Ru-
hestandsbeamte „Berechtigter nach § 3 TGV a.F.“ war. Das war hier nur bis
zum 31. Mai 1997 der Fall, und zwar hinsichtlich des Zeitraums bis 18. Mai
1997 - wie dargelegt - gemäß § 3 Abs. 1 TGV a.F. (Trennungsreisegeld). Für
den Zeitraum vom 19. Mai bis 31. Mai 1997 stand dem Ruhestandsbeamten im
Hinblick auf seine noch gemietete Wohnung in L. Trennungsgeld gemäß § 3
Abs. 2 Nr. 2 TGV a.F. zu. Ob der Ruhestandsbeamte für den Zeitraum ab
1. Juni 1997 auch deshalb keine Ansprüche nach § 5a TGV a.F. hatte, weil er
nicht durchgeführte „Heimfahrten“ abgerechnet hatte, kann offenbleiben.
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dd) Die objektiv unwahren Angaben bezüglich des Lebens in häuslicher Ge-
meinschaft mit dem Ehegatten führten schließlich auch dazu, dass sich der
Ruhestandsbeamte hinsichtlich der Unterkunftskosten rechtswidrige Vermö-
gensvorteile verschafft hatte, weil ihm ein entsprechender Anspruch nicht zu-
stand. Mit der Gewährung des beantragten Trennungsgeldes waren dem Ru-
hestandsbeamten ab dem 14. Juni 1997 - vom 5. Mai bis 13. Juni 1997 war der
Ruhestandsbeamte in D. amtlich unentgeltlich untergebracht - noch zusätzlich
TGV a.F. i.V.m. § 11 Abs. 2, § 12 Abs. 2 BRKG in der Fassung vom
20. Dezember 1996, BGBl I S. 2049, 2079, gewährt worden. Da aber im Hin-
blick auf die Wohnung in L. bereits ab 1. Juni 1997 ein Trennungsgeld-
Anspruch entfallen war, ist am 14. Juni 1997 ein Anspruch auf Gewährung von
Übernachtungsgeld nicht entstanden.
Hat der Ruhestandsbeamte nach alledem durch die objektiv unwahren Anga-
ben im Anschuldigungspunkt 1 den objektiven Tatbestand des § 54 Satz 2
und 3 BBG erfüllt, so stellen diese Pflichtverletzungen ein schuldhaft begange-
nes Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) im Sinne der Anschuldigung dar,
weil der Ruhestandsbeamte mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Ruhestandsbeamte nicht nur
versehentlich (fahrlässig) falsche, sondern bewusst und gewollt objektiv unwah-
re Angaben gemacht hat und dabei mit dem Eintritt des Handlungserfolgs (un-
gerechtfertigte Bereicherung, zugleich Vermögensschaden des Dienstherrn) in
dem Sinne einverstanden war, dass er ihn billigend in Kauf nahm.
Der Ruhestandsbeamte war wiederholt über die Notwendigkeit richtiger und
vollständiger Angaben in seinen Leistungsanträgen belehrt worden. Er kannte
seine Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und leistungsrele-
vante Änderungen in seinen persönlichen und familiären Verhältnissen, die für
die Gewährung des Trennungsgelds etc. von Bedeutung sein könnten (z.B.
Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, Getrenntleben der Ehegatten), von
sich aus unverzüglich anzuzeigen. Die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner
Angaben sowie die Kenntnis seiner Anzeigepflicht hatte er wiederholt unter-
schriftlich bestätigt. Aufgrund seiner dienstlichen Ausbildung und seines beam-
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tenrechtlichen Status (Aufstieg zum Beamten des gehobenen Dienstes im Spit-
zenamt der Besoldungsgruppe A 12 zum 1. Januar 1998) wusste er auch, dass
bei Eheleuten das Leben in „häuslicher Gemeinschaft“ mehr voraussetzte, als
den formalen Bestand einer Ehe. Einer Belehrung über den unbestimmten
Rechtsbegriff „häusliche Gemeinschaft“ bedurfte es deshalb nicht. Im Übrigen
hat der Ruhestandsbeamte auch zu einzelnen Hilfsmerkmalen des Begriffs
„Leben in häuslicher Gemeinschaft“ wiederholt - selbst noch im laufenden Dis-
ziplinarverfahren - bewusst unwahre Angaben gemacht, die erkennen lassen,
dass ihm klar war, worum im Wesentlichen es ging.
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Ruhestandsbeamte über die Bedeutung des
Begriffs geirrt haben könnte, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht
ersichtlich. Der Ruhestandsbeamte hat - wie dargelegt - nachträglich selbst
konkludent eingeräumt, dass (spätestens) mit Einreichung des Scheidungsan-
trags eine häusliche Gemeinschaft (wohl) nicht mehr bestand. Die Bedeutung
seiner Angaben war ihm daher bewusst. Wenn er in seinem Schreiben vom
5. September 1998 an den Präsidenten der Einleitungsbehörde gleichwohl be-
hauptet, die tatsächlichen Verhältnisse hätten ihn dazu bewogen, auf seinen
Anträgen das Feld in „ehelicher Gemeinschaft“ lebend anzukreuzen, so handelt
es sich insoweit nur um eine Schutzbehauptung. Es kann dem Ruhestandsbe-
amten nicht abgenommen werden, er habe in seinen wiederholten Anträgen
zum Trennungsgeld etc., in denen es gerade um die Frage der doppelten, aber
getrennten Haushaltsführung bei Eheleuten ging, über einen Zeitraum von mehr
als einem Jahr den Begriff der „häuslichen Gemeinschaft“ nur als einen solchen
einer „ehelichen Gemeinschaft“ verstanden bzw. die Umstände des vorherigen
Auszuges mit eigener Wohnungnahme in L., des Widerstandes der Ehefrau
gegen den Umzug … und sogar den von ihm eingereichten Scheidungsantrag
für belanglos gehalten.
Die Einlassung des Ruhestandsbeamten durch seine damalige Verteidigerin, er
habe bei Einreichung des Scheidungsantrags (22. April 1998) die gesetzlichen
Voraussetzungen der Trennungsgeld-Gewährung nicht überprüft und eine ent-
sprechende Mitteilung an den Dienstherrn „vergessen“, spricht schon vorder-
gründig gegen einen Irrtum des Ruhestandsbeamten über den Inhalt des Be-
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griffs „häusliche Gemeinschaft“. Die Einlassung, dieses vergessen zu haben, ist
aber bei näherer Betrachtung auch nicht glaubhaft. Es handelt sich insoweit
ebenfalls um eine Schutzbehauptung. Denn in seinem zeitnah zum Schei-
dungsantrag vom 22. April 1998 gestellten Antrag vom 29. April 1998 auf Rei-
sebeihilfe für eine angebliche Familienheimfahrt (verbunden mit Urlaub) nach X.
(Hinreise am 10. April 1998, Rückreise am 28. April 1998) hat der Ruhe-
standsbeamte ausdrücklich angekreuzt: „Häusliche Gemeinschaft mit Ehegat-
ten liegt vor“; zugleich hat er die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben
pflichtgemäß versichert. Diese Angaben des ansonsten als pedantisch gelten-
den Ruhestandsbeamten deuten darauf hin, dass er sich einerseits über Inhalt
und Bedeutung des Begriffs „häusliche Gemeinschaft“ im Klaren war und ande-
rerseits bewusst von einer Mitteilung der Einreichung seines Scheidungsantrags
abgesehen hat.
b) Im Anschuldigungspunkt 6 (Vorwurf der Urkundenfälschung) ist erwiesen,
dass der Ruhestandsbeamte vorsätzlich gegen § 54 Satz 3 BBG verstoßen hat.
Indem er die angebliche Richtigkeitsbestätigung seiner Ehefrau vom
5. September 1998 ohne deren Einverständnis mit deren Unterschrift versehen
und die Erklärung dann zur Entkräftung der disziplinarischen Vorwürfe unmit-
telbar dem Präsidenten der Einleitungsbehörde zugeleitet hat, hat er sich einer
Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht; insoweit - auch da-
zu, dass sich der Ruhestandsbeamte zur Tatzeit nicht etwa irrtümlich als zur
Unterzeichnung mit dem Namen der Ehefrau befugt angesehen hat - wird auf
die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zu An-
schuldigungspunkt 1 verwiesen. Das strafbare Verhalten stellt zugleich eine
vorsätzliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Ver-
halten (§ 54 Satz 3 BBG) dar.
3. Durch das festgestellte betrügerische Verhalten zum Nachteil des Dienst-
herrn im Anschuldigungspunkt 1 und die Urkundenfälschung im Anschuldi-
gungspunkt 6 hat der Ruhestandsbeamte ein einheitliches innerdienstliches
Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Satz 2 und 3 BBG) begangen,
das schwer wiegt und zur Aberkennung des Ruhegehalts führt.
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a) Die angemessene Disziplinarmaßnahme richtet sich nach der Schwere des
Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der Beeinträch-
tigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (vgl. nunmehr
§ 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG). Eine Aberkennung des Ruhegehalts wegen ei-
nes während des aktiven Dienstes begangenen Dienstvergehens setzt voraus,
dass der Ruhestandsbeamte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem
Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2
Satz 2 BDG). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist dann auszuspre-
chen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des
Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. nunmehr § 13
Abs. 2 Satz 1 BDG, der auch in sog. Altverfahren zu berücksichtigen ist, vgl.
Urteil vom 6. Juli 2006 - BVerwG 1 D 7.05 - juris Rn. 127). Die Schwere des
Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Hand-
lungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung
und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (Urteil
vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).
Aufgrund des betrügerischen Verhaltens zum Nachteil des Dienstherrn im An-
schuldigungspunkt 1 ist dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerken-
nen, wenn Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von
solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung nicht den
Schluss rechtfertigt, der Ruhestandsbeamte habe als aktiver Beamter das Ver-
trauen endgültig verloren. Je gravierender die Erschwerungsgründe in ihrer Ge-
samtheit zu Buche schlagen, desto gewichtiger müssen die Milderungsgründe
sein, um davon ausgehen zu können, dass noch ein Rest an Vertrauen zum
Beamten vorhanden ist. Erschwerungsgründe können sich z.B. aus Anzahl und
Häufigkeit der Betrugshandlungen, der Höhe des Gesamtschadens, der miss-
bräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener
Kenntnisse sowie daraus ergeben, dass die Betrugshandlungen im Zusam-
menhang mit weiteren Verfehlungen von erheblichem disziplinarischen Eigen-
gewicht, z.B. mit Urkundenfälschungen stehen. Aus der Senatsrechtsprechung
lässt sich der Grundsatz ableiten, dass bei einem betrügerisch verursachten
Gesamtschaden von deutlich mehr als 10 000 DM bzw. 5 000 € die Entfernung
aus dem Dienst bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts ohne Hinzutreten wei-
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terer Erschwerungsgründe gerechtfertigt sein kann (vgl. Urteil vom 20. Sep-
tember 2006 - BVerwG 1 D 8.05 - juris Rn. 86 m.w.N.).
b) Ein solcher Fall, der zur Aberkennung des Ruhegehalts führt, ist hier gege-
ben.
Das Gewicht des Dienstvergehens wird bestimmt durch den hohen Gesamt-
schaden zum Nachteil des Dienstherrn von über 22 000 DM (über 11 000 €)
sowie durch die Vielzahl und Dauer des betrügerischen Verhaltens (Anschuldi-
gungspunkt 1). Es handelte sich um drei Trennungsgeld-Anträge sowie um
58 Anträge auf Reisebeihilfen für Heimfahrten in einem Zeitraum von etwa
15 Monaten. Hinzu kommt als weitere Verfehlung von erheblichem disziplinari-
schen Eigengewicht die Urkundenfälschung zur Verdeckung der Taten (An-
schuldigungspunkt 6).
Zugunsten des Ruhestandsbeamten ist lediglich seine lange und im Übrigen
unbeanstandete Dienstzeit sowie die Tatsache zu berücksichtigen, dass er
auch strafrechtlich nicht vorbelastet ist. Da der Rückforderungsbescheid noch
im Streit ist, ist eine Schadenswiedergutmachung bisher nicht erfolgt. Die lange
Verfahrensdauer - bereits im August 1998 wurden die disziplinarischen Vor-
ermittlungen eingeleitet - wäre nur dann mildernd zu berücksichtigen, wenn es
um den Ausspruch einer Maßnahme unterhalb der Aberkennung des Ruhege-
halts ginge (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 -
DVBl 2006, 1372; BVerwG, Senatsurteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D
15.04 - juris Rn. 47 m.w.N.). Besondere Milderungsgründe für sein Fehlverhal-
ten hat der Ruhestandsbeamte nicht geltend gemacht und sind auch nicht
ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Ruhe-
standsbeamte teilweise nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Denn spätes-
tens mit der Urkundenfälschung hat er sich die Früchte seines früheren Han-
delns nunmehr in vollem Bewusstsein ihrer Unrechtmäßigkeit erhalten wollen.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des - beschränkt - festgestellten Dienst-
vergehens des Ruhestandsbeamten und der dafür erforderlichen Abwägung
aller be- und entlastenden Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der
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Schwere der vorsätzlich begangenen innerdienstlichen Pflichtverletzungen so-
wie des Fehlens durchgreifender Milderungsgründe, wäre bei einem aktiven
Beamten der Eintritt eines endgültigen Vertrauensverlustes festzustellen. Die A-
berkennung des Ruhegehalts ist danach bei einem Ruhestandsbeamten die
erforderliche und angemessene Reaktion; diese ist auch im Übrigen nicht un-
verhältnismäßig (vgl. dazu Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 2 B 15.06 -
IÖD 2006, 197 m.w.N.).
4. Einen Unterhaltsbeitrag gemäß § 77 Abs. 1 BDO konnte der Senat dem Ru-
hestandsbeamten nicht bewilligen. Zwar ist er einer solchen Unterstützung nicht
unwürdig. Er ist jedoch mit Blick auf das Einkommen seiner (jetzigen) berufstä-
tigen Ehefrau und die Vermögensverhältnisse der Eheleute derzeit, d.h. vorher-
sehbar bis zum Wirksamwerden der Nachversicherung, nicht bedürftig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 ff. BDO.
Albers Dr. Müller Heeren
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Satz 2 und 3, § 77 Abs. 1 Satz 1
BDG
§ 13 Abs. 1 und 2
BDO
§§ 25, 77 Abs. 1
BRKG a.F.
§ 11 Abs. 2, § 12 Abs. 2
BUKG
§ 1 Abs. 3
StGB
§§ 263, 267 Abs. 1
StPO
§ 52 Abs. 1 Nr. 2, § 252
TGV a.F.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 6, § 3 Abs. 1 und Abs. 2
Satz 1 Nr. 1a und 2, § 5a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3
Stichworte:
Zollamtsrat a.D.; Abordnung und Versetzung in die neuen Bundesländer; Be-
trug zum Nachteil des Dienstherrn betreffend Trennungsgeld, Reisebeihilfen
und Unterkunftskosten; wahrheitswidrige Angaben in 3 Trennungsgeld-
Anträgen und 58 Anträgen auf Reisebeihilfen für Heimfahrten hinsichtlich der
Bewilligungsvoraussetzungen „Leben in häuslicher Gemeinschaft mit dem
Ehegatten“ (Verschweigen des Getrenntlebens und der Einreichung des Schei-
dungsantrags); Urkundenfälschung zur Verdeckung der Taten; langer Tatzeit-
raum (15 Monate); hoher Schaden (über 22 000 DM); Disziplinarmaß: Ab-
erkennung des Ruhegehalts; kein Unterhaltsbeitrag (mangels Bedürftigkeit).
Urteil des Disziplinarsenats vom 30. November 2006 - BVerwG 1 D 6.05
I. VG … vom 22.11.2004 - Az.: VG D 10 K 4095/03 -