Urteil des BVerwG vom 25.08.2009

Die Post, Neues Recht, Einstellung des Verfahrens, Untreue

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 D 1.08
VG DB 10 K 2372/07
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
den Posthauptsekretär …
hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 25. August 2009,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
Posthauptsekretär Böhm
und Posthauptsekretär Frieling
als ehrenamtliche Richter
sowie
Abteilungspräsident … im Beistand von
Amtmann P.
als Vertreter der Einleitungsbehörde,
Rechtsanwalt …
als Verteidiger
und
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Protokollführerin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Posthauptsekretärs … wird das Ur-
teil des Verwaltungsgerichts … vom 25. Februar 2008 im
Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
Der Beamte wird in das Amt eines Postsekretärs (Besol-
dungsgruppe A 6 BBesG) versetzt.
Eine Beförderung ist nicht vor Ablauf von drei Jahren nach
Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung möglich.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Beam-
ten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen hat der
Bund zu tragen.
G r ü n d e :
I
1. Der … Beamte, der am 1. September 1972 als Postjungbote in den Dienst
der Deutschen Bundespost getreten war, war zuletzt im Jahr 2000 als Post-
hauptsekretär auf dem Dienstposten eines Postschalterbeamten bei der Postfi-
liale A. und im Rahmen der dienstplanmäßigen Ablösung auch bei der Postfilia-
le B. eingesetzt.
Der Leiter der Niederlassung Filialen C. der Deutschen Post AG, der dem Be-
amten wegen eines Teils der hier streitigen Vorwürfe bereits mit Verfügung vom
4. August 2000 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Führung der Dienstge-
schäfte verboten hatte, enthob den Beamten am 23. März 2001 unter Einbehal-
tung von 1 v.H. seiner Dienstbezüge, beschränkt auf die Monate Juli und De-
zember, vorläufig des Dienstes. Nachdem der Einbehaltungssatz später auf
50 v.H. angehoben worden war, hat der Senat mit Beschluss vom 24. Oktober
2006 - BVerwG 1 DB 6.06 - (juris) die vom Beamten angegriffenen Verfügungen
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insoweit aufgehoben, als eine Einbehaltung von Dienstbezügen angeordnet
worden war; die Suspendierung vom Dienst, die nicht Gegenstand des ge-
richtlichen Verfahrens war, blieb fortbestehen.
In dem durch Verfügung vom 23. März 2001 ordnungsgemäß eingeleiteten
förmlichen Disziplinarverfahren hatte die Serviceniederlassung Personalrecht …
der Deutschen Post AG dem Beamten erstmals mit Anschuldigungsschrift vom
19. September 2006, eingegangen beim Verwaltungsgericht … am Folgetag,
vorgeworfen, ein aus drei Anschuldigungspunkten bestehendes Dienstvergehen
begangen zu haben. Nachdem das Verwaltungsgericht das Disziplinarverfahren
zur Beseitigung von Mängeln der Anschuldigungsschrift ausgesetzt hatte, hat
die Serviceniederlassung Personalrecht … der Deutschen Post AG die
Anschuldigungsschrift am 30. Oktober 2007 inhaltlich neu gefasst und auf zwei
Anschuldigungspunkte beschränkt. Auf den (späteren) Hinweis des Senats im
anhängigen Berufungsverfahren, dass die bislang vorgelegten An-
schuldigungsschriften nicht vom Leiter der Einleitungsbehörde oder von dessen
allgemeinem Vertreter stammten, hat die Leiterin der Niederlassung Brief C. die
im Anschuldigungstenor gleichlautende und in der Begründung im Wesentlichen
unveränderte Anschuldigungsschrift vom 30. Oktober 2007 mit ihrer Unterschrift
versehen und unter dem Datum 2. Dezember 2008 zu den Gerichtsakten ge-
reicht.
In der Anschuldigungsschrift vom 30. Oktober 2007 bzw. 2. Dezember 2008
wird dem Beamten zur Last gelegt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu
haben, dass er
„1) in dem Zeitraum 03.01.2000 bis 26.07.2000 in insge-
samt 132 Fällen als Schalterbeamter in den Filialen B.
und A. fiktive Buchungen über einen Gesamtauszah-
lungsbetrag von 580.440,- DM und Einzahlungen in
Höhe von 578.830,- DM für sein Postbankkonto vor-
genommen hat, um sich auf diese Weise einen unbe-
rechtigten weiteren Dispositionsrahmen zu verschaf-
fen, obwohl er in seiner damaligen finanziellen Situa-
tion nicht in der Lage war, das durch die folgenden tat-
sächlichen Belastungen entstandene Minussaldo auf
seinem Konto auszugleichen, wodurch das Vermögen
seines Dienstherrn und der Postbank gefährdet war;
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2) in dem Zeitraum 04.03.2004 bis 19.06.2004 in insge-
samt 15 Fällen (richtig: 13 Fällen) durch Vortäuschen
eines ausreichenden Guthabens auf seinem Post-
bankkonto und Verwendung von Notauszahlungs-
scheinen die Postagenturnehmerin H. in der Post-
agentur in B. dazu veranlasste, ihm insgesamt
5.925,- € auszuzahlen, obwohl er zum Ausgleich sei-
nes Kontos nicht in der Lage war, so dass die Post
aufgrund vertraglicher Bestimmungen mit der Post-
bank an diese 3.270,- € Schadensersatz zahlen muss-
te“.
Wegen des Sachverhalts im Anschuldigungspunkt 1 - Strafvorwurf der Un-
treue - (und weiterer Strafvorwürfe) war der Beamte mit Strafurteil des Amtsge-
richts A. zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt worden. Auf die Berufung des Be-
amten hob das Landgericht E. mit Urteil vom 16. Juli 2004 das erstinstanzliche
Strafurteil auf und sprach den Beamten insgesamt frei. Im Verfahren über die
Revision der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht F. durch Urteil vom
26. April 2005 das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt,
soweit dem Beamten im Strafbefehl zu Nr. 1 - überwiegend sachgleich mit An-
schuldigungspunkt 1 - ein Vergehen der Untreue vorgeworfen worden war; die
dem Strafbefehl nachfolgenden Urteile sind insoweit gegenstandslos geworden.
Im Übrigen ist die Revision als unbegründet verworfen worden. Ein unter ande-
rem wegen des Vorwurfs Nr. 1 - Verdacht der Untreue - erneut eingeleitetes
Ermittlungsverfahren gegen den Beamten hat die Staatsanwaltschaft E. durch
Verfügung vom 26. September 2005 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
2. Das Verwaltungsgericht ... hat durch Urteil vom 25. Februar 2008 entschie-
den, dass der Beamte aus dem Dienst entfernt wird; zugleich hat es ihm für die
Dauer von sechs Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 50 v.H. seiner
Dienstbezüge bewilligt.
Es hat die Vorwürfe in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 als erwiesen ange-
sehen. Die Sachverhaltsfeststellungen ergäben sich aus den Einlassungen des
Beamten in der Hauptverhandlung, soweit ihnen gefolgt werden könne, sowie
aus dessen Angaben im Untersuchungsverfahren. Er habe die der Anschuldi-
gungsschrift vom 30. Oktober 2007 zugrunde liegenden tatsächlichen Feststel-
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lungen in der Hauptverhandlung im Wesentlichen eingeräumt; im Übrigen folg-
ten sie auch aus den in das Verfahren eingeführten Zeugenaussagen und Un-
terlagen. Zwar spreche einiges für die Annahme, dass im Anschuldigungs-
punkt 1 eine Vermögensgefährdung in dem Sinne bestanden habe, wie es im
Urteil des Oberlandesgerichts F. vom 26. April 2005 dargestellt sei. Heute sei
dies allerdings nicht mehr nachweisbar. Entsprechendes gelte im Anschuldi-
gungspunkt 2 für die Frage eines Vermögensschadens. In beiden Fällen habe
der Beamte - auch unter Einschaltung Dritter - unzulässigerweise Kredite in
Anspruch genommen.
Das Verwaltungsgericht hat die von ihm festgestellte Handlungsweise des Be-
amten als einheitliches schuldhaft begangenes innerdienstliches und außer-
dienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 und 2 BBG a.F.
gewürdigt. Der Beamte habe im Anschuldigungspunkt 1 nicht nur vorsätzlich
gegen seine innerdienstlichen Pflichten gemäß § 54 Satz 2 und 3 BBG a.F.
verstoßen, sondern auch vorsätzlich die ihm bekannten Kassenvorschriften
(Nr. 6.1.1, 6.1.5 und 6.1.6 i.V.m. § 55 Satz 2 BBG a.F.) verletzt. Hinzu komme
im Anschuldigungspunkt 2 die vorsätzliche Verletzung seiner außerdienstlichen
Pflichten (§ 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.). Das Dienstvergehen
wiege sehr schwer und rechtfertige die Entfernung des Beamten aus dem
Dienst. Durchgreifende Milderungsgründe lägen nicht vor.
3. Hiergegen hat der Beamte durch seinen Verteidiger rechtzeitig Berufung ein-
gelegt mit dem Antrag, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Zur
Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Von den Vorwürfen der Untreue und des Betrugs sei er durch Urteil des Land-
gerichts E. freigesprochen worden; die von der Staatsanwaltschaft dagegen
eingelegte Revision sei verworfen worden. Das Verwaltungsgericht habe die
gemäß § 17 Abs. 5 i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO bindenden tatsächlichen
Feststellungen hinsichtlich des Freispruchs zu Unrecht unberücksichtigt gelas-
sen. Ein wegen des Vorwurfs der Untreue von der Staatsanwaltschaft erneut
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gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren sei am 26. September 2005 ein-
gestellt worden. Zudem habe er ohne jede Untreue- oder Betrugsabsicht ge-
handelt.
Nach den Kontoüberziehungen habe er alle angefallenen Kosten nebst Zinsen
und Inkassogebühren ordnungsgemäß zurückgezahlt. Ein Schaden sei letztlich
nicht entstanden. Das Verwaltungsgericht habe auch keine Vermögensgefähr-
dung festgestellt.
Ihm könne nur vorgeworfen werden, durch fiktive Buchungen seinen Disposi-
tionsrahmen unzulässig erweitert und insoweit gegen Kassenvorschriften ver-
stoßen zu haben. Den erweiterten Dispositionsrahmen habe er aber jederzeit
bedienen können. Er habe damals über genügend Eigenmittel verfügt (z.B.
Sparvertrag über vermögenswirksame Leistungen bei der PSD G. in Höhe von
8 500 DM, Sparvertrag bei der Postbank M. in Höhe von 7 000 DM, auszahlbar
Januar 2003), um seine Belastungen zu tragen. Bereits im Oktober 2002 hätte
die Versicherungssumme in Höhe von 45 000 DM seiner Lebensversicherung
… zur Auszahlung kommen können.
Zu Anschuldigungspunkt 2:
Bisher sei nicht geklärt, wie man auf den Schadensbetrag von 3 270,88 €
(85 v.H. des entstandenen Schadens) gekommen sei und ob diese Schadens-
ersatzforderung der Postbank J. gegen die Deutsche Post AG überhaupt eine
Rechtsgrundlage habe. Er wäre jederzeit in der Lage gewesen, anderweitig
einen entsprechenden „offiziellen“ Kredit zu erhalten, weil er damals über er-
hebliche Vermögenswerte verfügt habe. So habe er am 20. Juli 2004 bei der
Spardabank K. einen Darlehensvertrag über 8 500 € zu 10,33 v.H. effektiven
Jahreszinses bei einer Laufzeit von 47 Monaten abgeschlossen. Zudem sei er
aufgrund seines regelmäßigen Diensteinkommens kreditwürdig gewesen.
Schließlich habe er insgesamt 4 958,29 € nebst 800 € Zinsen und Kosten für
das Inkassobüro gezahlt. Er habe also alle Überziehungen bis auf den letzten
Cent zurückgeführt.
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- 7 -
Zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme trägt der Beamte im Wesentlichen
vor:
Der Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme sei unverhältnismäßig
und unangemessen, zumal der Vorwurf einer Vermögensgefährdung nicht er-
wiesen sei. Ihn entlaste auch die Mitverantwortung anderer Postbediensteter
bzw. des Dienstherrn. So sei bei Anschuldigungspunkt 1 bisher unberücksichtigt
geblieben, dass es in der Postfiliale A. im ersten Halbjahr 2000 in nur sehr
begrenztem Umfang überhaupt Kassenabschlüsse oder Regeln zur Kassen-
übergabe an den einzelnen Schaltern gegeben habe. Bei Fehlbeträgen an den
Schalterkassen sei in der Regel nicht eingeschritten worden. Lediglich bei
Fehlbeträgen von über 5 000 € habe die Filialleitung in L. Prüfabschlüsse ver-
anlasst. Damals aufgetretene Fehlbeträge hätten mit seinen Buchungen nichts
zu tun gehabt. Im Anschuldigungspunkt 2, bei dem es sich nur um ein außer-
dienstliches Fehlverhalten handele, habe ein Mitverschulden der Postagentur-
betreiberin H. oder ein Funktionsversagen des EDV-Systems der Post vorgele-
gen, da es nur dadurch möglich gewesen sei, ohne genehmigten Überzie-
hungskredit Geld ausgezahlt zu bekommen.
Es mangele auch an einer umfassenden Würdigung seines Persönlichkeitsbil-
des. So seien im Zusammenhang mit Anschuldigungspunkt 1 die Hintergründe
und Motive seines Fehlverhaltens unaufgeklärt geblieben. Obwohl er finanziell
recht gut situiert gewesen sei, sei durch den Hausbau zusammen mit seinem
Bruder unerwartet ein erheblicher Finanzbedarf entstanden. Zudem habe da-
mals ein „massives persönlich-menschliches Abhängigkeitsverhältnis“ zu seiner
Partnerin, der Zeugin Z., bestanden. Sowohl die Zeugin als auch deren gesam-
te Familie (Töchter, Enkel), seien von ihm auf ungewöhnlich großzügige Art und
Weise mit Geld- und Sachgeschenken bedacht worden. Es sei eine überwie-
gend einseitige Beziehung gewesen, die nicht mehr bestehe. Dies sei für die
Beurteilung seines zukünftigen Verhaltens günstig.
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Er sei disziplinarisch nicht vorbelastet und habe fast 30 Jahre lang beanstan-
dungsfrei gute Dienste geleistet. Obwohl er an der Aufklärung des Dienstver-
gehens mitgewirkt, d.h. die Vorgänge nicht verschleiert habe, sei es zu einer
langen Dauer des Straf- und Disziplinarverfahrens gekommen. Dies belaste ihn
psychisch sehr.
Für eine günstige Zukunftsprognose spreche schließlich, dass er nebenberuflich
von Mai 2001 bis Februar 2008 unbeanstandet als Kassenaushilfe bei einem
EDEKA-Markt gearbeitet habe. Er habe dort täglich 2 500 € Wechselgeld
betreut. Auch bei seiner jetzigen Nebentätigkeit als Kassierer belaufe sich sein
Wechselgeldbestand regelmäßig auf ca. 1 000 €.
II
Die Berufung des Beamten hat Erfolg. Sie führt zur Versetzung in das Ein-
gangsamt seiner Laufbahn (Zurückstufung um zwei Beförderungsämter).
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach Inkrafttreten
des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln
und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzuführen, weil es vor
dem 1. Januar 2002 förmlich eingeleitet worden ist. Allerdings können auch auf
sogenannte Altfälle - wie hier - ausnahmsweise die Vorschriften des
Bundesdisziplinargesetzes (BDG) Anwendung finden, soweit diese den be-
schuldigten Beamten materiellrechtlich besserstellen (stRspr, z.B. Urteil vom
23. Februar 2005 - BVerwG 1 D 13.04 - BVerwGE 123, 75 <76> = Buchholz
235.1 § 85 BDG Nr. 8, jeweils m.w.N.).
Schwerwiegende Verfahrensmängel, die eine Zurückverweisung der Sache
(§ 86 i.V.m. § 85 Abs. 1 Nr. 3 BDO) oder eine Aufhebung des erstinstanzlichen
Urteils und Einstellung des Verfahrens (§§ 86, 87 Abs. 1 Satz 1, § 85 Abs. 1
Nr. 2 i.V.m. § 76 Abs. 3 Satz 2 BDO) zur Folge haben könnten, liegen nicht vor.
Die materiellen und formellen Mängel der ursprünglichen Anschuldigungsschrift
vom 19. September 2006 sind inzwischen beseitigt worden. Soweit Bedenken
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hinsichtlich der Bestimmtheit der Anschuldigungsvorwürfe bestanden, ist die
ursprüngliche Anschuldigungsschrift auf Beschluss des Verwaltungsgerichts im
Verfahren nach § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG i.V.m. § 67 Abs. 4 BDO am
30. Oktober 2007 inhaltlich neu gefasst bzw. ergänzt worden. Soweit sich die
Bedenken auf den Umstand stützten, dass die bislang vorgelegten Anschuldi-
gungsschriften nicht gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 BDG vom Leiter der Einlei-
tungsbehörde oder von dessen allgemeinem Vertreter stammten, hat die zu-
ständige Leiterin der Einleitungsbehörde diesen Mangel im Laufe des Beru-
fungsverfahrens auf Anregung des Senats nach Anhörung des Beamten durch
eine unter dem Datum 2. Dezember 2008 zu den Gerichtsakten gereichte
(neue) Anschuldigungsschrift geheilt.
Die zulässige Berufung ist unbeschränkt eingelegt, sodass der Senat im Rah-
men der Anschuldigung (§ 75 Abs. 1 BDO), soweit keine bindenden Feststel-
lungen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO vorliegen, eigene Tat- und
Schuldfeststellungen zu treffen und diese disziplinarrechtlich zu würdigen hat.
1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweis-
mittel und der Einlassungen des Beamten, soweit diesen gefolgt werden kann,
hält der Senat die nachfolgend dargestellten Sachverhalte für erwiesen und
würdigt diese disziplinarrechtlich wie folgt:
Zu Anschuldigungspunkt 1
(Verstoß gegen Kassenvorschriften durch fingierte
Ein- und Auszahlungen)
a) Zwar war derselbe Sachverhalt als Untreuevorwurf im Anklagepunkt Nr. 1
Gegenstand des den Beamten freisprechenden Strafurteils des Landgerichts E.
vom 16. Juli 2004 und können grundsätzlich auch Tatsachenfeststellungen in
sachgleichen freisprechenden Strafurteilen unter die gesetzliche Bindungswir-
kung des § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO fallen (vgl. Urteil vom 16. März 2004
- BVerwG 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36). Nach der ge-
nannten Vorschrift lösen jedoch nur rechtskräftige Strafurteile eine Bindungs-
wirkung aus. Das freisprechende Landgerichtsurteil ist hinsichtlich des Un-
treuevorwurfs nicht rechtskräftig geworden. Dies ergibt sich aus dem Revi-
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sionsurteil des Oberlandesgerichts F. vom 26. April 2005. Soweit das Verfahren
den Vorwurf der Untreue betraf, hat das Oberlandesgericht das Strafverfahren
wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt. Das freisprechende Beru-
fungsurteil des Landgerichts E. vom 16. Juli 2004 ist insoweit gegenstandslos
geworden. Mangels eines rechtskräftigen Freispruchs fehlt es nicht nur an bin-
denden Feststellungen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO, sondern liegt
auch kein Prozesshindernis im Sinne des § 17 Abs. 5 BDO vor. Der Senat hat
nach alledem eigene Sachverhaltsfeststellungen zu treffen.
Hinsichtlich des objektiven Geschehensablaufs kann der Senat von dem Sach-
verhalt in der Anschuldigungsschrift vom 30. Oktober 2007 ausgehen, der
wortgleich in die Anschuldigungsschrift vom 2. Dezember 2008 übernommen
worden ist. Der Beamte hat sowohl in der Hauptverhandlung vor dem Verwal-
tungsgericht als auch in der Berufungshauptverhandlung vor dem Senat die
Richtigkeit des Anschuldigungssachverhalts in objektiver Hinsicht im Wesentli-
chen eingeräumt und dabei die dreiseitige Gesamtaufstellung der 132 Fälle fin-
gierter Ein- und Auszahlungen ausdrücklich mit einbezogen. Danach steht für
den Senat folgender Sachverhalt fest:
aa) Der Beamte war bis Anfang August 2000 als Schaltermitarbeiter in den
Postfilialen in A. und B. an verschiedenen Kassen eingesetzt. Er war Inhaber
des Postbankkontos Nr. 16… bei der Postbank in F. mit einem ursprünglichen
Verfügungsrahmen von 12 000 DM und befugt, an seinem Schalter Ein- und
Auszahlungen für sein Konto vorzunehmen.
Während seiner Schaltertätigkeit nahm der Beamte im Zeitraum von Januar bis
Juli 2000 für sein Postbankkonto insgesamt 132 fiktive Buchungen (64 Auszah-
lungen in Höhe von 580 440 DM und 68 Einzahlungen in Höhe von
578 830 DM, fiktiver Saldo 1 610 DM) vor. Die einzelnen Buchungen ergeben
sich aus der nachfolgenden Aufstellung:
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Buchungs-
datum
Wert-
stellung
Verzug
Einzahlun
g
DM
Auszahlun
g
DM
Text
Auszug
03.01.2000
03.01.2000
5.660,00
Einzahlung
1/00/2
.
.
.
26.07.2000
26.07.2000
4.000,-
Einzahlung
82/00/2
580.440,-
578.830,-
Im Rahmen seiner fingierten Buchungen nahm der Beamte Auszahlungen nicht
- wie nach den Kassenvorschriften vorgesehen - im Wege der EDV-Direkt-
buchung, sondern im Beleg-gebundenen Buchungsverfahren vor, das - wie
dem Beamten bekannt war - nur bei einem Systemausfall anzuwenden war. Ein
Systemausfall lag in den aufgeführten Fällen zu keinem Zeitpunkt vor. Im Be-
leg-gebundenen Buchungsverfahren (Vorgangsart 1244) wird vom Kontoinha-
ber ein Auszahlungsbeleg ausgefüllt und unterschrieben. Darüber hinaus war in
diesen Fällen bei Auszahlungen über 1 000 DM eine sogenannte telefonische
Direktbuchung durchzuführen, um sicherzustellen, dass das zu belastende
Konto auch den entsprechenden Verfügungsrahmen aufwies. Dies unterließ der
Beamte bewusst. Er übersandte auch den von ihm jeweils ausgestellten
Auszahlungsbeleg nicht - wie im Filialhandbuch vorgeschrieben - arbeitstäglich
an die Postbank. Seiner Einlassung in der Berufungshauptverhandlung zufolge
wurden die Belege von allen Mitarbeitern gesammelt und erst mit mehrtägiger
Verzögerung weitergeleitet, sodass seine Lastbuchungen ebenfalls erst nach
etwa neun Tagen vorgenommen wurden. Der Beamte hat vor dem Senat ein-
geräumt, dies sei ihm sehr recht gewesen; er habe sich bewusst nicht um eine
taggleiche Absendung gekümmert. Allerdings erfolgten die Wertstellung und
damit auch die Zinsberechnung rückwirkend ab dem vom Beamten angegebe-
nen Tag. Im ersten Halbjahr 2000 zahlte der Beamte der Postbank insgesamt
2 893,39 DM Kreditzinsen.
In der zwischen fingierter Auszahlung und Buchung liegenden Zeit nahm der
Beamte an seinem Schalterterminal fingierte Einzahlungen vor, die von ihm
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- 12 -
taggenau gebucht wurden. Dadurch sah sein Kontostand in der Zwischenzeit
höher aus, als er tatsächlich war. Auf diese Weise wurde zugleich der Eindruck
eines hohen Umsatzes erzeugt. Dem Fax-Antrag des Beamten vom 4. Juli
2000, seinen Dispositionskredit von 12 000 DM auf 20 000 DM zu erhöhen,
wurde von der Postbank am 7. Juli 2000 entsprochen.
In der Zeit von Januar bis April 2000 wurden auf dem Konto des Beamten tat-
sächliche Lastbuchungen in Höhe von insgesamt 37 066,65 DM vorgenommen,
während Gutschriften tatsächlich nur in Höhe von 20 198,80 DM erfolgten. Zwar
deutet der sich daraus ergebende Differenzbetrag von 16 867,85 DM auf eine
Überziehung des dem Beamten damals eingeräumten Dispositionskredits von
12 000 DM hin. Nach Auskunft der Serviceniederlassung Recht der Deutschen
Post AG - Ermittlungsstelle N. - von Mai 2001 wurde der Kreditrahmen jedoch
im banküblichen Sinn nicht überschritten. Insoweit heißt es in der postalischen
Auskunft:
„Eine klassische Überschreitung eingeräumter Kreditrah-
men (12.000,- DM ab dem 07.07.2000, 20.000,- DM; vgl.
Kontoauszug Nr. …/2000/Blatt 1) hat es nicht gegeben.
Dies dürfte jedoch auch nicht im Interesse von Herrn …
gelegen haben. Sein Ziel war es wohl, sich durch die
Ausweitung des Dispo-Rahmens mehr ‚Luft’ zu verschaf-
fen. Herr … hat dies durch Serien fingierter Einzahlungen
erreicht. Hierzu muss man wissen, dass die Erhöhung des
Dispo-Rahmens bei der Postbank maschinell über DV er-
folgt und von den Kontoumsätzen abhängt. Dieses Wissen
hat sich Herr ... zu Nutze gemacht.
Der Postbank ist - außer Personalaufwand für intensive
Recherchen - zunächst einmal kein realer Vermögens-
schaden entstanden. Die Sollzinsen wurden bekanntlich
vom Gehaltskonto entnommen und erhöhten den negati-
ven Bodensatz des Kontos.“
Als die Buchungsmanipulationen des Beamten Ende Juli 2000 aufgedeckt wor-
den waren - sein Postbankkonto wies nach eigenen Angaben am 4. August
2000 einen Soll-Stand von etwa 25 000 DM auf -, wurde der Überziehungskre-
dit von 20 000 DM widerrufen und mit dem Beamten ein Ratenzahlungsdarle-
hen vereinbart, das er monatlich bediente, zuletzt mit 195 €.
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bb) Der Beamte hat sich zu den Ursachen und Beweggründen seines Verhal-
tens wiederholt - zuletzt in der Hauptverhandlung vor dem Senat - dahin einge-
lassen, er sei damals in einer finanziellen Zwangslage (Notlage) gewesen und
habe die Zeit bis zur nächsten Gehaltszahlung überbrücken wollen. Er habe
Verfügungsspielraum gewinnen und sich ein separates Darlehen ersparen wol-
len. Seine Geldprobleme seien dadurch entstanden, dass er zusammen mit
seinem Bruder für den Erwerb und Ausbau eines Hauses einen Kredit über
250 000 DM aufgenommen und davon 150 000 DM selbst finanziert habe.
Während der Ausbauarbeiten habe sich weiterer, unerwarteter Finanzbedarf
ergeben. Ferner seien seine wirtschaftlichen Verhältnisse dadurch belastet ge-
wesen, dass er seine damalige Partnerin, die Zeugin Z., und deren Familie
(Töchter, Enkel) mit Geld- und Sachgeschenken unterstützt habe. Es sei ihm
schon bewusst gewesen, dass er seinen Dispo-Kredit von 12 000 DM überzo-
gen habe. Alle Aus- und Einzahlungen habe er sofort verbucht; andernfalls hät-
te die Kasse nicht gestimmt. Es sei ihm immer nur um eine vorübergehende
Überwindung seiner finanziellen Schwierigkeiten gegangen. Er sei der Auffas-
sung gewesen, dass die Erhöhung seines Dispo-Rahmens auf 20 000 DM am
7. Juli 2000 maßgeblich auf die zur Begründung seines Antrags genannten Si-
cherheiten zurückzuführen gewesen sei. Einen Vorsatz, das Geld nicht mehr
zurückzuzahlen, habe er nie gehabt. Er habe seine Schulden immer ausglei-
chen wollen und habe sich aufgrund seiner Vermögensverhältnisse dazu
grundsätzlich auch in der Lage gesehen. Im Übrigen habe er für seinen Dispo-
Kredit nicht nur Zinsen, sondern auch höhere Überziehungszinsen gezahlt.
Niemand sei geschädigt worden. Er habe lediglich gegen Kassenvorschriften
verstoßen.
b) Die rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts ergibt, dass der Beamte durch
die festgestellte Handlungsweise in der Zeit vom 3. Januar 2000 bis zum
26. Juli 2000 vorsätzlich schuldhaft gegen seine Dienstpflichten gemäß § 54
Satz 2 und 3 (Pflicht zu uneigennützigem, achtungs- und vertrauenswürdigem
Verhalten), § 55 Satz 2 BBG a.F. (Befolgungspflicht) i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1
BBG a.F. verstoßen hat.
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- 14 -
Zwar ist das im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar
2009, BGBl I S. 160, novellierte Bundesbeamtengesetz seit dem 12. Februar
2009 mit geändertem Inhalt und geänderter Paragrafenfolge in Kraft. Für die
Frage, ob der Beamte im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienstpflichten
schuldhaft verletzt hat, ist aber die damalige Sach- und Rechtslage maßge-
bend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB für
den Beamten materiellrechtlich günstigeres neues Recht gilt (vgl. dazu z.B.
Urteile vom 17. März 2004 - BVerwG 1 D 23.03 - BVerwGE 120, 218 <223,
225> = Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 6 und vom 9. Januar 2007 - BVerwG
2 WD 20.05 - BVerwGE 127, 293 <294 ff.> = Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002
Nr. 20 zum Wehrdisziplinarrecht). Letzteres ist hier nicht der Fall. Mit Ausnahme
der redaktionellen Anpassung an die geschlechtergerechte Sprache stimmen
§ 61 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 62 Abs. 1 Satz 2 und § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG in der
jetzt geltenden Fassung mit den genannten Vorgängerregelungen im
Wesentlichen überein. Umfang und Inhalt der Dienstpflichten des Beamten und
damit auch die Frage ihrer Verletzung zur Tatzeit bestimmen sich daher allein
nach § 54 Satz 2 und 3, § 55 Satz 2 BBG a.F. i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG
a.F.
aa) Der Beamte hat, was er ausdrücklich einräumt, als Postschalterbeamter
durch die Art der „Scheinbuchungen“ und die Anwendung des Beleg-
gebundenen Buchungsverfahrens wiederholt gegen § 55 Satz 2 BBG a.F. in
Verbindung mit den ihm bekannten Kassenvorschriften (Handbuch Filialen) ver-
stoßen. Nach deren zur Tatzeit maßgeblichen Nummern 6.1.1 - E - und 6.1.5
- D - kommt eine Buchung im Beleg-gebundenen Verfahren nur dann in Be-
tracht, wenn ein Systemausfall vorliegt. Dies war hier zu keinem Zeitpunkt der
Fall. Zusätzlich hat der Beamte bei Buchungen im Beleg-gebundenen Verfahren
gegen die Verpflichtung verstoßen, die Belege nach Kassenschluss taggleich
an die zuständige Postbank zu schicken (vgl. Nr. 6.1.5 - J -). Denn er hat - wie
er in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt hat - bewusst nicht verhindert,
wozu er als Kassenbeamter verpflichtet war, dass die „Scheinbuchungsbelege“
erst mit mehrtägiger Verspätung abgesandt wurden. Schließlich hat der Beamte
in den Fällen, in denen die „Scheinbuchungen“ Auszahlungen über 1 000 DM
34
- 15 -
betrafen, nicht, wie nach Nr. 6.1.7 - D - vorgeschrieben, telefonische
Direktbuchungen durchgeführt.
Der Beamte hat seine Befolgungspflicht auch vorsätzlich verletzt. In seiner
Funktion als Schalterbeamter hat er die Möglichkeit, Ein- und Auszahlungen für
sein eigenes Konto vornehmen zu können, bewusst und gewollt ausgenutzt und
unter Verwendung der nur für Systemausfälle vorgesehenen Buchungsart das
Beleg-gebundene Buchungsverfahren gewählt, um auf diese Weise die fiktiven
Buchungen überhaupt durchführen zu können. Die dabei vorgeschriebenen
telefonischen Buchungen hat er nicht vorgenommen. Da sein Konto aber voll
ausgeschöpft war, wären diese telefonischen Direktbuchungen nicht
durchgeführt worden. Dies war dem Beamten bekannt; deshalb hat er die Di-
rektbuchungen unterlassen.
Zugleich hat der Beamte im Bewusstsein seiner damals schwierigen wirtschaft-
lichen Lage und in der Absicht, sich einen zusätzlichen finanziellen Spielraum
zu verschaffen, durch die „Scheinbuchungen“ wiederholt vorsätzlich gegen sei-
ne Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG a.F.) verstoßen.
Eigennützigkeit in diesem Sinne liegt bereits dann vor, wenn der Beamte aus
persönlichen Gründen tätig geworden ist (stRspr, z.B. Urteil vom 19. Mai 1998
- BVerwG 1 D 20.96 - BVerwGE 113, 221 <222> = Buchholz 232 § 54 Satz 2
BBG Nr. 17). Das war hier der Fall.
Schließlich hat der Beamte durch seine eigennützigen Verstöße gegen Kas-
senvorschriften auch zumindest bedingt vorsätzlich seine Pflicht zu achtungs-
und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 54 Satz 3 BBG a.F.) verletzt.
bb) Den disziplinarrechtlichen Vorwurf, dass der Beamte durch sein Fehlverhal-
ten zugleich das Vermögen seines Dienstherrn und der Postbank gefährdet und
dadurch eine Untreue im Sinne des § 266 StGB begangen hat, hält der Senat
nicht für erwiesen. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs (vgl. z.B. Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05 - BGHSt 51,
100 <113 ff., 120>) ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB auch dann
vorliegen, wenn Vermögenswerte konkret gefährdet sind, sodass nach wirt-
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- 16 -
schaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärti-
gen Vermögenslage eingetreten ist; der Gefährdungsschaden wird dem endgül-
tigen Schaden in § 266 Abs. 1 StGB grundsätzlich gleichgestellt. Es fehlt hier
jedoch insoweit schon an einer substanziierten Anschuldigung im Hinblick auf
die jeweilige konkrete Höhe der Vermögensgefährdung durch die einzelnen
fiktiven Buchungsvorgänge und hinsichtlich der Frage, ob die Vermögenswerte,
über die der Beamte damals verfügte, rechtzeitig und in voller Höhe zum Aus-
gleich eines drohenden Schadens zur Verfügung gestanden hätten. Das Ver-
waltungsgericht (UA S. 10) hat deshalb im Ergebnis zu Recht die Erweislichkeit
einer Vermögensgefährdung verneint.
Ungeachtet dessen kann dem Beamten nicht mit der notwendigen Überzeu-
gung („strenge Anforderungen“, vgl. dazu Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 266
Rn. 78 m.w.N.) nachgewiesen werden, dass er damals zumindest mit beding-
tem Untreuevorsatz gehandelt hat. Schon das Landgericht E. ist mit guten
Gründen davon ausgegangen, dass vorsätzliches Handeln nicht nachweisbar
sei; der Beamte ist auch nie wegen Untreue verurteilt worden. Selbst wenn die
Erhöhung der bisherigen Kreditgrenze von 12 000 DM auf 20 000 DM aufgrund
der Anzahl und Höhe der „Scheinbuchungen“ im Wesentlichen automatisch
erfolgt sein sollte, wie von dem Vertreter der Einleitungsbehörde behauptet
wurde, kann dem Beamten nicht widerlegt werden, dass er den Zusammen-
hang zwischen seinen Buchungen und der Festlegung des Kreditrahmens nicht
gekannt, sondern angenommen hat, sein Antrag nebst Begründung sei aus-
schlaggebend gewesen. Die Erhöhung des Kreditrahmens auf 20 000 DM am
7. Juli 2000 erfolgte immerhin entsprechend seinem Fax-Antrag vom 4. Juli
2000, der ausdrücklich auf 20 000 DM lautete, was einen Ursachenzusammen-
hang zwischen Bewilligung und Antragstellung nahe legt. Ein vorsätzliches
Handeln des Beamten lässt sich schließlich auch nicht mit der Behauptung der
Einleitungsbehörde begründen, die Postbank M. habe dem Beamten damals
mehrfach schriftlich mitgeteilt, sein Dispo-Limit sei ausgeschöpft gewesen. Der
Beamte bestreitet die Richtigkeit der Behauptung. Er sei damals nie wegen ei-
ner Kontoüberziehung oder drohenden Kontosperrung angeschrieben worden.
Im Juli 2000 sei ihm sogar noch das Dispo-Limit erhöht worden. Auf den ge-
richtlichen Hinweis, dass sich bei den Akten keine entsprechenden Nachweise
39
- 17 -
für schriftliche Mitteilungen der Postbank befänden, hat die Postbank in einer
dienstlichen Auskunft im Juni 2009 erklärt: „Bezüglich des ersten Halbjahres
2000 seien keine Mahnungen nachweisbar, womit jedoch nicht ausgeschlossen
sei, dass tatsächlich Mahnungen erfolgt seien“. Der einschränkende Nachsatz
der Postbankauskunft ist mangels Konkretheit nicht geeignet, das Ergebnis der
Beweiswürdigung insgesamt in Frage zu stellen.
Zu Anschuldigungspunkt 2 (Vorlage ungedeckter Notauszahlungsscheine
bei der Postagenturnehmerin H.)
a) Hinsichtlich des objektiven Geschehensablaufs kann der Senat ebenfalls von
dem Sachverhalt in der Anschuldigungsschrift vom 30. Oktober 2007 ausgehen,
der wortgleich in die Anschuldigungsschrift vom 2. Dezember 2008 über-
nommen worden ist. Der Beamte hat sowohl in der Hauptverhandlung vor dem
Verwaltungsgericht als auch in der Berufungshauptverhandlung vor dem Senat
die Richtigkeit des Anschuldigungssachverhalts in objektiver Hinsicht einge-
räumt. Anstelle der im Anschuldigungstenor genannten 15 Abhebungsfälle
handelt es sich in Wahrheit jedoch nur um 13 Fälle, wie sich aus der Anschul-
digungsbegründung ergibt. Danach steht für den Senat folgender Sachverhalt
fest:
aa) Der seit März 2001 vom Dienst suspendierte Beamte, gegen den seit die-
sem Zeitpunkt das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet war, hob in der Zeit
vom 4. März 2004 bis zum 19. Juni 2004 in 13 Fällen bei der Kauffrau H., die
damals in B. in ihrem Geschäft eine Postagentur betrieb, in Beträgen von 250 €
bis 500 € insgesamt 5 925 € von seinem Postgirokonto Nr. 16… ab. Die einzel-
nen Abhebungen ergeben sich aus der nachfolgenden Aufstellung:
4. März 2004
500 €,
.
.
.
19. Juni 2004
500 €,
Der Beamte, der der Zeugin H. als Schalterbeamter der Hauptpoststelle in B.
persönlich bekannt war und schon vor dem hier fraglichen Zeitraum die Post-
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- 18 -
agentur zur Erledigung von Postbankgeschäften aufgesucht hatte, ließ sich das
Geld nicht im Wege der üblichen Direktbuchung über das Schalterterminal,
sondern jeweils unter Vorlage seiner Kontokarte (ohne PIN) und eines von ihm
ausgefüllten und unterschriebenen Notauszahlungsscheins auszahlen. Bei Ab-
hebungen mit Notauszahlungsscheinen, die auf Beträge bis 500 € täglich be-
schränkt waren, unterblieb ein bei üblicher Barauszahlung über Direktbuchung
am Schalterterminal durchgeführter Abgleich mit dem Kontostand (Deckungs-
anfrage). Bei Beträgen über 500 € und in Zweifelsfällen war eine telefonische
Direktbuchung vorgeschrieben, die einen Abgleich mit dem Kontostand ermög-
licht hätte. Die Zeugin H. hatte im Untersuchungsverfahren ausgesagt, in den
Auszahlungsfällen des Beamten sei über das „System“ immer der Vermerk er-
schienen „Betrag auszahlen“.
Da der dem Beamten am 7. Juli 2000 eingeräumte Überziehungskredit von
20 000 DM inzwischen widerrufen war, wurde das Postgirokonto des Beamten
Anfang 2004 nur noch als sogenanntes „Jedermann-Konto“ geführt, d.h. eine
Auszahlung durfte nur im Rahmen des jeweils vorhandenen Guthabens erfol-
gen. Bei einem Abgleich mit dem Kontostand wären dem Beamten im Jahr
2004 Geldbeträge nur ausgezahlt worden, soweit sein Konto ein Guthaben auf-
gewiesen hätte.
Aufgrund der ungedeckten Barverfügungen des Beamten in Höhe von insge-
samt 5 925 € wurde das Konto Nr. 16… Mitte 2004 von der Postbank mit einem
Minus-Saldo von insgesamt 3 848,09 € geschlossen. Durch Schreiben vom
20. Juli 2004 machte die Postbank J. entsprechend der mit der Deutschen Post
AG getroffenen Schadensausgleichsvereinbarung - Bankdienste am Postschal-
ter werden im Auftrag der Postbank ausgeführt - 85 v.H., d.h. 3 270,88 € als
Schaden geltend. Dieser Schadensbetrag wurde von der Post anschließend an
die Postbank überwiesen.
Die Forderung der Postbank in Höhe von 3 848,09 € - zuzüglich Nebenkosten
insgesamt 4 318,33 € - glich der Beamte nach Einschaltung eines Inkassobüros
(Forderungsschreiben vom 29. Juli 2004) anschließend in monatlichen Raten
von 300 € aus.
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- 19 -
bb) Der Beamte hat sich zu den Beweggründen seines Verhaltens wiederholt
- zuletzt in der Hauptverhandlung vor dem Senat - dahin eingelassen, er sei
damals aufgrund einer Autoreparatur in Geldnot gewesen. Zudem habe er sei-
nen anderen Kreditverpflichtungen nachkommen müssen und Geld zur Bezah-
lung der Medikamente für seine Mutter gebraucht. Es sei ihm nur um eine kurz-
fristige Überbrückung seiner finanziellen Notlage gegangen. Er hätte sich das
Geld auch bei der Spardabank besorgen können. Dies hätte er auch getan,
wenn er damals gewusst hätte, dass sein Verhalten disziplinarische Konse-
quenzen haben würde.
Er habe gewusst, dass sein Konto damals in den meisten Fällen überzogen
gewesen sei. Ferner sei ihm bekannt gewesen, dass die Auszahlungen nicht
getätigt worden wären, soweit oder weil sein Konto nicht gedeckt gewesen sei.
Er habe auch gewusst, dass er im Jahr 2004 auf einem anderen Weg eine
Auszahlung der gewünschten Beträge von seinem Postgirokonto nicht erhalten
hätte. Das Verhalten der Zeugin H. habe er aber nicht beeinflusst und sie nicht
davon abgehalten, seinen Kontostand zu überprüfen. Nach einem Anruf von der
Mahnstelle der Postbank in O. sei ihm dann „plötzlich“ das Konto gekündigt
worden.
Er habe immer die Absicht gehabt, das Geld zurückzuzahlen. Er sei dazu auch
in der Lage gewesen. Denn er habe damals über erhebliche Vermögenswerte
verfügt. So habe er am 20. Juli 2004 bei der Spardabank einen Darlehensver-
trag über 8 500 € abgeschlossen und anschließend alle Kontoüberziehungen
bei der Postbank bis auf den letzten Cent ausgeglichen. Die Schlussforderung
habe er nur deshalb nicht sofort, sondern ratenweise getilgt, weil er sich über
die Kostenrechnung geärgert habe. Aufgrund seines regelmäßigen Dienstein-
kommens als Beamter sei er auch kreditwürdig gewesen. Letztlich sei kein
Vermögensschaden entstanden.
b) Durch die festgestellte Handlungsweise in der Zeit vom 4. März 2004 bis zum
19. Juni 2004 hat der Beamte eine vorsätzlich schuldhafte außerdienstliche
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- 20 -
Pflichtverletzung im Sinne des § 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.
begangen.
Ebenso wie im Anschuldigungspunkt 1 hat sich auch im Anschuldigungspunkt 2
durch die Neufassung des Bundesbeamtengesetzes im Jahr 2009 an der diszi-
plinarrechtlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage zur Tatzeit im Jahr
2004 nichts geändert.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG in der jetzt geltenden Fassung, der - wie bereits
dargelegt - mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechter-
gerechte Sprache mit der Vorgängerregelung (§ 54 Satz 3 BBG a.F.) überein-
stimmt, muss das Verhalten eines Beamten auch außerhalb des Dienstes der
Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Verstößt
er gegen diese Pflicht, begeht er eine außerdienstliche Pflichtverletzung. Diese
erfüllt aber nur dann den objektiven Tatbestand eines außerdienstlichen
Dienstvergehens, wenn als weiteres Tatbestandsmerkmal die besonderen qua-
lifizierenden Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG erfüllt sind. Dem
Wortlaut der Neufassung der Vorschrift zufolge muss die Pflichtverletzung nach
den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sein, das Ver-
trauen in einer für das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums
bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Während in der Vorgängerregelung
(§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.) noch von „Achtung und Vertrauen“ die Rede war,
spricht die - im Übrigen inhaltlich unveränderte - Neufassung nur noch von der
Beeinträchtigung des „Vertrauens“. In der amtlichen Begründung zum neuge-
fassten § 77 BBG im Regierungsentwurf, BTDrucks 16/7076 S. 117, heißt es
dazu insgesamt:
„Entspricht mit redaktionellen Anpassungen an die ge-
schlechtergerechte Sprache im Wesentlichen dem bishe-
rigen § 77. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes kann
nur dann ein Dienstvergehen darstellen, wenn eine Pflicht-
verletzung - in der Regel ein Verstoß gegen § 61 Abs. 1
Satz 3 - vorliegt. Die neue Formulierung in Abs. 1 Satz 2
soll diesen Zusammenhang verdeutlichen. Die für eine
Bewertung als Dienstvergehen erforderliche besondere
Schwere des außerdienstlichen Pflichtverstoßes bleibt
unberührt.
50
51
- 21 -
Zu Absatz 1
Durch die Neufassung von Satz 2 hat das außerdienstli-
che Verhalten von Beamtinnen und Beamten nur noch in-
soweit Bedeutung für die Pflichten aus dem beamten-
rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, als es um die
Wahrung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in
die Integrität der Amtsführung geht.“
Nach der Senatsrechtsprechung, die zu § 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG
a.F. ergangen ist (grundlegend Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D
37.99 - BVerwGE 112, 19 <22 ff.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23;
fortführend Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212
<215 ff.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 29 mit Äußerungen zur Kritik an
dieser Rechtsprechung; zuletzt Urteil vom 19. Juni 2008 - BVerwG 1 D 2.07 -
juris, m.w.N. ),
stellt sich die Normstruktur des § 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. wie
folgt dar: § 54 Satz 3 bildet den Grundtatbestand. Anhand der Merkmale dieser
Norm ist - mit Blick auf § 77 Abs. 1 Satz 2 - zu prüfen, ob das außerdienstliche
Verhalten des Beamten das berufserforderliche Vertrauen beeinträchtigt oder
zu beeinträchtigen geeignet ist (vgl. Urteil vom 8. Mai 2001 a.a.O. S. 218 f.;
Mayer, NVwZ 2004, 949). Das Hauptmerkmal in § 54 Satz 3 BBG a.F. („die sein
Beruf erfordert“) wird hinsichtlich außerdienstlicher Pflichtverletzungen durch
§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. inhaltlich näher konkretisiert, und zwar in dem
Sinn, dass sich die Vertrauensbeeinträchtigung alternativ entweder auf das Amt
des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d.h. auf die
Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten (vgl. Urteile
vom 30. August 2000 a.a.O. S. 23, 25 f. und vom 8. Mai 2001 a.a.O. S. 216 ff.),
oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen
und gesetzestreuen Verwaltung (vgl. Urteile vom 30. August 2000 a.a.O. S. 26
und vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 4.01 - Buchholz 232 § 54 Satz 3
BBG Nr. 32) beziehen muss.
An dieser zu § 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. entwickelten Normstruk-
tur hat sich durch den Wegfall des Wortes „Achtung“ im neugefassten § 77
Abs. 1 Satz 2 BBG nichts zugunsten des Beamten geändert. Auch wenn die
Neufassung nach ihrem Wortlaut nur noch auf das „Vertrauen“ abstellt, so be-
52
53
- 22 -
trifft „Vertrauen“ doch die Erwartung, dass sich der Beamte nicht nur aus der
Sicht der Bürger (Allgemeinheit) - wie man der amtlichen Begründung entneh-
men könnte -, sondern auch aus der Sicht seines Dienstherrn außerdienstlich
so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserfor-
derlich erwartet wird.
aa) Bei der festgestellten Verhaltensweise des Beamten im Anschuldigungs-
punkt 2 handelt es sich begrifflich um ein außerdienstliches Verhalten im Sinne
des § 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. Wie der Senat bereits in
seinem Beschluss vom 24. Oktober 2006 (a.a.O.) in dem Rechtsschutzverfah-
ren des Beamten als Antragsteller gegen Maßnahmen gemäß §§ 91, 92 BDO
unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 20. Februar
2001 - BVerwG 1 D 55.99 - BVerwGE 114, 37 <48 f.> = Buchholz 232 § 52
BBG Nr. 12, jeweils m.w.N.) ausgeführt hat, beruht die Unterscheidung zwi-
schen inner- und außerdienstlicher Pflichtverletzung im Sinne von Satz 1 und 2
des § 77 Abs. 1 BBG alter (und neuer) Fassung nicht auf der Zufälligkeit räum-
licher oder zeitlicher Beziehung eines Verhaltens zur Dienstausübung. Das we-
sentliche Unterscheidungselement ist vielmehr funktionaler Natur. Entscheidend
für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverlet-
zung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit
verbundene dienstliche Tätigkeit. Ist eine solche Einordnung nicht möglich
- insbesondere wenn sich das Handeln als das Verhalten einer Privatperson
darstellt -, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren. Ein sol-
cher Fall ist hier gegeben. Auch wenn die Postagenturnehmerin H. den Beam-
ten als Postbediensteten kannte, war sein Verhalten nicht in sein Amt (als
Postschalterbeamter) eingebunden. Zur Tatzeit 2004 war der Beamte vom
Dienst suspendiert, d.h. er handelte der Zeugin gegenüber als Privatperson.
bb) Auf der Grundlage der dargestellten Normstruktur des § 54 Satz 3 i.V.m.
§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. ergibt sich, dass der Beamte im Anschuldigungs-
punkt 2 seine außerdienstlichen Dienstpflichten gemäß § 54 Satz 3 BBG a.F.
vorsätzlich schuldhaft verletzt hat. Durch die festgestellte Handlungsweise ge-
genüber der Postagenturnehmerin H. hat er, ohne dass ihm insoweit betrügeri-
sches Handeln nachgewiesen werden kann, der Postbank einen Vermögens-
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schaden in Höhe von 3 848,09 € - für den die Post in Höhe von 85 v.H. einzu-
stehen hatte - zugefügt und insoweit in Kenntnis seiner überwiegend mangeln-
den Kontodeckung bewusst und gewollt gegen seine (auch) außerdienstlichen
Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen.
Den in der Anschuldigungsbegründung erhobenen Vorwurf, dass das außer-
dienstliche Verhalten des Beamten einen Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1
StGB darstelle, hält der Senat nicht für erwiesen; gegen den Beamten ist auch
kein entsprechendes Strafverfahren durchgeführt worden. Betrügerisch im Sin-
ne der genannten Strafvorschrift handelt, wer in der Absicht, sich oder einem
Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen
eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder
durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt
oder unterhält. Der Senat ist aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptver-
handlung nicht zur Überzeugung gelangt, dass das Tathandeln des Beamten
bei der Postagenturnehmerin H. zu einer Irrtumserregung geführt hat, die kau-
sal für ihre Vermögensverfügungen zu Lasten der Postbank (Post) - Bar-
auszahlung der in den Notauszahlungsscheinen jeweils angegebenen Geldbe-
träge - war. Die Barauszahlungen erfolgten damals in einem zulässigen und
postbanktechnisch möglichen Verfahren, das keiner Einwirkung des Postbank-
kunden - hier des Beamten - durch Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung
wahrer Tatsachen bedurfte.
Wie der sachkundige Beistand des Vertreters der Einleitungsbehörde, Amt-
mann P., dem Senat in der Berufungshauptverhandlung erläutert hat, bestand
im Jahr 2004 die Möglichkeit, mittels der Postbankkarte (Kontokarte) und einem
sogenannten Notauszahlungsschein (bis 500 €) den angegebenen Geldbetrag
ausbezahlt zu bekommen, ohne dass eine online-Verbindung zur Postbank er-
forderlich war und zustande kam. Eine solche online-Verbindung, die eine
Überprüfung des Kontostandes ermöglicht hätte, war nur für „Zweifelsfälle“ vor-
gesehen. Solche „Zweifelsfälle“ lagen nach Ansicht der Postagenturnehmerin H.
bei dem Beamten nicht vor. Der Beamte war ihr als Postschalterbeamter
bekannt. Er hatte sich jeweils durch seine Kontokarte ausgewiesen, die nur der
Identifizierung des Postbankkunden diente, wie Amtmann P. erläutert hat. Die-
56
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- 24 -
ser hat auch die Richtigkeit der Aussage der Zeugin H. aus dem Untersu-
chungsverfahren bestätigt, wonach das „System“ in den Fällen des Beamten
immer angezeigt habe „Betrag auszahlen“. Das spricht insgesamt für die
Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage und macht plausibel, dass die Postagen-
turnehmerin H. keine Anhaltspunkte für mögliche „Zweifelsfälle“ haben musste.
Der Beamte hat sich in der Berufungshauptverhandlung wiederholt dahin einge-
lassen, er habe keinen Einfluss auf die Zeugin genommen, habe sie insbeson-
dere nicht davon abgehalten, seinen Kontostand zu überprüfen. Die Richtigkeit
dieser Einlassung kann dem Beamten nicht widerlegt werden. Letztlich wurden
ihm - außerhalb eines Betrugstatbestandes - die Barauszahlungen deshalb er-
möglicht, weil damals eine „Lücke im System“ bestand. Dies hat auch Amtmann
P. bestätigt und ergänzend erklärt, die „Lücke“ sei inzwischen geschlossen.
Auch wenn sich der Beamte durch die festgestellte Handlungsweise im Jahr
2004 keines Betruges schuldig gemacht hat, hat er doch in Kenntnis seiner
überwiegend mangelnden Kontodeckung die ihm als Schalterbeamten bekannte
„Lücke im System“ bewusst für sich ausgenutzt und dabei zumindest billigend in
Kauf genommen, dass der Postbank (Post) dadurch ein Schaden entstand;
diesen hat er nachträglich ausgeglichen. Das außerdienstliche vermö-
gensschädigende Verhalten des Beamten erlaubt nach der neueren Recht-
sprechung des Senats (grundlegend Urteil vom 30. August 2000 a.a.O.) aber
nur dann den Rückschluss auf eine Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung
in Bezug auf den konkreten Dienstposten oder auf eine Ansehensbeeinträchti-
gung des Beamtentums, wenn besondere qualifizierende Umstände vorhanden
sind. Solche Umstände, deren Vorliegen erst die Annahme eines Verstoßes
gegen § 54 Satz 3 BBG a.F. rechtfertigt, können z.B. gegeben sein, wenn das
außerdienstliche Handeln einen Bezug zu den dem Beamten aufgrund seines
Dienstpostens obliegenden Dienstpflichten aufweist. Ein solcher Fall liegt hier
vor. Das außerdienstliche vermögensschädigende Verhalten des Beamten war
geeignet, negative Rückschlüsse auf seine damalige dienstliche Vertrauens-
würdigkeit in seinem Amt als Postschalterbeamter zu ziehen. Auf diesem
Dienstposten oblag ihm u.a. der bestimmungsgemäße Umgang mit den der
Post anvertrauten Geldern und die ordnungsgemäße Führung der Schalterkas-
58
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- 25 -
se. Ein Postbeamter, der unter Ausnutzung innerdienstlicher Kenntnisse und
Fähigkeiten außerdienstlich das Vermögen der Postbank (Post), das er auch
bei seiner Amtsausübung zu schützen hat, zumindest bedingt vorsätzlich schä-
digt, beeinträchtigt in erheblichem Maße das Vertrauen, das ihm der Dienstherr
und die Allgemeinheit in Bezug auf seinen konkreten Dienstposten entgegen-
bringen.
Das Fehlverhalten des Beamten erfüllt auch die besonderen qualifizierenden
Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. Zwar wird von einem Beam-
ten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von
jedem Bürger (Urteil vom 30. August 2000 a.a.O S. 26: Durchschnittsbürger).
Hier übersteigt jedoch das Fehlverhalten des Beamten das einer jeden außer-
dienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Mindestmaß an disziplinarischer
Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen Anforderungen an ein
Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. Maßgebend hierfür
sind einmal Umfang und Dauer der schädigenden Handlungen gegenüber der
Postbank (Post) sowie der nicht unerhebliche, die Geringwertigkeitsgrenze von
etwa 50 € (vgl. dazu Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 -
ZBR 2009, 95 m.w.N.) weit überschreitende Gesamtschaden von über 3 000 €.
Hinzu kommt der den Beamten belastende Umstand, dass sein schädigendes
Verhalten engen dienstlichen Bezug hatte und während des gegen ihn laufen-
den Disziplinarverfahrens erfolgt ist.
Nach alledem hat der Beamte durch das in den Anschuldigungspunkten 1 und 2
festgestellte Fehlverhalten vorsätzlich schuldhaft ein inner- und außerdienstli-
ches Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 55 Satz 2 BBG
a.F. und den genannten Kassenvorschriften sowie § 54 Satz 2 und 3 BBG a.F.
begangen. Auch wenn die Pflichtverletzungen in beiden Anschuldigungs-
punkten etwa vier Jahre auseinander liegen, handelt es sich doch um ein „ein-
heitliches Dienstvergehen“ im Sinne des § 77 Abs. 1 BBG a.F. Denn die Ver-
fehlungen stehen in einem inneren Zusammenhang (vgl. dazu z.B. Beschluss
vom 11. Februar 2000 - BVerwG 1 DB 20.99 - BVerwGE 111, 54 <56 f.>
= Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 9, jeweils m.w.N.). Ihre gemeinsame Wurzel lag
in der damals sehr schlechten wirtschaftlichen Lage des Beamten und seiner
60
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Neigung, seine finanziellen Probleme mit Hilfe seiner dienstlichen Kenntnisse
und Fähigkeiten zu Lasten der Post bzw. Postbank zumindest vorübergehend
zu lösen. Eine isolierte Betrachtung der Pflichtverletzungen scheidet deshalb
aus.
2. Das einheitliche Dienstvergehen ist - insgesamt gesehen - von erheblichem
Gewicht und macht eine Zurückstufung (§ 10 BDO, § 9 BDG) des Beamten um
zwei Beförderungsämter, d.h. bis in das Eingangsamt seiner Laufbahn, erfor-
derlich. Diese Maßnahme ist aber auch ausreichend. Eine Entfernung aus dem
Dienst - wie von der Vorinstanz ausgesprochen - kommt nicht in Betracht.
Aus dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens folgt zunächst materiell-
rechtlich, dass das durch mehrere Verfehlungen zu Tage getretene Fehlverhal-
ten eines Beamten einheitlich zu würdigen ist (vgl. Urteil vom 14. Februar 2007
- BVerwG 1 D 12.05 - BVerwGE 128, 125 <130> = Buchholz 232 § 77 BBG
Nr. 26; Beschluss vom 29. Juli 2009 - BVerwG 2 B 15.09 - juris m.w.N.). Dem
liegt die Überlegung zugrunde, dass es im Disziplinarrecht nicht allein um die
Feststellung und Maßregelung einzelner Verfehlungen geht, sondern vor allem
um die dienstrechtliche Bewertung des Gesamtverhaltens des Beamten, das im
Dienstvergehen als der Summe der festgestellten Pflichtverletzungen seinen
Ausdruck findet. Der Beamte wird disziplinarisch nicht gemaßregelt, weil er be-
stimmte Pflichten verletzt hat, sondern weil er dadurch Persönlichkeitsmängel
offenbart hat, die eine Pflichtenmahnung oder eine Beendigung des Beamten-
status für geboten erscheinen lassen. Ein wesentliches Bemessungskriterium
nach dem jetzt geltenden § 13 BDG ist deshalb auch nicht eine bestimmte Tat,
sondern die durch ein bestimmtes Gesamtverhalten offenbar werdende Per-
sönlichkeit des Beamten im Hinblick auf die Frage, ob und inwieweit dieser für
den öffentlichen Dienst noch tragbar ist (vgl. Urteil vom 14. November 2007
- BVerwG 1 D 6.06 - Buchholz 235 § 4 BDO Nr. 3).
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach
ständiger Rechtsprechung des Disziplinarsenats (vgl. zuletzt Urteile vom
7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris
Buchholz 235 § 77 BDO Nr. 13> und vom 19. Juni 2008 - BVerwG 1 D 2.07 -
62
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- 27 -
juris ) auch in Alt-
fällen der Bundesdisziplinarordnung nach der Schwere des einheitlichen Dienst-
vergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des
Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Ver-
trauensbeeinträchtigung (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG). Eine
Entfernung aus dem Dienstverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein
schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemein-
heit endgültig verloren hat (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Die Schwere
des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie
Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Um-
ständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehl-
verhaltens, darüber hinaus nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form
und Gewicht des Verschuldens des Beamten sowie den Beweggründen für sein
Verhalten und mit Blick auf die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Be-
reich und für Dritte (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 -
BVerwGE 124, 252 <259> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1).
Als maßgebendes Bemessungskriterium ist zunächst die Schwere des Dienst-
vergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinar-
maßnahme (vgl. nunmehr § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG). Dies bedeutet, dass das
festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5
Abs. 1 BDO, § 5 Abs. 1 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen
ist. Dabei können die vom Senat für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten
Regeleinstufungen als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zugrunde
gelegt werden. Für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist
dann entscheidend, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang
der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass
eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Diszipli-
narmaßnahme geboten ist (vgl. Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 -
Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3).
Ergibt eine Gesamtwürdigung der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG be-
deutsamen Umstände, dass ein aktiver Beamter durch ein schweres Dienstver-
gehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren
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hat, so ist er aus dem Dienst zu entfernen (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2 Satz 1
BDG). Ein solcher Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der Ge-
samtwürdigung der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch
künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder habe
durch sein Fehlverhalten eine erhebliche, nicht wiedergutzumachende An-
sehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums herbeigeführt. Unter diesen
Voraussetzungen ist er als Beamter nicht mehr tragbar (vgl. Urteil vom
20. Oktober 2005 a.a.O. S. 258 ff.).
a) Das Schwergewicht des einheitlichen Dienstvergehens wird geprägt durch
die vorsätzlichen innerdienstlichen eigennützigen Pflichtverletzungen im An-
schuldigungspunkt 1, d.h. die 132 fiktiven Buchungen des Beamten an seinem
Postschalter im Zeitraum von Januar bis Juli 2000 zu dem Zweck, sich so einen
zusätzlichen Kreditspielraum zu verschaffen. Die uneigennützige, auf keinen
privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche
Grundlage des Berufsbeamtentums dar (stRspr, z.B. Urteil vom 23. November
2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12). Auch wenn durch
das eigennützige Fehlverhalten des Beamten der Postbank (Post) schon nach
eigener Auskunft kein realer Vermögensschaden entstanden ist - sogenannte
geduldete Kontoüberziehung gegen Zahlung wesentlich höherer Zinsen - und
sich ein strafbares Verhalten nach § 266 Abs. 1 StGB (Untreue) nicht nachwei-
sen lässt, so hat der Beamte durch den wiederholt vorsätzlichen Verstoß gegen
die Kassenvorschriften doch im Kernbereich seines Dienstpostens als Schal-
terbeamter erheblich versagt. Mit dem Kernbereich ist derjenige Pflichtenkreis
des Beamten angesprochen, der im Mittelpunkt seines konkreten Amtes im
funktionellen Sinne (Dienstposten) steht (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005
a.a.O. S. 261 m.w.N.). Der am Postschalter u.a. mit den Kassengeschäften be-
traute Beamte war insoweit insbesondere zur wahrheitsgemäßen Führung der
Schalterkasse und Kassenunterlagen verpflichtet. Das Kassenwesen ist bei der
Deutschen Post AG durch Dienstanweisungen genau geregelt. Die Post (Post-
bank) muss den Bestand ihres Vermögens ständig unter Kontrolle halten und
deshalb in der Lage sein, Einnahmen und Ausgaben, Forderungen und Ver-
bindlichkeiten jederzeit zu überblicken. Hierzu gehört auch die Möglichkeit fest-
zustellen, ob die vorhandenen Kassenbestände mit dem Soll nach den Kas-
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- 29 -
senunterlagen übereinstimmen, und die Sicherheit, dass eventuelle Abwei-
chungen möglichst schnell und lückenlos aufgeklärt werden können. Diesem
Zweck dient insbesondere das Prinzip der Kassenwahrheit und -klarheit, das
jedem Kassenbeamten als wesentlicher Grundsatz der Verwaltung in Einzelhei-
ten vertraut ist. Jeder Kassenführer weiß auch, dass nur tatsächliche Kassen-
geschäfte gebucht werden dürfen. Wer sich über grundlegende Vorschriften
des Kassen- und Abrechnungswesens hinwegsetzt, verstößt deshalb nicht nur
gegen dienstliche Anweisungen, sondern macht sich eines Verstoßes gegen
wesentliche Grundsätze der Verwaltungsführung schuldig (vgl. dazu Urteil vom
21. März 2001 - BVerwG 1 D 10.00 - juris).
Der Dienstherr ist in besonderem Maße auf das Vertrauen in die Redlichkeit
und Zuverlässigkeit seiner im Kassenwesen tätigen Beamten angewiesen. Er
kann dies nicht durch ständige Überprüfung ersetzen, auch weil lückenlose
Kontrollen mit dem Prinzip effektiver und sparsamer Erfüllung der Aufgaben
öffentlicher Verwaltung nicht vereinbar sind. Deshalb muss es möglich sein,
jederzeit einen klaren Überblick über den augenblicklichen Kassenbestand zu
gewinnen: Herkunft, Bestand und Anrechte in Bezug auf amtliches Kassengeld
müssen sich stets zutreffend und klar aus den Kassenunterlagen ersehen las-
sen. Wer sich an diese Grundsätze nicht hält, gefährdet schon allein dadurch
die Vermögensinteressen seines Dienstherrn (vgl. dazu Urteil vom 11. Novem-
ber 2003 - BVerwG 1 D 5.03 - juris).
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2006 (a.a.O.) in
dem Rechtsschutzverfahren des Beamten als Antragsteller gegen Maßnahmen
gemäß §§ 91, 92 BDO unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zur
Ersteinstufung von schuldhaft eigennützigen Verstößen gegen Kassenvorschrif-
ten (z.B. Urteil vom 12. Dezember 1995 - BVerwG 1 D 68.94 - juris) ausgeführt
hat, bestimmt sich bei solchen Pflichtverletzungen die angemessene Diszipli-
narmaßnahme nach den Umständen des Einzelfalls; je nach dem ist eine Ge-
haltskürzung, Degradierung oder Entfernung aus dem Dienst auszusprechen.
Danach ist - bei isolierter Betrachtung - im Anschuldigungspunkt 1 eine Zurück-
stufung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Denn die vorsätzlich ei-
gennützigen Verstöße gegen die Kassenvorschriften sind von erheblichem Ge-
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wicht. Zwar ist dem Beamten insoweit kein strafbares Verhalten (§ 266 StGB)
nachzuweisen und war der Postbank (Post) schon nach eigener Auskunft kein
realer Vermögensschaden entstanden. Den Beamten belasten aber erheblich
nicht nur Umfang und Dauer der vorsätzlich eigennützigen Verfehlungen, son-
dern auch der Umstand, dass diese im Kernbereich seiner Dienstpflichten als
Schalterbeamter erfolgt sind.
Das Gewicht des einheitlichen Dienstvergehens wird außerdem bestimmt durch
die vorsätzlichen außerdienstlichen Pflichtverletzungen im Anschuldigungspunkt
2. Die 13 Fälle der Vorlage zum Teil ungedeckter Notauszahlungsscheine bei
der Postagenturnehmerin H. während des Zeitraums von Anfang März bis Mitte
Juni 2004 sind schon wegen ihres engen dienstlichen Bezugs und der
Ausnutzung dienstlicher Kenntnisse und Fähigkeiten von Gewicht. Der Beamte
hat während des bereits gegen ihn eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfah-
rens durch sein vermögensschädigendes Verhalten zum Nachteil der Postbank
(Post) einen Schaden von über 3 000 € verursacht. Die gegen den Beamten
damals laufenden disziplinarischen Ermittlungen, insbesondere wegen der
Vorwürfe im Anschuldigungspunkt 1, haben ihn offensichtlich nicht von weiteren
Pflichtverletzungen abhalten können. Auch das sachgleiche Strafverfahren war
noch nicht abgeschlossen. Das freisprechende Urteil des Landgerichts E., ins-
besondere wegen der Vorwürfe im Anschuldigungspunkt 1, erging erst nach-
träglich, am 16. Juli 2004, und ist nie rechtskräftig geworden.
Wie der Senat bereits in seinem den Verfahrensbeteiligten bekannten Be-
schluss vom 24. Oktober 2006 (a.a.O.) zur disziplinarischen Ersteinstufung au-
ßerdienstlicher Betrügereien ausgeführt hat, sind auch in diesen Fällen die Um-
stände des Einzelfalls maßgebend. Schwere Fälle haben in der Regel die Ent-
fernung aus dem Dienst zur Folge, während in minderschweren Fällen eine ge-
ringere Disziplinarmaßnahme verwirkt ist (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 8. März
2005 - BVerwG 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 m.w.N.). Danach ist
- bei isolierter Betrachtung - im Anschuldigungspunkt 2 zumindest eine langfris-
tige Gehaltskürzung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Dafür ist
maßgebend, dass dem Beamten ein betrügerisches und damit strafbares Ver-
halten nicht nachgewiesen werden kann. Dies führt im Ausgangspunkt zu einer
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- 31 -
gegenüber derjenigen des Verwaltungsgerichts niedrigeren Einstufung der Ver-
fehlung. Auf der anderen Seite fällt zum Nachteil des Beamten ins Gewicht,
dass er wiederholt pflichtwidrige Handlungen mit engem dienstlichen Bezug vor-
genommen und dadurch einen erheblichen Vermögensschaden verursacht hat
und sich hiervon weder durch das laufende Strafverfahren noch durch das
laufende Disziplinarverfahren hat abhalten lassen. Dies macht - insgesamt ge-
sehen - den Ausspruch einer spürbaren Disziplinarmaßnahme erforderlich.
Nach alledem ist bei dem einheitlich zu würdigenden inner- und außerdienstli-
chen Dienstvergehen des Beamten in den Anschuldigungspunkten 1 und 2
nach der Schwere des Dienstvergehens eine Zurückstufung in das Eingangs-
amt seiner Laufbahngruppe Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
b) Neben den genannten, erheblich belastenden Umständen, die die Zurück-
stufung des Beamten indizieren, sind durchgreifende Milderungsgründe und
entlastende Gesichtspunkte, insbesondere aus den Erkenntnissen zum Per-
sönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, nicht ersicht-
lich.
Der Beamte kann sich in beiden Anschuldigungspunkten nicht mit Erfolg auf
den Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldet entstandenen, aus-
weglosen existenziellen wirtschaftlichen Notlage zur Tatzeit berufen (vgl. dazu
z.B. Urteile vom 27. September 2000 - BVerwG 1 D 24.98 - juris und vom
24. Oktober 2001 - BVerwG 1 D 47.00 -). Der Milderungsgrund scheitert schon
daran, dass es jeweils an einem zeitlich begrenzten Fehlverhalten mangelt (vgl.
dazu Urteil vom 23. Oktober 2002 - BVerwG 1 D 5.02 - juris). Der Beamte hat in
insgesamt 132 Fällen, quasi in Serie, über einen Zeitraum von einem halben
Jahr „Scheinbuchungen“ vorgenommen und hätte sein Fehlverhalten wohl fort-
gesetzt, wenn er im Juli 2000 nicht aufgefallen wäre (Anschuldigungspunkt 1).
Ähnlich verhält es sich mit den 13 Fällen der Vorlage überwiegend ungedeckter
Notauszahlungsscheine im Zeitraum von Anfang März bis Mitte Juni 2004 (An-
schuldigungspunkt 2). Weder die Verschaffung eines zusätzlichen Kreditspiel-
raums (Anschuldigungspunkt 1) noch das von der Zeugin H. erlangte Bargeld
(Anschuldigungspunkt 2) konnten der Milderung oder Abwendung einer exis-
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tenzbedrohenden Notlage dienen, weil eine solche Notlage des Beamten zur
jeweiligen Zeit nicht bestand (vgl. dazu Urteil vom 6. Juni 2003 - BVerwG 1 D
30.02 - juris). Das durch die Manipulationen kurzfristig verfügbar gemachte und
das durch die Abhebungen mittels Notauszahlungsscheinen erlangte Geld wur-
de zur Überbrückung allgemeiner finanzieller Engpässe (Anschuldigungspunkt
1) bzw. zur Bezahlung einer Autoreparatur, zur allgemeinen Schuldentilgung
sowie zum Kauf von Medikamenten (Anschuldigungspunkt 2) verwendet. Das
rechtfertigt nicht die Annahme einer existenzbedrohenden Notlage. Dies ergibt
sich für die Scheinbuchungen im Jahr 2000 daraus, dass der Beamte zur Zah-
lung der dabei entstandenen Zinsen jeweils in der Lage war. Hinsichtlich der
Abhebungen im Jahr 2004 lässt schon die Einlassung des Beamten, er hätte
sich damals einen Kredit bei der Spardabank besorgt, wenn er von den diszipli-
narischen Konsequenzen seines Verhaltens gewusst hätte, erkennen, dass der
finanzielle Engpass im Einklang mit seinen Dienstpflichten überbrückbar gewe-
sen wäre. Angesichts dessen kann von einem Handeln in auswegloser Lage
keine Rede sein.
Dem Beamten steht auch in beiden Anschuldigungspunkten nicht der mildernde
Umstand des Mitverschuldens von Vorgesetzten oder des Funktionsversagens
des EDV-Systems zur Seite. Dieser Entlastungsgrund könnte dem Beamten nur
dann zu Gute kommen, wenn er im konkreten Fall auf Unterstützung durch die
Dienstaufsicht angewiesen und/oder ein Funktionsausfall des EDV-Systems für
sein Fehlverhalten seiner Meinung nach ursächlich gewesen wäre. Das war hier
aber gerade nicht der Fall. Er hat vielmehr jeweils bewusst und zielgerichtet
aufgrund seiner besonderen Kenntnisse als Schalterbeamter die
„Schwachstellen“ der Systeme für sich ausgenutzt (vgl. dazu Urteil vom
13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 9.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 4
zum Wehrdisziplinarrecht; Wilhelm, ZBR 2009, 158 <159>).
Die Tatsache, dass der Beamte von Anfang an wiedergutmachungswillig war,
d.h. Wiedergutmachungsabsicht bestand (Anschuldigungspunkt 2), ist diszipli-
narrechtlich unerheblich. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. Ur-
teil vom 10. November 1998 - BVerwG 1 D 54.97 - m.w.N.) kann eine solche
innere Einstellung, die eine positivere Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des
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- 33 -
Beamten erlaubt, nur dann hinreichend deutlich festgestellt werden, wenn die
Wiedergutmachung vor Tatentdeckung nach außen erkennbar zumindest in die
Wege geleitet und damit eine entsprechende Absicht in objektivierbarer Weise
offenbart worden ist. Daran fehlt es hier. Zur nachträglichen Schadenswieder-
gutmachung, die ratenweise über ein Inkassobüro erfolgt ist, war der Beamte
ohnehin zivil- und beamtenrechtlich verpflichtet.
c) Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass das einheitliche Dienstver-
gehen des Beamten noch nicht zu einem endgültigen Vertrauensverlust geführt
hat.
Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung oder ein Verlust des
Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit vorliegt, ist nach objektiven
Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschät-
zung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der
Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) der Beamten die Frage, inwieweit der
Dienstherr oder die Allgemeinheit bei objektiver Gewichtung des Dienstverge-
hens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch da-
rauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ord-
nungsgemäß nachkommen wird (vgl. dazu Urteil vom 20. Oktober 2005
- BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260> = Buchholz 235.1 § 13 BDG
Nr. 1). Disziplinarbemessungsrechtlich unerheblich ist deshalb der Umstand,
dass die Einleitungsbehörde den Beamten bereits seit dem Jahr 2001 gemäß
§ 91 BDO vorläufig vom Dienst suspendiert hatte. Diese Maßnahme war nicht
Gegenstand des Rechtsschutzverfahrens des Beamten. Der Senat hatte aller-
dings in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2006 (a.a.O.) die Einbehaltungs-
anordnungen aufgehoben, da er es damals als nicht überwiegend wahrschein-
lich ansah, dass der Beamte wegen der ihm zur Last gelegten Pflichtverletzun-
gen aus dem Dienst entfernt werden würde.
Trotz der erheblichen Verfehlungen des Beamten lassen eine Reihe mildernder
Umstände in seinem Persönlichkeitsbild noch eine günstige Zukunftsprognose
zu. Bis zum Beginn des Dienstvergehens im Jahr 2000 war der Beamte straf-
und disziplinarrechtlich unbelastet und hatte bis dahin ca. 27 Jahre unbean-
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standet gute dienstliche Leistungen erbracht. Er war auch von Anfang an ge-
ständig, hat sein Fehlverhalten eingeräumt und sich - zuletzt in der Hauptver-
handlung vor dem Senat - einsichtig und reuig gezeigt. Dies erscheint glaub-
haft. Ferner ergibt sich für den Beamten insoweit eine günstige Zukunftspro-
gnose, als er seine wirtschaftlichen Verhältnisse inzwischen insgesamt geord-
net hat; seinen Anteil am gemeinsamen Haus hat er seinem Bruder, gegen
Übernahme der Schulden, übertragen. Die Beziehung zu der Zeugin Z. hat er
auf gelegentliche „freundschaftliche Treffs“ reduziert, wie er in der Berufungs-
hauptverhandlung angegeben hat; Unterstützungsleistungen erbringe er nicht
mehr. Letztlich ist zugunsten des Beamten auch die relativ lange Dauer des im
März 2001 eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahrens und die damit not-
wendigerweise einhergehende psychische Belastung zu berücksichtigen. Dies
ist bei allen Maßnahmen unterhalb der Entfernung aus dem Dienst wegen ihres
pflichtenmahnenden Charakters möglich (vgl. dazu Urteil vom 8. September
2004 - BVerwG 1 D 18.03 - Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 m.w.N.). Zur langen
Dauer des Disziplinarverfahrens, das wegen der strafrechtlichen Ermittlungen
von März 2001 bis August 2005 ausgesetzt war, hat der Beamte nicht durch
von ihm zu vertretendes verfahrensverzögerndes Verhalten beigetragen. Alle
diese Umstände sprechen dafür, dass der Beamte im Ergebnis nur eine
Zurückstufung verwirkt hat.
Wegen des verbleibenden Gewichts des einheitlichen Dienstvergehens hält der
Senat allerdings eine Dienstgradherabsetzung des Beamten um zwei Beförde-
rungsämter für erforderlich, um ihm künftig zu einem beanstandungsfreien
dienstlichen Verhalten zu veranlassen. Durch die Degradierung bis in das Ein-
gangsamt wird nicht nur dem Beamten selbst (spezialpräventiv), sondern auch
seiner Umgebung (generalpräventiv) nachhaltig die Schwere seiner Verfehlun-
gen vor Augen geführt. Der Beamte muss sich schließlich darüber im Klaren
sein, dass er bei einem erneuten schwerwiegenden Verstoß gegen seine
Dienstpflichten seinen Status als Beamter aufs Spiel setzt.
3. Aufgrund der langen Dauer des Disziplinarverfahrens macht der Senat auch
von der gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 BDG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, das an
die Zurückstufung anknüpfende gesetzliche Beförderungsverbot auf drei Jahre
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- 35 -
abzukürzen. Die Regelung ist auf sogenannte Altfälle - wie hier - anwendbar,
weil sie im Gegensatz zur Vorgängerregelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 BDO eine
durch Gerichtsentscheidung ausgesprochene Verkürzung der Dauer der ge-
setzlich angeordneten fünfjährigen Beförderungssperre ermöglicht und
demnach eine materiellrechtliche Besserstellung des Beamten enthält (vgl. da-
zu Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 2.05 - juris m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 ff. BDO.
Herbert
Dr. Müller
Thomsen
82
Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Materielles Beamtendisziplinarrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
BBG a.F.
§ 54 Satz 2 und 3, § 55 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1 und 2
BBG n.F.
§ 61 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 62 Abs. 1 Satz 2,
§ 77 Abs. 1 Satz 1 und 2
BDG
§ 9 Abs. 3 Satz 2, §§ 13, 85 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2
BDO
§§ 10, 18 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4
StGB
§ 2 Abs. 3, § 266 Abs. 1
Stichworte:
Posthauptsekretär (Schalterbeamter); Verstoß gegen Kassenvorschriften durch
fingierte Ein- und Auszahlungen in 132 Fällen in ca. sechs Monaten, um sich
bei der Postbank einen zusätzlichen Kreditspielraum zu verschaffen (Einstel-
lung des Strafverfahrens wegen Untreue gemäß § 153 Abs. 1 StPO); in 13 Fäl-
len Vorlage ungedeckter Notauszahlungsscheine bei einer Postagenturnehme-
rin; Schaden ca. 3 848 € (außerdienstliche Pflichtverletzung); förmliches Diszi-
plinarverfahren nach Bundesdisziplinarordnung; wiederholt nachgebesserte
Anschuldigungsschrift; Degradierung um zwei Ämter (bis in das Eingangsamt).
Leitsätze:
1. Für die Frage, ob ein Beamter im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienst-
pflichten schuldhaft verletzt hat, ist die Sach- und Rechtslage zur Tatzeit maß-
gebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB
für den Beamten materiellrechtlich günstigeres neues Recht gilt.
2. Mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechtergerechte
Sprache stimmen § 61 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 62 Abs. 1 Satz 2 und § 77 Abs. 1
Satz 1 BBG in der seit dem 12. Februar 2009 geltenden Fassung des Dienst-
rechtsneuordnungsgesetzes mit den Vorgängerregelungen - § 54 Satz 2 und 3,
§ 55 Satz 2 und § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. - im Wesentlichen überein.
3. An der zu § 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. - außerdienstliches
Dienstvergehen - vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Normstruktur
(vgl. dazu grundlegend Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 -
BVerwGE 112, 19 <22 ff.>; fortführend Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D
20.00 - BVerwGE 114, 212 <215 ff.>; zuletzt Urteil vom 19. Juni 2008 - BVerwG
1 D 2.07 - juris, m.w.N.) hat sich durch den Wegfall des Begriffs „Achtung“ im
neugefassten § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG nichts zugunsten eines Beamten geän-
dert.
Urteil des Disziplinarsenats vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08
I. VG … vom 25.02.2008 - Az.: VG DB 10 K 2372/07 -