Urteil des BVerwG vom 03.09.2003

Beamter, Schuldfähigkeit, Unterhaltsbeitrag, Resozialisierung

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 4.03
BDiG II VL 8/02
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Postbetriebsassistenten ... ,
...,
hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 3. September 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
M a y e r ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Regierungshauptsekretär Matthias H o p f
und Postbetriebsassistent Ralf S c h r ö d e r
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektor ...
für den Bundesdisziplinaranwalt,
Rechtssekretär ...,
als Verteidiger,
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und
Justizangestellte ... ,
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Postbetriebsassistenten
... gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer II
- ... -, vom 3. Dezember 2002 wird auf seine Kosten zurückge-
wiesen.
G r ü n d e :
I.
1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den ... Beamten angeschuldigt, dadurch ein
Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
im Zeitraum zwischen Januar 1999 und dem 30. September 1999 aus den
Geschäftsräumen des Telefonladens in ... ca. 50 Telefonendgeräte im Wert
von mindestens 12 000 € zu eigenem Nutzen entwendet und an Kolleginnen,
Kollegen und Bekannte verschenkt bzw. veräußert habe.
Im sachgleichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde gegen den Beamten
wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten festgesetzt, deren Vollstre-
ckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten durch Urteil vom 3. Dezember
2002 aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag i.H.v. 75 von Hundert
seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von sechs Monaten bewilligt. Es hat den
angeschuldigten Vorwurf als erwiesen angesehen und wie folgt gewürdigt:
Durch die wiederholten innerdienstlichen Diebstähle habe der Beamte vorsätzlich
gegen die ihm obliegenden Pflichten zur uneigennützigen Verwaltung seines Amtes
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sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Sätze 2 und 3 BBG)
verstoßen und hierdurch ein Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG began-
gen, das seine Entfernung aus dem Dienst erfordere. Als Pförtner habe dem Beam-
ten eine besondere Obhutspflicht oblegen. Ein Beamter, der als Pförtner zur Bewa-
chung eines Dienstgebäudes eingesetzt sei und während seines Dienstes unter
Ausnutzung dienstlicher Möglichkeiten in diesem Gebäude Diebstähle begehe, ma-
che sich grundsätzlich für den öffentlichen Dienst untragbar. Ein von der Rechtspre-
chung anerkannter Milderungsgrund, der ausnahmsweise ein Absehen von der
Höchstmaßnahme rechtfertigen könnte, liege nicht vor.
3. Gegen dieses Urteil hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf eine mildere Maßnahme zu erken-
nen, hilfsweise, einen Unterhaltsbeitrag von 75 % des erdienten Ruhegehalts auf die
Dauer von mehr als sechs Monaten zu bewilligen.
Das Rechtsmittel wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Schuldfähigkeit des Beamten sei bezüglich der Gerätebeschaffung punktuell zu
bezweifeln. Dies beruhe auf seinem problematischen Verhältnis zu Frauen und sei-
nen Schwierigkeiten, Kontakt zu Frauen herzustellen und aufrecht zu erhalten. Auch
seine Abhängigkeit vom Elternhaus spiele eine Rolle. Er habe keine Zueignungsab-
sicht im strafrechtlichen Sinne gehabt. Aufgrund seiner pathologischen Beziehung
habe er den Mitarbeiterinnen lediglich einen Gefallen tun wollen. Einen finanziellen
Profit für sich selbst habe er nicht angestrebt. Zumindest hier sei von einer einge-
schränkten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB auszugehen.
Im Übrigen sei aufgrund der Gesamtumstände die Verhängung der Höchstmaßnah-
me nicht angemessen. Zu seinen Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, dass
er im Rahmen der Entdeckung der Tat bereits nahezu den gesamten Schaden
wieder gutgemacht habe. Weil zu berücksichtigen sei, dass er aufgrund seines Ver-
hältnisses zu Frauen nicht als voll schuldfähig anzusehen sei, spiele der später ge-
zeigte Wille, den Schaden wieder gutzumachen, eine maßgebende Rolle. Dieser
Wille komme auch dann zur Geltung, wenn ein Beamter zum Zeitpunkt der Entde-
ckung zwar objektiv nicht den gesamten Schaden wieder gutgemacht habe, hiervon
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im Wesentlichen aber irrtümlich ausgegangen sei. Auch hier sei daher eine mildere
Maßnahme als die der Entfernung aus dem Dienst vertretbar. Dies diene im Wesent-
lichen auch seiner Resozialisierung.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten
des Bundesdisziplinargesetzes nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der
Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom
20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002, 1515).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt, da der Beamte seine Schuldfähigkeit
zum Tatzeitpunkt in Frage gestellt hat. Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst
festzustellen und disziplinar zu würdigen.
1. Der Senat geht aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten
Beweismittel und nach Anhörung der Sachverständigen, der Fachärztin für Psychiat-
rie und Psychotherapie Dr. M., von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beamte war zum Zeitpunkt der Diebstähle von Januar 1999 bis zum 30. Sep-
tember 1999 als Pförtner bei der Deutschen Telekom ... AG, beschäftigt. Mittels ei-
nes Generalschlüssels und einer Code-Karte hatte er Zugang zu den Geschäftsräu-
men des Telefonladens in M., die er gelegentlich auch dienstlich aufsuchen musste.
Nachdem der Beamte am 30. September 1999 durch eine Überwachungskamera
und die Beobachtung zweier Zeugen eines Diebstahls aus dem Telefonladen über-
führt worden war, gab er zu, in den vorangegangenen sechs bis neun Monaten aus
den Geschäftsräumen des Telefonladens Faxgeräte, schnurlose Telefone, Mobiltele-
fone und sonstige Telekommunikationsgeräte in unbekannter Menge, mindestens
jedoch 17 schnurlose Telefone, 18 - 26 Mobiltelefone, zwei ISDN-Telefone, zwei Te-
lefone mit Anrufbeantworter und drei Fax-Geräte entwendet zu haben. Der Wert der
entwendeten Gegenstände beträgt mindestens 24 000 DM. Die Gegenstände ver-
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kaufte der Beamte überwiegend an Kolleginnen, die hierfür einen Betrag zwischen
50 und 300 DM zahlten. Auch an einen Außenstehenden, der durch eine Kollegin
vermittelt worden war, verkaufte er ein Faxgerät. Das erhaltene Geld hat der Beamte
in M. in Bars "verjubelt".
Der Beamte hat die Diebstähle rechtswidrig und schuldhaft begangen.
An der Zueignungsabsicht der entwendeten Geräte besteht entgegen der Auffassung
des Beamten kein Zweifel. Er hat über die Geräte wie ein Eigentümer verfügt und sie
überwiegend an Mitarbeiterinnen verkauft und in geringem Umfange auch
verschenkt.
Auch an der Schuldfähigkeit des Beamten bestehen keine Zweifel. Die Sachverstän-
dige Dr. M. hat keines der Eingangskriterien des § 20 StGB im Sinne einer Beein-
trächtigung der Schuldfähigkeit für die begangene Straftat bejaht. Allenfalls könne
berücksichtigt werden, dass der Beamte bedingt durch die bestehende Persönlich-
keitsprägung versucht habe, durch die Straftaten eines seiner Lebensprobleme zu
lösen. Er habe seinen Pförtnerposten u.a. auch dazu genutzt, um in seiner unbehol-
fenen Art Kontakte zu Frauen zu knüpfen. Aufgrund seiner geringen sozialen Kom-
petenz sei sein Angebot, verschiedenen weiblichen Mitarbeiterinnen Telekommuni-
kationsgeräte kostenlos oder günstig zu beschaffen, ein Versuch gewesen, sein Be-
dürfnis nach Nähe und Beziehung zu befriedigen und diesen Wunsch zu realisieren.
Dies habe ihn aber gleichzeitig auch in einen größeren Konflikt dadurch gebracht,
dass er sich ständig des Unrechts seines Tuns bewusst gewesen sei und Bestrafung
und Konsequenz gefürchtet habe. Bei dem Beamten habe allenfalls eine mittelgradi-
ge Persönlichkeitsstörung vorgelegen, die per se keine wesentliche Einschränkung
der Fähigkeit zum sozial sinnvollen, final ausgerichteten Handeln begründet habe
und psychopathologisch gesehen in das Persönlichkeitsgefüge psychoäquivalent
nicht eingegriffen habe. Damit lasse sich eine schwere seelische Abartigkeit, worun-
ter aus psychiatrischer Sicht in der Regel süchtige Entwicklungen, sexuelle Trieb-
anomalien, psychopathische Persönlichkeiten oder neurotische Persönlichkeitsent-
wicklungen bzw. schwere neurotische Störungen verstanden würden, nicht in der Art
nachweisen, dass dieses Eingangskriterium vorliege.
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Der Senat folgt den Ausführungen der Sachverständigen, die diese bei ihrer vom
Senat nachgeholten Anhörung nochmals nachvollziehbar erläutert und begründet
hat. Danach lässt sich aus dem bei dem Beamten bestehenden Konflikt zwischen
Bindungsangst und Bindungssehnsucht allenfalls eine mittelschwere Persönlich-
keitsstörung ableiten. Selbst wenn eine schwere seelische Abartigkeit zu bejahen
gewesen wäre, hat der Beamte die erforderliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit
gehabt, da er kein hilfloses Opfer eigenen Tuns gewesen ist. Er hat trotz ständiger
Gewissensbisse über einen längeren Zeitraum planvoll gehandelt, indem er, wie er
vor dem Senat eingeräumt hat, mit Hilfe der erzielten Erlöse etwa alle zwei bis drei
Wochen, insgesamt etwa 10 bis 12 mal Bars aufgesucht hat, um dort Kontakt mit
Bardamen aufnehmen zu können, wobei ihn jeder Besuch rund 300 DM gekostet hat.
2. Das Fehlverhalten des Beamten wiegt so schwer, dass seine Entfernung aus dem
Dienst auszusprechen war. Allerdings handelt es sich entgegen der Auffassung des
Bundesdisziplinargerichts nicht um ein innerdienstliches, sondern um ein außer-
dienstliches Dienstvergehen. Der Beamte war zum Zeitpunkt der Tatbegehung beur-
laubter Beamter. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats begeht sowohl ein
in-sich-beurlaubter Beamter als auch ein ohne Bezüge beurlaubter Beamter, der bei
einer Tochtergesellschaft tätig ist, ein außerdienstliches Dienstvergehen (vgl. Urteil
vom 5. Juni 2003 - BVerwG 1 D 35.02 -, Beschluss vom 24. Oktober 2002 - BVerwG
1 DB 10.02 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 33, Urteil vom 12. Dezember 2001
- BVerwG 1 D 4.01 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 32 = NVwZ 2002, 1519
= ZBR 2002, 398, Urteil vom 7. Juni 2000 - BVerwG 1 D 4.99 - BVerwGE 111, 231
= NVwZ 2001, 810 = ZBR 2000, 387). Nach dieser Rechtsprechung hat die Beurlau-
bung eines Beamten vor allem zur Folge, dass dieser für den betreffenden Zeitraum
von der ihm obliegenden Dienstleistungspflicht befreit ist. Demgegenüber bleibt das
Treueverhältnis uneingeschränkt bestehen. Der Beamte bleibt beamtenrechtlich
pflichtgebunden, soweit sich aus der Natur und der Art des Urlaubs nichts anderes
ergibt. Vor allem bleiben seine sich aus § 54 Satz 3 BBG ergebenden Pflichten be-
stehen.
Auch nach den neueren Grundsätzen des Senats zum außerdienstlichen Dienstver-
gehen (vgl. hierzu Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212
= NJW 2001, 3565) unterliegt es keinem Zweifel, dass die Entwendung von Geräten
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aus einem Telefonladen der Deutschen Telekom im Gesamtwert von weit über
10 000 € durch einen Pförtner im besonderen Maße geeignet ist, Achtung und Ver-
trauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen
Weise zu beeinträchtigen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG i.V.m. § 54 Satz 3 BBG). Dies ist
hier der Fall, weil der Beamte als Pförtner eine besondere Vertrauensstellung mit
Obhutspflichten innegehabt hat. Das formal außerdienstliche Dienstvergehen unter-
scheidet sich gerade hier, wo der Beamte als Pförtner auf das Vermögen der Deut-
schen Telekom zugegriffen hat, in der disziplinaren Bewertung im Wesentlichen nicht
von einem innerdienstlichen Dienstvergehen vergleichbaren Umfangs. Derartige
Dienstvergehen führen in aller Regel zur Entfernung aus dem Dienst. So wurde ein
Pförtner, der in einer Vielzahl von Einzelfällen insbesondere Getränke und Süßigkei-
ten aus einer Cafeteria entwendete, die nur aus dienstlichem Anlass betreten werden
durfte, aus dem Dienst entfernt (Urteil vom 12. Juli 1995 - BVerwG 1 D 58.94 -
Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 4 = NVwZ-RR 1996, 453). Gleiches gilt für Dieb-
stähle eines Hausmeisters aus der Kantine eines Dienstgebäudes im Wert von
1 200 DM (Urteil vom 10. Februar 1999 - BVerwG 1 D 66.97 -). Ebenso wurde ein
technischer Fernmeldebeamter, der Telefonapparate im Wert von über 8 300 DM
entwendete, aus dem Dienst entfernt (Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D
18.99 -). Schließlich wurde eine Beamtin, die Gegenstände der Dienstausstattung
und Büromaterial bei bestehender besonderer Obhutspflicht entwendete, mit der
Maßnahme der Dienstentfernung belegt (Urteil vom 3. Juli 2002 - BVerwG 1 D
11.01 -).
Der vorliegende Fall liegt vom Umfang und Wert der entwendeten Geräte über den
Pflichtverletzungen in den genannten Urteilen. Es ist auch entgegen den Beteuerun-
gen des Beamten nicht so, dass es ihm auf Gewinnerzielung nicht auch angekom-
men wäre. Er hat das Geld durch teure Besuche in Bars ausgegeben. Auch wenn
das Motiv des Beamten, etwas dazuverdienen zu wollen, nicht im Vordergrund ge-
standen haben mag und er mit Hilfe der Straftaten seine verkrampfte Beziehung zum
weiblichen Geschlecht lösen wollte, kann auch dies nicht zu einem Absehen von der
Verhängung der Höchstmaßnahme führen. In einem vom Motiv her vergleichbaren
Fall hat der Senat zwar von einer Dienstentfernung abgesehen (vgl. Urteil vom
22. September 1993 - BVerwG 1 D 47.92 - DokBerB 1994, 63). Hier hat der Senat
einen erheblichen Mangel an Selbstwertgefühl verbunden mit Kontaktschwierigkeiten
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und missglückten Beziehungen anerkannt. In jenem Verfahren hatte der betroffene
Beamte versucht, durch Geschenke an Kollegen und Bekannte Zuneigung und Ach-
tung zu gewinnen, um sich so aus seiner Isolierung zu befreien. Dieser Fall unter-
scheidet sich von dem vorliegenden jedoch dadurch, dass jener Beamte lediglich
Gegenstände von unbedeutendem Wert wie Scheren, Heftklammern, Bleistiftspitzer,
Locher, Kugelschreiber, Taschenleuchten, Seife und ähnliches entwendet und aus-
schließlich verschenkt hat. Im vorliegenden Fall hat der Beamte in einer Vielzahl von
Fällen wertvolle Geräte entwendet und sich schließlich hierfür auch Geld geben las-
sen, und zwar mindestens in Höhe der von ihm bei den Barbesuchen getätigten
Ausgaben. Darin wird ein nicht unerheblicher Eigennutz erkennbar.
Andere Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen
könnten, liegen ersichtlich nicht vor. Dies gilt insbesondere für den Milderungsgrund
der Schadenswiedergutmachung vor Entdeckung der Tat. Der Beamte hat den ange-
richteten Schaden erst nach der Tatentdeckung wieder gutgemacht. Die Entschei-
dung des Senats vom 28. Mai 1997 - BVerwG 1 D 74.96 - (Buchholz 232 § 54 Satz 2
BBG Nr. 12 = NVwZ-RR 1998, 506 = DÖD 1998, 69), wonach der Milderungsgrund
auch dann Anwendung findet, wenn keine vollständige Wiedergutmachung eingetre-
ten ist, der Beamte hiervon aber aus nachvollziehbaren Gründen irrtümlich ausge-
gangen ist, und auf die sich der Verteidiger offensichtlich, wenn auch unausgespro-
chen beruft, ist hier nicht einschlägig, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass
der Beamte irrtümlich von einer vollständigen Wiedergutmachung des Schadens
ausgegangen ist.
Eine mildere Bewertung des Dienstvergehens ist schließlich nicht unter dem Ge-
sichtspunkt der Resozialisierung möglich. Wiegt das Dienstvergehen so schwer, dass
damit das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn zerstört ist, kann nicht aus dem
Gesichtspunkt der Resozialisierung das Dienstverhältnis fortgesetzt werden (stRspr,
vgl. Urteil vom 21. Januar 1997 - BVerwG 1 D 26.96 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG
Nr. 10).
3. Mit dem vom Bundesdisziplinargericht bewilligten Unterhaltsbeitrag hat es sein
Bewenden. Eine längere Laufzeit als die von sechs Monaten kam nicht in Betracht.
Bei erstmaliger Gewährung eines Unterhaltsbeitrags begrenzt der Senat die Laufzeit
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der Bewilligung regelmäßig auf sechs Monate, weil grundsätzlich davon auszugehen
ist, dass in diesem Zeitraum bei einem gesunden Beamten die Möglichkeit besteht,
eine neue Erwerbsarbeit zu finden (vgl. Urteil vom 18. Februar 2003 - BVerwG 1 D
13.02 -). Weist der Beamte nach, dass er sich während des gesamten Bewilligungs-
zeitraumes nachdrücklich, aber letztlich erfolglos um eine andere Erwerbstätigkeit
bemüht hat, so kann ihm auf seinen Antrag gemäß § 110 Abs. 2 BDO bei Fortbeste-
hen der Bedürftigkeit ein Unterhaltsbeitrag neu bewilligt werden. Auch nach In-Kraft-
Treten des Bundesdisziplinargesetzes richtet sich die Neubewilligung nach altem
Recht, wenn - wie hier - die Erstbewilligung auf § 77 BDO beruht (Beschluss vom
15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - DÖD 2002, 97 = ZBR 2002, 436 = DokBerB
2002, 95). Der Beamte wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er einen etwai-
gen Antrag auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach Auflösung des Bun-
desdisziplinargerichts zum 31. Dezember 2003 bei dem dann zuständigen Verwal-
tungsgericht einreichen muss. Dies ist das für ihn zuständige Verwaltungsgericht
Karlsruhe (vgl. § 40 f. Landesdisziplinarordnung Baden-Württemberg vom 25. April
1991 - GBl S. 227 i.V.m. § 1 Abs. 2 AGVwGO und § 9 Abs. 1 LVG -, Köhler/Ratz,
BDG, 3. Aufl., Rn. 13 zu § 45).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Mayer Müller
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
BBG § 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2
SUrlV § 13 Abs. 1
Stichworte:
Postbetriebsassistent; Beurlaubung als aktiver Beamter zur Begründung eines privat-
rechtlichen Arbeitsverhältnisses bei einer Tochtergesellschaft der Deutschen Tele-
kom AG; außerdienstliches Dienstvergehen durch Entwendung von Telefongeräten
aus den Geschäftsräumen eines Telefonladens der Deutschen Telekom AG; Scha-
den über 10 000 €; Disziplinarmaß: Entfernung aus dem Dienst.
Urteil des 1. Disziplinarsenats vom 3. September 2003 - BVerwG 1 D 4.03
I. BDiG, Kammer II - ... -, 03.12.2002 - Az.: BDiG II VL 8/02 -