Urteil des BVerwG vom 29.10.2013

Kennzeichen, Daten, Disziplinarverfahren, Neues Recht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 1.12
VG 18 K 296/11.OB
Verkündet
am 29. Oktober 2013
Melzer
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Polizeihauptkommissar …,
…,
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 29. Oktober 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
Oberregierungsrätin … und
Verwaltungsoberinspektor …
als ehrenamtliche Richter
sowie
Oberregierungsrätin …,
Bundespolizeidirektion Berlin
als Vertreterin der Einleitungsbehörde,
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Rechtsanwalt …
als Verteidiger
und
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Polizeihauptkommissars … wird das
Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. März
2012 aufgehoben. Der Beamte wird in das Amt eines Poli-
zeioberkommissars (BesGr A 10 BBesO) zurückgestuft.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beamte.
G r ü n d e :
I
Der Beamte ist im Jahr 1956 geboren. Er wurde 1973 bei der Landespolizei H.
als Polizist im mittleren Dienst eingestellt. Nach Erlangung der Fachhochschul-
reife wurde er zum 1. Oktober 1979 unter Berufung in das Beamtenverhältnis
auf Widerruf als Polizeiwachtmeister (gehobener Dienst) im Bundesgrenzschutz
eingestellt. Mit Wirkung vom 2. Oktober 1982 wurde er unter Verleihung der Ei-
genschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeikommissar im Bundesgrenz-
schutz zur Anstellung ernannt. Am 6. September 1985 folgte die Ernennung
zum Beamten auf Lebenszeit. Am 2. März 1993 wurde der Beamte zum Poli-
zeihauptkommissar im Bundesgrenzschutz ernannt.
Ab Ende Januar 1998 war der Beamte als Sachbearbeiter Einsatz/Organisation
in der Bundesgrenzschutzinspektion S. (…; heute: Bundespolizeiinspektion M.)
tätig und übte dort die Funktion des stellvertretenden Inspektionsleiters aus.
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In der Regelbeurteilung zum 1. März 1998 wurde der Beamte mit 6 Punkten
(bei einer 9 Punkte umfassenden Notenskala) beurteilt. Über einen hiergegen
gerichteten Abänderungsantrag wurde nach Bekanntwerden der hier in Rede
stehenden Vorwürfe nicht mehr entschieden.
Der Beamte ist wiederverheiratet und hat aus erster Ehe zwei Kinder. In straf-
und disziplinarrechtlicher Hinsicht ist er - abgesehen von den Vorgängen, die
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind - nicht in Erscheinung getreten.
Mit Verfügung vom 8. Juli 1999 ordnete der Leiter des Bundesgrenzschutzam-
tes F. die Vorermittlungen gegen den Beamten an; gleichzeitig wurden diese
mit Blick auf das sachverhaltsidentische Ermittlungsverfahren bei der Staats-
anwaltschaft F. ausgesetzt. Mit Verfügung vom 4. August 1999 leitete der Prä-
sident des Grenzschutzpräsidiums … das förmliche Disziplinarverfahren nach
den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (BDO) gegen den Beamten un-
ter gleichzeitiger Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehal-
tung von Teilen der Dienstbezüge ein. Die vorgenannte Anordnung dauert an.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts F. vom 16. August 2005 - 27 Ns
55/05 - wurde der Beamte wegen Geheimnisverrats (§ 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB
i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVG) in acht Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung
(§ 369, § 370 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 AO) in 24 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe
von 130 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt, ferner wegen einer Ordnungswidrig-
keit (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 BDSG) zu drei Geldbußen zu je 100 €. Gegenstand die-
ser strafgerichtlichen Verurteilung waren die Anschuldigungspunkte 1 und 2 des
vorliegenden Disziplinarverfahrens. Wegen weiterer Tatvorwürfe (Gebrauch
einer gefälschten Urkunde in Tateinheit mit Steuerhinterziehung im Rahmen der
Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996; Betrug durch dienstlich abge-
rechnete Kosten für private Fotoaufnahmen) wurde der Beamte freigesprochen.
Nach Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens und der disziplinarrechtlichen
Untersuchungen legte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums … dem Be-
amten mit Anschuldigungsschrift vom 10. November 2005 zur Last, ein Dienst-
vergehen begangen zu haben, in dem er
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1. während des Dienstes in einer Vielzahl von Fällen ZEVIS-
und INPOL-Daten aus dienstlichen Dateien abgefragt habe,
ohne dass hierfür ein dienstlicher Anlass bestanden habe,
und diese Dateien an seinen Bekannten P. weitergegeben
habe;
2. in 24 Fällen jeweils eine Stange Zigaretten von P. nach
Deutschland eingeführt habe, ohne die dafür vorgesehenen
Zollabgaben zu entrichten; bei mindestens 2 Gelegenheiten
habe er diese Zigaretten während seiner Dienstzeit einge-
führt, indem er im Dienstfahrzeug und in Dienstuniform über
die Grenze gefahren sei;
3. private Telefonate auf Kosten des Dienstherrn geführt habe,
wobei der Anschuldigungsschrift als Anlage 1 eine Auflis-
tung der einzelnen Telefonate (nach Datum, Uhrzeit, Zielruf-
nummer, Dauer, Einheiten und Gebühren sowie Ortsnetz
bzw. Land) beigefügt war.
Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das Verwaltungsgericht den Beamten aus
dem Dienst entfernt. Auf die dagegen erhobene Berufung des Beamten hat der
Senat mit Beschluss vom 22. September 2010 (BVerwG 1 D 1.10) das Urteil
des Verwaltungsgerichts wegen schwerer Verfahrensmängel aufgehoben und
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Mit dem nun angefochtenen Urteil vom 6. März 2012 hat das Verwaltungsge-
richt den Beamten (erneut) aus dem Beamtenverhältnis entfernt und ihm einen
Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 % des erdienten Ruhegehalts für ein halbes
Jahr bewilligt. Es hat die angeschuldigten Vorwürfe als erwiesen erachtet. We-
gen der Anschuldigungspunkte 1 und 2 hat es sich auf die strafgerichtlichen
Feststellungen gestützt; wegen des dritten Vorwurfs hat es die Feststellungen
der Staatsanwaltschaft bzw. Einleitungsbehörde für zutreffend erachtet. Der
Beamte habe schuldhaft ein Dienstvergehen i.S.v. § 77 Abs. 1 BBG begangen,
weil er vorsätzlich gegen seine Pflichten gemäß § 54 Satz 1 und 3 sowie § 55
Satz 2 BBG verstoßen habe. Als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen
hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass bereits bei einer Würdigung der
Anschuldigungspunkte zu 1 und 2 nach deren Schwere die Entfernung des Be-
amten aus dem Dienst angemessen sei, hinzu komme noch der Anschuldi-
gungspunkt zu 3. Entlastende Umstände von erheblichem Gewicht fehlten.
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Mit seiner gegen dieses Urteil vollumfänglich eingelegten Berufung beantragt
der Beamte,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. März
2012 aufzuheben und auf eine mildere Disziplinarmaß-
nahme als die Entfernung aus dem Dienst zu erkennen.
Die Einleitungsbehörde beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II
Die Berufung des Beamten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme.
Da das behördliche Disziplinarverfahren durch Verfügung vom 4. August 1999
eingeleitet worden ist, mithin bevor das Bundesdisziplinargesetz (BDG) in Kraft
getreten ist (1. Januar 2002), ist das gerichtliche Verfahren noch nach altem
Recht, d.h. nach den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzu-
führen (§ 85 BDG). Dabei übt der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsge-
richts selbst die Disziplinarbefugnis aus, bestimmt also - im Rahmen des ange-
schuldigten Sachverhalts und des Verböserungsverbots - selbst die angemes-
sene Disziplinarmaßnahme.
Der Disziplinarsenat ist aufgrund des festgestellten Sachverhalts (1.), von dem
er aufgrund der bindenden strafgerichtlichen Feststellungen bzw. seiner eige-
nen Beweisaufnahme ausgeht, zu der Überzeugung gelangt, dass der Beamte
ein Dienstvergehen begangen hat (2.), das bei Abwägung aller disziplinarrecht-
lich relevanten Gesichtspunkte mit der im Tenor ausgesprochenen Zurückstu-
fung in ein um zwei Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt zu
ahnden ist (3.).
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1. Hinsichtlich der einzelnen Anschuldigungspunkte geht der Disziplinarsenat
von folgendem Sachverhalt aus:
a) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 hält es der Senat für erwiesen,
dass der Beamte in elf Fällen eine Vielzahl von Kfz-Halterdaten aus den (poli-
zei-) behördlichen EDV-Datensystemen ZEVIS (Zentrales Verkehrs-In-
formationssystem des Kraftfahrt-Bundesamts) und INPOL (bundeseinheitliches
polizeiliches Informationssystem des Bundeskriminalamts und der Landespoli-
zeien) entweder selbst abgefragt oder ihm unterstellte Bedienstete mit solchen
Abfragen beauftragt und die Daten an den polnischen Rückführungsunterneh-
mer P. weitergeleitet hat.
aa) Hierzu hat das Landgericht F. in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil
vom 7. Juni 2004 - 25 Ns 110/03 - im Einzelnen festgestellt:
„Der Angeklagte … war von Januar 1998 bis Juni 1999
stellvertretender Inspektionsleiter und Sachbearbeiter Ein-
satz/Organisation in der Bundesgrenzschutzinspektion S.
Der Angeklagte P. betreibt gewerbsmäßig die entgeltliche
Rückholung in Deutschland entwendeter Kraftfahrzeuge
aus P. und anderen osteuropäischen Staaten und hat zu
diesem Zweck Kontakte zu polnischen Polizeidienststel-
len. Von diesen und aus anderen Quellen erhält er Infor-
mationen über den Standort von Kraftfahrzeugen, die un-
ter anderem in P. sichergestellt worden sind, da der Ver-
dacht besteht, dass es sich um gestohlene Fahrzeuge
handelt. Der Angeklagte P. gelangte so in der Regel an
die Fahrzeugidentifizierungsnummer der Fahrzeuge und
war bestrebt, herauszufinden, ob die dazugehörenden
Fahrzeuge als gestohlen registriert und wer der Halter der
jeweiligen Fahrzeuge ist. Um an die Halterdaten und In-
poldaten zu gelangen, wandte er sich an den Angeklagten
…, den er bereits seit 1996 kannte.
Dieser beauftragte mit der jeweiligen Recherche entweder
Mitarbeiter der Inspektion in der Regel den Zeugen S., der
aufgrund seiner dienstlichen Obliegenheiten Zugriff auf die
jeweiligen Datensysteme hatte, oder der Angeklagte …
recherchierte selbst am Computer an der Grenzüber-
gangsstelle …, obwohl er wusste, dass er dazu nicht be-
rechtigt war. Die entsprechenden gesetzlichen Vorschrif-
ten des Bundesgrenzschutzgesetzes, des Straßenver-
kehrsgesetzes und des Bundesdatenschutzgesetzes wa-
ren dem Angeklagten … ebenso bekannt wie die entspre-
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chenden dienstlichen Anweisungen, welche insbesondere
die Erteilung von Halterauskünften an den Angeklagten P.
durch das Bundesgrenzschutzamt bereits im Jahre 1995
untersagten und auch den Mitarbeitern der Grenzschutz-
steIle und der Inspektionen im Umlaufwege zur Kenntnis
gegeben worden waren.
Zur Übermittlung der erhobenen Daten nutzte der Ange-
klagte … vorrangig ein privates Faxgerät, welches er mit
Billigung der Behördenleitung in seinem Dienstzimmer be-
trieb. Über die tatsächlichen Hintergründe der Abfragen
und deren Verwendung ließ er sowohl den Zeugen S. als
auch seine unmittelbare Mitarbeiterin Frau L., die ver-
schiedentlich vom Angeklagten P. stammende Auflistun-
gen von Fahrzeugidentifizierungsnummern an ihn weiter-
leitete, im Unklaren. Der Zeuge S. ging bei der Ausführung
der Aufträge des Angeklagten davon aus, dass die Abfra-
gen im Zusammenhang mit dienstlichen Obliegenheiten
der Ermittlungsgruppe stünden.
Im Einzelnen kam es zu folgenden Datenerhebungen:
Am 30.12.1998 in der Zeit von 11:05 Uhr bis 12:19 Uhr
nahm der Zeuge S. im Auftrag des Angeklagten … eine
Mehrzahl von Halterabfragen in dem Zentralen Fahrzeug-
register des Kraftfahrt-Bundesamtes (ZEVIS) vor. Unter
anderem fragte er die Halterdaten aus dem Fahrzeug mit
dem amtlichen Kennzeichen … ab und erhielt die Daten
des F.. Das Ergebnis seiner Abfrage übergab der Zeuge
S. dem Angeklagten …. Dieser übermittelte die festgestell-
ten Halterdaten dem Angeklagten P.
Am 13.01.1999 in der Zeit von 09:30 Uhr bis 09:41 Uhr tä-
tigte der Zeuge S. erneut im Auftrag des Angeklagten …
eine Mehrzahl von Abfragen im ZEVIS. Unter anderem
gab er das Autokennzeichen … des S. ein und fertigte ei-
nen ‚erweiterten’ ZEVIS-Ausdruck, auf dem zusätzlich zu
den Halterdaten vermerkt war: ‚Fahrzeug gestohlen IN-
POL prüfen!’. Daraufhin nahm er eine Abfrage im polizeili-
chen Informationssystem (INPOL) vor, welches beim Bun-
deskriminalamt geführt wird, und der Bundes- und Lan-
despolizei sowie dem Zoll, für deren Aufgabenerfüllung
zur Verfügung steht. Die entsprechenden Ausdrucke
übergab er dem Angeklagten … und dieser leitete sie ab-
sprachegemäß an den Angeklagten P. weiter.
Am 15.01.1999 um 07:33 Uhr nahm der Angeklagte …
entweder selbst oder durch einen Unbekannten über den
Terminal … der Geschäftsstelle des Grenzübergangs …
eine Abfrage des Kennzeichens … des Pkw's VW des W.
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vor. Den entsprechenden ZEVIS-Ausdruck ließ er abspra-
chegemäß dem Angeklagten P. zukommen.
Am 26.01.1999 in der Zeit von 11:27 Uhr bis 11:55 Uhr
nahm der Zeuge S. im Auftrag des Angeklagten … erneut
ZEVIS-Abfragen vor. Unter anderem kam es zur Abfrage
von Halterdaten zu den Fahrzeugen … und …. Die erlang-
ten Halterdaten übermittelte der Angeklagte … abspra-
chegemäß dem Angeklagten P.
Am 27.04.1999 gegen 09:30 Uhr übersandte der Ange-
klagte P. dem Angeklagten …per Fax eine Liste für Fahr-
zeugidentifizierungsnummern zur Abfrage. Der Angeklagte
… beauftragte die Zeugin L., seinerzeit B., die Fahrzeug-
identifizierungsnummern im ZEVIS und INPOL zu über-
prüfen und mahnte am 29.04.1999 an, dass dies noch
heute erledigt werden müsse. Die Zeugin L. übergab die
Überprüfungen der Zeugin GUK K., die die Abfragen am
29.04.1999 vornahm und die Ausdrucke auf den Schreib-
tisch der Zeugin L. legte, von wo sie der Angeklagte …
mitnahm. Unter anderem fragte die Zeugin K. die Halter-
daten zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …
ab. Das Ergebnis dieser Abfrage teilte der Angeklagte …
dem Angeklagten P. absprachegemäß mit.
Am Vormittag des 04.05.1999 tätigte der Angeklagte … für
den Angeklagten P. über den Terminal … des Grenzüber-
ganges … mehrere ZEVIS-Abfragen. Er fragte die FIN …
ab, die zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …
der Firma S. GmbH … gehörte. Diese Daten übermittelte
er absprachegemäß an den Angeklagten P.
Am 26.05.1999 gegen 10:00 Uhr führte der Angeklagte …
am Grenzübergang … persönlich Überprüfungen von
Kraftfahrzeugen in INPOL und ZEVIS durch.
Unter anderem überprüfte er folgende Fahrzeuge:
Das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, das
zum Pkw Audi 100 des Herrn … gehörte und am
17.05.1999 in S. gestohlen worden war, das Fahrzeug mit
der FIN …, Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen …,
welches dem Zeugen L. gehörte, das Fahrzeug mit der
FIN …, die zum Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen
… der KG Spedition und Handel GmbH & Co., … gehörte,
und der Nacht vom 07. auf den 08.05.1999 in S. durch
Diebstahl abhanden gekommen war, das Fahrzeug mit
der FIN …, welche zum Fahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen … des G. gehörte.
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Die erhaltenen einfachen und ‚erweiterten’ ZEVIS-
Auskünfte sowie die INPOL-Auskunft leitete der Angeklag-
te … absprachegemäß an den Angeklagten P. weiter.
Am 31.05.1999 gegen 09:55 Uhr führte der Angeklagte …
an einem Terminal der Einsatzzentrale des Grenzüber-
ganges … selbst ca. 10 bis 12 Fahrzeugabfragen durch.
Unter anderem fragte er die FIN …, die zum Fahrzeug mit
dem amtlichen Kennzeichen … des S. gehörte, ab. Die er-
langten Halterdaten übermittelte er absprachegemäß an
den Angeklagten P..
Am 01.06.1999 gegen 12:55 Uhr nahm der Angeklagte …
an dem Terminal der LEZ des Grenzüberganges … Ab-
fragen vor. Unter anderem überprüfte er in ZEVIS das
amtliche Kennzeichen …, das zum Fahrzeug des B. ge-
hörte und leitete die erlangten Informationen absprache-
gemäß an den Angeklagten P. weiter.
Am 02.06.1999 ab ca. 12:40 Uhr führte der Angeklagte …
ca. 10 bis 12 Abfragen an einer Datensichtstation am
Grenzübergang … durch. Unter anderem überprüfte er die
FIN …, welche zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kenn-
zeichen … des G.O.T.S. gehörte. Das Fahrzeug war am
26.05.1999 in P. gestohlen worden.
Außerdem überprüfte er die FIN …, die zum Fahrzeug mit
dem amtlichen Kennzeichen … des P. I. K. gehörte. Die-
ses Fahrzeug war am 30.05.1999 in P. gestohlen worden.
Die erlangten Daten übersandte er absprachegemäß an
den Angeklagten P..
Am 10.06.1999 tätigte der Angeklagte … am Computer-
terminal des Grenzüberganges … Abfragen zu ca. 10 bis
12 Fahrzeugidentifizierungsnummern. Die entsprechen-
den Daten hat ihm der Angeklagte P. zuvor per Telefax
übersandt.
So fragte er in der Zeit von 09:13 Uhr bis 09:18 Uhr fol-
gende Fahrzeuge ab: die FIN …, welche zum Pkw mit
dem amtlichen Kennzeichen … des P. gehörte, die FIN …,
welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … des t
P. gehörte, die FIN …, welche zum Pkw mit dem amtli-
chen Kennzeichen … der N. gehörte, die FIN …, welche
zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … des P. ge-
hörte, die FIN …, welche zum Pkw mit dem amtlichen
Kennzeichen … der Einrichtung ‚Lebenshilfe für Men-
schen mit geistigen Behinderungen …’ gehörte, die FIN
…, welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen …
des P. gehörte.
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Zu diesen Abfragen fertigte der Angeklagte … Ausdrucke.
Für die Fahrzeuge des L., des P. und der ‚Lebenshilfe’ er-
hielt er dabei erweiterte ZEVIS-Auskünfte, die jeweils den
Hinweis enthielten ‚Fahrzeug gestohlen INPOL prüfen’.
Die entsprechenden Ausdrucke schickte er absprachege-
mäß noch am selben Tag per Post an den Angeklagten
P..“
Ergänzend geht der Senat in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Rück-
holunternehmer P. - wie dem Beamten bekannt war - ein geschäftliches Inte-
resse an den Kfz-Halterdaten hatte, um entweder direkt von den Kfz-Haltern
Aufträge für eine entgeltliche Rückführung ihres Kraftfahrzeugs zu erhalten oder
über die Halter an deren Versicherungsunternehmer mit demselben Ziel heran-
treten zu können. Auf diese Weise suchte er sich einen Wettbewerbsvorteil ge-
genüber anderen konkurrierenden Rückholunternehmern zu verschaffen. Der
Beamte war durch drei dienstliche Anordnungen, datierend vom 28. August
1995, 16. November 1995 und 7. März 1996, jeweils darüber belehrt worden,
dass die Weitergabe von ZEVIS- und INPOL-Daten an Dritte, namentlich an
Rückführungsunternehmen, unzulässig sei.
bb) Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest. Diese gründet
zum einen auf die dargestellten rechtskräftigen Feststellungen des genannten
Strafurteils, an die der Senat gemäß § 18 Abs. 1 BDO gebunden ist. An ihrer
Richtigkeit bestehen keine Zweifel, so dass kein Grund für eine Lösung von
diesen Feststellungen vorliegt (vgl. Urteile vom 7. Oktober 1986 - BVerwG 1 D
46.86 - BVerwGE 83, 228 <230> und vom 29. November 2000 - BVerwG 1 D
13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> = Buchholz 235 § 18 BDO Nr. 2 S. 5 m.w.N.).
Zum anderen beruht die Überzeugung des Senats ergänzend auf seiner eige-
nen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung:
Der Beamte hat in der Hauptverhandlung die strafgerichtlichen Feststellungen
zur Weitergabe der Kfz-Halterdaten an den Rückfuhrunternehmer P. als zutref-
fend eingeräumt. Er hat sich im Wesentlichen dahin eingelassen, dass eine Zu-
sammenarbeit mit polnischen Rückfuhrunternehmern in der Vergangenheit übli-
che Praxis gewesen sei; die erwähnten Verfügungen, die eine solche Zusam-
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menarbeit untersagten, habe er für verwaltungsmäßig unpraktikabel gehalten.
Er habe niemandem geschadet, sich nicht bereichert und den Kfz-Haltern nur
auf schnelle Weise zu ihrem Eigentum verhelfen wollen. Andererseits hat er
eingeräumt, dass ihm sowohl die drei vorbezeichneten dienstlichen Anordnun-
gen zum Verbot der Weitergabe von Kfz-Halterdaten an Dritte bekannt waren,
als auch dass dadurch eine Bevorzugung einzelner Rückführungsunternehmer
verhindert werden sollte.
Hiernach ist der Beamte hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens zum An-
schuldigungspunkt 1 geständig. Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Beamten,
er habe lediglich eine frühere gängige Praxis übernommen und weitergeführt.
Dem steht die dargestellte eindeutige Weisungslage entgegen. Auch der Zeuge
P., der Leiter der Dienststelle, hat in der Hauptverhandlung vor dem Senat be-
stätigt, dass zum Zeitpunkt seiner Versetzung dorthin die Rechts- und Erlassla-
ge klar war.
Soweit der Beamte mit seiner Einlassung sein Verhalten zu rechtfertigen bzw.
das Motiv seines Handelns in milderes Licht zu stellen versucht, bleibt er damit
ohne Erfolg. Allerdings ist weder strafgerichtlich festgestellt worden noch konnte
dem Beamten im Disziplinarverfahren nachgewiesen werden, dass er für die
Weitergabe der Daten von dem Rückfuhrunternehmer P. finanzielle oder wirt-
schaftliche Vorteile entgegen genommen hat, wenngleich die staatsanwalt-
schaftlichen Ermittlungen hierfür einige Verdachtsmomente erbracht hatten
(mehrere kostenlose Inspektionen des Privat-Fahrzeugs des Beamten in einer
Werkstatt des Bruders des Herrn P. und kostenlose Nutzung des Jeeps des
Herrn P. während dieser Zeit). Umgekehrt hält der Senat es für unglaubhaft,
dass der Beamte den Haltern der Kraftfahrzeuge lediglich auf schnelle und un-
bürokratische Weise zum Rückerhalt ihres Eigentums habe verhelfen wollen.
Wäre dem so, ist zum einen nicht erklärlich, warum der Beamte solche Daten
nach eigener Einlassung allein und ausschließlich Herrn P. hat zukommen las-
sen, nicht aber anderen Rückfuhrunternehmern, die an ihn herangetreten sind.
Dagegen spricht zum anderen sein verdecktes Vorgehen, wofür exemplarisch
der von der Zeugin L. geschilderte Vorfall steht, als der Beamte sie dafür rügte,
dass sie ein (an das private Fax-Gerät des Beamten in der Dienststelle gesand-
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tes) Telefax-Schreiben mit Fahrzeugidentifikationsnummern (FIN-Nummern),
das sie vom Boden aufgehoben hatte, offen auf den Schreibtisch des Beamten
gelegt hatte. Unglaubhaft (weil widersprüchlich) erscheint dem Senat ferner,
dass der Beamte sein Verhältnis zu Herrn P. einerseits als normal und jeden-
falls nicht eng bezeichnet, andererseits auf Vorhalt in der Hauptverhandlung
einräumte, dass Herr P. zur Feier des 50. Geburtstags seiner damaligen Le-
benspartnerin eingeladen war. Auf den Vorhalt der erwähnten Kfz-Inspektionen
schließlich hat der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Senat geschwie-
gen. Nach all dem ist das Motiv für sein Verhalten letztlich unaufklärbar geblie-
ben. Jedoch steht zur Überzeugung des Senats immerhin fest, dass der Beam-
te bewusst gegen die ihm bekannten Verfügungen (betreffend das Verbot einer
Zusammenarbeit mit Kfz-Rückholunternehmern) verstoßen und nicht aus den
von ihm behaupteten allein fremdnützigen Motiven zugunsten der Kfz-Halter
gehandelt hat. Der Beamte hat auch eingeräumt, dass ihm der wirtschaftliche
Hintergrund der Anfragen des Herrn P. (Wettbewerbsvorsprung vor anderen
Konkurrenten) bekannt war und dass ihm ebenso bewusst war (wenngleich er
dies in der Hauptverhandlung vor dem Senat lediglich als „Vermutung“ he-
runterzuspielen suchte), dass die erwähnten dienstlichen Anordnungen auch
den Zweck verfolgten, eine korruptionsverdächtige Bevorzugung einzelner
Rückführungsunternehmer zu unterbinden.
b) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 2 geht der Senat davon aus, dass
der Angeschuldigte in insgesamt 24 Fällen je eine Stange Zigaretten, die er in
P. erworben hat, unter Verstoß gegen steuer- und zollrechtliche Bestimmungen
nach Deutschland eingeführt und entgeltlich an ein mit ihm bekanntes Ehepaar
weiterverkauft hat.
aa) Hierzu hat das Landgericht F. in dem bereits bezeichneten Strafurteil im
Einzelnen festgestellt:
„Ende 1998 kam der Angeklagte … mit seinen Bekannten, den
Eheleuten R. und C. G. überein, ihnen in regelmäßigen Ab-
ständen in P. erworbene Zigaretten zum Preis von 25,00 DM
pro Stange zu schicken. Der Angeklagte erwarb von Januar bis
Juni 1999 bei 24 Gelegenheiten jeweils eine Stange Zigaretten
in P. zu diesem Zweck. Bei mindestens zwei Gelegenheiten
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fuhr er in Begleitung der Zeugin L. (früher B.), die zu dieser Zeit
als Kraftfahrerin und Dolmetscherin bei dienstlichen Fahrten im
p. Grenzschutz fungierte, im Dienstfahrzeug und in Dienstuni-
form über die Grenze und erwarb dort in einer Bar jeweils eine
Stange Zigaretten, die er bei der Rückkehr aus P. nicht dem
Zoll gestellte, sondern im Fahrzeug so verwahrte, dass sie im
Falle eventueller Kontrolle nicht gleich sichtbar war.
Von der Zeugin auf die Vorschriftswidrigkeit dieses Vergehens
hingewiesen, reagierte er abwehrend und bagatellisierte die
Angelegenheit. Die erworbenen Zigarettenstangen sammelte er
und schickte den Zeugen G. 4 Päckchen, in denen sich einmal
12 Stangen, einmal 2 Stangen, einmal 4 Stangen und einmal 6
Stangen befanden. Die Familie G. überwies ihm nach Erhalt
den jeweils vereinbarten Geldbetrag zuzüglich der Versandkos-
ten.“
Ergänzend geht der Senat davon aus, dass hierdurch Abgaben hinterzogen
wurden, und zwar bezogen auf eine Stange Zigaretten in Höhe von jeweils
49,37 DM (Zoll 10,94 DM, Tabaksteuer 29,42 DM, Einfuhrumsatzsteuer
9,01 DM), insgesamt mithin in Höhe von 1 184,88 DM. Der Beamte, der selbst
Nichtraucher ist, wusste, dass sein Verhalten gegen steuer- und zollrechtliche
Vorschriften verstieß. Er war durch das Schreiben der Bundesgrenzschutzin-
spektion S. vom 23. September 1998 darauf hingewiesen worden, dass ein
während des Dienstes getätigter Einkauf von zollrechtlich relevanten Gegen-
ständen und deren Einfuhr nach Deutschland steuer- und zollstrafrechtlich ein-
schlägig sei, dass die Ausnahmebestimmungen der Einreise-Freimengen-
Verordnung (EF-VO) nur für Reisende, nicht dagegen für Angehörige des Bun-
desgrenzschutzes während ihrer Dienstverrichtung gelten und dass Verstöße
dagegen als Dienstpflichtverletzungen geahndet würden. Die Kenntnisnahme
dieses Schreibens hat der Beamte ausweislich einer „Aktenkundigen Beleh-
rung" am 25. September 1998 durch eigene Unterschrift bestätigt.
bb) Auch insoweit steht der Sachverhalt zur Überzeugung des Senats fest auf-
grund der vorbezeichneten bindenden strafgerichtlichen Feststellungen, an de-
nen der Senat keinen Grund zu zweifeln hat, so dass auch insoweit eine Lö-
sung nicht in Betracht kommt (§ 18 BDO), sowie der Einlassung des Beamten
in der Hauptverhandlung, in der er diese Feststellungen bestätigt hat. In seiner
eigenen Beweisaufnahme hat der Senat keine weitergehenden Erkenntnisse
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über die konkreten Umstände gewonnen, auf welche Weise der Beamte - über
die im Strafurteil festgestellten zwei Fälle hinaus - die weiteren 22 Zigaretten-
stangen nach Deutschland eingeführt hat, insbesondere ob er auch diese in
Dienstuniform und mit dem Dienstfahrzeug über die Grenze gebracht hat. Die
Zeugin L. glaubte, sich an drei bis fünf Fälle erinnern zu können, und schilderte
ansatzweise drei Begebenheiten, bei denen der Kläger Zigarettenstangen bei
einer Dienstfahrt und in Dienstuniform in P. erworben habe. An nähere Einzel-
heiten wie das Datum oder die Anzahl der Zigarettenstangen konnte sie sich
aber nicht erinnern. Auch vermochten weder sie noch der Zeuge P. zu sagen,
ob der Beamte nach Dienstschluss in Dienstuniform oder in Zivilkleidung nach
Hause über die deutsch-polnische Grenze gefahren und damit den Einfuhrtat-
bestand letztlich verwirklicht hat. Da eine zeitlich tatnähere Aufklärung dieser
Umstände versäumt wurde und heute - mehr als 14 Jahre später - weitere Er-
kenntnismöglichkeiten nicht zur Verfügung zu stehen, muss der Senat in An-
wendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ zugunsten des Beamten davon
ausgehen, dass dieser lediglich zwei der 24 Zigarettenstangen in Dienstuniform
und im Dienstfahrzeug nach Deutschland eingeführt hat, wie im Strafurteil fest-
gestellt.
c) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 3 hält der Senat es für erwiesen,
dass der Beamte zwischen dem 18. Januar und 2. Juni 1999 von seinem
Dienstapparat in der Dienststelle Telefonate ohne dienstlichen Bezug geführt
hat, nämlich 24 Anrufe an eine Telefonnummer in A., die der geschiedenen
Ehefrau des Beamten gehört, sowie 27 Anrufe an zwei Telefonnummern des
Herrn P. in B. mit einer Gebührenhöhe von insgesamt 18,60 DM. Der Beamte
hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass er diese Telefonate geführt hat
und dass sie nicht dienstlich veranlasst gewesen seien.
Entgegen der Anschuldigungsschrift und entgegen der Ansicht des Verwal-
tungsgerichts kann indes nicht festgestellt werden, dass auch sämtliche weite-
ren der insgesamt 204 Telefonate, die in der tabellarischen Auflistung der Anla-
ge zur Anschuldigungsschrift und im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 19 ff.)
näher bezeichnet sind, ebenfalls von dem - dies bestreitenden - Beamten ge-
führt wurden und dass sie privat veranlasst waren. Das Verwaltungsgericht hat
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- 15 -
die aufgelisteten Telefonate deshalb zur Gänze als privat veranlasst gewertet,
weil der Beamte im Disziplinarverfahren Gelegenheit gehabt hat, die nach sei-
ner Ansicht dienstlich veranlassten Telefonate aus der Auflistung auszuschei-
den (und dies auch teilweise getan hat) und die aus der bereinigten Auflistung
sich ergebenden Telefonkosten in Höhe von 161,06 DM ohne Abzug beglichen
hat. Dem vermag sich der Disziplinarsenat nicht anzuschließen. Einer solchen
Würdigung des Verhaltens des Beamten als konkludentes „Geständnis“ steht
nach Auffassung des Senats zum einen entgegen, dass der Beamte durchaus
nachvollziehbar dargelegt hat, dass er den genannten Betrag allein deshalb
beglichen habe, um angesichts der zahlreichen weiteren seinerzeit gegen ihn
erhobenen Vorwürfe wenigstens diese Anschuldigung „aus der Welt zu schaf-
fen“. Zum anderen steht sowohl der Annahme der Anschuldigungsschrift als
auch der des Verwaltungsgerichts, allein der Beamte könne die Telefonate ge-
führt haben, der Umstand entgegen, dass der Beamte sein Dienstzimmer im
fraglichen Zeitraum mit zwei weiteren Bediensteten geteilt hat und dieses bei
seiner Abwesenheit nicht verschlossen war, so dass mindestens diese beiden,
wenn nicht weitere Bedienstete der Dienststelle sein Diensttelefon tatsächlich
benutzen konnten. Da weitere Aufklärungsmöglichkeiten - mehr als 14 Jahre
nach dem fraglichen Zeitraum - nicht bestehen, hat der Senat nach dem Grund-
satz „in dubio pro reo“ davon auszugehen, dass der Beamte nur die von ihm
eingeräumten 51 Telefonate mit einer Gebührenhöhe von 18,60 DM selbst ge-
tätigt hat.
Diese Telefonate waren - wie der Beamte ebenfalls eingeräumt hat - nicht
dienstlich veranlasst. Der Beamte hat sie entgegen der ihm bekannten „Allge-
meinen Verwaltungsvorschrift über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher
Telekommunikationsanlagen für die Bundesverwaltung (Dienstanschlussvor-
schriften - DAV -) vom 18. Dezember 1995 nicht, wie es in seiner Dienststelle
seinerzeit allein möglich war und angeordnet war, im Wege der eigenverant-
wortlichen „Selbstanschreibung“ nach Monatsende als private Telefonate ange-
geben und zur Abrechnung gestellt.
2. Das sich aus den vorstehenden Feststellungen ergebende Verhalten des Be-
amten ist disziplinarrechtlich dahin zu würdigen, dass der Beamte dadurch in
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- 16 -
mehrfacher Hinsicht seine Dienstpflichten verletzt hat. Sowohl mit der unbefug-
ten Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus den genannten (polizei-) behördlichen
Daten-Systemen (Anschuldigungspunkt 1) als auch mit der Einfuhr und entgelt-
lichen Weitergabe unverzollter Zigaretten (Anschuldigungspunkt 2) als auch
durch die unterlassene Abrechnung privater Telefonate (Anschuldigungs-
punkt 3) hat der Beamte jeweils seine Pflicht gemäß § 54 Satz 3 BBG a.F. (§ 61
Abs. 1 Satz 3 BBG n.F.) verletzt, innerhalb des Dienstes der Achtung und dem
Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (sog. allgemeine Wohl-
verhaltenspflicht). Darüber hinaus hat er mit seinem Verhalten zugleich gegen
seine Pflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG a.F. (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG n.F.) ver-
stoßen, die Anordnungen und Richtlinien seiner Vorgesetzten zu befolgen.
Ungeachtet des Umstandes, dass inzwischen das im Rahmen des Dienst-
rechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) novellierte
Bundesbeamtengesetz gilt, ist für die Frage, ob der Beamte im angeschuldigten
Tatzeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, die damalige Sach-
und Rechtslage maßgebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken
des § 2 Abs. 3 StGB für den Beamten materiellrechtlich günstigeres neues
Recht gilt (vgl. Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0
§ 77 BBG 2009 Nr. 1 LS 1 und 2 sowie Rn. 33 m.w.N.). Letzteres ist hier nicht
der Fall. Mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechterneu-
trale Sprache stimmen § 61 Abs. 1 Satz 3, § 62 Abs. 1 Satz 2 und § 77 Abs. 1
Satz 1 BBG in der jetzt geltenden Fassung mit den genannten Vorgängerrege-
lungen inhaltlich überein. Umfang und Inhalt der Dienstpflichten des Beamten
und damit auch die Frage ihrer Verletzung zur Tatzeit bestimmen sich daher al-
lein nach § 54 Satz 3, § 55 Satz 2 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.
Der Beamte hat in allen Anschuldigungspunkten vorsätzlich und schuldhaft ge-
handelt, weil ihm die Pflichtwidrigkeit seines Tuns bewusst war.
Dass der Beamte, wie er zum Anschuldigungspunkt 1 auch vor dem Senat
glauben machen wollte, bei der Weitergabe der Kfz-Halterdaten an den Rück-
holunternehmer P. allein „zum Wohle“ der Kfz-Halter gehandelt habe, denen er
auf einfache und schnelle Weise zu ihrem Eigentum habe verhelfen wollen, hält
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- 17 -
der Senat - wie oben zur Beweiswürdigung ausgeführt - nicht für glaubhaft.
Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe, die der Beamte aus sei-
nem angeblich altruistisch motivierten Tun ableitet, stehen ihm daher nicht zur
Seite. Auch der Einwand, dass die von ihm praktizierte „Zusammenarbeit“ mit
dem Rückfuhrunternehmer P. früher gängige Praxis gewesen sein mag, vermag
angesichts der eindeutigen Weisungslage das Verhalten des Beamten weder
zur rechtfertigen noch zu entschuldigen.
Der Vorwurf der Einfuhr unverzollter Zigaretten (Anschuldigungspunkt 2) wird
nicht durch den Hinweis des Beamten auf den (im strafgerichtlichen und im Dis-
ziplinarverfahren bislang nicht beleuchteten und vom Zeugen P. bestätigten)
Umstand in Frage gestellt, dass sich die Grenzschutzstelle … auf … Staatsge-
biet befindet. Denn gemäß Art. 12 des Abkommens zwischen der Bundesrepu-
blik Deutschland und der Republik P. über Erleichterungen der Grenzabferti-
gung (vgl. das zugehörige Vertragsgesetz vom 3. Februar 1994, BGBl II S. 265)
unterstehen die auf … Hoheitsgebiet tätigen Grenzschutzbeamten - vorbehalt-
lich hier nicht einschlägiger Einschränkungen durch das genannte Abkommen
und der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts - den Rechtsvorschrif-
ten der Republik P., auch wenn es sich dienstrechtlich nicht um Dienst im Aus-
land handelt (vgl. hierzu Beschluss vom 8. März 2007 - BVerwG 2 B 5.07 - juris
Rn. 2). Gemäß Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 19 des Abkommens bleiben
die zum dienstlichen Gebrauch bestimmten Gegenstände sowie die Gegen-
stände des persönlichen Bedarfs, die die Grenzschutzbediensteten ein- oder
ausführen, frei von Zöllen; Ein- und Ausfuhrverbote sowie -beschränkungen
finden insoweit keine Anwendung. Demnach galten im Übrigen die allgemeinen
Zollvorschriften, mithin auch die Verordnung über die Einfuhrabgabenfreiheit
von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden - Einreise-Freimengen-
Verordnung (EF-VO) vom 3. Dezember 1974 (BGBl I S. 3377).
Soweit der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Disziplinarsenat versucht
hat, sein Verhalten im Anschuldigungspunkt 2 damit zu rechtfertigen, dass er
hinsichtlich der Einfuhr von zollfreien Zigaretten dieselben Rechte wie andere
Reisende habe, kann er auch damit keinen Erfolg haben. Nach § 2 Abs. 1 EF-
VO sind frei von Einfuhrabgaben nur Waren, die Reisende gelegentlich und
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- 18 -
ausschließlich zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch, für ihren Haushalt
oder als Geschenk in ihrem persönlichen Gepäck einführen (Reisemitbringsel),
und auch dies nur innerhalb näher bezeichneter Mengen- und Wertgrenzen.
Der Beamte, der selbst Nichtraucher ist, hat die Zigaretten weder zum persönli-
chen Verbrauch noch für seinen Haushalt noch als Geschenk, sondern zur ent-
geltlichen Weitergabe an das Ehepaar G. eingeführt und im Übrigen in einer
Menge jenseits der genannten Menge- und Wertgrenzen; er fiel auch nicht un-
ter einen Sonderfall der Verordnung.
Zum Anschuldigungspunkt 3 bedarf es keiner weitergehenden Ausführung zur
rechtlichen Würdigung der nach dem Vorstehenden (allerdings nur in Höhe von
18,60 DM erwiesenen) unterbliebenen Anzeige („Anschreibung“) privater Tele-
fonate des Beamten von seinem Diensttelefon als Verstoß gegen § 54 Satz 3
und § 55 Satz 2 BBG a.F.
3. Die hiernach gegebenen Dienstpflichtverletzungen des Beamten stellen ein
einheitliches, in seinem Schwerpunkt innerdienstliches Dienstvergehen dar
(§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.). Soweit es teilweise (nämlich hinsichtlich der Ein-
fuhr von 22 Stangen Zigaretten) als außerdienstlich anzusehen ist, sind auch
die weiteren Voraussetzungen erfüllt, dass das Dienstvergehen in besonderem
Maß geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten
oder für das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchti-
gen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.). Dieses Dienstvergehen ist nach Einschät-
zung des Senats mit einer Versetzung in ein um zwei Stufen niedrigeres Amt
derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 9 BDG, früher § 10
BDO) angemessen geahndet. Dies führt zu der im Tenor verhängten Zurückstu-
fung des Beamten von seinem bisherigen Amt eines Polizeihauptkommissars
(BesGr A 12 BBesO) in das eines Polizeioberkommissars (BesGr A 10 BBesO).
Obwohl es sich - wie eingangs dargelegt - um einen sog. Altfall nach der Bun-
desdisziplinarordnung handelt, sind bei der Bemessung der Disziplinarmaßnah-
me die Regelungen des § 13 Abs. 1 und 2 BDG zugrunde zu legen (stRspr, vgl.
Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG
2009 Nr. 1 Rn. 64 m.w.N.).
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a) Gemäß § 13 Abs. 1 BDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaß-
nahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere
des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beein-
trächtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objek-
tive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich
aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit den
ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung
eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaß-
nahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Um-
stände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienst-
vergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies ist dem auch im
Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhält-
nismäßigkeit (Übermaßverbot) geschuldet (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 20. Ok-
tober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 = Buchholz 235.1 § 13
BDG Nr. 1, jeweils Rn. 21 ff. und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 -
Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 65).
Hiernach ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskri-
terium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies be-
deutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im
Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Für
die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen
entwickelt (vgl. etwa die Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04
- BVerwGE 124, 252 <258 f.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 S. 5 f. und vom
3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20
weils zu Zugriffsdelikten>, vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE
140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18, jeweils Rn. 29
dienstlichen Steuerhinterziehung> und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C
62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 Rn. 39 ff.
eigennützigen Amtsausübung>).
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In Ergänzung dazu hat das Bundesverwaltungsgericht - ebenfalls auf spezielle
Deliktstypen bezogene, teilweise aber auch allgemeingültige - gewichtige „Mil-
derungsgründe“ entwickelt und „anerkannt“ (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005
a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 6 m.w.N.). Ihr Vorliegen führt regelmäßig zu einer Dis-
ziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere
des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, bei einer Zurückstufung also eine
Amtsstufe weniger (vgl. Urteile vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 37 ff. und vom
25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 26
scheidungssammlung BVerwGE bestimmt>). Diese anerkannten Milderungs-
gründe stellen allerdings keinen abschließenden Kanon der berücksichtigungs-
fähigen Entlastungsgründe dar (stRspr, vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005
a.a.O. S. 262 ff. bzw. S. 8 f.). Auch wenn ein Umstand nicht die Voraussetzun-
gen eines anerkannten Milderungsgrundes erfüllt, bedeutet dies nicht, dass er
als entlastender Umstand unbeachtlich und deshalb bei der Gesamtwürdigung
aller be- und entlastenden Umstände ohne Gewicht und nicht berücksichti-
gungsfähig wäre (Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 28 und 32).
b) Zu Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz des persönlichen Lebens- und
Geheimbereichs (insbesondere im fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs,
§§ 201 bis 206 StGB) ist eine generelle deliktsgruppenbezogene Bestimmung
der als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen regelmäßig erforderlichen
Disziplinarmaßnahme (Regeleinstufung) aufgrund der Variationsbreite der in
Frage kommenden Verstöße nicht möglich. Deshalb ist bei der Ahndung von
Dienstpflichtverletzungen in diesem Bereich der gesamte abgestufte und ausdif-
ferenzierte Katalog möglicher Disziplinarmaßnahmen gemäß § 5 BDG mit den
Einzelregelungen der §§ 6 ff. BDG in den Blick zu nehmen. Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass auch bei Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheim-
bereichs sowohl die Schwere des strafrechtlichen Unrechtsgehalts als auch die
des Dienstvergehens deutlich variieren kann, je nach der Sensibilität des in Re-
de stehenden Geheimnisses, etwa ob besonders schutzbedürftige Erkenntnisse
und Daten, z.B. aus dem höchstpersönlichen Bereich, offenbart werden oder
solche, die einen eher entfernteren Bezug zum persönlichen Lebens- und Ge-
heimbereich einer Person haben. Auch sind die denkbaren Verletzungshand-
lungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs von stark unterschiedli-
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- 21 -
chem Gewicht, je nach der Art des Zugriffs, z.B. wenn besondere Sicherheits-
vorkehrungen zum Schutz des Geheimnisses überwunden werden müssen.
Dies zeigt sich u.a. daran, dass der Gesetzgeber solche Rechtsverstöße nur
teilweise als Straftatbestände, im Übrigen aber nur als Ordnungswidrigkeiten
geahndet wissen will. Auch innerhalb der Gruppe der Straftaten schwankt der
angedrohte Strafrahmen deutlich. Der unterschiedlich hohe Unrechtsgehalt des
Dienstvergehens hat hiernach maßgeblichen Einfluss auch auf die Bemessung
der Disziplinarmaßnahme: Während jedenfalls für den oben angeführten
höchstpersönlichen Bereich grundsätzlich die disziplinarrechtliche Höchstmaß-
nahme in Betracht kommt, wird bei anderen Verletzungen des persönlichen Le-
bens- und Geheimbereichs - je nach der Schwere der Tat - eher eine pflichten-
mahnende, für den Beamten weniger einschneidende Disziplinarmaßnahme
angemessen sein.
Der Streitfall nötigt zu keinen weitergehenden (und angesichts der Vielfalt der
Lebenssachverhalte ohnehin kaum zu leistenden) generellen Festlegungen für
alle denkbaren Fallkonstellationen möglicher Verletzungen des persönlichen
Lebens- und Geheimbereichs einer Person. Maßgebend für die Festlegung des
Ausgangspunkts der Bemessung der Disziplinarmaßnahme im Streitfall ist die
Erkenntnis, dass die hier in Rede stehende unbefugte Weitergabe von Kfz-
Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Datensystemen jedenfalls keine Ver-
letzung des erwähnten höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellt, die eine -
wie das Verwaltungsgericht gemeint hat - Entfernung des Beamten aus dem
Beamtenverhältnis rechtfertigen könnte. Vielmehr kommt je nach den Umstän-
den des Einzelfalls eine Zurückstufung (Versetzung in ein Amt derselben Lauf-
bahn mit geringerem Endgrundgehalt, § 9 BDG) - ggf. um mehrere Stufen bis
ins Eingangsamt - oder (in minderschweren Fällen) eine Gehaltskürzung (§ 8
BDG) als Regeleinstufung in Betracht.
c) In Anwendung dieser Maßstäbe gilt im Streitfall:
aa) Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2
BDG die Schwere der dargestellten Verstöße gegen die Pflichten aus § 54
Satz 3 und § 55 Satz 2 BBG a.F. in Gestalt der unbefugten Weitergabe der Kfz-
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Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Dateisystemen (Anschuldigungs-
punkt 1), für die eine Zurückstufung des Beamten gemäß § 9 Abs. 1 BDG in ein
um mehrere Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt nach den
hier vorliegenden Umständen des Einzelfalls (insbesondere Anzahl und Häufig-
keit der einzelnen Tathandlungen) angezeigt ist. Der weitere Verstoß gegen
dieselben Pflichten in Gestalt der Einfuhr und entgeltlichen Weitergabe unver-
zollter Zigaretten (Anschuldigungspunkt 2) wiegt ungefähr gleichschwer und
verstärkt die Erforderlichkeit der Ahndung des Dienstvergehens mit der erwähn-
ten Zurückstufung und deren Ausmaß (um mehrere Stufen). Demgegenüber
fallen die nichtabgerechneten Privattelefonate (Anschuldigungspunkt 3) schon
von ihrem Unrechtsgehalt her, aber auch in der Schadenshöhe (18,60 DM) in
solchem Maße ab, dass sie für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht
mehr von Relevanz sind. Auf sie (und den darin liegenden weiteren Verstoß
gegen § 54 Satz 3 sowie gegen § 55 Satz 2 BBG a.F.) braucht daher im Fol-
genden nicht mehr eingegangen zu werden.
Hiervon ausgehend liegen unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat (§ 13
Abs. 1 Satz 2 BDG) mehrere belastende Umstände vor, die für die Erforderlich-
keit einer spürbaren Disziplinarmaßnahme sprechen: Der Beamte hat in den
Anschuldigungspunkten 1 und 2 über einen längeren Zeitraum von mehreren
Monaten, während derer er - nach Aufkommens eines Anfangsverdachts - ver-
deckt observiert wurde (von Ende 1998 bis Juni 1999), wiederholt und trotz
ausdrücklicher Belehrung seine Dienstpflichten verletzt. Auch die Anzahl der
einzelnen Pflichtenverstöße (Tathandlungen) ist beträchtlich.
Erschwerend kommt weiter hinzu, dass der Beamte im Kernbereich seines Am-
tes versagt hat. Aufgabe eines Polizeihauptkommissars der Bundespolizei im
Einsatz an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zum Ausland ist u.a.
die Unterbindung und Verhinderung von Straftaten mit grenzrelevantem Bezug.
Die vorschriftswidrige Weitergabe von geschützten Daten über im Ausland si-
chergestellte Kraftfahrzeuge aus (polizei-)behördlichen EDV-Systemen an ei-
nen nicht abfrage- und empfangsberechtigen Dritten berührt einen Kernbereich
polizeilicher Tätigkeit. Zusätzlich belastend sind die Maßnahmen zur Verde-
ckung und Verschleierung der pflichtwidrigen Halterabfragen, die der Beamte
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als dienstlich veranlasst vorgab. Auch die Einfuhr und entgeltliche Weitergabe
unverzollter Zigaretten ist ein Rechtsverstoß gerade gegen solche Vorschriften
mit Grenzbezug, deren Einhaltung die Bundespolizei überwachen und sichern
soll. Als zusätzlich belastende Umstände der Tatbegehung sind zu berücksich-
tigen, dass der Beamte seine Stellung als Vorgesetzter ausgenutzt und ihm un-
tergebene Bedienstete für seine dienstpflichtwidrigen Taten eingeschaltet und
damit ebenfalls zu einem pflichtwidrigem Handeln bzw. Unterlassen verleitet
hat. Dabei hat er, wie die Zeugin L. glaubhaft bekundet hat, deren Einwände
(betreffend die Einfuhr unverzollter Zigarettenstangen) sogar zurückgewiesen
und bagatellisiert. Damit hat der Beamte als Vorgesetzter und Vorbild versagt.
bb) Mit Blick auf das angemessen zu würdigende Persönlichkeitsbild des
Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG) ist im Streitfall lediglich festzuhalten, dass
der Beamte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und dass er in
seiner Dienstausübung zuletzt eine Beurteilung im gehobenen Bereich (6 von 9
Punkten) erreicht hat. Beiden Umständen kommt indes keine nennenswerte
entlastende Bedeutung zu. Anerkannte Milderungsgründe im Sinne der (oben II.
3. a) dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind weder
vom Beamten geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Auch im Übrigen liegen
keine im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden entlastenden
Gesichtspunkte vor, die für den Beamten streiten. Die Motivlage des Beamten
im Anschuldigungspunkt 1 ist - wie dargestellt - im Dunkeln geblieben und kann
im Rahmen der Zumessungserwägungen nur als „neutral“ eingestellt werden:
Weder konnte dem Beamten nachgewiesen werden, dass er für die Weitergabe
der Kfz-Halterdaten von dem Rückholunternehmer finanzielle Vorteile erhalten
hat, noch nimmt der Senat es dem Beamten ab, dass er diese Daten lediglich
aus den von ihm angeführten fremdnützigen Motiven weitergegeben hat.
cc) Dagegen ist bei der gebotenen objektiven Gewichtung des Dienstvergehens
eine beträchtliche Vertrauensbeeinträchtigung (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) einge-
treten. Der Dienstherr kann nicht im Einzelnen überwachen, ob sich der Beamte
im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit stets gesetzes- und dienstvorschriften-
konform verhält. Tut dies ein Beamter über einen längeren Zeitraum und in ei-
ner Vielzahl von Fällen nicht, ist regelmäßig anzunehmen, dass das Vertrau-
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ensverhältnis erheblich gestört ist, weil der Dienstherr befürchten muss, dass
der Beamte sich auch künftig nicht gesetzes- und vorschriftsgemäß verhalten
wird. Andererseits erachtet der Senat - auch mit Blick auf die Schwere des
Dienstvergehens - die eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung nicht von sol-
chem Gewicht, dass sie bereits die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis er-
fordert. Zudem kann erwartet werden, dass der Beamte sich die Zeit seiner vor-
läufigen Suspendierung sowie das Straf- und Disziplinarverfahren und die damit
verbundenen Belastungen als nachdrückliche Warnung angedeihen lässt, die
ihn von künftigen Dienstpflichtverletzungen abhält.
dd) Ist nach den bislang behandelten Kriterien der Maßnahmebemessung mit-
hin nicht die Höchstmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst), sondern lediglich
eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Zurückstufung in
ein um mehrere Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt ange-
messen, so ist zusätzlich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Diszipli-
narverfahren (insoweit ist das behördliche und gerichtliche Verfahren insgesamt
zu betrachten) mit insgesamt mehr als 14 Jahren unangemessen lange gedau-
ert hat i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung
des Disziplinarsenats und des 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsge-
richts bei der Maßnahmebemessung dann (nochmals) mildernd zugunsten des
Beamten zu berücksichtigen (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013
- BVerwG 2 C 3.12 - NVwZ 2013, 1087 Rn. 53 f. und - BVerwG 2 C 62.11 -
NVwZ-RR 2013, 693 sowie vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 35 ff.,
40 f.
stimmt>). Die im Streitfall eingetretene unangemessene Verfahrensdauer be-
ruhte nicht - jedenfalls nicht wesentlich - auf einem verfahrensverzögernden
Verhalten des Beamten, sondern auf der Behandlung des Verfahrens durch die
Ermittlungsbehörden und die Gerichte. Es liegt auf der Hand, dass die mit dem
Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei
einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen Belastung des
über seine berufliche und wirtschaftliche Existenz im Ungewissen lebenden Be-
amten geführt und auf ihn eingewirkt hat. Eine bloße Verkürzung des Beförde-
rungsverbots (§ 9 Abs. 3 BDG) genügt nicht, um diese Belastung auszuglei-
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- 25 -
chen; sie ist vielmehr beim Umfang der Zurückstufung zu berücksichtigen, die
daher um eine Stufe weniger ausfällt als eigentlich verwirkt.
In Abwägung all dessen hält es der Senat für erforderlich, aber auch ausrei-
chend, den Kläger zur Pflichtenmahnung in ein Amt mit um zwei Stufen niedri-
gerem Endgrundgehalt zurückzustufen.
d) Einer Zurückstufung des Beamten steht kein Maßnahmeverbot wegen Zeit-
ablaufs nach den insoweit günstigeren Regelungen des Bundesdisziplinarge-
setzes entgegen. Zwar sind seit der Vollendung des Dienstvergehens inzwi-
schen mehr als sieben (nämlich 14) Jahre vergangen (§ 15 Abs. 3 BDG), doch
war dieser Zeitablauf durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens und die
Erhebung der Disziplinarklage unterbrochen (§ 15 Abs. 4 BDG) und für die
Dauer des Strafverfahrens (ebenso schon § 4 Abs. 3 BDO) und des gerichtli-
chen Disziplinarverfahrens gehemmt (§ 15 Abs. 5 BDG).
4. Die Kosten des Verfahrens waren dem Beamten aufzuerlegen, weil er seine
- schwerwiegende - disziplinare Verurteilung nicht hat abwehren können und es
unbillig wäre, die Kosten auch nur teilweise dem Bund aufzuerlegen (§ 113
Abs. 1 Satz 1, § 114 Abs. 1 und 2 BDO). Dass diese Verurteilung hinter dem
Antrag der Einleitungsbehörde zurückbleibt und dem Beamten beim Anschuldi-
gungspunkt 3, dem ohnehin kein besonderes Gewicht zukam, ein Teil der an-
geblichen Privattelefonate nicht nachzuweisen war, ist insoweit unerheblich.
Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die vom Beamten zu tragenden
Kosten des Verfahrens von den ihm nachzuzahlenden Beträgen gemäß § 96
Abs. 2 BDO abgezogen werden können.
Domgörgen
Dr. Heitz
Thomsen
51
52
53
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BDG
§ 5, § 9, § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, § 15 Abs. 3 bis 5, § 85
BDO
§ 18 Abs. 1
BBG
§ 61 Abs. 1 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 1
BBG a.F.
§ 54 Satz 3, § 55 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1
StGB
§ 203 Abs. 2 Nr. 1
EMRK
Art. 6 Abs. 1
Stichworte:
Altfall nach der BDO; Polizeihauptkommissar; Bundesgrenzschutz; Bundespoli-
zei; unbefugte Weitergabe von Kfz-Halterdaten; Einfuhr und entgeltliche Wei-
tergabe unverzollter Waren; Zigarettenschmuggel; Nichtabrechnung privater
Telefonate vom Diensttelefon; Dienstpflichtverletzung; allgemeine Wohlverhal-
tenspflicht; Befolgungspflicht; Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbe-
reichs; Zumessungserwägungen; Regeleinstufung; Milderungsgründe; überlan-
ge Verfahrensdauer; Zurückstufung; Versetzung in ein Amt mit geringerem
Endgrundgehalt.
Leitsätze:
1. Auch bei Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz des persönlichen Le-
bens- und Geheimbereichs (insbesondere §§ 201 bis 206 StGB) ist bei der dis-
ziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung der gesamte abgestufte Katalog von
Disziplinarmaßnahmen gemäß §§ 5 ff. BDG in den Blick zu nehmen.
2. Die Höchstmaßnahme kommt als Ausgangspunkt der Zumessungserwägun-
gen nur bei schwerwiegenden Verletzungen des persönlichen Lebens- und Ge-
heimbereichs in Betracht, etwa wegen der Sensibilität der Erkenntnisse oder
Daten (z.B. solchen des höchstpersönlichen Bereichs) oder wegen der Art des
Zugriffs (z.B. bei Überwindung besonderer Sicherheitsvorkehrungen). Dies ist
bei der unbefugten Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus einem (polizei-)be-
hördlichen Datensystem grundsätzlich nicht der Fall.
Urteil des Disziplinarsenats vom 29. Oktober 2013 - BVerwG 1 D 1.12
I. VG Potsdam vom 06.03.2012 - Az.: VG 18 K 296/11.OB -