Urteil des BVerwG vom 14.02.2007

Sexuelle Belästigung, Disziplinarverfahren, Einstellung des Verfahrens, Arbeitserlaubnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 12.05
VG 14 A 5520/03
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Verwaltungsoberamtsrat …,
…,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 14. Februar 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren,
Polizeihauptkommissar Korschuch und
Polizeioberkommissar Zadach
als ehrenamtliche Richter
sowie
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwalt …,
als Verteidiger,
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Ministerialrat …
für die Vertreterin des Bundesinteresses
beim Bundesverwaltungsgericht,
und
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Verwaltungsoberamtsrats
… wird das Urteil des Verwaltungsgerichts … vom
30. Mai 2005 - 14 A 5520/03 - im Disziplinarmaß geändert.
Die Dienstbezüge des Beamten werden auf die Dauer von
acht Monaten um ein Zehntel gekürzt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
dem Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen
haben dieser und der Bund je zur Hälfte zu tragen.
G r ü n d e :
I
1. In dem ordnungsgemäß eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren hat der
Bundesdisziplinaranwalt mit Anschuldigungsschrift vom 25. September 2002
dem … Beamten, Verwaltungsleiter einer Behörde, vorgeworfen, dadurch ein
Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
am 15. Juni 2000 in seinem Dienstgebäude eine Reini-
gungskraft verbal und tätlich sexuell belästigt hat.
2. Wegen des Vorwurfs, in der Zeit von September 1999 bis September 2000 in
zehn Fällen grobfahrlässig gegen Aufsichtspflichten sowie gegen Beschaf-
fungs-, Bauunterhalts- und Haushaltsvorschriften verstoßen zu haben, war ge-
gen den Beamten in einem weiteren, am 16. Dezember 2002 nach dem Bun-
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desdisziplinargesetz eingeleiteten Disziplinarverfahren durch Disziplinarverfü-
gung vom 2. April 2004 eine Geldbuße in Höhe von 2 000 € festgesetzt und in
der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht … - … - am 30. Mai
2005 von der Behörde auf 1 000 € herabgemindert worden. Widerspruch und
Klage des Beamten blieben im Übrigen ohne Erfolg (Urteil vom 30. Mai 2005
- 14 A 2973/04 -). Seinen Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Beamte
zurückgenommen (...).
3. Im vorliegenden Disziplinarverfahren, das vom Bundesdisziplinargericht auf
das Verwaltungsgericht … - … - übergegangen war, hat das Gericht durch Ur-
teil (ebenfalls) vom 30. Mai 2005 gegen den Beamten eine Gehaltskürzung auf
die Dauer von 15 Monaten in Höhe von einem Zehntel verhängt. In den Urteils-
gründen ist im Wesentlichen ausgeführt:
Am 15. Juni 2000 sei der Beamte im Treppenhaus seines Dienstgebäudes der
in Ghana geborenen Zeugin A. begegnet, die dort für eine Reinigungsfirma als
Reinigungskraft tätig gewesen sei. Als die Zeugin gerade die Treppe geputzt
habe, habe der Beamte sie angesprochen und in nachgeahmtem gebrochenem
Deutsch gefragt: „Du mit mir in den Keller und bumsen?“. Dabei habe er eine
Hand gehoben und den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger gesteckt.
Nachdem die Zeugin sein Ansinnen abgelehnt habe, habe der Beamte dieses
wiederholt. Nicht erwiesen sei, dass der Beamte die Zeugin mit der Hand an
den Po gefasst habe. Das folge bereits daraus, dass die Zeugin in der eidlichen
Vernehmung vor dem Amtsgericht dies nicht sicher habe bestätigen können.
Die Sachverhaltsfeststellungen beruhten insgesamt auf den glaubhaften Aus-
sagen der glaubwürdigen Zeugin A., den Zeugenaussagen ihrer Arbeitskolle-
ginnen sowie den Einlassungen des Beamten, soweit diesen gefolgt werden
könne. Das Verhalten des Beamten stelle eine sexuelle Belästigung im Sinne
des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BeschSchG und eine Verletzung seiner Pflicht zu
achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) dar. Dieses
schuldhaft begangene Dienstvergehen könne unabhängig von den Verfehlun-
gen des Beamten, die dem anderen gerichtlichen Disziplinarverfahren zugrunde
lägen, disziplinarisch geahndet werden. Der Grundsatz der Einheit des
Dienstvergehens stehe einer solchen Verfahrensweise nicht entgegen, da die
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jeweiligen Dienstpflichtverletzungen in keinem inneren Zusammenhang stünden
und deshalb eine gewisse Selbständigkeit hätten. Im vorliegenden Fall sei das
Dienstvergehen im Rahmen einer höchstzulässigen Gehaltskürzung von drei
Jahren mit einer solchen auf die Dauer von 15 Monaten zu ahnden. Die
Verhängung einer solchen Maßnahme sei hier geboten, aber auch ausreichend.
4. Hiergegen hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Antrag, ihn
freizusprechen, hilfsweise das Verfahren einzustellen, hilfsweise auf eine milde-
re Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Zur Begründung macht er im Wesentli-
chen geltend, die erstinstanzliche Beweiswürdigung sei fehlerhaft und damit der
Vorwurf nicht erwiesen. Das Gericht habe sich keinen persönlichen Eindruck
von der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. gemacht. Die Äußerungen der Zeugin
anlässlich ihrer amtsrichterlichen Vernehmung hätten nicht ohne weiteres er-
kennen lassen, dass sie fließend Deutsch spreche und Missverständnisse auf-
grund sprachlicher Defizite ausgeschlossen seien. Hinzu komme, dass schon
wegen der Akustik im Treppenhaus nicht auszuschließen sei, dass die Zeugin
ihn nicht richtig verstanden habe.
Die Zweifel des Gerichts an der Glaubhaftigkeit seiner Einlassungen seien nicht
nachvollziehbar. Das Gespräch mit der Zeugin sei unter völlig anderen Um-
ständen, als von dieser behauptet, zustande gekommen. Als er die Zeugin am
15. Juni 2000 zum ersten Mal reinigen gesehen habe, habe er sie auf ihre Ar-
beitserlaubnis angesprochen. In den Ausschreibungen der Reinigungsarbeiten
sei Bedingung gewesen, dass keine 630 DM-Kräfte zum Einsatz kommen dürf-
ten. Soweit es sich dabei um Nicht-EU-Ausländer gehandelt habe, hätten diese
über eine Arbeitserlaubnis verfügen müssen. Auf die Frage nach der Arbeits-
erlaubnis habe die Zeugin nur mit einem freundlichen, aus seiner Sicht eventu-
ell auch auf Unverständnis oder Verlegenheit hindeutenden Lächeln und einem
mehrfachen „ja, ja“ reagiert. Ein Gespräch habe sich dabei nicht entwickelt. Da
er das Gefühl gehabt habe, nicht verstanden oder missverstanden worden zu
sein, sei er noch einmal zu der Zeugin zurückgekehrt und habe ihr erklärt, dass
sie keine Angst haben müsse, sie ohne Arbeitserlaubnis („das Ticket“) aber in
der Behörde nirgends arbeiten dürfe. Die Zeugin habe nicht reagiert. Von „Kel-
ler“ sei in diesem Zusammenhang allenfalls insofern die Rede gewesen, als er
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zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Reinigungskraft ohne Arbeitserlaubnis
nirgends - auch nicht im Keller und außerhalb der Sichtbereiche - arbeiten dür-
fe.
Hilfsweise mache er geltend, dass die verhängte Gehaltskürzung weder erfor-
derlich noch angemessen sei. Er sei bisher nie mit vergleichbaren Vorwürfen
konfrontiert worden. Zudem liege inzwischen eine langjährige „Wohlverhaltens-
phase“ vor.
II
Die Berufung des Beamten hat teilweise Erfolg; sie führt zur Verhängung einer
Gehaltskürzung mit geringerer Laufzeit. Ein Freispruch oder eine Einstellung
des Verfahrens kommen nicht in Betracht.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach Inkrafttreten
des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln
und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen, weil es vor dem
1. Januar 2002 förmlich eingeleitet worden ist. Allerdings können auf so
genannte Altfälle - wie hier - ausnahmsweise die Vorschriften des Bundesdiszi-
plinargesetzes Anwendung finden, soweit diese den beschuldigten Beamten
materiellrechtlich besser stellen (stRspr, z.B. Urteil vom 23. Februar 2005
- BVerwG 1 D 13.04 - BVerwGE 123, 75 <76> m.w.N.).
Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt, sodass der Senat den Sachverhalt
selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen hat.
1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweis-
mittel und der Einlassungen des Beamten, soweit diesen gefolgt werden kann,
hält der Senat nachfolgenden Sachverhalt für erwiesen:
Der Beamte war zur Tatzeit Verwaltungsleiter einer Behörde. Am 15. Juni 2000
(Donnerstag) begegnete er im Treppenhaus des Dienstgebäudes der im Jahr
1954 in Ghana geborenen (dunkelhäutigen) Zeugin A., die dort für eine Reini-
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gungsfirma als Reinigungskraft tätig war. Als die Zeugin gerade die zum Keller
führende Treppe putzte, sprach sie der Beamte, der hinter ihr vorbeigegangen
war, an und fragte sie in nachgeahmtem, gebrochenem Deutsch, ob sie mit ihm
in den Keller gehen und „bumsen“ wolle. Dabei hob er eine Hand und streckte
den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger. Die Zeugin lehnte das Ansinnen
des Beamten ab. Als dieser sein Ansinnen wiederholte, erklärte sie, dass sie so
etwas nicht machen würde. Der Beamte, der der Zeugin nicht persönlich be-
kannt war, entfernte sich dann. Die Zeugin, die ihre Reinigungstätigkeit zu-
nächst fortgesetzt hatte, sprach anschließend mit ihren Arbeitskolleginnen im
Aufenthaltsraum des Dienstgebäudes über den Vorfall. Auf den Rat einer Kol-
legin wandte sich die Zeugin am darauffolgenden Montag an den in der Behör-
de tätigen Sachbearbeiter V. und schilderte diesem den Vorfall mit dem Beam-
ten, den sie inzwischen mit Hilfe einer Arbeitskollegin identifiziert hatte. Nach-
dem die Reinigungsfirma von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, wurde
die Zeugin aus der Reinigungskolonne für die Behörde herausgenommen und
für ein anderes Reinigungsobjekt eingeteilt.
Der Senat hat - wie das Verwaltungsgericht - keine Bedenken, der Schilderung
des Vorfalls vom 15. Juni 2000 durch die Zeugin A. zu folgen. Allerdings hält er
- ebenfalls in Übereinstimmung mit der Vorinstanz - nicht für erwiesen, dass der
Beamte die Zeugin bewusst und gewollt an den Po gefasst hat. Zwar mag es
damals zu einer solchen körperlichen Berührung gekommen sein. Es ist jedoch
nicht auszuschließen, dass dies im Vorbeigehen geschah. Bei ihrer eidlichen
Vernehmung durch den Amtsrichter am 13. Dezember 2001 hat die Zeugin an-
gegeben, sie könne nicht sicher sagen, ob der Mann ihr mit der Hand an den
Po gefasst habe. Er sei ja hinter ihr gewesen. Jedenfalls habe es sich nicht um
einen Klaps auf den Po gehandelt.
Die Aussagen, die die Zeugin A. zuletzt unter Eid vor dem Amtsrichter gemacht
hat, sind glaubhaft und nachvollziehbar. Die Zeugin hat dabei im Wesentlichen
ihre früheren Äußerungen in den Verwaltungsermittlungen und im Vorermitt-
lungsverfahren sachlich widerspruchsfrei und in zurückhaltender Form wieder-
holt; das Kerngeschehen, das sie als Beleidigung empfunden hat, hat sie immer
wieder gleich geschildert. Die Arbeitskolleginnen K., B., W., X. und S. haben
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ihre Aussagen gestützt. Die Zeuginnen waren zwar bei dem Vorfall nicht
zugegen, haben aber im Wesentlichen übereinstimmend bestätigt, dass die
Zeugin A. ihnen unmittelbar nach dem Vorfall, nachdem sie dazu gedrängt wur-
de, davon berichtet und sich aus diesem Anlass sehr betroffen gezeigt hat. Ob-
jektive Anhaltspunkte für sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zwischen
dem Beamten und der Zeugin A. als Ursache möglicher Missverständnisse be-
standen nicht; zudem war die Geste des Beamten eindeutig. Die Zeugin ver-
steht die deutsche Sprache gut. Zur Tatzeit lebte sie bereits 19 Jahre in
Deutschland, war mit einem Deutschen verheiratet und spricht mit ihren Kindern
Deutsch. Ihr war sofort aufgefallen, dass der Beamte sie in „gebrochenem
Deutsch“ anredete. Dass die Zeugin Deutsch gut verstanden hat, wird auch
durch das Protokoll der eidlichen Zeugenvernehmung vom 13. Dezember 2001
bestätigt. Es enthält folgenden „Vermerk des Gerichts“:
„Die Zeugin spricht erkennbar gutes Deutsch. Es gab bei
der Vernehmung keine Verständnisschwierigkeiten. Die
anwesende Dolmetscherin wurde nicht benötigt“.
Der Senat hält die Zeugin A. auch für glaubwürdig. Es gibt keine Anhaltspunkte
dafür, dass sie den Beamten unberechtigt eines Fehlverhaltens bezichtigt. Die
Zeugin hat weder die Ermittlungen gegen den Beamten angestoßen noch diese
forciert. Eine Arbeitskollegin hatte dem „Chef“ (dem Zeugen V.) von dem Vorfall
berichtet. Diesem gegenüber hat die Zeugin dann erklärt, sie wolle nicht, dass
die Sache irgendwie weiterverfolgt werde. Sie sei ja nur eine „schwarze Putz-
frau“; die Frauen hätten sowieso immer Schuld. Die Zeugin hat gegen den Be-
amten auch keine Strafanzeige gestellt. Die Frage, ob sie Anzeige erstatten
wolle, hat sie ausdrücklich verneint. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht
schließlich der Umstand, dass sie den Beamten nicht zu Unrecht beschuldigen
wollte, ihr vorsätzlich an den Po gefasst zu haben.
Die Einlassungen des Beamten sind nicht geeignet, die glaubhaften Aussagen
der Zeugin A. zu entkräften. Der Senat folgt insoweit der überzeugenden Be-
weiswürdigung des Verwaltungsgerichts (UA S. 8 f.); darauf wird Bezug ge-
nommen. Mit seiner Berufung hat der Beamte im Wesentlichen dieselben Ge-
sichtspunkte vorgebracht, die er bereits in den Vorermittlungen und in der Un-
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tersuchung geltend gemacht hatte und mit denen sich das Verwaltungsgericht
- im Ergebnis zutreffend - auseinandergesetzt hat. Ergänzend ist zu bemerken,
dass die Einlassung des Beamten, auf die Frage nach der Arbeitserlaubnis ha-
be die Zeugin nur mit einem freundlichen, aus seiner Sicht eventuell auch auf
Unverständnis oder Verlegenheit hindeutenden Lächeln und einem mehrfachen
„ja, ja“ reagiert, nicht nachvollziehbar ist. Es handelt sich offensichtlich um eine
Schutzbehauptung. Die Zeugin verfügte in der Bundesrepublik Deutschland
über einen gesicherten Aufenthaltsstatus und seit 1995 über eine unbefristete
Arbeitserlaubnis. Es ist deshalb auch glaubhaft, dass die Zeugin, wie sie wie-
derholt ausgesagt hat, genau wusste, was eine Arbeitserlaubnis ist und deshalb
durch die angebliche Frage auch nicht verunsichert worden ist. Für das vom
Beamten behauptete Missverständnis, das bei der Zeugin entstanden sein soll,
ist nichts ersichtlich. Es gab zudem keinen einsichtigen Grund, warum gerade
die Zeugin A. nach dem Vorhandensein einer Arbeitserlaubnis gefragt worden
sein soll. Im Übrigen ist nach der Einlassung des Beamten nicht nachvollzieh-
bar, warum die Zeugin mehrfach mit „ja, ja“ geantwortet haben soll, wenn sie
ihn, den Beamten, angeblich im Sinne einer Aufforderung zu sexuellen Hand-
lungen missverstanden hat.
2. Durch die festgestellte Handlungsweise hat der Beamte seine Pflicht zu ach-
tungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) vorsätzlich ver-
letzt. Ein Beamter, der innerhalb des Dienstes Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter
oder sonstige im Dienstgebäude beschäftigte Personen durch Worte und Ges-
ten sexuellen Inhalts beleidigt, verstößt in schwerwiegender Weise gegen Wür-
de und Ehre der Betroffenen und stört den Dienstfrieden. Das gilt insbesondere
für Vorgesetzte, die mit einem solchen Verhalten das Vertrauen in ihre Fähig-
keit zu verantwortungsgerechter, nämlich sachorientierter und fürsorglicher
Personalführung untergraben. Vor allem weibliche Beschäftigte müssen im
Dienst und Dienstgebäude vor Bemerkungen mit sexuellem Inhalt sowie vor
Zudringlichkeiten anderer Bediensteter sicher sein (vgl. dazu z.B. Urteil vom
12. Juni 2001 - BVerwG 1 D 39.00 - m.w.N.). Ob das Fehlverhalten des Beam-
ten zugleich eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 2 Abs. 2 BeschSchG
darstellt, kann offen bleiben. Die Pflichtenstellung nach § 54 Satz 3 BBG geht
insofern über diejenige nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BeschSchG hinaus, als das
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Verbot sonstiger sexueller Belästigungen mit innerdienstlichen Auswirkungen
nicht an das Merkmal der „Erkennbarkeit“ der Ablehnung anknüpft (stRspr, z.B.
Urteil vom 4. April 2001 - BVerwG 1 D 15.00 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG
Nr. 27 und Urteil vom 22. Oktober 2002 - BVerwG 1 D 4.02 -).
3. Die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung des Beamten kann als Dienst-
vergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG gewürdigt und verfolgt werden,
obwohl gegen den Beamten wegen anderer Dienstpflichtverletzungen vorüber-
gehend ein weiteres Disziplinarverfahren anhängig war, das inzwischen mit ei-
ner Geldbuße in Höhe von 1 000 € rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Eine
Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1, § 76 Abs. 3
Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 1 BDO wegen eines schweren und nicht mehr behebba-
ren Verfahrensmangels - unterlassene Zusammenführung beider Disziplinar-
verfahren zum Zwecke des Ausspruchs einer einheitlichen Disziplinarmaßnah-
me - kommt nicht in Betracht. Die (isolierte) Durch- und Fortführung des vorlie-
genden Verfahrens stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit des
Dienstvergehens dar.
Disziplinarverfahrensrechtlich wäre es freilich möglich und zulässig gewesen,
die Vorwürfe gegen den Beamten, die Gegenstand der Disziplinarverfügung
vom 2. April 2004 gemäß § 33 i.V.m. § 7 BDG geworden sind, im Wege der
Verfahrensaussetzung und Nachtragsanschuldigung gemäß § 67 Abs. 3 BDO
in das vorliegende, zunächst beim Bundesdisziplinargericht, seit 1. Januar 2004
- gemäß § 85 Abs. 7 Satz 2 BDG - beim Verwaltungsgericht anhängig gewese-
ne Altverfahren einzubeziehen. Die Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 3 BDG
- danach werden vor Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes eingeleitete
förmliche Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht fortgeführt, für die An-
schuldigung und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gilt ebenfalls
das bisherige Recht und damit § 67 Abs. 3 BDO - hätte einer solchen Verfah-
rensweise nicht entgegengestanden. Durch eine Zusammenführung beider
Disziplinarverfahren wäre auch sichergestellt worden, dass sich der Beamte nur
in einem Verfahren hätte verteidigen müssen. Zudem wäre vermieden worden,
dass beide gegen Ende erstinstanzlich gleichzeitig anhängigen Verfahren we-
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gen der unterschiedlichen Zuständigkeiten in der Berufungsinstanz auseinan-
derliefen.
Gleichwohl war es nicht verfahrensfehlerhaft, dass es der Bundesdisziplinar-
anwalt bzw. - nach dem 1. Januar 2004 - die Einleitungsbehörde, die mit Weg-
fall der Behörde des Bundesdisziplinaranwalts (§ 85 Abs. 4 BDG) in dessen
Rechtsstellung getreten war (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 D
33.02 - BVerwGE 120, 33), unterlassen haben, die neuen Vorwürfe gegen den
Beamten im Wege der Nachtragsanschuldigung in das Altverfahren einzube-
ziehen (§ 85 Abs. 3 BDG i.V.m. § 67 Abs. 3 BDO). Eine solche Verfahrenswei-
se war insbesondere nicht durch den Grundsatz der Einheit des Dienstverge-
hens zwingend geboten; die (isolierte) Durch- und Fortführung des vorliegenden
Disziplinarverfahrens blieb zulässig. Das ergibt sich aus folgenden Erwä-
gungen:
Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschlüsse
vom 4. September 1978 - BVerwG 1 DB 22.78 - BVerwGE 63, 123 <124 f.>,
vom 9. Juni 1983 - BVerwG 1 D 44.83 - BVerwGE 76, 90 <91 f.> und vom
11. Februar 2000 - BVerwG 1 DB 20.99 - BVerwGE 111, 54 <56>) gebietet der
Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nicht nur, das durch mehrere Ver-
fehlungen zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten einheitlich zu würdi-
gen, sondern schließt die Notwendigkeit der einheitlichen Betrachtung aller ei-
nem Beamten zur Last gelegten Pflichtverletzungen es grundsätzlich aus, für
jede einzelne Verfehlung gesondert eine Disziplinarmaßnahme zu bestimmen.
Nach dieser bisherigen Rechtsprechung ist es in der Regel nicht zulässig, meh-
rere Verfehlungen in verschiedenen Verfahren zu ahnden. Lägen dem Dienst-
vorgesetzten oder der Einleitungsbehörde Vorgänge über mehrere Pflichtver-
letzungen eines Beamten vor und seien diese entscheidungsreif, so müsse da-
rüber auch gleichzeitig entschieden werden. Diese Rechtsprechung bedarf der
Modifizierung.
Der Einheitsgrundsatz, der unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG abgeleitet
wird (vgl. Urteil vom 19. Juni 1969 - BVerwG 2 D 8.69 - BVerwGE 33, 314
<315>), ist seinem normativen Ursprung nach zunächst materiellrechtlicher Na-
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tur. Aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Beamte begehe „ein Dienstvergehen“
(Einzahl), wenn er schuldhaft „die ihm obliegenden Pflichten verletzt“ (Mehr-
zahl), wird materiellrechtlich gefolgert, dass „das durch mehrere Verfehlungen
zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten einheitlich zu würden“ ist. Die
Senatsrechtsprechung hat aus der materiellrechtlichen Bedeutung des Ein-
heitsgrundsatzes die dargelegten verfahrensrechtlichen Konsequenzen gezo-
gen. Aus dem materiellrechtlichen Gebot der einheitlichen Gesamtwürdigung
des Verhaltens und der Persönlichkeit des betroffenen Beamten ist verfahrens-
rechtlich das Gebot abgeleitet worden, über alle entscheidungsreifen Pflichtver-
letzungen gleichzeitig, d.h. durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme zu
entscheiden. Die Rechtsprechung hat nur in Ausnahmefällen in materiellrechtli-
cher (z.B. im Hinblick auf die §§ 4, 14 BDO, vgl. dazu u.a. Urteil vom 22. Juni
1978 - BVerwG 1 D 46.77 - BVerwGE 63, 88; Urteil vom 28. April 1981
- BVerwG 1 D 7.80 - BVerwGE 73, 166) und verfahrensrechtlicher Hinsicht eine
Durchbrechung des Einheitsgrundsatzes und damit eine gesonderte Verfolgung
von Pflichtverletzungen eines Beamten zugelassen (vgl. dazu insgesamt Be-
schluss vom 11. Februar 2000 a.a.O. <56 f.> m.w.N.).
An dem von der Rechtsprechung entwickelten Regel-Ausnahmeverhältnis kann
in verfahrensrechtlicher Hinsicht seit dem Inkrafttreten des Bundesdisziplinar-
gesetzes am 1. Januar 2002 nicht mehr unverändert festgehalten werden. Der
Bundesgesetzgeber hat nunmehr die verfahrensrechtlichen Notwendigkeiten
und Voraussetzungen der grundsätzlich einheitlichen Würdigung einer Mehrzahl
von Pflichtverletzungen durch die Aufnahme von Ausnahmetatbeständen in
§ 19 Abs. 2, §§ 53, 56 BDG erstmals kodifiziert und damit die in der Recht-
sprechung entwickelten Grundsätze ausdrücklich im Sinne einer weiteren Ein-
schränkung des Einheitsgrundsatzes modifiziert (vgl. zu § 53 BDG: BTDrucks
14/4659 S. 48). So enthält § 53 BDG für das Disziplinarklageverfahren nicht nur
Bestimmungen für die gerichtliche Herbeiführung einer beschleunigten Nach-
tragsanschuldigung (Nachtragsdisziplinarklage) durch verfahrensmäßige Ein-
beziehung weiterer Vorwürfe gegen den Beamten, sondern regelt auch die Vo-
raussetzungen für ein Absehen von einer solchen Einbeziehung; ferner werden
die Folgen eines Unterbleibens der Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage
geregelt. Da es sich bei dem Bundesdisziplinargesetz wie auch bei dem Bun-
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desbeamtengesetz um Bundesrecht handelt, sind die Vorschriften beider Ge-
setze im Sinne einer einheitlichen Rechtsordnung auszulegen und anzuwen-
den. So genannte Altverfahren - wie hier - sind zwar gemäß § 85 Abs. 3 BDG
nach bisherigem Recht fortzuführen. Das bedeutet aber nicht, dass auch an
richterrechtlichen Grundsätzen zu § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG festzuhalten ist, die
der neu kodifizierten Rechtslage nicht mehr entsprechen. Sie werden vom
Übergangsrecht nicht
perpetuiert.
Aufgrund neuen Rechts lässt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG ein verfahrens-
rechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße
nicht mehr herleiten. Der Einheitsgrundsatz ist insoweit den unterschiedlichen
Verfahrensweisen anzupassen, die z.B. § 53 BDG nunmehr vorsieht bzw.
ermöglicht. Danach hat zwar der Dienstherr dem Gericht die konkreten An-
haltspunkte mitzuteilen, die den Verdacht eines (weiteren) Dienstvergehens
rechtfertigen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BDG), jedoch nur, „wenn er dies für angezeigt“
hält. Das deutet auf ein erweitertes Ermessen hin. Das Gericht hat sodann
- freilich nicht ausnahmslos - das Verfahren auszusetzen und eine Frist zu be-
stimmen, bis zu der die Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden „kann“ (§ 53
Abs. 2 Satz 2 BDG). Von einer Aussetzung (und Fristbestimmung) kann das
Gericht durch Beschluss absehen, „wenn die neuen Handlungen für die Art und
Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Ge-
wicht fallen oder ihre Einbeziehung das Disziplinarverfahren erheblich verzö-
gern würde“ (§ 53 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BDG). Bis zur Zustellung der Ladung
zur mündlichen Verhandlung etc. kann zwar weiterhin auch im anhängigen fort-
gesetzten Verfahren immer noch eine Nachtragsdisziplinarklage erhoben wer-
den (§ 53 Abs. 3 Satz 2 BDG). Nach § 53 Abs. 3 Satz 3 BDG können die neuen
Handlungen aber auch - falls es nicht zu einer Nachtragsdisziplinarklage
kommt - Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein. Unter den in § 53
Abs. 3 Satz 1 BDG genannten Voraussetzungen lässt es das Gesetz also zu,
dass es bei einem Beamten anstelle einer gleichzeitigen Gesamtwürdigung
seiner Verfehlungen zu einer Würdigung in aufeinanderfolgenden Disziplinar-
verfahren kommt. Auf diese Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung beschränkt
sich das Gesetz nicht einmal. Es lässt eine Würdigung in aufeinanderfolgenden
Verfahren vielmehr auch dann zu, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3
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Satz 1 BDG nicht vorliegen. Denn selbst dann, wenn das Gericht eine Frist be-
stimmt hat, bis zu der die Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden kann, dies
aber weder fristgemäß noch - bei Fortsetzung des Verfahrens - nachträglich
geschieht, das Gericht also nur über die bereits anhängigen Vorwürfe, nicht hin-
gegen gleichzeitig über die neuen Handlungen entscheiden kann, können
letztere auch Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein (§ 53 Abs. 4
Halbs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 3 Satz 3 BDG). Nicht nur in den Fällen des § 53
Abs. 3 Satz 1 BDG, sondern auch darüber hinaus eröffnet also das Bundesdis-
ziplinargesetz bei neuen Vorwürfen gegen einen Beamten Raum für zweckmä-
ßige Verfahrensgestaltung.
Aus dieser Gesetzeslage folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des Dienstver-
gehens nicht mehr vorwiegend oder gar ausschließlich durch bestimmte Ver-
fahrensweisen Rechnung zu tragen ist, sondern dass ihm, soweit es sich ver-
fahrensmäßig anders ergeben sollte, letztlich durch Richterspruch materiell-
rechtlich Geltung verschafft werden muss. Der Entscheidung im letzten von
mehreren aufeinanderfolgenden Verfahren hat bei der Bestimmung der ange-
messenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten
Dienstvergehens vorauszugehen. Erweist sich z.B. die in Erwägung gezogene
Maßnahme im letzten Verfahren wegen der im ersten Verfahren bereits ausge-
sprochenen als zur zusätzlichen Einwirkung unnötig oder in der Gesamtschau
aller Maßnahmen unangemessen, muss sie auf das für alle Verstöße in ihrer
Gesamtheit angemessene Maß zurückgeführt werden (vgl. Beschluss vom
9. Juni 1983 a.a.O. <94>). Der Beamte darf im Ergebnis materiellrechtlich nicht
schlechter gestellt werden als er im Falle einer gleichzeitigen und einheitlichen
Ahndung des Dienstvergehens stünde.
4. Das vom Beamten insgesamt begangene Dienstvergehen hat Gewicht und
macht eine Kürzung seiner Dienstbezüge erforderlich, die aber unter Berück-
sichtigung der schon bestandskräftig gewordenen Geldbuße mit acht Monaten
Laufzeit ausreichend bemessen ist.
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Gesetzliche Grundlage einer solchen Disziplinarmaßnahme ist § 8 BDG. Durch
diese Regelung ist die Höchstlaufzeit einer Kürzung der Dienstbezüge von frü-
her höchstens fünf auf jetzt höchstens drei Jahre herabgesetzt worden (§ 8
Abs. 1 Satz 1 BDG). Wie der Senat mit Urteil vom 8. September 2004 - BVerwG
1 D 18.03 - Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 - entschieden hat, ist dies auch in
so genannten Altfällen, die - wie hier - verfahrensrechtlich noch nach der
Bundesdisziplinarordnung fortzuführen sind, wegen der in der Herabsetzung
liegenden materiellrechtlichen Besserstellung der Beamten zu beachten;
entsprechendes gilt für die Möglichkeit der Abkürzung der Laufzeit des Be-
förderungsverbotes (§ 8 Abs. 4 Satz 2 BDG).
Unter diesen Voraussetzungen sowie unter Berücksichtigung des Verschlechte-
rungsverbots hält der Senat hier den Ausspruch einer Gehaltskürzung auf die
Dauer von acht Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend. Bei der Be-
stimmung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens, das
Persönlichkeitsbild des Beamten sowie die Beeinträchtigung des Vertrauens
des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Eine objektive und
ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemes-
sungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und
in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf
dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten
ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belasten-
den und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis
zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen
(vgl. dazu näher Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE
124, 252 <258 ff.> m.w.N.).
Im Vordergrund der Zumessungserwägungen steht hier die an die Zeugin A.
gerichtete Aufforderung zum Geschlechtsverkehr. Zutreffend ist das Verwal-
tungsgericht davon ausgegangen, dass dieser einmalige Angriff auf die „Ge-
schlechtsehre“ der Zeugin von seinem Gewicht her mit einer Gehaltskürzung zu
ahnden ist, wobei sich die Laufzeit der Gehaltskürzung nach der Schwere des
Dienstvergehens bestimmt. Soweit das Verwaltungsgericht im Rahmen einer
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höchstzulässigen Laufzeit von 36 Monaten eine Gehaltskürzung auf die Dauer
von 15 Monaten ausgesprochen hat, ist dies im Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen grundsätzlich nachvollziehbar. Belastend wirkt sich vor allem
aus, dass es sich um einen Beamten im Spitzenamt des gehobenen Dienstes
handelt, der im Verwaltungsbereich seiner Behörde Vorgesetzter war und Lei-
tungsfunktionen hatte und dem deshalb eine Vorbildfunktion zukam. Von be-
sonderem Gewicht ist ferner, dass er versucht hat, die Lage der mit den örtli-
chen und personellen Verhältnissen nicht vertrauten dunkelhäutigen Reini-
gungskraft für seine sexuellen Interessen auszunutzen. Bei der materiellrecht-
lich gebotenen einheitlichen Würdigung aller vom Beamten begangenen
Dienstpflichtverletzungen sind zusätzlich noch die zehn Fälle grob fahrlässiger
Verstöße gegen Aufsichtspflichten sowie gegen Beschaffungs-, Bauunterhalts-
und Haushaltsvorschriften zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Da aber
rechtskräftig feststeht, dass diese Pflichtverstöße nur mit einer Geldbuße, und
auch dies nur im unteren Bereich des Rahmens nach § 7 BDG, zu ahnden wa-
ren, konnten sie keine Veranlassung geben, im Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen die Laufzeit der Gehaltskürzung noch höher anzusetzen.
Das Verwaltungsgericht hat andererseits jedoch nicht alle Umstände berück-
sichtigt, die hier zu einer Herabsetzung der Laufzeit führen müssten. Neben der
langen und im Übrigen unbeanstandet zurückgelegten Dienstzeit mit guten
dienstlichen Beurteilungen kommt dem Beamten zugute, dass die zeitweilige
- auch kostenmäßige - Belastung mit einem zweiten Disziplinarverfahren aus-
zugleichen ist, das inzwischen mit einer Geldbuße in Höhe von 1 000 € rechts-
kräftig abgeschlossen worden ist. Diese Maßnahme ist hier laufzeitmindernd mit
drei Monaten anzurechnen. Darüber hinaus ist vor allem die lange Dauer des
vorliegenden Disziplinarverfahrens von jetzt über sechs Jahren zu berück-
sichtigen; die Vorermittlungen gegen den Beamten waren im September 2000
eingeleitet worden. Dies rechtfertigt eine weitere Herabsetzung der Laufzeit um
ein Drittel von zwölf Monaten, also um vier Monate.
Bei der nach alledem vorzunehmenden Gesamtwürdigung des vom Beamten
begangenen einheitlichen Dienstvergehens und der dafür gebotenen Abwägung
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aller be- und entlastender Umstände hält es der Senat im Ergebnis für
ausreichend, die Laufzeit der Gehaltskürzung auf acht Monate zu beschränken.
Hinsichtlich des erstinstanzlich festgesetzten Kürzungsbruchteils hat es sein
Bewenden.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 BDG
davon abgesehen, die Laufzeit des mit der Kürzung der Dienstbezüge verbun-
denen achtmonatigen Beförderungsverbotes abzukürzen. Die „lange Verfah-
rensdauer“ ist bereits zugunsten des Beamten in die Bemessung der Diszipli-
narmaßnahme eingeflossen und hat zum Ausspruch einer kürzeren Laufzeit der
Gehaltskürzung geführt, die sich voraussichtlich nicht als Beförderungssperre
auswirkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 2 und § 115 Abs. 5 BDO. Maß-
gebend für die Kostenquote ist der in der Berufungsschrift angekündigte und in
der Hauptverhandlung gestellte Hauptantrag des Beamten, ihn freizusprechen;
denn mit dem Antrag in der Berufungsschrift wird das Ziel des Rechtsmittels
bestimmt (vgl. Urteil vom 13. Juli 1999 - BVerwG 1 D 81.97 - m.w.N.).
Albers Dr. Müller
Richterin Heeren befin-
det sich seit dem 1. März
2007 im Ruhestand und
konnte daher ihre Unter-
schrift nicht mehr beifü-
gen.
Albers
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Formelles und materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BBG
§ 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 1
BDG
§§ 7,8, § 13 Abs. 1, § 19 Abs. 2, §§ 33, 53, 56,
§ 85 Abs. 3, 4 und 7 Satz 2
BDO
§ 64 Abs. 1 Nr. 1, § 67 Abs. 3
BeschSchG § 2 Abs. 2 und 3
Stichworte:
Beamter des gehobenen Dienstes (Verwaltungsleiter); sexuelle Beleidigung
einer im Dienstgebäude tätigen Reinigungskraft durch Worte und Gesten;
gleichzeitige Durchführung und rechtskräftiger Abschluss eines zweiten Diszi-
plinarverfahrens gegen den Beamten wegen grobfahrlässiger Verletzung von
Aufsichts-, Beschaffungs-, Bauunterhalts- und Haushaltsvorschriften (Geldbuße
in Höhe von 1 000 €); Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens; Disziplinar-
maß: Gehaltskürzung auf die Dauer von acht Monaten.
Leitsatz:
Durch die gesetzlichen Regelungen des § 19 Abs. 2 und der §§ 53, 56 BDG
wird der von der Rechtsprechung aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG abgeleitete
Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens in verfahrensrechtlicher Hinsicht
eingeschränkt.
Unter dem Einfluss neuen Rechts (insbesondere § 53 BDG) lässt sich aus § 77
Abs. 1 Satz 1 BBG ein Gebot gleichzeitiger Entscheidung zur Gewährleistung
einer einheitlichen Bewertung mehrerer Pflichtverstöße nicht mehr herleiten;
dies wirkt sich auch auf Altverfahren aus, die gemäß § 85 Abs. 3 BDG noch
nach der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen sind.
Unterbleibt zulässigerweise eine einheitliche Disziplinarentscheidung gegen den
Beamten, so ist dem materiellrechtlichen Grundsatz der einheitlichen Be-
wertung jedenfalls in dem zuletzt zur Entscheidung anstehenden Disziplinarver-
fahren nachträglich Geltung zu verschaffen.
Urteil des Disziplinarsenats vom 14. Februar 2007 - BVerwG 1 D 12.05
I. VG … vom 30.05.2005 - Az.: VG 14 A 5520/03 -