Urteil des BVerwG vom 15.03.2006

Spielbank, Rechtliches Gehör, Rechtskräftiges Urteil, Disziplinarverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 3.05
VG DB 10 K 3/04
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Zollobersekretär …,
…,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 15. März 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren,
Zollbetriebsinspektor Schmitz,
Posthauptsekretär Reheuser,
als ehrenamtliche Richter
sowie
Oberregierungsrätin …,
als Vertreterin der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwalt …,
als Verteidiger
und
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als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Zollobersekretärs … gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Z. vom 12. November 2004 wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I
1. Mit Anschuldigungsschrift vom 23. September 2003 hat der Bundesdiszipli-
naranwalt dem … Beamten zur Last gelegt, dadurch ein außerdienstliches
Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
im Zeitraum von 1996 bis zum 5. Juni 2000 in der Spiel-
bank X. Jetons im Gegenwert von rund 119 000 DM ein-
getauscht hat, die ein dort beschäftigter Croupier durch
eine Straftat in seinen Besitz gebracht hatte, was ihm be-
kannt war und wofür er von dem Croupier einen Anteil von
20 % erhalten hat.
In dem sachgleichen Strafverfahren hat das Amtsgericht - Schöffengericht - …
den Beamten hinsichtlich des Tatzeitraums 18. Februar 1999 bis zum 5. Juni
2000 durch rechtskräftiges Urteil vom 17. September 2002 wegen Geldwäsche
in 29 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten
auf Bewährung verurteilt. Hinsichtlich des Tatzeitraums 1. Januar 1996 bis zum
10. Februar 1999 hatte die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO von
der strafrechtlichen Verfolgung weiterer Geldwäschehandlungen des Beamten
abgesehen.
2. Das Verwaltungsgericht Z., auf das die Sache vom früheren Bundesdiszipli-
nargericht, … -, übergegangen war, hat mit Urteil vom 12. November 2004 ent-
schieden, dass der Beamte unter Bewilligung eines Unterhaltsbeitrages auf die
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Dauer von sechs Monaten in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts
aus dem Dienst entfernt wird. Es ist im Tatzeitraum 18. Februar 1999 bis zum
5. Juni 2000 von dem bindend festgestellten Sachverhalt im rechtskräftigen
Strafurteil ausgegangen. Danach stehe fest, dass der Beamte innerhalb von
16 Monaten in 30 Fällen Jetons der Spielbank im Gesamtwert von 58 925 DM,
die zuvor von einem befreundeten Croupier veruntreut worden seien, eingelöst
habe. Der Beamte, der über die Herkunft der Jetons unterrichtet gewesen sei,
habe 20 % des Einlösungsbetrages erhalten. Ergänzend hat das Verwaltungs-
gericht aufgrund der verwertbaren Einlassungen des Beamten in den Beschul-
digtenvernehmungen durch den Amtsrichter und die Kriminalpolizei festgestellt,
dass der Beamte in gleicher Weise wie in den abgeurteilten Fällen in der Zeit
von Frühjahr 1996 bis Ende 1998 in mindestens zehn weiteren Fällen für den
Croupier bei der Spielbank veruntreute Jetons im Wert von jeweils mindestens
1 000 DM eingewechselt habe. Der Spielbank sei dadurch ein weiterer Schaden
von mindestens 10 000 DM entstanden. Der Beamte habe auch von Anfang an
gewusst, dass die Jetons aus Straftaten des Croupiers gestammt hätten.
Das Verwaltungsgericht hat die festgestellte Handlungsweise des Beamten als
vorsätzlich schuldhaft begangenes außerdienstliches Dienstvergehen (§ 54
Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) gewertet, das sehr schwer wiege und mit
der Entfernung aus dem Dienst geahndet werden müsse. Die Geldwäsche sei
mit einer Hehlerei vergleichbar. In einem solchen Fall habe das Bundesverwal-
tungsgericht den Beamten aus dem Dienst entfernt. Für eine solche Maßnahme
spreche ferner der beträchtliche Umfang der Verfehlungen. Der Beamte habe
fortgesetzt - in 40 Fällen - versagt sowie einen hohen Schaden mitverursacht.
Ihn belaste zudem der Umstand, dass er straffällig geworden sei, obwohl er als
Angehöriger des Zolls auch die Aufgabe gehabt habe, Straftaten zu verfolgen.
Die von ihm begangene Geldwäsche habe daher trotz ihrer außerdienstlichen
Verwirklichung einen innerdienstlichen Bezug. Von einem Beamten, der
schwere Straftaten begangen habe, könne nicht mehr erwartet werden, dass er
der Aufgabe gerecht werde, Straftaten zu verhindern. Durchgreifende
Milderungsgründe stünden ihm nicht zur Seite.
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3. Hiergegen hat der Beamte durch seinen Verteidiger rechtzeitig Berufung ein-
gelegt mit dem Antrag, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Zur
Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Trotz zwischenzeitlich erfolgter Auflösung des Bundesdisziplinargerichts sei das
Verwaltungsgericht Z. sachlich und örtlich nicht zuständig. Das Gericht habe
auch in der Sache zu Unrecht die Entfernung aus dem Dienst ausgesprochen.
Seine, des Beamten, Aussagen im polizeilichen Ermittlungsverfahren hätten im
Disziplinarverfahren nicht verwertet werden dürfen. Die Beweiswürdigung des
Verwaltungsgerichts sei zudem nicht nachvollziehbar. Die Pflichtverletzungen
erfüllten auch nicht den von der Rechtsprechung geforderten qualifizierten Tat-
bestand des außerdienstlichen Dienstvergehens. Es fehle insbesondere am
Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit. Er sei gerade nicht in dem Bereich ein-
gesetzt gewesen, der mit der Überwachung des grenzüberschreitenden Bar-
geldverkehrs im Rahmen des neu geschaffenen Geldwäschetatbestands be-
fasst gewesen sei. Auch seine Stellung als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft
sei disziplinarrechtlich ohne Bedeutung. Dienstort und Spielbankort seien nicht
nur nicht identisch, sondern lägen auch in unterschiedlichen Bundesländern. Als
Spielbankbesucher habe sein Beruf keine Rolle gespielt. Der Fall habe auch
nicht das behauptete große Interesse in der Öffentlichkeit gefunden. Es habe
lediglich einen kurzen Zeitungsbericht gegeben. Verfehlt sei es auch, dem
Geldwäschedelikt den gleichen Unrechtsgehalt zuzubilligen wie einer Hehlerei.
Ihm sei es im Wesentlichen darum gegangen, zu günstigen Bedingungen in den
Besitz der durch den Croupier entwendeten Jetons zu kommen, um diese für
eigene Zwecke beim Glücksspiel zu verwenden, was letztlich bedeutet habe,
sie auf diesem Wege in den Kreislauf der Spielbank zurückzuführen. Er habe
die Vielzahl gleichartiger Rechtsverletzungen aus falsch verstandener
Freundschaft zum Haupttäter begangen; inzwischen habe sich ihr Verhältnis
getrübt. Im Übrigen gälten für solche milieubedingten Verfehlungen im „Graube-
reich“ der Spielbanken andere Maßstäbe als für Pflichtverletzungen im „norma-
len täglichen Leben“. Schon seit einiger Zeit habe er sich aus der Spielbank-
szene gelöst.
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II
Die Berufung des Beamten bleibt ohne Erfolg.
Das im August 2001 förmlich eingeleitete Disziplinarverfahren ist nach bisheri-
gem Recht, d.h. auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am
1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdiszi-
plinarordnung fortzuführen. Dies ergibt sich aus den Übergangsbestimmungen
des § 85 Abs. 3 BDG. Zu Recht hat auch das Verwaltungsgericht Z. entschie-
den. Das seit dem 1. Oktober 2003 beim Bundesdisziplinargericht anhängig
gewesene Disziplinarverfahren war mit der Auflösung des Gerichts am
31. Dezember 2003 (§ 85 Abs. 7 Satz 1 BDG) auf das sachlich und örtlich zu-
ständige Verwaltungsgericht Z. - Disziplinarkammer - übergegangen. Dessen
Zuständigkeit folgt aus § 85 Abs. 7 Satz 2, § 45 BDG i.V.m. §§ 40, 41, 42
Abs. 1 Satz 1 LDO ... Nach § 41 LDO … werden bei den Verwaltungsgerichten
- A., B., C. und Z. - Disziplinarkammern gebildet. Zuständig ist die Disziplinar-
kammer, in deren Bezirk der Beamte bei Einleitung des förmlichen Disziplinar-
verfahrens seinen dienstlichen Wohnsitz hat (§ 42 Abs. 1 Satz 1 LDO …). Der
dienstliche Wohnsitz des Beamten bestimmt sich in Anlehnung an die gleich-
lautende Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 BBesG nach dem Sitz der Behörde,
der er angehörte, d.h. hier im August 2001 dem Hauptzollamt Y. Für den Land-
kreis ist gemäß § 1 Abs. 2 AGVwGO … das Verwaltungsgericht Z. zuständig.
Die nicht näher begründete Zuständigkeitsrüge der Berufung geht daher fehl.
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Beamte zieht zwar nicht die
Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil in Zweifel. So-
weit das Verwaltungsgericht jedoch eigene Sachverhaltsfeststellungen getroffen
hat, greift er diese an und rügt - insgesamt - die Annahme eines außer-
dienstlichen Dienstvergehens. Die Berufung wendet sich also nicht nur gegen
die erstinstanzliche Bemessung der Maßnahme. Der Senat hat danach den
Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
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1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweis-
mittel geht der Senat in weitgehender Übereinstimmung mit dem Verwaltungs-
gericht in objektiver und subjektiver Hinsicht von folgendem Sachverhalt aus:
a) Nach den gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO bindenden tatsächlichen Feststel-
lungen im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - …
vom 17. September 2002 zum äußeren Geschehensablauf und zum Verschul-
den löste der Beamte, der damals beim Zollkommissariat Y. als Grenzauf-
sichtsbeamter eingesetzt war, in den 30 im Strafurteil (UA S. 9) genannten Fäl-
len im Zeitraum vom 18. Februar 1999 bis zum 5. Juni 2000 zu nicht mehr nä-
her bestimmbaren Zeitpunkten außer Dienst Jetons in der Spielbank X. ein.
Diese hatte er zur Einlösung von dem mit ihm befreundeten Croupier … erhal-
ten, der sie zuvor unberechtigt an sich genommen hatte und deshalb wegen
gewerbsmäßiger Untreue verurteilt worden ist. Der dadurch der Spielbank ent-
standene Schaden betrug mindestens 58 925 DM. Das dem Beamten ausge-
zahlte Bargeld teilten sich dieser und der Croupier jeweils im Verhältnis 1 zu 5
(UA S. 9). Die Herkunft der Jetons war dem Beamten seit 1996 bekannt (UA
S. 11 f.; s. auch unten zu 1 b), a.E.). Die strafrechtliche Verurteilung des Beam-
ten setzte ein vorsätzlich schuldhaftes Handeln voraus.
b) Da die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, gemäß § 154 Abs. 1 StPO von
der strafrechtlichen Verfolgung der Geldwäschehandlungen des Beamten teil-
weise abzusehen, keine Sperrwirkung für eine disziplinarrechtliche Verfolgung
des angeschuldigten Fehlverhaltens auslöst, geht der Senat in weitgehender
Übereinstimmung mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts davon aus,
dass der Beamte in gleicher Weise wie vom Strafgericht unter a) festgestellt im
Zeitraum von Juli 1996 bis Ende 1998 in mindestens zehn weiteren Fällen für
den Croupier … bei der Spielbank Jetons im Wert von jeweils mindestens
1 000 DM einwechselte, die dieser unberechtigt an sich gebracht hatte. Dabei
entstand der Spielbank ein Schaden in einer Größenordnung von etwa
10 000 DM. Der 20%ige Gewinn des Beamten belief sich auf etwa 2 000 DM.
Dieser wusste auch seit Juli 1996, dass die Jetons aus Straftaten des Croupiers
und nicht aus so genannten Kreditgeschäften mit Kunden der Spielbank
stammten.
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Dieser Sachverhalt beruht vor allem auf den Einlassungen des Beamten an-
lässlich seiner Beschuldigtenvernehmung vom 16. Mai 2001 durch den Amts-
richter und vom 21. Mai 2001 durch die Kriminalpolizei. Die Verlesung dieser
Aussagen in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (§ 74 Abs. 1 Satz 3 BDO)
- und auch vor dem Senat - sowie ihre Verwertung sind nicht zu beanstanden.
Dies gilt, entgegen der Auffassung des Beamten, insbesondere auch für dessen
Einlassungen im polizeilichen Ermittlungsverfahren.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 BDO können Niederschriften über Aussagen von Per-
sonen, die schon in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren vernom-
men worden sind, im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Vernehmung ver-
wertet werden. Bei dem polizeilichen Ermittlungsverfahren handelt es sich um
ein „gesetzlich geordnetes Verfahren“ im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 BDO
(Beschluss vom 27. Februar 1980 - BVerwG 1 DB 3.80 - BVerwGE 63, 339).
Einer Verwertung der Beschuldigteneinlassung des Beamten steht auch nicht
entgegen, dass das kriminalpolizeiliche Vernehmungsprotokoll vom 21. Mai
2001 keine ausdrückliche Belehrung über ein Schweigerecht des Beamten ent-
hält. Eine solche Belehrung war gemäß § 163a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1
Satz 2 StPO bei der „ersten“ polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am
15. Mai 2001 erteilt worden. Das reicht nach dem Gesetz aus. Im Übrigen gilt
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 38, 214
<224 f.>; 47, 172 <173>) ein Verwertungsverbot dann nicht, wenn feststeht,
dass der Beschuldigte sein Recht zu schweigen ohne Belehrung gekannt hat.
Nach der wertenden Abwägung ist er dann nicht so schutzwürdig wie derjenige,
der sein Schweigerecht nicht gekannt hat. In einem solchen Fall kann dem Inte-
resse an der Aufklärung des Sachverhalts und der Durchführung des Verfah-
rens Vorrang gegeben werden. So liegt es hier. Der Beamte hatte nach der po-
lizeilichen Belehrung über sein Schweigerecht am 15. Mai 2001 von diesem
Recht ausdrücklich Gebrauch gemacht und nicht zur Sache ausgesagt. Am
Folgetag hat er sich vor dem Amtsrichter nach erneuter Belehrung und in An-
wesenheit seines Verteidigers zur Sache eingelassen. Bei der zweiten - hier
maßgebenden - polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 21. Mai 2001 hat
der Beamte dann in Kenntnis seines Schweigerechts die ausdrückliche Frage
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des vernehmenden Kriminalhauptkommissars, ob er Angaben zur Sache ma-
chen wolle, bejaht.
Die Verwertung der Einlassungen des Beamten vom 21. Mai 2001 gemäß § 21
Abs. 1 Satz 2 BDO scheitert auch nicht an dem gesetzlichen Merkmal eines
„anderen“ Verfahrens. Während der Begriff des „anderen gesetzlich geordneten
Verfahrens“ in § 17 Abs. 2 und § 18 Abs. 2 BDO wegen der jeweiligen Haupt-
regelungen in den Absätzen 1 Verfahren mit sachgleichen Vorwürfen grund-
sätzlich nicht erfasst (vgl. z.B. Beschluss vom 2. Mai 1968 - BVerwG 1 DB
3.68 - BVerwGE 33, 147 <149>; Behnke, BDO, 2. Aufl. 1970, § 17 Rn. 16), gilt
diese Einschränkung nicht für § 21 Abs. 1 Satz 2 BDO; dem gleichlautenden
Begriff muss in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen keine einheitli-
che Bedeutung zukommen. Der Grundsatz der mittelbaren Beweisaufnahme in
§ 21 Abs. 1 Satz 2 BDO beruht gerade auf der Überlegung, dass disziplinarisch
entscheidungserhebliche Aussagen von Personen aus einem „anderen gesetz-
lich geordneten Verfahren“ (z.B. das Geständnis des Beamten oder Aussagen
von Zeugen und Sachverständigen im vorangehenden staatsanwaltlichen Er-
mittlungsverfahren, vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl. 1996, § 21 Rn. 3;
Weiß, in: GKÖD, Band II, Teil 3, BDO, K § 21 Rn. 150; vgl. auch Beschluss vom
8. Oktober 1985 - BVerwG 1 D 94.85 - DokBer B 1985, 321 und Urteil vom
28. Oktober 1997 - BVerwG 1 D 60.97 - DokBer B 1998, 136) ohne nochmalige
Vernehmung verwertbar sein sollen. Es muss freilich sichergestellt sein, dass
dem Beamten insoweit im Disziplinarverfahren rechtliches Gehör gewährt wor-
den ist. Dem ist sowohl in der Untersuchung als auch in den Hauptverhandlun-
gen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat entsprochen worden.
In der Sache folgt der Senat der zutreffenden und nachvollziehbaren Beweis-
würdigung des Verwaltungsgerichts (UA S. 13 oben bis S. 14 Mitte), die vom
Beamten nicht substantiiert angegriffen wird, mit der Einschränkung, dass der
Beamte erst im Juli 1996 mit den Einwechselungen begann und von da ab
wusste, dass der Croupier … die Jetons unrechtmäßig an sich gebracht hatte.
Maßgebend dafür ist die Tatsache, dass das für den damals in X. wohnhaften
Beamten gemäß § 4 Abs. 2 der Spielordnung … für die internationale Spielbank
X. GmbH & Co. KG vom 13. Dezember 1985 … geltende Verbot, die Spielsäle
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für die „Großen Spiele“ zu besuchen (so genanntes Residenzverbot) mit dem
Inkrafttreten der Spielbankordnung … vom 13. Juni 1996 … am 1. Juli 1996
(vgl. § 12) seine Gültigkeit verlor. Bei seiner ersten richterlichen Vernehmung
hat der Beamte angegeben:
„Das Residenzverbot bestand bis Mitte 1996 … Nachdem
das Residenzverbot aufgehoben worden war, war ich ca.
einmal im Monat in der Spielbank als Gast … Von der
Tatsache, dass der Croupier Jetons einsteckte, habe ich
definitiv erst 1996, nach Aufhebung des Residenzverbots,
erfahren. Ich habe auch schon davor damit gerechnet,
dass der Croupier die ganzen Jetons nicht auf rechtmäßi-
ge Weise von Kunden, sondern auf strafbare Weise er-
langt hatte …“
Bei seiner Aussage vor der Kriminalpolizei fünf Tage später hat der Beamte als
maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn seines Fehlverhaltens wieder die Auf-
hebung des Residenzverbots im Jahr 1996 erwähnt; er habe nun selbst zur
Spielbank gehen dürfen. Seine anschließende Einlassung:
„Dann hat mich vermutlich im Frühjahr 1996 der Croupier
darauf angesprochen, dass er wieder Jetons hat. Bei die-
ser Gelegenheit hat er mich auch darüber aufgeklärt, dass
er selbst diese Jetons unerlaubterweise immer an sich
nimmt. Er schilderte mir verschiedene Arbeitsweisen, …“
lässt sich deshalb dahin verstehen, dass der Beamte zumindest ab Juli 1996,
als er im festgestellten Umfang mit der Einlösung der Jetons begann, auch von
deren Herkunft wusste. Zwar hat er in der Hauptverhandlung vor dem Senat
erneut behauptet, erst 1998 von dem Croupier über die Herkunft der Jetons
unterrichtet worden zu sein. Dies ist jedoch nicht glaubhaft, wie bereits das Ver-
waltungsgericht überzeugend dargelegt hat; darauf wird Bezug genommen. Die
anfänglichen Angaben hält der Senat - in Übereinstimmung auch mit dem Straf-
richter - vor allem deshalb für glaubhaft und zutreffend, weil sie sich in zeitlicher
Hinsicht an konkret nachprüfbaren Umständen festmachen und sich auch sonst
in den Gesamtzusammenhang fügen. Der Beamte war mit dem Croupier eng
befreundet und kannte sich mit den für das Spielbankenpersonal geltenden
Regeln bestens aus. Sein späteres Abrücken von den ursprünglichen Einlas-
sungen beruht zur Überzeugung des Senats allein auf einem prozesstaktischen
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Erfahrungsgewinn. Auch ist zuletzt im Verteidigerschriftsatz vom 25. Juni 2004
an das Verwaltungsgericht erneut eingeräumt worden, es solle nicht bestritten
werden, dass der Beamte zumindest von 1996 bis 1999 für den Croupier von
diesem illegal erworbene Jetons eingetauscht habe. Dass diese Jetons dann
tatsächlich unerlaubt entwendet worden seien, habe der Beamte im Laufe des
Jahres 1996 erstmals erfahren.
2. Durch die vorstehend festgestellte Handlungsweise hat der Beamte vorsätz-
lich ein einheitliches außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 54
Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG begangen. Dies hat auch das Verwal-
tungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt. Der Beamte hat seine Dienst-
pflichten gemäß § 54 Satz 3 BBG verletzt. Nach dieser Vorschrift muss das
Verhalten eines Beamten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem
Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Dabei ist nach der neueren
Senatsrechtsprechung (z.B. Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D
4.01 - ZBR 2002, 398 = NVwZ 2002, 1519 = DokBer B 2002, 135 m.w.N.) bei
der Prüfung des § 54 Satz 3 BBG die Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG
konkretisierend zu berücksichtigen. Nach der letztgenannten Vorschrift ist ein
Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es
nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Ach-
tung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums
bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Erfordernisse des Berufs im Sinne
von § 54 Satz 3 BBG ergeben sich aus dem „Amt“ des Beamten und dem „An-
sehen“ des Beamtentums im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG. Die Tatbe-
standsmerkmale „Amt“ und „Ansehen“ sind daher, das Merkmal „die sein Beruf
erfordert“ ausfüllend, bereits bei der Prüfung zu würdigen, ob eine Pflichtverlet-
zung im Sinne von § 54 Satz 3 BBG vorliegt. Unter „Amt“ im Sinne von § 77
Abs. 1 Satz 2 BBG ist dabei das Amt im konkret-funktionellen Sinn zu verstehen
(vgl. Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <216>
m.w.N.).
Das rechtskräftig wegen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 4
Buchst. a StGB i.d.F. des Gesetzes vom 13. November 1998 (BGBl I S. 3322)
bestrafte und das weitere, zuvor gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 StGB
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i.d.F. des Gesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S. 3186) strafbare Fehlver-
halten des Beamten im gesamten Zeitraum von Juli 1996 bis Juni 2000 war ge-
eignet, negative Rückschlüsse auf seine dienstliche Vertrauenswürdigkeit in
seinem Amt als Angehöriger des Zollgrenzdienstes zu ziehen. Vom 1. Januar
1995 bis zum 14. Mai 2000 war der Beamte, seit Oktober 1998 im Rang eines
Zollobersekretärs, beim Zollkommissariat Y. als Grenzaufsichtsbeamter einge-
setzt. Seine konkreten Dienstpflichten waren in diesem Amt u.a. grenzpolizeilich
geprägt. Aufgrund des § 62 BGSG a.F. waren durch Verordnung vom 25. März
1975 (BGBl I S. 1068) - BGSZollV - polizeiliche Aufgaben des Grenzschutzes
zur Ausübung auf die Zollverwaltung übertragen worden. Nach § 1 BGSZollV
i.V.m. der Anlage galt dies u.a. auch für die Grenzübergangsstelle Y. Nach § 1
Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung der Landesregierung … über die Hilfsbeamten der
Staatsanwaltschaft vom 12. Februar 1996 … hatte der Beamte als Zollsekretär
und später als Zollobersekretär eine entsprechende besondere
Verantwortungsstellung gemäß § 152 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GVG. Die
außerdienstlichen Geldwäschehandlungen des Beamten waren vor allem aber
deshalb geeignet, Rückschlüsse auf seine mangelnde dienstliche Vertrauens-
würdigkeit zu ziehen, weil im Rahmen der Bekämpfung der Geldwäsche u.a. die
Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs zu den generellen
Aufgaben des Zollgrenzdienstes und damit auch zum dienstlichen Aufga-
benbereich des Beamten gehörte. Erstmals durch Erlass des Bundesministe-
riums der Finanzen vom 29. August 1995 war ab 1. Oktober 1995 für vier Mo-
nate angeordnet worden, im grenzüberschreitenden Personen- und Warenver-
kehr den Transport von Bargeld über einen Schwellenwert von 20 000 DM zu
erfassen; im Falle des konkreten Verdachts strafbarer Geldwäsche war das
Zollfahndungsamt einzuschalten (Ausführungsverfügung der Oberfinanzdirek-
tion … vom 4. September 1995). Die Verpflichtung zur Erfassung von grenz-
überschreitenden Bargeldtransporten über einem Schwellenwert von
20 000 DM wurde wiederholt verlängert bis sie - auf der Grundlage des Geset-
zes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom
4. Mai 1998 (BGBl I S. 845) - durch Erlass des Bundesministeriums der Finan-
zen vom 7. April 1998 i.V.m. der ab 1. Juni 1998 anzuwendenden Verwaltungs-
vorschrift zur Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs abge-
löst wurde; der Schwellenwert wurde auf 30 000 DM angehoben. Mit Erlass
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vom 27. Juli 1998 wurde die Verwaltungsvorschrift nochmals geändert. Als in-
nerdienstlich geltende Verwaltungsanordnungen haben sie den Aufgabenbe-
reich des Beamten konkretisiert, ohne dass es hier darauf ankommt, ob ihm ihr
Inhalt im Einzelnen damals bekannt war.
Aber auch im Hinblick auf das berufserforderliche Ansehen des Beamtentums
hat der Beamte gegen § 54 Satz 3 BBG verstoßen. Nach der Rechtsprechung
des Senats dient die Wahrung des „Ansehens des Beamtentums“ der Erhaltung
der Grundlagen eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche ge-
setzestreue Verwaltung. Der Beamte darf das Vertrauen, dass er diesem Auf-
trag gerecht wird, auch außerdienstlich nicht beeinträchtigen (vgl. Urteil vom
12. Dezember 2001 a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob im konkreten
Fall eine Ansehensschädigung tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr
aus, dass das Verhalten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung
auszulösen (Urteil vom 8. Mai 2001 a.a.O. BVerwGE 114, 212 <218>; vgl. auch
Urteil vom 16. März 2004 - BVerwG 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG
Nr. 36 = NVwZ-RR 2004, 867). So liegt es hier. Das teils rechtskräftig bestrafte
und das weitere strafbare außerdienstliche Verhalten des Beamten war geeig-
net, das Ansehen des Beamtentums zu beeinträchtigen.
Das Fehlverhalten des Beamten erfüllt auch die besonderen qualifizierenden
Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG. Zwar wird von einem Beamten
außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von einem
Durchschnittsbürger (Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 -
BVerwGE 112, 19 <26>). Hier übersteigt jedoch das Fehlverhalten des Beam-
ten das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Min-
destmaß an disziplinarischer Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen
Anforderungen an ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG.
Es ist durch einen langen Tatzeitraum von fast vier Jahren und durch einen vom
Beamten mitverursachten Gesamtschaden von weit über 60 000 DM geprägt.
Das Strafgericht hat einen Teil dieser gravierenden Verfehlungen deshalb auch
nicht zu Unrecht mit einer längeren Freiheitsstrafe geahndet.
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3. Das Verwaltungsgericht hat den Beamten im Ergebnis zu Recht aus dem
Dienst entfernt.
Der Ausspruch einer solchen Disziplinarmaßnahme setzt voraus, dass der Be-
amte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder
der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. jetzt § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG;
dazu näher Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 -). Bei der Frage
nach der Schwere des Dienstvergehens ist maßgebend auf das Eigengewicht
der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Hand-
lungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverlet-
zung, z.B. inner- oder außerdienstliche Pflichtverletzung, sowie besondere
Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten
Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Ge-
wicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmit-
telbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte
(z.B. materieller Schaden, vgl. dazu auch Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O.).
Das außerdienstliche Dienstvergehen des Beamten wiegt schwer. Ein Zollbe-
amter im Grenzaufsichtsdienst, der sich außerhalb des Dienstes der Geldwä-
sche strafbar gemacht hat und wegen dieses Vergehens auch bestraft worden
ist, verletzt in schwerwiegender Weise die Pflicht zu achtungs- und vertrau-
enswürdigem Verhalten. Auch wenn die außerdienstliche Geldwäsche (§ 261
StGB) mit der außerdienstlichen Hehlerei (vgl. zuletzt Urteil vom 23. Februar
2000 - BVerwG 1 D 65.99 - m.w.N.) nicht ohne weiteres gleichzusetzen ist,
kommt dem außerdienstlichen Dienstvergehen erhebliches Gewicht zu. Dies
ergibt sich bereits aus dem engen innerdienstlichen Bezug des Fehlverhaltens.
Nicht nur die Bekämpfung der Geldwäsche gehört allgemein zu den Aufgaben
des Zollgrenzdienstes. Der Beamte hat generell auch der Verletzung von
Rechtsvorschriften entgegenzuwirken und als Hilfsbeamter der Staatsanwalt-
schaft gegebenenfalls an der Verfolgung von Straftaten mitzuwirken. Zudem
dient der Verschleierungstatbestand der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 StGB) ge-
rade dem Schutz der staatlichen Rechtspflege und dem Ermittlungsinteresse
der Strafverfolgungsbehörden (amtliche Begründung, vgl. BTDrucks 12/989,
S. 26 f.). Für die Schwere des außerdienstlichen Dienstvergehens sprechen
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ferner der beträchtliche Umfang der vorsätzlich begangenen Verfehlungen und
deren Folgen (objektive und subjektive Handlungsmerkmale, unmittelbare Fol-
gen des Dienstvergehens). Der Beamte hat über einen Zeitraum von etwa vier
Jahren in 40 Fällen wiederholt schwer versagt und bei der Spielbank in X. ei-
nen hohen Schaden (weit über 60 000 DM) mit verursacht. Er hat auch eigen-
nützig, d.h. aus persönlichen Gründen gehandelt (vgl. dazu z.B. Urteil vom
19. Mai 1998 - BVerwG 1 D 20.96 - BVerwGE 113, 221 <222> zu § 54 Satz 2
BBG). Die Straftaten beruhten einmal auf der engen Freundschaft zu dem
Croupier. Ob der 20%ige Gewinn daneben als mit der Zeit eine noch bedeu-
tendere Triebfeder des Fehlverhaltens geworden ist, kann letztlich jedoch offen
bleiben; denn er war dem Beamten jedenfalls sehr willkommen. Seiner eigenen
tatzeitnahen Einlassung zufolge hat er das nach dem Spielen übrig gebliebene
Geld für seine Lebensführung verbraucht.
Das schwere Dienstvergehen ist auch geeignet, das Vertrauensverhältnis des
Beamten zu seinem Dienstherrn zu zerstören, so dass die Entfernung aus dem
Dienst die allein angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Durch das schwere
Dienstvergehen hat der Beamte das Vertrauen seines Dienstherrn und der All-
gemeinheit endgültig verloren. Dies ist nach objektiven Gesichtspunkten zu
beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen
Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver
Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden
und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in
Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entschei-
dungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beam-
ten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegen-
bringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und
entlastenden Umstände bekannt würde; auf ein zufälliges Bekanntwerden der
Verfehlungen in der Öffentlichkeit - wie hier durch einen Pressebericht … vom
18. September 2002 - kommt es allerdings nicht an. Es ist eine umfassende
Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung aller wesentlicher belastender
und entlastender Umstände des Einzelfalls - einschließlich des Persönlich-
keitsbildes des Beamten - zu treffen. Dies gebietet auch der Grundsatz der
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Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot; vgl. dazu insgesamt Urteil vom
20. Oktober 2005 a.a.O. zu § 13 BDG).
Als mildernden Umstand kann sich der Beamte nur mit Erfolg darauf berufen,
dass er straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und den Schaden ge-
genüber der Spielbank in X. alsbald wieder gutgemacht hat. Das kann ihn an-
gesichts der Schwere des Dienstvergehens nicht entlasten. Zum Schadens-
ersatz war er ohnedies rechtlich verpflichtet. Er hatte sich zuletzt auch nicht
mehr durch gute dienstliche Leistungen ausgezeichnet. Besondere Milderungs-
gründe für sein Tatverhalten (finanzielle Notlage, familiäre Probleme) standen
ihm ebenfalls nicht zur Seite. Entlastend kann auch nicht berücksichtigt werden,
dass sich das Dienstvergehen im „Graubereich“ der Spielbanken ereignet hat,
wie der Beamte dies bezeichnet. Es handelt sich dabei nicht um einen rechts-
freien Raum. Der Betrieb einer Spielbank ist zwar eine an sich unerwünschte
Tätigkeit, die der Staat jedoch in kontrollierter Form erlaubt, um das illegale
Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Men-
schen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und da-
durch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen
(vgl. BVerfGE 102, 197 <215>). Die Spielbank in X. unterliegt deshalb dem Ge-
setz über Spielbanken … vom 26. Juli 1995 … und der bereits erwähnten Spiel-
bankordnung von 1996. Gerade die staatlichen Bemühungen um eine ange-
messene Kontrolle lassen deutlich genug werden, dass es nicht hinzunehmen
ist, wenn ein Zollbeamter sich in der geschehenen kriminellen Weise auf Kosten
der Spielbank bereichert.
Eine für den Beamten günstige Zukunftsprognose kann sich auch nicht auf den
Umstand stützen, dass sein Fehlverhalten Anfang Juni 2000 endete, d.h. vor
Entdeckung seiner Tatbeteiligung im April 2001. Eine mildere Bewertung des
schwerwiegenden Dienstvergehens wäre nur möglich, wenn der bisher unbe-
scholtene Beamte sein Fehlverhalten vor Tatentdeckung freiwillig vollständig
und vorbehaltlos offenbart hätte; dann hätte er ein Persönlichkeitsbild gezeigt,
das ohne weiteres ein Absehen vom Ausspruch der Entfernung aus dem Dienst
rechtfertigen würde (vgl. zum entsprechenden Milderungsgrund bei Zugriffsde-
likten Urteil vom 9. Mai 1990 - BVerwG 1 D 81.89 - BVerwGE 86, 283 ff.; Urteil
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vom 27. Mai 1997 - BVerwG 1 D 70.96 - DokBer B 1998, 9). Eine solche Of-
fenbarung liegt jedoch nicht vor. Der Beamte hat sein Fehlverhalten deshalb
eingestellt, weil es im Juni 2000 wegen persönlicher Gründe zur Trennung von
dem Croupier gekommen war; zudem war durch die Eröffnung des neuen Ka-
sinos mit Videoüberwachung das Entdeckungsrisiko gestiegen.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Beamten und der
dafür erforderlichen Abwägung aller be- und entlastender Umstände, ins-
besondere unter Berücksichtigung der Schwere des über einen langen Zeit-
raum begangenen und des hohen Schadens des außerdienstlichen Dienstver-
gehens sowie des Fehlens durchgreifender Milderungsgründe, ist der Eintritt
eines endgültigen Vertrauensverlusts festzustellen. Zudem kann von einem
Zollbeamten, der eine schwere Straftat (Geldwäsche) begangen hat, die ihn im
Blick auf § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG an den Rand seiner Tragbarkeit für den öffent-
lichen Dienst bringt, nicht mehr erwartet werden, dass er seinen dienstlichen
Aufgaben gerecht wird, der Verletzung von Rechtsvorschriften entgegen- und
an der Verfolgung von Straftaten mitzuwirken. Die Entfernung aus dem Dienst
ist danach die erforderliche und angemessene Reaktion. Sie ist auch im Übri-
gen nicht unverhältnismäßig (vgl. zum Fall eines außerdienstlichen Betrugs
Urteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24
m.w.N.).
4. Mit dem vom Verwaltungsgericht bewilligten Unterhaltsbeitrag hat es sein
Bewenden.
Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der
Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in
eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern. Diesem
Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte nachweisbar und in
ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend um die Aufnahme einer anderen Er-
werbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Le-
bensgrundlagen bemüht. Der Senat macht vorsorglich darauf aufmerksam,
dass sich die Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nicht auf die Meldung
beim Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) als arbeitsuchend beschränken dürfen.
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Der Beamte ist von vornherein gehalten, sich rechtzeitig und fortwährend z.B.
auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitungen oder im Internet zu bewerben
und auch selbst, beispielsweise durch eigene Stellengesuche, initiativ zu wer-
den. Dabei ist es ihm auch zuzumuten, einfache Arbeiten, die keine oder nur
eine geringe Qualifikation voraussetzen, anzunehmen. Der Nachweis dieser
Bemühungen und deren Erfolglosigkeit sind auch Voraussetzung einer etwai-
gen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO nach
Antragstellung bei dem zuständigen Verwaltungsgericht (vgl. zur Rechtslage
nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetz: Se-
natsbeschlüsse vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - Buchholz 235
§ 110 BDO Nr. 10 = ZBR 2002, 436 = DokBer B 2002, 95 und vom 19. Oktober
2004 - BVerwG 1 DB 5.04 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers Dr. Müller Heeren
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Formelles und materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2
BDG
§§ 45, 85 Abs. 3 und 7
BDO
§ 18 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 2
LDO …
§§ 40, 41, 42 Abs. 1 Satz 1
AGVwGO …
§ 1 Abs. 2
StGB
§ 261
Stichworte:
Verwertbarkeit der Beschuldigteneinlassung vor der Kriminalpolizei; Zollbeamter
(Grenzaufsichtsdienst); außerdienstliches Dienstvergehen (Einlösung der von
einem Croupier veruntreuten Jetons); Strafurteil (11 Monate Freiheitsstrafe
wegen Geldwäsche); Umfang und Dauer der Verfehlungen (40 Fälle, Tatzeit
4 Jahre, Schaden weit über 60 000 DM, eigennütziges Handeln); keine durch-
greifenden Milderungsgründe; Disziplinarmaß: Entfernung aus dem Dienst.
Urteil des Disziplinarsenats vom 15. März 2006 - BVerwG 1 D 3.05
I. VG Z. vom 12.11.2004 - Az.: VG DB 10 K 3/04 -