Urteil des BVerwG vom 17.11.2005

Dienstliche Anordnung, Abend, Ausbildung, Disziplinarverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 17.04
VG 7 A 3/04
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Polizeihauptmeister … ,
…,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 17. November 2005,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H e i t z ,
Postbetriebsinspektorin O s m a n
und Polizeihauptmeister W e m h e u e r
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektor …
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwalt …,
als Verteidiger
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und
Protokollführerin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Polizeihauptmeisters … gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts … vom 17. November 2004 wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
1. Die Leiterin der Grenzschutzschule … hat dem Beamten mit Anschul-
digungsschrift vom 3. Juni 2004 vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen
zu haben, dass er:
1. am Abend des 4. Mai 2000 den erfolgreichen Abschluss eines Lehr-
gangs mit dem Lehrpersonal und Lehrgangsteilnehmern in der Kantine der
Zollhundeschule B. gefeiert habe. In Anwesenheit von Beamten der Zoll-
hundeschule, der Lehrgangsteilnehmer eines Rauschgiftspürhunde-
Lehrgangs des Zolls, vier Zollbeamten aus Bulgarien und Mazedonien so-
wie einer Dolmetscherin aus Mazedonien habe er unter erheblicher Alko-
holeinwirkung
a) Spirituosenflaschen (2cl) aus Glas nach Konsum im hohen Bogen hinter
die ca. 2 m entfernte Theke geworfen und dabei die Büffethilfskraft Frau B.
stark gefährdet,
b) die anwesenden BGS-Kollegen zum Werfen der Spirituosenflaschen
(2cl) aufgefordert,
c) im Streit mit einem Zollbeamten einen Aschenbecher aus Glas hinter
die Theke geworfen und eine leere Cola-Flasche auf dem Abtropfbecken
zu zerschlagen versucht,
d) gegenüber den schlichtend einschreitenden Zollbeamten geäußert:
"Wenn Euch unser Verhalten nicht passt, dann müsst Ihr gehen; wir haben
hier das Sagen" und bezogen auf die Büffethilfskraft Frau B "Sie sind
schließlich dafür da, uns zu bedienen und den Dreck wegzuräumen";
2. seit 1999, insbesondere auf dem Grundlehrgang I und II/14 2000 vom
27. März bis 28. April 2000 und vom 13. Juni bis 14. Juli 2000, in der
Diensthundeschule B. zur Diensthundeausbildung Teletaktgeräte und an-
dere Elektroimpulsgeräte, sog. "Schweinetreiber", eingesetzt habe, obwohl
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deren Einsatz in der Aus- und Fortbildung der Diensthunde im BGS unter-
sagt sei;
3. im Zeitraum vom 30. Oktober 2001 bis 9. November 2001 das Dienst-
fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... unerlaubt zu privaten Zwe-
cken genutzt habe und
4. durch unrichtige Angaben in seinem Forderungsnachweis für die Tren-
nungsgeldabrechnung bei täglicher Rückkehr an den Wohnort vom
4. Februar 2002 zu Unrecht erhöhtes Trennungsgeld erhalten habe.
2. Das Verwaltungsgericht ... hat den Beamten durch Urteil vom
17. November 2004 eines Dienstvergehens für schuldig befunden und seine Dienst-
bezüge um 1/20 für die Dauer von 18 Monaten gekürzt. Nach dem Ergebnis der
Hauptverhandlung geht die Vorinstanz von folgendem Sachverhalt aus:
1. Anschuldigungspunkt:
a) Der Beamte habe zugegeben, am Abend des 4. Mai 2000 in der Kan-
tine der Zollhundeschule B. unter Alkoholeinfluss eine leere Spirituosenflasche (2cl)
aus Glas gegen die etwa 2 m entfernte Theke geworfen zu haben. Dass hierdurch
die Büffetkraft Frau B. konkret gefährdet worden sei, sei zwar nicht auszuschließen;
dies werde jedoch weder von dem Beamten eingeräumt noch durch Zeugenaussa-
gen belegt.
b) Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beamte an
diesem Abend die anwesenden BGS-Beamten zum Werfen der Spirituosenflaschen
aufgefordert habe. Ein entsprechendes Verhalten nach Abschluss eines Lehrgangs
sei üblich gewesen.
c) Der Beamte habe zugegeben und es stehe fest, dass er am Abend
des 4. Mai 2000 in der Kantine der Zollhundeschule B. mit einer leeren Cola-Flasche
mehrfach auf den Tresen geschlagen habe. Der Beamte habe auch einen Aschen-
becher aus Glas hinter die Theke geworfen oder gestoßen. Dies werde durch die
Aussagen der Zeugin B. und des Zeugen S. bewiesen. Die anderen Zeugen hätten
dies zwar nicht bemerkt, was aber die Richtigkeit der Aussagen der genannten Zeu-
gen nicht in Zweifel ziehe.
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d) Der Beamte habe gegenüber einem Zollbeamten am Abend des
4. Mai 2000 in der Kantine der Zollhundeschule B. geäußert: "Wenn Euch unser Ver-
halten nicht passt, dann müsst Ihr gehen; wir haben hier das Sagen." Dies werde von
dem Beamten nicht bestritten und sei von mehreren Zeugen belegt. Auch habe er
gegenüber Frau B. geäußert, sie sei dafür da, "den Dreck wegzuräumen".
2. Anschuldigungspunkt:
Der Beamte habe eingeräumt, im Rahmen der Ausbildung von Dienst-
hunden seit 1999 gelegentlich Elektroimpulsgeräte, genannt "Schweinetreiber", ein-
gesetzt zu haben.
Durch Erlasse des BMI vom 16. April 1993 und 13. Januar 1995 sei der
dienstliche Einsatz von Elektroimpulsgeräten bei der Ausbildung von Hunden unter-
sagt worden. Im Jahre 1999 und später habe der Beamte gewusst, dass ihm deshalb
die Verwendung von Elektroimpulsgeräten bei der Schulung der Diensthunde unter-
sagt sei. Soweit er angebe, er sei nie über die entsprechende Erlasslage informiert
worden und habe erstmals im Rahmen des Untersuchungsverfahrens am 13. Juli
2001 davon gehört, werde diese Aussage dadurch widerlegt, dass in einer Dienstbe-
sprechung am 4./5. November 1998 in seiner Anwesenheit über das dienstlich ange-
ordnete Verbot zum Einsatz von Teletaktgeräten und ähnlichen Elektroimpulsgeräten
bei der Schulung der Diensthunde gesprochen und erörtert worden sei, auf welchem
Wege die Aufhebung der entsprechenden Erlasse erreicht werden könne. In einer
weiteren dienstlichen Besprechung am 4. November 1999 in N. sei der dienstliche
Einsatz der Geräte ebenfalls thematisiert worden. Dass der Beamte im November
1999 positiv die entsprechenden Erlasse des BMI und auch das entsprechende Ver-
bot gekannt habe, ergebe sich im Übrigen aus seinem Bericht vom 16. November
1999 an das BMI. In diesem mit Betreff "Verwendung von Elektroreizgeräten bei der
Diensthundeausbildung an den DH-Schulen B. und N." überschriebenen Bericht sei-
en von ihm die einschlägigen Erlasse von 1993 und 1995 des BMI im Einzelnen auf-
geführt und das Schreiben mit den Worten eingeleitet worden: "Mit o.g. Bezug 2 wur-
de die Verwendung des Elektroreizgerätes (E-Gerät) für den Bereich des BGS unter-
sagt."
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3. Anschuldigungspunkt:
Entgegen der Anschuldigung sei nicht bewiesen, dass der Beamte in
der Zeit vom 30. Oktober 2001 bis 9. November 2001 das Dienstfahrzeug ... uner-
laubt zu privaten Zwecken genutzt habe. Der Beamte habe das Fahrzeug am
31. Oktober 2001 von B. nach L. geholt, weil es zum Transport von Diensthunden
zwischen der Unterkunft und dem Lehrgangsort gebraucht worden sei. Im Untersu-
chungsverfahren sei des Weiteren festgestellt worden, dass das Fahrzeug vom Be-
amten am 1. November 2001 um 18.47 Uhr in B. mit 53,85 l Benzin und erneut am
9. November 2001 um 12.33 Uhr in B. mit 55 l Benzin betankt worden sei. Für wel-
che Fahrten das Fahrzeug zwischen diesen Daten über die Transporte zwischen der
Unterkunft F. und dem Lehrgangsort hinaus vom Beamten genutzt worden sei, habe
nicht ermittelt werden können.
Die vom Beamten eingeräumte Fahrt nach B. am 1. November 2001 sei
dienstlich veranlasst gewesen. Denn nach seinen Angaben habe er dienstliche Un-
terlagen für den laufenden Lehrgang geholt.
4. Anschuldigungspunkt:
Der Beamte habe in seinen Anträgen auf Gewährung von Trennungs-
geld vom 4. Februar 2002 angegeben, dass er während des Lehrgangs vom
30. Oktober 2001 bis 2. November 2001 und vom 5. November 2001 bis
9. November 2001 (mit Ausnahme des 8. November 2001 wegen einer Nachtübung)
an jedem Werktag mit seinem Privat-Pkw morgens um 05.30 Uhr in B. von seiner
Wohnung abgefahren und abends gegen 17.30 Uhr wieder zu seiner Wohnung in B.
zurückgekehrt sei. Die einfache Fahrtstrecke betrage jeweils 95 km. Hierfür seien
ihm Fahrtkosten in Höhe von 66,24 € erstattet worden.
Die Angaben in den Anträgen vom 4. Februar 2002 seien im Wesentli-
chen unzutreffend gewesen. Denn er habe im Untersuchungsverfahren eingeräumt,
während des Lehrgangs in der Wohnung der Schwiegereltern in Bä. bei M. über-
nachtet zu haben. Dort sei seine schwangere Ehefrau untergebracht gewesen.
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Aufgrund dieses festgestellten Sachverhalts habe der Beamte schuld-
haft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen und damit ein Dienstverge-
hen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen.
Durch das nachgewiesene Verhalten während der Abschlussfeier am
4. Mai 2000 habe der Beamte seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen
Verhalten im Sinne des § 54 Satz 3 BBG verletzt. Es handle sich um eine inner-
dienstliche Pflichtverletzung, weil diese Feier einen dienstlichen Bezug gehabt habe.
Durch die Anwendung der Elektroimpulsgeräte bei der Ausbildung der
Diensthunde habe der Beamte gegen die einschlägigen Erlasse des BMI verstoßen
und damit seine Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anweisungen vorsätzlich verletzt.
Ihm sei seit 1999 bekannt gewesen, dass der Einsatz der entsprechenden Geräte bei
der Ausbildung der Diensthunde des BGS untersagt gewesen sei.
Die wahrheitswidrigen Angaben in den Trennungsgeldanträgen vom
4. Februar 2002 stellten einen vorsätzlichen Verstoß gegen die in § 54 Satz 3 BBG
verankerte Wahrheitspflicht dar.
Das einheitliche Dienstvergehen wiege schwer. Durch den Einsatz der
Elektroimpulsgeräte bei der Ausbildung der Diensthunde habe der Beamte gezeigt,
dass er nicht bereit und willens sei, die ihm bekannten und eindeutigen ministeriellen
Vorschriften zu beachten. Es entlaste ihn nicht, dass offenbar auch andere Ausbilder
beim BGS diese Geräte eingesetzt hätten und sie sogar dienstlich beschafft und ge-
wartet worden seien. Zu seinen Gunsten sei allenfalls anzuführen, dass eine schwer-
wiegende und intensive Verletzung oder Quälerei der Tiere nicht habe festgestellt
werden können. Auch die Pflichtverletzung durch die in erheblichem Maße fehlerhaf-
ten Trennungsgeldanträge vom 4. Februar 2002, mit der er einen vorsätzlichen Be-
trug zu Lasten des Dienstherrn begangen habe, wiege schwer. Damit habe er in
nicht unerheblichem Maße die Bereitschaft offenbart, seine dienstliche Pflicht zur
ausnahmslosen Ehrlichkeit gegenüber dem Dienstherrn zu verletzen.
Bei der Festsetzung der Disziplinarmaßnahme sei zu seinen Gunsten
zu berücksichtigen, dass er durchgängig positiv beurteilt worden, bisher disziplinar-
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rechtlich unbescholten und der Schaden nicht übermäßig hoch sei. Die übermäßige
Dauer des Disziplinarverfahrens sei ebenfalls zu berücksichtigen. Mit einer Gehalts-
kürzung müsse ihm unmissverständlich klar gemacht werden, dass sein Verhalten
nicht zu tolerieren sei.
3. Hiergegen hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt. In erster
Linie begehrt er Freispruch, hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu
erkennen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Die Mitwirkung der zuständigen Personalvertretung müsse sich nach
§ 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n.F. richten; denn eine übergangsweise Regelung der
alten personalvertretungsrechtlichen Bestimmung auf "Altfälle" lasse sich aus § 85
BDG nicht ableiten.
Hinsichtlich der Abschlussfeier am 4. Mai 2000 könne dem Beamten
nur vorgehalten werden, dass er eine leere Spirituosenflasche gegen die Theke ge-
worfen und mit einer leeren Colaflasche auf die Theke geschlagen habe. Dies reiche
für die Annahme einer disziplinarwürdigen Verfehlung nicht aus. Einen Aschenbe-
cher habe er nicht geworfen. Die der Feststellung des Verwaltungsgerichts zugrunde
liegenden Zeugenaussagen seien nicht glaubhaft.
Bei dem erlasswidrigen Einsatz von Elektroimpulsgeräten bei der
Diensthundeausbildung dürfe nicht unbeachtet bleiben, dass es hierbei zu keiner
Verletzung oder Quälerei der Tiere gekommen sei. Der Einsatz sei ausschließlich zu
Ausbildungszwecken erfolgt.
Hinsichtlich der objektiv falschen Angaben in den Antragsformularen für
die Gewährung von Trennungsgeld könne ihm lediglich angelastet werden, dass er
seine Angaben nicht auf geeignete Weise erläutert oder sie wenigstens als fiktiv ge-
kennzeichnet habe. Im Ergebnis dürfte ihm jedenfalls nichts bewilligt worden sein,
was ihm nicht zugestanden habe. Von einem vorsätzlichen Betrug zu Lasten des
Dienstherrn und von einer Bereicherungsabsicht des Beamten könne keine Rede
sein.
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II.
Die Berufung des Beamten ist zurückzuweisen.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-
krafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrens-
regeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Über-
gangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - NVwZ 2002,
1515). Auf so genannte Altfälle - wie hier - finden ausnahmsweise die Vorschriften
des Bundesdisziplinargesetzes Anwendung, wenn und soweit diese den beschuldig-
ten Beamten materiellrechtlich besser stellen (vgl. zuletzt Urteil vom 8. Dezember
2004 - BVerwG 1 D 18.03 - ZBR 2005, 91 f.).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Senat hat daher den
Sachverhalt selbst zu ermitteln und disziplinarrechtlich zu würdigen.
1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich
die Beteiligung des Personalrats nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG in der Fassung
vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 3095) gerichtet hat. Nach dieser Vorschrift wirkt
der Personalrat bei der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens mit. Entge-
gen der Auffassung des Beamten war die Nachfolgeregelung des § 78 Abs. 1 Nr. 3
BPersVG in der Fassung des Gesetzes vom 9. Juli 2001 (BGBl I S. 1510) nicht an-
zuwenden. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n.F. wirkt der Personalrat bei der Er-
hebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten mit. Diese Vorschrift ist zusam-
men mit dem neuen Bundesdisziplinargesetz am 1. Januar 2002 in Kraft getreten.
Die Anwendbarkeit von § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a.F. im vorliegenden
Verfahren folgt aus § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG. Danach werden vor dem Inkrafttreten
dieses Gesetzes, d.h. vor dem 1. Januar 2002 eingeleitete förmliche Disziplinarver-
fahren nach bisherigem Recht fortgeführt. Der Begriff "bisheriges Recht" umfasst alle
Vorschriften, die den Gang des Disziplinarverfahrens regeln. Hierzu gehören auch
die Vorschriften über die personalvertretungsrechtliche Beteiligung.
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Dieser Bedeutungsgehalt ergibt sich aus dem Zweck von § 85 Abs. 3
Satz 1 BDG. Die Vorschrift trägt der Verschiedenartigkeit des förmlichen Disziplinar-
verfahrens nach der BDO und des behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß
§§ 17 ff. BDG Rechnung. Die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Verfah-
rensarten schließen es aus, ein Disziplinarverfahren sowohl nach Verfahrensvor-
schriften des alten als auch des neuen Rechts durchzuführen. Vielmehr muss für je-
des Disziplinarverfahren eine Verfahrensordnung in ihrer Gesamtheit gelten.
Dies wird durch den Wortlaut der beiden Bestimmungen über die Mit-
wirkung des Personalrats bestätigt: Die Regelung des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG
n.F. ordnet die Mitwirkung "vor Erhebung der Disziplinarklage" an und ist somit ein-
deutig auf die Durchführung eines behördlichen Disziplinarverfahrens nach dem
Bundesdisziplinargesetz zugeschnitten. Das der Bundesdisziplinarordnung unbe-
kannte Institut der Disziplinarklage ist durch das Bundesdisziplinargesetz neu einge-
führt worden. Demgegenüber knüpft § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a.F. die Mitwirkung
des Personalrats an die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens und damit an
den Verfahrensgang nach der Bundesdisziplinarordnung.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist die Mitwirkung
des Personalrats vor Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes auf der Grundlage
von § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a.F. ordnungsgemäß durchgeführt worden.
2. Zu den Vorfällen in der Kantine am 4. Mai 2000 (erster Anschuldi-
gungspunkt):
a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Be-
schuldigten ein innerdienstliches Fehlverhalten zur Last gelegt wird. Die Unterschei-
dung zwischen inner- und außerdienstlichem Verhalten richtet sich danach, ob es um
die Verletzung inner- oder außerdienstlicher Pflichten geht. Stellt sich das Verhalten
des Beamten bei der gebotenen materiellen Betrachtung als das einer Privatperson
dar, ist es als ein außerdienstliches, sonst als innerdienstliches Verhalten zu würdi-
gen. Danach kann auch ein Verhalten außerhalb der Diensträume und der Dienstzeit
innerdienstlichen Charakter haben, wenn es wegen des funktionalen Bezugs zum
Dienst nicht dem privaten Lebenskreis, sondern dem dienstlichen Bereich zuzurech-
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nen ist (Urteil vom 20. Februar 2001 - BVerwG 1 D 55.99 - BVerwGE 114, 37 <48>;
stRspr).
Die Feier in der Kantine am 4. Mai 2000 hatte einen engen dienstlichen
Bezug: Es handelte sich um die Abschlussfeier eines Lehrgangs. Die Feier fand in
unmittelbarem Anschluss an den Lehrgang (vor der Heimreise der Teilnehmer) in der
Kantine der Zollhundeschule B. statt. Das Kantinengebäude gehörte zum baulichen
Bestand der Schule und die Kantine wurde vom Personal dieser Einrichtung betrie-
ben. Aufgrund dieser Umstände gehörte die Feier nicht zum privaten Lebenskreis der
Lehrgangsteilnehmer.
b) Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten
Beweismittel und der Einlassungen des Beamten in der Hauptverhandlung steht fest,
dass der Beamte und weitere Teilnehmer der Abschlussfeier leere Spirituosenfla-
schen durch die Luft warfen, nachdem sie sie ausgetrunken hatten. Dieses Verhalten
war, wie die Teilnehmer wussten, bei einem derartigen Anlass üblich. Nachdem Zoll-
beamte, die sich in Begleitung makedonischer Gäste in der Kantine aufhielten, das
Verhalten der Lehrgangsteilnehmer gegenüber dem Beamten beanstandet hatten,
beharrte dieser auf dem "guten Recht", Flaschen zu werfen. Diese Auffassung be-
kräftigte er dadurch, dass er eine leere Colaflasche auf den Tresen schlug, sowie
durch seine Äußerungen gegenüber der Zeugin B. Durch dieses Verhalten verletzte
der Beamte vorsätzlich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten
gemäß § 54 Satz 3 BBG, weil er den Anforderungen nicht gerecht wurde, die aus
seiner dienstlichen Stellung als Lehrgangsleiter und Vorgesetzter erwuchsen. Als
solcher war der Beamte für den Verlauf der Abschlussfeier verantwortlich. Es hätte
ihm oblegen, aufgrund der Beanstandungen dafür zu sorgen, dass das Werfen be-
endet wurde und eine Beruhigung der Lage eintrat. Stattdessen beharrte er darauf,
das ungehörige und von Frau B. unerwünschte Verhalten von Lehrgang zu Lehrgang
fortsetzen zu dürfen und brach einen heftigen Streit vom Zaun. Darin liegt ein Versa-
gen als Vorgesetzter.
3. Einsatz von Elektroimpulsgeräten bei der Diensthundeausbildung
(zweiter Anschuldigungspunkt):
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Nach den zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Be-
weismitteln und den früheren schriftlichen (Schreiben vom 21. Mai 2001) wie auch
den mündlichen Einlassungen des Beamten und seines Verteidigers in der Haupt-
verhandlung (S. 3 des Protokolls vom 17. November 2005) steht fest, dass der Be-
amte auch in den Jahren 1999 und 2000 weiterhin Hunde mit Elektroimpulsgeräten
behandelte, wenn er dies zu Ausbildungszwecken für erforderlich hielt. Dabei war
ihm bekannt, dass ein derartiges Vorgehen untersagt war. Die positive Kenntnis des
Beamten der entsprechenden Erlasse des Bundesministeriums des Innern (BMI) er-
gibt sich abgesehen davon, dass der Erlass schon bei einer dienstlichen Bespre-
chung am 4./5. November 1998, an der er teilgenommen hatte, erörtert worden war,
vor allem aus seinem eigenen Bericht vom 16. November 1999 an das BMI. Dort zi-
tiert er die betreffenden Erlasse und bittet darum, das Verbot der Elektroimpulsgeräte
bei der Diensthundeausbildung für den Bereich des Bundesgrenzschutzes "noch
einmal zu überprüfen"; denn bei allen anderen Behörden werde "im Ausbildungsbe-
reich mit E-Geräten sehr erfolgreich ausgebildet".
Durch dieses Verhalten verstieß der Beamte nachhaltig gegen seine
Pflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG, dienstliche Weisungen zu befolgen. Er setzte sich in
einem längeren Zeitraum planmäßig über die für ihn verbindlichen Verbote, Elektro-
impulsgeräte einzusetzen, hinweg, weil er sie nicht für richtig hielt. Damit hat der Be-
amte im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt, weil er die ihm übertrage-
ne Aufgabe der Hundeausbildung bewusst nicht ordnungsgemäß wahrnahm.
4. Unerlaubte Benutzung des Dienstfahrzeugs (dritter Anschuldigungs-
punkt):
Der Senat legt die Angaben des Beamten in der Hauptverhandlung
zugrunde. Danach fuhr er während eines Lehrgangs in L. am 1. November 2001 mit
dem Dienstfahrzeug nach B., um Unterlagen zum Thema Elektroreizgeräte bei der
Diensthundeausbildung zu holen. Diese hatte er sich an seinen privaten Anschluss
faxen lassen, weil er befürchtete, die Unterlagen könnten von Dritten eingesehen
werden, wenn sie nach L. gefaxt worden wären.
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Nach den Angaben des Beamten standen die Unterlagen nicht in Be-
zug zum Lehrgang. Schon deshalb bestand kein dienstlicher Anlass für die Nutzung
des Dienstwagens am 1. November 2001. Dem von dem Verteidiger gestellten Hilfs-
beweisantrag zu dem Beweisthema, dass dienstlich veranlasste Fahrten zwischen
der Diensthundeschule B. und der BGS-Schule L. damals und auch heute generell
als genehmigt galten, war daher gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. § 25 Satz 1
BDO nicht nachzugehen; denn die von dem Beamten durchgeführte Fahrt war nicht
dienstlich, sondern privat veranlasst. Somit hat der Beamte vorsätzlich gegen die
dienstliche Anordnung verstoßen, einen Dienstwagen nur dienstlich zu nutzen. Ein
Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB kommt dem Beamten nicht zugute; denn ein
derartiger Irrtum wäre in jedem Fall vermeidbar gewesen. Auf die Frage, ob ein et-
waiger Irrtum nach § 17 Satz 2 StGB mildernd bei der Strafzumessung zu berück-
sichtigen wäre, kommt es nicht an; denn das von der Vorinstanz verhängte Diszipli-
narmaß hat der Beamte bereits allein durch den gegen ministerielle Weisung erfolg-
ten Einsatz der Elektroimpulsgeräte verwirkt (vgl. unter 7.).
Ob er in dem angeschuldigten Zeitraum weitere privat veranlasste Fahr-
ten mit dem Dienstwagen durchgeführt hat, hat sich nicht mehr aufklären lassen,
wenngleich die Umstände, unter denen das Fahrtenbuch verschwunden ist, befremd-
lich wirken. Der Transport der Diensthunde am Tagungsort war hingegen sicherlich
dienstlich veranlasst.
5. Unrichtige Angaben in dem Forderungsnachweis für die Trennungs-
geldabrechnung vom 4. Februar 2002 (vierter Anschuldigungspunkt):
Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung steht für den Senat fest,
dass der Beamte die Kosten für die tägliche Hin- und Rückfahrt von L., wo er vom
30. Oktober bis 9. November 2001 an einem Lehrgang teilnahm, zum Wohn- und
Dienstort B. abrechnete, obwohl er nicht dorthin, sondern zu seiner bei den Schwie-
gereltern in Bä. weilenden Ehefrau fuhr.
Die Abrechnung von täglichen Hin- und Rückfahrten L.-B. ist durch die
Angaben des Beamten in dem von ihm unterzeichneten Antragsformular vom
4. Februar 2002 belegt. In seiner Vernehmung am 26. September 2002 hat der Be-
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amte die Unrichtigkeit dieser Angaben eingeräumt und zeitnah erklärt, während des
Lehrgangs täglich abends von L. zur Wohnung der Schwiegereltern nach Bä. bei M.
gefahren zu sein, weil dort seine Ehefrau untergebracht gewesen sei und er dort ü-
bernachtet habe. Seiner erstmals in der Berufungsbegründung vorgetragenen Ein-
lassung, während des Lehrgangs jeden Abend in das gerade neu errichtete Wohn-
haus nach B. gefahren zu sein, "um danach zu sehen und zu lüften", ist unglaubhaft.
Nach seiner zeitnahen Einlassung vom 26. September 2002 handelt es sich zur Ü-
berzeugung des Senats bei der späteren Version des Beamten um eine Schutzbe-
hauptung.
Fahrkosten wurden ihm für die Fahrten während der Tagung nicht er-
stattet. Allerdings erhielt der Beamte für die Dauer des Lehrgangs pauschal Über-
nachtungsgeld gemäß §§ 9, 10 BRKG. Ein Schaden ist nur insoweit entstanden, als
die Tagespauschalen von 20 € wegen der Übernachtungen in Bä. zu Unrecht ge-
währt worden sein sollten.
Durch sein Verhalten hat der Beamte vorsätzlich gegen § 54 Satz 3
BBG verstoßen. Der Dienstherr muss auf wahrheitsgemäße Angaben eines Beamten
vertrauen können.
6. Die Voraussetzungen eines Maßnahmeverbots gemäß § 14 Abs. 1
und 2 BDG liegen nicht vor, weil die gegen den Beamten geführten Ermittlungsver-
fahren nach den Feststellungen der Vorinstanz allesamt gemäß § 153 Abs. 1 StPO
und gemäß § 170 Abs. 2 StPO, d.h. ohne Auflagen, eingestellt worden sind.
7. Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Gehaltskürzung er-
weist sich - auch bei Berücksichtigung des Rahmens gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BDG
(vgl. Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 1 D 23.03 - BVerwGE 120, 218 <222 ff.>) -
schon wegen des Verstoßes gegen § 55 Satz 2 BBG durch den Einsatz von Elektro-
impulsgeräten (zweiter Anschuldigungspunkt) als gerechtfertigt. Diese Pflichtverlet-
zungen des Beamten wiegen schwer (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG). Er hat durch
sein Verhalten zu erkennen gegeben, dass er bei Wahrnehmung der ihm übertrage-
nen dienstlichen Aufgaben seinen persönlichen Vorstellungen Vorrang vor der durch
ministeriellen Erlass mit Gültigkeit für die Verwaltung geklärten Rechtmäßigkeit der
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Dienstausübung einräumte. Dies geschah planmäßig über einen längeren Zeitraum
hinweg. Dadurch hat der Beamte im Bereich seiner dienstlichen Grundpflichten
nachhaltig versagt. Die verhängte Gehaltskürzung ist ausreichend, aber auch erfor-
derlich, um dem Beamten vor Augen zu führen, dass er dienstliche Anordnungen
nicht außer Acht lassen darf, wenn er dies für zweckmäßig hält.
Die positiven dienstlichen Beurteilungen vermögen ebenso wenig zu
einer milderen Maßnahme zu führen, wie die Dauer des Disziplinarverfahrens. Es ist
weder vom Beamten dargetan noch sonst ersichtlich, dass es zu sachlich nicht mehr
zu rechtfertigenden Verzögerungen gekommen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Albers
Heeren
Heitz
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: nein
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Satz 3; § 55 Satz 2; § 77 Abs. 1 Satz 1
BDG
§ 85 Abs. 3 Satz 1
StGB
§ 17
StPO
§ 244 Abs. 3 Satz 2
BPersVG a.F. § 78 Abs. 1 Nr. 3
Stichworte:
Polizeihauptmeister; innerdienstlicher Pflichtenverstoß bei Abschlussfeier; unkolle-
giales Verhalten; Einsatz eines Elektroimpulsgeräts bei der Diensthundeausbildung;
vorsätzlicher Verstoß gegen Dienstvorschriften; unbefugte Benutzung eines Dienst-
wagens; falsche Angaben im Trennungsgeldantrag; Disziplinarmaß: Kürzung der
Dienstbezüge; Beteiligung des Personalrats.
Urteil des Disziplinarsenats vom 17. November 2005 - BVerwG 1 D 17.04
I. VG … vom 17.11.2004 - Az.: VG 7 A 3/04 -